© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
Wie verschieden davon war Ihre von jeher politische, aber für
die hcrlichkeil des lebendigen Vaterlandes streitende richtung. Ihre
geschichte der poesie legt immer den maszstab an die dichter, oh sie
es auferbaut und des volks geistigen fortschritt in der seele empfun
den und gepflegt haben, sogar für die thierfabel geht das sittliche
beispiel oder auch die satire Ihnen über das weichere epische leben,
wobei ich doch beherzigte, dasz es im gegensatz zum offenen bekenntnis
auch eine stille, alles epimylhiums entrathende förderung des volks gibt,
und einige Ihrer urtheile über Göthe schienen mir ungerecht, in dessen
jugend und blüte kein deutscher aufschwung fiel, dessen alter die politik
müde sein muste, und der doch so gesungen hat, dasz ohne ihn wir
uns nicht einmal recht als Deutsche fühlen könnten, so stark ist diese
heimliche gewalt vaterländischer spräche und dichtung.
Jetzt haben wir das politische im überschwank, und während von
des volks freiheit, die nichts mehr hindern kann, die vögel auf dem
dach zwitschern, seiner heiszersehnten uns allein macht verleihenden
einheit kaum den schalten, o dasz sie bald nahe und nimmer von
uns weiche!
In wie ungelegner zeit nun mein buch erscheine, das vom vorge
steckten ziel sich nicht abwandte, ist es doch, wer aus seinem inhalt
aufgabe und gefahr des Vaterlandes ermessen will, durch und durch
politisch, es lehrt, dasz unser volk nach dem abgeschüttelten joch der
Römer seinen namen und seine frische freiheit zu den Romanen in Gal
lien, Italien, Spanien und Rritannien getragen, mit seiner vollen kraft
allein den sieg des christenthums entschieden und sich als undurchbrech-
lichen dämm gegen die ungestüm nachrückenden Slaven in Europas
mitte aufgestellt hat. Von ihm zumal gelenkt wurden die Schicksale
des ganzen mittelalters, aber welche höhe der macht wäre ihm beschie-
den gewesen, hätten Franken, Rurgunden, Langobarden und Westgothen
gleich den Angelsachsen ihre angestammte spräche behauptet. Mit deren