essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
VIII.
EINWANDERUNG.
Aus dem unermesznen vorralh des alterthums sind manigfalte züge 161
allem was folgen soll gleichsam als Vordergrund unterbreitet worden,
diese allgemeine Schilderung der Zeitalter, des liirten und jägerlebens,
seiner Übergänge in den ackerbau, in geordnete feste und jahrszeiten,
endlich ein aus glauben, recht und sitte urverwandter Völker gegrifnes
bild, überall durch einklänge der spräche gehalten und belebt, liesz
sich noch gar nicht historisch fassen, aber mitten durch die Unter
suchungen zuckt schon unabweisliche gemeinschaft, und wenn gleich
denkmäler der sprachen unsre reinste quelle sind, wo sie noch spru
delt, dürfen überraschende aufsehlüsse und bestätigungen nicht ver
schmäht oder gering geachtet werden, die aus der poesie, dem mythus
und den gebräuchen des lebens hervorgehn: auch da ist eine zähe
kraft ihrer fortdauer und Überlieferung anzuerkennen.
Nirgend wo europäische geschichte beginnt, hebt sie ganz von
frischem an, sondern setzt immer lange, dunkle Zeiten voraus, durch
welche ihr eine frühere weit verknüpft wird, einheimische götter, ein-
geborne menschen kann nur mythus oder volksage hinstellen.
Darin unterscheidet sich wesentlich Asien und die geschichte sei
ner meisten Völker, die nach verhältnismäszig kurzer aufregung im ge
lobten lande ihrer heimat verweilen und was jene wandernden ein- 162
biiszen, nie verlieren, was jene stufenweise hintereinander erreichen,
auf einmal zusammen besitzen, wie in Kain und Abel alsobald acker
bau und hirlenleben nebeneinander erscheinen, so haben sich bei den
Indern ständige, hart gesonderte kästen von priestern, kriegern, arbei-
tern und knechten entfaltet, die dem verschmelzen und unablässigen
erhöhen der menschheit widerstand entgegen stellen; noch unter Per
sern und Skythen dauerte diese einlheilung in drei stände: krieger,
liirten und ackerbauer, bei den übrigen, wo sie forlbestand, wurde
ihr eine ganz andere Wendung gegeben.
Alle Völker Europas und voraus jene urverwandten, denen es be-
schieden war durch Wechsel und gefahr emporzuringen, sind in fer-
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