© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
EINWANDERUNG
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erst vom jalire 754 vor Chr. zählt; ihr glanz steht zwischen den
kriegen mit Carthago und der eroberung Macedoniens (264— 168),
hält aber an bis anderthalb jahrhunderte unsrer Zeitrechnung; nach
Antonin und Mark Aurel beginnt des weiten reiclis verfall. Wann und
auf welchen wegen Italien, lange vor Roms erbauung, bevölkert wurde,
kann nicht nachgewiesen nur gemutmaszt werden; schon seine west-164
lichere läge lehrt, dasz es Griechenland vorangegangen sein müsse,
die Römer selbst leiteten sich von Troja her und das palladium stammte
ab aus llium. Nicht tochter, ebenbürtige Schwester der griechischen
spräche ist die lateinische, in manchem allerthiimlicher und reiner,
unter den italischen stammen kommen, auszer Sikelern, Sabiner Osker
Umbrer und Tusker in betracht; dem lateinischen dialect hegt der oski-
sche nah, der umbrische ferner, mit welchem sich der stark abwei
chende etruskische berührt, die Rhätier hat man zu abkömmlingen
der Tyrrhener oder Etrusker gemacht; eher trugen wol Rhätier oder Ra-
sener ihren stamm von den alpen in die halbinsel; einzelnes in etrus
kischer sage und spräche klingt an germanisches, die erste einwan-
derung in Ilalien überhaupt scheint aus Ulyrien her erfolgt zu sein.
Unbedenklich das dritte volk europäischer geschichte sind die
Kelten, griechische nachrichten begreifen Gallier und theile der Ger
manen unter dem gemeinschaftlichen namen Reiten oder Galater und
erst die Römer lernten allmälich Gallier von Germanen scheiden, dem
Ilerodot wohnen die Kelten eo/aroi nQOQ r\\lov övG/uuoy (2, 33.
4, 49.)* Livius will, dasz Rituriger schon unter Tarquinius Priscus
etwa 600 jahr vor Chr. über die alpen nach Italien und dem liercy-
nischen wähl gedrungen seien, historisch ist, dasz bald zweihundert
jalire später, 388 vor Chr., Gallier Rom eroberten** und dann ihre
streifzüge wiederholten, von 336 bis 238 hielt Rom mit ihnen friede,
neuer krieg entzündete sich von 226 bis 220 und schlug zu der Gal
lier nachtheil aus: das blatt hatte sich gewendet und ihrerseits dran
gen die Römer 223 in Gallien ein, das sie endlich zu Caesars zeit
fast unterjochten. Die blüte der gallischen macht wird in das sechste
fünfte und vierte jh. vor Chr. fallen, also dem gipfel der römischen 165
noch vorausgehn: um diese zeit hatten die Gallier strecken Germa-
niens, Oberitaliens, Spaniens in besitz; die beiden letzten jbh. vor unsrer
Zeitrechnung sehen wir sie geschwächt, auf einer seile den Römern,
auf der andern den Germanen erliegend. Deutsche wie Römer trieb
es sich nach westen und nordwesten auszudehnen; was (ihrig blieb
von Galliern konnte, gleichsam ins meer gedrängt, nur an der äuszer-
sten küste, auf der britannischen und hibernischen insei geborgen wer
den. hier dauern, für die Sprachforschung günstig, zwei verwandte,
bedeutend abweichende dialecte fort, der welsche und irische, die von
* extremi hominum Morini. Virg. Aen. 8, 727; ut Menapios et Morinos et
extrema Galliarum quateret. Tac. hist. 4, 28; Ultimi gallicarum gentium Morini.