© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
ZEITALTER UND SPRACHEN.
Weder das in unermessener zeit von den höchsten siernen auf 1
uns niederfunkelnde licht, noch die am gestern der erde lagernden
schichten unvordenklicher Umwälzungen gehen unsre älteste geschichte
her, welche erst anhebt wann menschen auftrelen. was vor den men-
schen geschah, so erhaben es sei, ist unmenschlich und erwärmt
uns nicht.
Um des menschengeschlechts anfänge spielt mythus. bald steht
im Vordergrund ein seliges paradies, wo milch und honig fheszeri, die
erde ungepflegt und unbesät fruchte trägt* und noch die thiere reden,
bald musz was alle thiere gleich der menschlichen spräche entbehren
sogar das lebendige feuer den menschen erst errungen werden.
Ein goldnes silbernes ehernes eisernes Zeitalter folgen auf einan
der; unter Kronos herschaft heiszen die langlebigen menschen selbst
noch goldne**, der nordische Fruoto liess gold und friede malen,
amrita, der unsterblichen trank, wurde aus flüssigem gold und milch
bereitet, an des friedens stelle trat sodann krieg und der mensch
brauchte statt goldes eisen, auf den duft und glanz der vorzeit gefolgt
ist farblosere Wirklichkeit, wie wir für alte poesie der prosa bedürfen. 2
Es wird dadurch, nach unverrückbarer stufe, ein herabsinken vom gipfel
früher Vollendung wehmütig ausgedrückt, im scheinbaren Widerspruch
zu dem ewig steigenden aufschwung der menschheit, die sich jenes
göttliche feuer nimmer entreiszen läszt.
Eine andre sage, indem sie von den menschen als jelzt lebenden
einheimischen geschlechtern ausgeht, setzt ihnen früher geschafne fremde
von riesen und zwergen entgegen, in den riesen scheint unmittelbar
das steinalter dargestcllt, da sie auf felsen hausen, ungeheure mauern
thürmen, steinkeulen führen und durch kein metall zu erlegen sind,
während mit den schmächtigen aber kunstfertigen zwergen die zeit des
erzes beginnt, das sie unter der erde schürfen und schmieden: aus
* Lucians Saturnal. 7. 20: Ötiots aonooa xai aprjgora nävra ifpvero.
** daselbst 8. 20.
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