essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
FRIESEN. CHÄUKEN
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verbreiteten und zwar noch im bund mit den groszen für sich selbst
einen eignen verein nach besondrer Verfassung bildeten, man kann
der eintheilung vergleichen das was anderwärts durch ost und west
(s. 442) oder in Friesland selbst durch üp und üt (Uphriustri Ulhriu-
slri, gramin. 1, 419) bezeichnet wurde.
Nach allem diesem stellen sich Friesen und Chauken nur als nah
verwandte zweige desselben volkschlags dar, als der südwestliche und
nordöstliche, und man begreift, warum der chaukische name allmälich
ganz erlosch. Ostfriesen und Nordfriesen scheinen mir nachkömmhnge
der alten Chauken, Westfriesen die der eigentlichen Friesen, wohn
ten die Chauken an der meeresküste, so müssen sie nothwendig die
striche inne gehabt haben, auf welche nachher auch der friesische
name erstreckt wurde, vernichtet worden sein kann der mächtige
chaukische stamm nicht: er wechselte blosz die benennung.
Es verdient gewis aufmerksamkeit, dasz in den geretteten Über
bleibseln epischer poesie neben andern nordöstlichen deutschen Völkern
auch die Friesen und Chauken vortauchen, während die inneren Deut
schen, zumal Sachsen und Schwaben darin keine rolle spielen. Frisan,
Hugas und Höcingas greifen noch ein in die von den Angelsachsen
aus ihrer lieimat mitgenommnen Überlieferungen, Francan und Hetvare
werden mit eingeflochten; auch bei Vidsid dem Wanderer sind alle
diese unvergessen. In der weit jüngern fassung des Gudrunliedes ist
auszer Tenelant Selant, Sturmlant (s. 637) Dietmers (s. 639) Holzäze-
lant (s. 633) eben wieder Friesland wahrzunehmen, andere entstellte
ländernamen würden uns aus einer älteren gestalt des epos deutlich
entgegentreten und immer in dieselben gegenden der nordwestlichen
küste versetzen, was ich über Mateläne, der Hegelingc sitz gerathen
habe (bei Haupt 2, 3) zeigt auf die Vechte im Münsterland, möglicher
weise altchaukisches gebiet, und wie, wenn die mythischen Ilegelinge679
doch Höcingas oder Chauken wären?
Das Gudrunlied gibt dem Herwig von Seeland seeblätter als Zei
chen in die fahne, wie die Friesen sieben seeblätter im Schilde führ
ten: es ist die Wasserlilie, der heilige lotus (mythol. s. 620.) man
weisz, dasz die Friesen früh auf kräuter und blumen achteten, den
Römern wiesen sie die auf ihren insein wachsende herba britannica
(mythol. s. 1147.)
Zwischen Friesland und der gegenüber liegenden britannischen küste
musz uralter verkehr vorausgesetzt werden, lange bevor die Sachsen
und Angeln sich Britanniens bemächtigten, und wahrscheinlich waren
im geleite der Angeln und Jüten auch friesische genossen, auffällt,
dasz im Beovulf 2159. 2175. 2186. 2248 Ilengest, ein führer der
Dänen (Jüten) den Friesen gegenüber auftritt; er könnte sich mit dem
berühmten Ilengest vermischen? jüngere uncritische nachrichten lassen
Hengist und Horsa aus Friesland nach Britannien ausziehen*; ich weisz
van der Bergh ncderl. volksoverleveringen s. 43. 137.