© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
TECTOSAGEN
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den Deutschen konnten sie jedoch nicht mehr für volle landsleute und
stammgenossen gellen, sondern wurden geringgeschätzt und mit abga-
ben belegt. Das keltische element der Gothinen hängt also mit dem
der Bojen, Tectosagen und Helvetier (s. 165. 166. 494. 502) zusam
men, die gedrängt von aufrückenden Germanen aus dem ganzen Ost
gebiet vom Pontus, der Donau bis zum Rhein gegen südvvesten weichen
musten. In diesen gewinden früher Völkergeschichte bleibt aber noch
manches zu erforschen, einiges leicht für immer dunkel. Scheinen
doch jene unenthüllten Tectosagen (s. 165—167), da schon im asia
tischen Skythien bei Ptolemaeus neben Sacae (s. 609) und Suobeni
(s. 489) Tectosacae Texroauxat Texroadyai treten (vgl. Ukerts Sky
thien s. 357. 358), eine weit ältere mischung germanischer und kel
tischer stamme und ich wäre versucht, sogar den ersten theil ihres
namens dem der rheinischen Tencterer (s. 533) zu vergleichen. Livius
38, 16 läszt die unter Brennus ausgezognen Gallier hernach von Leo-
norius und Lutarius geführt Thrakien, den Hellespont und Asien er
reichen und ihre drei hauptslämme das errungene land so verlheilen,
dasz Trokmer das hellesponlische gestade, Tolistobojen Aeolien und 724
Jonien, Tectosagen die vorderasiatische küste in besitz nehmen, wer
kann sich des gedankens entschlagen, dasz schon jahrhunderte vor
dem beginn unsrer Zeitrechnung im östlichen Europa und westlichen
Asien Kelten und Germanen, wer weisz genau zu rathen wie? an ein
ander gestoszen sind. Strabo läszt die Tolistobojen in Galatien, die
Trokmer am Halys und zwischen beiden die Tectosagen hausen: in
Tolistoboji steckt einmal der name Boji, dann eine superlativform, die
an Costoboci mahnt (s. 199. 200.) merkwürdig, dasz jene doppel
gestalt der volksnamen (s. 722) eben die Trokmer mit angeht.
Ich verliere mich zu tief in den osten; nicht zu bezweifeln steht,
dasz die Römer unter allen barbarischen sprachen die gallische am be
stimmtesten erkennen musten und des Tacitus meldung von der gothi-
nischcn nur Wahrheit enthalten kann, ebenso sicher war ihm bekannt,
dasz die Lygier kein gallisch, sondern germanisch redeten; sonst hätte
er sie nicht ausdrücklich den Germanen beigezählt, der name des
lygischen ortes ytovyldovvov, so auffallend er dem gallischen Lugdu-
num entspricht, darf hieran nicht irren, zumal es lygische zlovvoi
gab (s. 712.) es gab auch gallische Lemovices (Caesar 7, 4. 75), die
an jene germanischen Lemovii (s. 717) erinnern mögen, ich weisz
nicht, ob die gallischen Ilelvii und Ilelvelii an unsre Ilelveconen (s. 714).
Auf die wichtigen Lygier wird cap. XXX nochmals zurückkehren und
enthüllen, wie es um sie bewandt war.
Seit der eroberung Britanniens konnte den Römern die bedeu
tende Verschiedenheit britannischer von der gallischen zunge nicht mehr
entgehen, und wenn Tacitus von der lingua Aestiorum ausspricht, dasz
sie brilannicae prbpior sei; so traue ich der römischen beobachlung,
ohne nachweisen zu können, wie ein kellischbritannischer stamm in
der einwanderung urzeit an die ostseeküste verschlagen wurde und
sich dort hernach mit östlichen Germanen verschmolz, aus der all-
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