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RÜCKBLICK
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auf der andern für die Germanen selbst sicli durch Seitengänge ein
zelner Völker irren lassen, das naturgemäsze vorrücken gegen westen
kann durch querzüge oder ausweichungen nach Süden gestört und
verzögert, auf die länge nicht aus seinem ziel gerückt werden. Man
will unsere geschichte beginnen damit, dasz Gothen, Vandalen, Sueven,
Burgunden, Langobarden, Sachsen von norden her sich rühren und
die Weichsel, Oder, Elbe aufwärts gegen Süden sich erheben. Wer
von Gothen redet, setzt ihre heimat ans gestade der ostsee, ja nach
Scandinavien, und läszt sie aus diesem sitz aufbrechen, durch Sarmatien,
Moesien, Pannonien Italien erreichen, fragt aber nicht, von wannen
sie früher zur Ostsee gelangten; zwischen jenem ausgang nach Süden
und der ankunft aus osten können jahrhunderte verstrichen sein, es
wird also nur ein theil der jüngeren geschichte des volks, nicht seine
ältere ins äuge gefaszt. Kimbern und Teutonen rücken südwärts,
Markomannen drängen die Bojen, Sueven die Helvetier in derselben
richtung, und wir erblicken Langobarden, Burgunden (d. i. lygische
Völker), Vandalen, Gothen zuletzt in südlichen sitzen, weil ihnen nord
und west keinen raum darbot; allein alle diese Völker müssen vorher
aus dem osten in der mitte Deutschlands eingetroffen und lange da
verweilt sein, alle weisen nach dem osten zurück, und genauer zu-
gesehn erscheint selbst die südliche Wendung eine südwestliche und
805 im groszen wieder westliche. * So waren auch die Geten aus Sky-
thien in das Donauland gelangt, von wo sie sich nordwärts nach der
ostsee und Scandinavien, südwärts nach Thrakien, Pannonien, Italien
bewegten; nichts zwingt zur annahme, diese südlichen Ostgothen und
Westgothen seien von der ostsee ausgegangen, in Scandinavien saszen
weder sie, noch Burgunden und Langobarden, an der untern Donau
aber musz die lange Wohnstätte aller Geten und Gothen gewesen sein.
Auch mit der Vorstellung kann ich mich nicht befreunden, in
Scandinavien selbst sei die früher wohnhafte deutschere God{)iod von
der nordischen Svifhod gegen Süden zurückgedrängt, sowol in das
südliche Schweden und die dänischen insein als auch in das feste
Deutschland gewichen und erst dann, wie vorhin gesagt wurde, von
der ostsee, längs der Weichsel zur Donau gelangt. ** denn nur ein
theil des groszen Gothenvolks scheint umgekehrt von der ostsee in
Südscandinavien eingewandert ***, während Nordscandinavien von einem
* auch die Griechen rückten aus nordosten siidwestwärts in ihre heimat;
sie müssen am schwarzen meer her durch Thrakien, Makedonien, Thessalien,
Böotien nach dem isthmus und peloponnes eingerückt sein, weil ihnen die ge
rade westliche richtung durch das meer und vielleicht illyrische küstenhewohner
gesperrt war.
** angeführt in einer gelehrten, scharfsinnigen abhandlung Rudolf Keysers:
i om Nordmändenes herkomst og folkeslägtskah,- in den samlinger til det norske
folks sprog og historie 6, 263—462. Christiania 1839.
*** dasz auch auszer den Gothen einzelne häufen anderer volkstämme den
Norden heimsuchten, lehrt nicht nur das beispiel der Heruler (s. 471) und Ru
gier (s. 469) sondern auch die haftende benennung Borgundarhölmr (s. 669) und
Hernö (s. 698.)