© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 393
156
Ueber die Nibelungen.
Ein solcher Abfasser erscheint mir etwa tvie der
Caspar von der Rhone im fünfzehnten Jahrhundert.
Dieser, seinem Stand gemäß blos vornamentlich be
kannte, Bänkelsänger sang in rauher, grober Gebirgs-
sprache Frankens die alten Lieder nach seiner Weise um,
wobei er hauptsächlich viele Strophen (Lieder) ausließ
und um es balder durchsingen zu können, das Ganze
merklich abkürzte. Unstreitig verschlechterte er das, was
er zum Grund unterlegte, dieses aber muß bedeutend,
im Wolfdietrich namentlich, von den übrigen bekann
ten Recensionen des H. B. abgewichen seyn. Das
unsrige, wie es im i 5 .1. h. gedruckt worden ist, weist
durch Anlage und Wendung des Stils und Inhalts
auf eine ältere dem Geist und der Form der Nibelun
gen als vollkommen ähnlich anzunehmende Abfassung
zurück. Nun sind aber sämmtliche seither wenigstens
entdeckten Hss. aus dem löten, einige wenige höchstens
dem i4ten I. h. und es scheint, daß erst im i4ten die
se Lieder aus dem Mund der Sänger in die Schrift
aufgenommen wurden. Der Zufall waltete, wie noch
heut zu Tage in größerer Verbreitung oder Gangbar
keit einzelner Bücher und Lieder ob; denn die Nibelun
gen wurden nach und nach weniger gesungen und ab°
geschrieben. Dennoch sind die mehreren uns übrig ge
bliebenen Recensionen des H.B. selbst bald besser, bald
schlechter und dergestalt verschieden, daß sie den Schluß:
die allerbeste darunter müße gegen eine früher hand
schriftlich oder mündlich vorhandene gleichwohl schlecht
gewesen seyn, nicht im geringsten bezweifeln lassen.
Selbst die allmählige Veränderung der Form
wirft Licht auf die Untersuchung. Die Langzeilen hat
ten früherhin zwar stets eine Ruhe in der Mitte, aber
keinen