© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
sonius und Claudian, man dürfte einzelne wie Boetliius
noch hierher oder schon dorthin zählen, am richtig
sten hebt die mittellateinische poesie mit den christli
chen dichtem an, und alle heidnischen fallen der rö
mischen zu. Wer den werth der ältesten christlichen
poeten in das was sie, fast ohne eignes verdienst, er
erbt oder unverlernt haben, setzen will, mag es thun •
mir scheint er mehr von dem stof abzuhängen, und da
wo der oft liebliche Fortunatus das fränkische königs-
geschlecht oder auslrasische gegenden besingt, gewinnt
er gleich an leben, wie Claudians ungemeine eleganz
durch den leblosen inhalt seiner gedichte gedrückt, die
nicht geringere des Ausotiius in seiner anmutigen Mo-
sella höher gefärbt wird. Für Deutschland * *) fangen
die lateinischen dichter erst seit Hrabanus Maurus an,
und in den schulen zu Fulda, Mainz, Sanctgallen, Con-
stanz, Strafsburg, Tüll, Prüm, Trier, Corvei, Tegern
see, Freisingen und einigen andern empfieng die kunst
weitere pflege, kaum möchte es einer an feinem talent
dem Walafrid Strabo zuvor gethan haben, dessen hor-
tulus weiche verse von innigem gefiihl darbietet, volks-
mäfsige anklänge scheinen ihm jedoch fremd.
Dafs diese auch später noch nicht verschollen waren
leicht auch zum anbau deutscher grammatik, nach Carl des grofsen
beispiel (Eginhart cap. 29 inchoavit et grammaticam patrii ser-
monis.) Wenn ihrer schon eine einzige abtei über ein duzend
verwahrte, wie viel niufs sicli anderwärts des aufgezeichneten,
und gar im munde des volks unaufgeschrieben, damals gefunden
haben?
*) hier abgesehn von Vandalen, Gothen und Langobarden des
5. 6. 7 jh.; lateinische gedichte der africanischen Vandalen unter
Thrasamund und Hilderic von Tuccianus, Etemundis und andern
hat Meyers anthologie n° 545. 546. 547; von dem goth. könig
Sisebutus (a. 650) n° 388.
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