© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
XLl
mlid. poesie scheint mir nun auch die Verlegung des
innern reims aus der casurstelle unmittelbar in Zusam
menhang. Das klingende, nicht mehr in beiden silben
vollhebige wort versagte sich dem reim auf den stumpfen
sclilufs der langzeile, und man war genölhigt für die
sen ein band im schlufs der folgenden zeile zu suchen,
das lied von den Nibelungen und von Gudrun lassen
die erste und zweite, so wie dritte und vierte zeile
jedweder Strophe auf einander selbst reimen, statt wie
früher auf den einsclinitt. Diese neuerung durchzufüh
ren mufs wieder genug in dem epos umgebildet haben,
es wird schwer zu bestimmen sein, in welcher zeit,
ob erst im zwölften oder schon im eilften jh. innere
reime aufhörten, schlufsreime anhuben? Vielleicht
dafs auch dabei ein analoges Verhältnis der mittel-
lat. dichlkunst darf erwogen werden : hexameter kom
men zum Vorschein , die ihren innern cäsurreim in den
schlufs verrücken. so geschieht namentlich durch das
ganze gedieht von Pilatus*), dessen erste Strophe lautet:
i
kürze jener penultima allmälich aufhob, muste die spätere poesie
dahin streben, den siebensilbigen vers auch in einen neunsilbigen
zu verwandeln, ln den kurzzeilen altfranzösischer dichter er
scheint längst und überall das nhd. Verhältnis, dem stumpfen vers
werden acht, dem klingenden neun silben gegeben; diese bemer-
kenswerthe abweichung von der gleichzeitigen mhd. regel beruht
darauf, dafs die romanischen dichter in die natur des klingenden
reims sich leichter fanden als die mhd. Ausnahmsweise laufen je
doch fast bei allen mhd. dichtem (Conrad abgerechnet) schon kling- f ' V/ ^
reimige verse mit vier hebungen unter,was den nhd. brauch vorbe
reitet und erklärt.
*) Leyser hist. poet. med. aevi p.2125. Endlicher codd. vin-
dob. lat. 1, 162 und 277. da sich das mhd. gedieht des 12 jh.
(Mafsm. 147») au f ein lateinisches buch bezieht, so darf man wol
diese metrische bearbeitung dafür nehmen und wenigstens auch
dem 12 jh. beilegen.