Full text: Gedichte des Mittelalters auf König Friedrich I., den Staufer und aus seiner so wie der nächstfolgenden Zeit

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Friedrichs eignen sohn wüten würde. Diese begebenheit und der anrnf ein 
zelner volksstämme fol. 95* lassen an dessen, der sie dichtete, deutschheit 
keinen zweifei übrig. 
Wie aber die eingestreuten deutschen lieder oder liederanfänge nicht 
von einem dichter, sondern von mehrern herrühren, also noch weniger dem 
Verfasser der lateinischen beizumessen, vielmehr aus einer damals schon um 
gehenden samlung, mindestens aus lebendiger Überlieferung entnommen sind; 
scheint es eher gerathen als geboten, auch für die lateinischen gedichte meh 
rere dichter vorauszusetzen, die keineswegs nothwendig auf den unsrigen 
zurückführen. Dafs bei meistentheils mündlicher Übung und fortpflanzung 
der lieder eine gewisse leichtigkeit der form und spräche, die dem nachah 
men und nachsingern allen Vorschub leistete, wie in der deutschen poesie, 
damals auch in der lateinischen sich entfalten konnte, stelle ich nicht in ab- 
rede, und der allerwärts wahrnehmbare Wechsel der lesarten, ja das Verhält 
nis zwischen unserm archipoeta und dem englischen Map scheinen dafür zu 
streiten. 
Es wäre damit lange nicht alles aufgegeben. Offenbar gehören auch 
in der Münchner handschrift die schönsten, bedeutendsten und ältesten ge 
dichte keinem andern als dem archipoeta, wie das an den electus Coloniae 
gerichtete undwidersprechlich darthut. Seine übrigen lieder wurden ent 
weder dem, der die zierliche samlung anlegte, nicht bekannt, oder, was mir 
wahrscheinlicher ist, ihres ernsteren, frommen oder geschichtlichen inhalts 
wegen, aus dem kreis der lustigen vagantenpoesie ausgeschlossen. Der haupt- 
sache nach liegt uns immer sein buch vor. 
Die unserm zehnten gedieht in diesem codex neu hinzutretenden 
schlufsstrophen geben reichere aufschlüsse über das Verhältnis des Verfassers 
zu Reinald, sie verändern einigermafsen die vorher darüber gebildete ansicht. 
Als er dies lied dichtete, scheint der wandernde sänger sich schon unter den 
Welschen umgetrieben zu haben, und aller ausgesprengten Verleumdung zum 
trotz, jetzt dort dem erzkanzler und dessen hofe zu dienst anzutragen; hier 
nach wäre er erst in Italien zu Reinald gekommen, falls nicht ein älteres Ver 
hältnis diesmal nur erneuert wurde. Er bietet sich, wolle ihn der gönner 
behalten (tenere), zum briefschreiben und dichten an, und das deutliche 
c vices in dictamine potero supplere 3 bringt doch zu grofser Wahrscheinlich 
keit, dafs jene summa dictaminum damals oder schon vorher (als noch könig 
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