Full text: Rede auf Wilhelm Grimm und Rede über das Alter

zubieten und in alle beziehungen des vaterlandes einzu- 
greifen. der mensch würde sich selbst geringschätzen, 
wenn er das was seine ureltern nicht in eitlem, vorüber- 
gehendem drang, vielmehr nach bewährter sitte lange 
zeiten hindurch hervorgebracht haben verachten wollte. 
auf die kräftige speise und auf alle leckerbissen der clas- 
sischen literatur mundet auch die einfachere derbe haus- 
mannskost. gerade dasz uns so viel zerbröckeltes, unvoll- 
endetes und lückenhaft aufbewahrtes vor augen geführt 
wird, regt die einbildungskraft an und bruchstücke flöszen 
uns ein mitleiden ein, das sie zu betrachten und zu 
ergänzen auffordert. offenen blicken konnte sich nicht 
bergen, dasz hier ein frisches fast unbebautes feld vor- 
liege, dem günstige erträge abzugewinnen seien. was in 
den letztverflossenen hundert jahren dafür unternommen 
worden war erwies sich als ohnmächtig; darunter ragten 
Bodmers bemühungen als das bedeutendste vor, ohne 
dasz sie nachfolge, geschweige fortschritte aufgerufen 
hätten. Lessings geist ahnte den werth unserer alten 
dichtung, war aber nicht auf das beste und vorzüglichste, 
sondern auf stücke erst des zweiten oder dritten rangs ge- 
fallen. Klopstocks verschrobene kunde von unserm alter- 
thum konnte keine wirkung erzeugen, gründlich und mehr 
als man öffentlich davon gehört hat, war Vossens bestre- 
ben, nur dasz es unter vielen andern arbeiten nicht in die 
höhe wachsen konnte, blosz in seinem werke von der 
zeitmessung blicken deutliche kennzeichen dessen durch, 
was er zunächst vorgenommen hatte. Göthe und Schiller 
zeigten der altdeutschen poesie sich eher abgeneigt als 
förderlich und erst. die neueren romantischen dichter he- 
yannen sie nachdrücklich zu empfehlen. 
Es war uns, mir erst nach anderweit eingelenkten 
schweren versuchen zuletzt gelungen wieder zusammen
	        
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