© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr.
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Aie Quellen einheimischer Poesie werden eben wieder
aufgegraben, der Zusammenhang derselben mit den Dich
Lungen südlicher Völker offenbart sich immer mehr, glei-
cherweise ist eine Hindcutung nach dem Orient nicht
weiter zweifelhaft: auf der andern Seite, was unab-
hängig von fremden Einflüßen auf eigenem Boden ge
wachsen, wird anerkannt, und so scheint e6 immer deuv
licher zu werden, wie die Völker auf einander gewirkt,
was sie gegenseitig sich mitgetheilt und was als selbst
ständiges Eigenthum einem jeden muß vorbehalten wer
den. Haben wir dieses vollständig erkannt, dann dür
fen wir es wagen, dem Faden nachzugehen, welchen
die alte Fabel gesponnen und in wunderbaren Kreisen
und Figuren durch die Welt gezogen. Wie wäre ee
aber möglich, ohne dies Forschen nach ihren Völker
Wanderungen das Leben der Poesie, ihre Entstehung
und ihr Wachsthun» zu begreifen? Wie wir die Form
einer zarten Pflanze, noch aus dem Eindruck, den sie
in dern harten Stein zurückgelaßen, so müßen wir nicht
selten, was bei uns verloren, in einer Abbildung erken-
ne, die bei einem fremden Volk davon entstand, und
die, wenn sie auch nur geborgte Strahlen zurückwirft,
doch den alten Glanz ahnen läßt. Nach keiner Seite
werden wir aber so natürlich hingewiesen, als nach dem
Norven, und darum scheint es Zeit, die Aufmerksam-
keit auch dahin zu lenken. Die Bahn ist erst wenig
geebnet: die Mythologie war es meist, die man auf-
suchte, oft nur, um ihre eine Ungerechtigkeit anzuthun
und stch nach Brweiien für eine Ansicht umzusehen, die
sie im Voraus für eine Nachahmung der griechischen
und römischen ausgab, und welche critischs hieß. An
die ane Dichtung hat man wenig gedacht, und doch
hat die Sonne Homers auch über diese Eisberge ihren
Glanz, uns über die bereiften Thaler ihre Eselsteine
ausgestreut. Zwischen einem wildkriegerischen, thaten-
re»chen Leben, das in den frühen Zeiten meist in See-
raudereien zum Eiwerb des Unterhalts, oder in Heer-
fahrten bestand, welche die Nachbarn zur Triburpflich-
tigkeir unterwarfen, und zwischen einer müßigen Ruhe
und Unthangkeit war das Daseyn der Nordländer ge-
theilt. Ein rauhes Klima verweigerte dann die Lust
eines üppigen leichten Lebens, unv die Zeit nicht wie
Südliche nach Sommern und Tagen, sondern nach Win-
tern und Nächten zählend, waren ste einer stillen Be-
trachtung, dem Nachdenken über die Thaten der Vor-
zeit und Gegenwart hinaeäeken. So scheint e6 aber
auch, als ob sie alle geistige Lust und Kraft der Poesie
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Die Elemente der Poesie einer Nation erscheinen
nie reiner und mehr vereinigt als in den Volksliedern,
und diese sind es, welche aus dem Norden den Freun-
dm der Poesie hier in einer Uebersttzung übergeben wer-
dm. Es schien auch ihnen das Loos bestimmt, das alle
Volksdichtung zu treffen pflegt: die Verachtung und Ge.
ringfchatzung, welche die spatere entgegengesetzte Kiinst-
culrur gern daran ausübt, um sich zu retten; und nur
ein glücklicher Zufall hat sie erhalten, ehe noch so viel
wie bei uns untergegangen war. Gegen das Ende des
sechszehnren Jahrhunderts kam, durch einen Sturm ge-
nörhiger, die Königin Sophia von Dänemark, Mut-
ter Christian des vierten, zu der Insel Huen, wo Ty-
ge de Brahe damals lebte und Anders Söfrcnsön
Wevel, der damiche Geschichtschreiber und Uebersetzer
des Saro Grammalicus. Dieser hatte für die dänische
Geschichte die alten Heldenlieder gesammelt, die Köni-
gir> hörte davon reden, und gewann Lust sie kennen zu
lernen. Aus ihren Befehl also, und nach wiederholter
Erinnerung , gab Anders Söfrenfön Wedel fünf Jahre
nachher (1591.) das erste Hundert jener Lieder heraus;
wie er dies alles in der Dedicarion an die Königin er-
Hundert und vier Jahre spater (1695.), wur-
den sie mir einem neuen Hundert von Peter Syv
vermehrt und unter dem Titel: Kampe-Viser (Kam-
pferweisen^) herausgegeben, darnach öfter gedruckt*) und
•)l^64.)Kovenhaaen (739; 1764. rr. i7«7. in 8. Zu einer
neuen Ausgabe haben siH Nyerup, Abrahamfon und Rahbeck vereinigt,
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Sprachen in Dänemark, Norwegen und Schweden, die
doch nur Dialecce einer und derselben, wie es ursprüng-
lich nur ein Volk, noch gar nicht, oder nicht förmlich
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dert: nicht, daß poetische Momente aufgefaßt wären,
sondern was sie eben gethan oder gegen wen sie Krieg
geführt, wird darin erzählt. Sie sind alle spater ent-
standen, und auch wir besitzen solche historische Lieder
in Chroniken, denen sie etwa an poetischem Werth
gleich kommen, und nicht einmal immer. Schwerlich
wird ein Vorwurf daraus entstehen, daß sie in der
Uebersetzung übergangen sind, wie noch einige andere,
welche sich durch nichts auszeichneten, und nur eine
Variation auf ein schon dagewesenes Thema enthielten.
Wer die Natur der Volkslieder kennen gelernt, der
wird auch die Erfahrung gemacht haben, wie häufig
dieselbe Idee nur wenig verändert wiederkehrt, und wie
mannichsach die verschiedenen Recensionen von einem Lied
sind, jo daß doch an eine absolute Vollständigkeit nicht
kann gedacht werden. Die zweihundert Lieder sind in
der Sammlung in vier ungleiche Theile getheilt, wozu
sich kein rechter Grund zeigt: manchmal erscheint die
Absicht, sie nach dem Alter oder nach dem Rang zu
ordnen; allein, da dies offenbar nicht durchgeführt, so
sind die Emtheilungen in der Uebersetzung nicht beibe-
halten worden. Wir sind zwar der Meinung, daß
jede Zeit sich eigenthümlich verkündigt hat, weil der
Geist nie still steht, sondern immer fortwachst, und
dadurch sich von der andern getrennt, aber eine solche
historische Scheidung ist an der Volksdichtung, die bei
ihrem Alter immer auch neu und jugendlich bleibt, kaum
möglich, und wir glaubten nur den allgemeinen Ge
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gensaß, der so deutlich erscheint, zwischen der Zeit der
heidnischen Heloen und Riesen, und der spätern, wo
eine qemilderre menschlichere Tapferkeit regierte, voll Lie-
besademheuer, wo überhaupt das Leben reicher und an-
m, higer war, ausdrücken zu müßen; und so ist die
Eintheilung in Heldenlieder und Balladen und Mär-
chen entstanden. Hierzu kommt noch ein anderer Grund.
Diese Heldenlieder waren zu der Zeit, wo die Samm-
lung begann, schon verschollen und nicht mehr in dem
Mund des Vockö. Anders Sdsrensön Weder har sie
aus Handschriften genommen: es gehr dies schon aus
der Dedica ion hervor, außerdem tagt Syv (Vorrede
§. i*i.) ausdrücklich: das Hundert, das er gesammelt,
habe er von Lebenden gesammelt, das andere sey ein
handschriftliches Buch, vieles lebendiger Laut; auch wer-
den handschriftliche Liederbücher (§. 17.) und das Ma-
nuskript von dem Riesen Langbein (.§.6.) erwähnt.
Was die Heldenlieder betrifft, so tragen wir
kein Bedenken, sie für uralt auszugeben, und ihre Ent-
stehung weit zurück in die heidnische Zeit, in das fünf-
te und sechste Jahrhundert zu schieben. Es lebt der
Geist jener furchtbaren alten Zeit in ihnen und das
Geschlecht der Riesen, welche an dem Eingänge jeder
Geschichte stehen. Alles Maaß, wie in der Gesinnung
und That, so auch in dem Aeußern, iw den Gestalten,
Waffen, ist ungeheuer: jeder Kampfer hat fünfzehn
Ellen unter dem Knie, Sivard reißt die Eiche aus,
steckt sie an seine Gurt und tanzt damit; ja, vre rech-
te Heldenbraut trinkt dos Bier aus Tonnen und der
zehrt ganze Ochsen. Was aber zunächst darauf führt
es werden Helden darin genannt, welche dazumal leb
Schimmer und einfarbig, aber von gewaltiger Art.
Ohne Einleitung und Erklärung hebt die Erzählung
an, die den Ausgang öfters schon in der ersten Stro-
phe voraus verkündigt, *) und alles einfach und in gro-
ßen Maßen hinstellt: dann treten die Helden selbst auf,
und ihre Reden sind wie Schwertschläge von starken
Armen gegeben, treffend und entscheidend. Die Poe-
sie ist sich ihrer Tiefe noch gar nicht bewußt, sie weiß
nicht warum diese Thaten geschehen, aber sie weiß wie
sie geschehen; darum hat sie nichts zu erläutern, die
Motive sind nicht breit dargelegt, aber die leise Hin-
deurung darauf trifft desto starker. Erst als Hogen
über die verrälherisch gestreuten Erbsen hinfällt, gedenkt
Grimild des vorher geschloßenen Vertrags, daß er nicht
wieder aufstehen dürfe, wenn er einmal gestürzt sey.
Alles in der Mitte liegende, verbindende ist ausgelaßen,
die Thaten stehen streng neben einander, wie Berge,
deren Gipfel blos beleuchtet sind: und betrachtet man
diese Harte bei dieser Erhabenheit, und das vordrin-
gende dramatische in diesen Liedern, so ist dabei eine
Erinnerung an den Geist der alten Tragödie nicht zu
kühn. Orm lüstet es hinauszugehn in den Berg, wo
sein Barer liegt; nun wird gleich erzählt, wie er drau-
ßen am Grab steht, und so stark daran schlägt, daß
der Felsen zerspringt, und der Todte aus seinem Schlaf
*) So beitzt es in dem ersten Lied: Das war der Held Hogen, der ver-
lor feir.en jungen Leib: gleicherweise von der Shriemhilde im Nibe-
lungen Lwd, wie sie zuerst geuannr wird: um sie verloren viele Hel-
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erwacht, klagend, daß er nicht in Frieden unter der
schwarzen Erde liegen könne. Ader der Sohn will sein
Schwert haben, und droht da6 Grab sonst in fünf-
tausend Stück zu zerschlagen: da wirft cs der Todte
heraus, daß die Spitze in der Erde stecken bleidt. Es
ist noch die ganze Größe und Wildheit der altnordischen
Sagen in diesem Lied. Diese Macht der ersten Dich-
tung, die wie ein Berastrom Felsenstücke herunter wirft
und alles mit sich fortreißt, kann doch nimmermehr durch
die spatere Anmuth und äußerliche Vollendung ersetzt
werden. Freilich diejenigen, welche sich auch in der
Poesie eine bestimmte Art herausgesucht, und nur auf
einen Ton aus ihrem vollstimmigen Weltconcerr hören
wollen, werden wenig Gefallen an diesen Liedern tra-
gen. Und doch bricht durch dies ungebandigte Riesen-
leben oft ein zarter Gedanken, wie durch Felsen ein
Sonnenstrahl. Wie edel ist der König, der gegen Vi-^
brich streiten muß: er weiß, daß er unterliegen wird,
doch soll es niemand, seine Braut nicht hören, daß
er einem gewichen; dann wünscht er sich den Tod von
solch einem Helden, und bindet noch zur Beschützung
einen rochen Seidenfaden um seinen goldnen Helm:
und muß nicht Vidnch selbst klagen, daß ec todt zu
seinen Füßen liege? Es kommt auch hier, wie häufig
in andern nordischen Sagen, vor, daß das ganze Le-
ben der Rache für Vater oder Verwandte geopfert wird,
aber rudt diese nickt wieder aur eimr aroLen Wpfw»?
Rührend ist die Sage von der Treue des Löwen er
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zahlt, die fast bei allen Völkern gefunden wird: er
grabt den König aus dem Felsen, tragt ihn fort, und
wenn er ruht, legt er das Haupt in seinen Schoos.
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über darf kein Zweifel gehegt werden, daß die Scalden,
ein besonderes Amt bekleidend, eine besondere Claße bil-
deten, daß sie Gesetze hakten für ihre Poesie, und ei-
ne Kunst übten: *) diese Lieder aber sind nach münd-
lichen Ueberlieferungen ohne eine besondere Kunst vom
Volk erhalten, und von jedem poetischen Gemüth neu
gesungen und gedichtet worden. Beide haben zwar in
den Sagen einen gemeinschaftlichen Gegenstand, durch
den Sinn aber, womit sie ihn behandelt, trennen sie
sich wieder von einander. Dieser Sinn indeß gibt der
Dichtung den Charakter, und theilt, gleichsam die Luft
worin sie athmet, eigne Natur, Gestalt und Leben
mit; man halte einmal, um aus neuer Zeit ein Bei-
spiel zu geben, eine moderne Bearbeitung des Nibelun-
gen Lieds in Stanzen, wie an mehreren Orren Pro-
ben gegeben sind, gegen das Original: es ist nichts
ausgclaßen, kein Zug der Geschichte fehlt, aber wenn
ich jenes mit einem großen Strom vergleiche, der her-
annaht, brausend in lebendigen Pulöschlagen, und sich
langsam fortwälzt, die ganze Welt zu durchziehen; so
gleicht die neue Manier einer Wasserkunst, dre den le-
bendigen Strom durch dünne Röhren preßt, und ihn
*) Der Sealde Sigvatur war so geschickt in der Skaldenkunst (Skalld,-
fkapur), daß seine Zunge so leicht darin sang, als sie sonst redete.
Heimskringla VII. c. 170. Es fehlte auch nickt an Kunststücken. Der
Sealde Hallfredur machte eine achtzollige Strophe zum Dank iür ein
Schwert, die ganz mit einem Buchstaben alliterirt ist, und wo in je
der Zeile das Wort Schwer: vorkommt. Heimskrmgla Vj. c. 09.
Ueber andere Künstlichkeiten der Scalden sehe man Lhre's Briefe in
Schlözers Islärid. Literatur und Uno von Troils Reife.
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Kunststücke springen läßt: sie har die Gewalt der Dich-
tung gebrocken. Die Volkspoesie lebt gleichsam in dem
Stand der Unschuld, sie ist nackt, ohne Schmuck, das
Abbild Gocteö an sich tragend; die Kunst hat das Be-
wußcseyn empfangen, sie kann den Muth nicht mehr
haben ihren Gegenstand hinzustellen, wie er ist, som
dem er muß umkleidet werden. Es ist darüber kein
Streit, man muß es empfinden, aber diese Kleidung
ist es, die wir in den Gefangen der Edda finden, die-
ses Gemeßene, Runde. Dadurch wird nicht gesagt,
daß sie nicht auch sehr einfach seyn können, noch wird
über den Rang zwischen beiden abgeurtheilt; wenn wir
die Volkslieder wegen der Gewalt und Wahrheit lie-
ben, mit welcher sie das Leben und das Größte des
Lebens nah vor uns hinstellen, so sehen wir in den
Kunstgesängen alle Kräfte der Menschheit gesteigert,
die Heiden idealer und höher zu den Göttern gerückt.
Erne nähere Vergleichung wird dadurch möglich, daß
wir an beiden Orten dieselbe Fabel behandelt finden.
In einem Lied (0tr. 27. , welches aus andern Grün-
den nicht zu den Heldenliedern ist gestellt, wiewohl es
an Alter ihnen gleich kommen dürste, wird erzählt, wie
ein verlorener Hammer listig wieder gewonnen worden;
und davon findet sich auch in der Edda Sämundar
ein Gesang. Zug für Zug folgen sich beide Dichtun-
gen in der Fabel,*) nur daß der Riese in der Edda
nicht vor Schrecken über das ungeheure Eßen der Braut,
*) S. Anhang Nr. 27.
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und um sie wieder los zu werden, sondern um sie zu-
heiligen, den Hammer bringen laßt, und daß er, wie
er sie küßen will, unter dem Schleier zurückfahrt, vor
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nen, ist ihnen fremd, und sie haben dafür einen künst-
lichen Buchstabenrcim oder die Alliteration (gewöhnlich
ist sie dreifach, so daß zwei rennende Consonanten in
der ersten Zeile stehen, und der dritte bindend in der
zweiten). Zn diesen Liedern aber herrscht durchaus der
Reim, oft, wie überall wo er von selbst entstanden,
mangelhaft und bloss Assonanz; die Strophen sind ei-
gentlich zweizeilig mit einem Abschnitt in der Mitte,
und von der Alliteration zeigt sich keine Splir.
Eine intereßante Zusammenstellung wird möglich seyn,
wenn die noch ungedruckten Lieder der samundinischen
Edda, welche den Cyklus des Nibelungenlieds berühren,
erst vollständig bekannt sind. Denn zu diesem gehören
auch unsere Heldenlieder, es wird Chriemhildens Ra-
che darin besungen, die Blüthe und der Untergang der
heldenmürhigsten Zeit; Dieterich von Bern, auf dem
der höchste Glanz des Ritterthums lag, sammt seinen
Gesellen. Was wir bis seht von den eddaischen Lie-
dern kennen,*) stimmt dem Inhalt nach mir der Wol
jungst Saga, dem ursprünglich nordischen Gedicht über
ein, im Gegensatz zu unsern Liedern, welche zu der
deutschen Sage mehr sich neigen. Eben so hat die
Darstellung einen ganz andern und jenen Charakter der
früheren Scaldengesange: wir vermögen dies deutlich in
dem Lied, das Brynhildur, die ein höheres Wesen,
*> Durch die Güte des Herrn Generals, Grafen von Hammerstein, der
sich selbst für die nordische Literatur intereßirt, hoffe ich nächstens in
dem Besitz einer vollständigen Abschrift dieser herrlichen Rhapsodien zu
seyn, und sie den Freunden dieser Poesie mittheilen zu können.
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
«ine Walkyria ist, auf dem Scheiterhaufen singt,*) zu
unterscheiden.
Indem wir den Inhalt dieser Lieder genannt, ha-
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**5- XXII «
«ine reiche Nachkommenschaft hervorgegangen. Wenn
also ein Abborgen von irgend einer Seite gelaugnet wird,
so muß doch zugegeben werden, daß daö nordische Ni-
belungen Lied weniger ausgebildet, und wie oben von
aller nordischen Poesie behauptet worden, uranfanglicher
erscheine. — Nach unsrer Ansicht haben solche einzel-
ne Heldenlieder sich in den deutschen Nibelungen ver-
einigt und sind bei uns untergegangen; wenn aber die
nordischen, gewiß nicht alle, sich hier erhalten, so sehen
wir das Verlorene in einer verwandten Gestalt, und
finden es zum Theil wieder.
Hiermit ist auch die Frage nach der historischen Be-
deutung dieser Lieder erledigt, indem wir sie jenem Cy-
klus vindicirt haben. Daß das Nibelungen Lied auf
Wahrheit und Geschehenes zurückführe und Poesie und
Geschichte noch ungecrennt in ihm rede, wird nicht lan-
ger me^k gelaugnet werden. Die moderne Geschichte
hat irgend einen Punct gewählt, von welchem aus sie
die Welt betrachtet, und nun greift sie ängstlich in den
Vorraih gesammelter Facta und sucht heraus, was sich
um diese beschrankte Ansicht reihe, während in die Na-
tionaldichtung der Geist des Lebens und der Völker
übergegangen ist und darin waltet. Er hat ein ande-
res strengeres Gericht gehalten: was in sich leer, als
bloses Werk eines künstlichen Treibens, nicht aus dem
Volk hervorgegangen war, und es wiederum nicht be-
rühren konnte, das ist zusammengefallen und unbeach-
tet geblieben; aber jeder That, welche die innere Lust
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xxm —■
vollbracht, hat er ein Wort, ein Bild, verliehen, zwar
ein einfaches, aber ein wahres und unvergängliches.
Und diese poetische, bildliche Wahrheit ist es, welche
sich, wie im Nibelungen Lied, so auch in diesen Lie-
dern erhalten, selbst wenn sich bei dem Gang durch so
viele Jahrhunderte alle critische abgestreift hatte. Wann
sie aber in Vieser Gestalt aufgefaßt worden, laßt sich
nicht bestimmen, da nicht einmal das Alter der Ma-
nuskripte angedeutet ist, so viel leuchtet aber ein, daß
es zu der Zeit geschehen, wo das Christenthum schon
im Norden eingeführt war, denn der Gegensatz zu den
Heiden wird einmal darin ausgedrückt; *) also noth-
wendig nach dem elften Jahrhundert, wahrscheinlich aber,
der Sprache nach zu urtheilen, viel später, etwa in
dem vierzehnten.
In dem Anhang ist es versucht, darzuthtin, wie
mannichfach diese alten Lieder im Ganzen oder- Einzel-
nen mit den Sagen anderer Völker übereinstimmen,
wie sie in diesen Uebereinstimmungen wiederuin verschie-
den sind, und wie seltsam sie auf die fernsten Länder
hindeuten und sich damit verbinden. Chriemhildens Ra-
che, die hier auf der kleinen kaum bewohnten Insel
im Sund, wird im deutschen Gedicht in der Stadt
des großen hunischen Reichs ausgeübt; die Helden, die
nur über drei Acker Land hergekommen, ziehen dort
über die Donau auf der großen Straße Deutschlands.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Der Streit des Löwen mit dem Lindwurm, dem der
König hilft, wird in unserm Heldenbuch von einem
griechischen Kaiser in der Lombardei bestanden. Wie
der Löwe den König, so hac ein Panther im Mor-
genland seinen Befreier dankbar fortgetragen. Endlich
der nordische Held gedenkt der kalten Winter, da er
vor Troja gelegen. Wie wunderbar erscheint dies al-
les! als ob eine geheime Verbindung aller Volker be-
standen, oder als waren diese gleichen Töne in den ent-
ferntesten Gegenden von einer gemeinsamen Melodie übrig
geblieben. In dem Gemüth des Menschen liege«! Er-
innerungen aus der frühesten Kindheit, oft lange, und
stehen auf einmal hell vor ih«n, aber Statte oder Zeit
ist vergeßen: warum sollten sie den Völkern nicht ge-
blieben seyn, und was kann es hindern, daß der le-
bendige Sinn, der keine Zeitrechnung kennt, sie an die
Gegenwart knüpft? Nur als ein herrliches Zeichen in
dieser stehend, kennt die Poesie eine Vorzeit nicht als
etwas vergangenes.
Die andere Abtheilung enthalt Balladen und
Märchen. Diese werden den meisten naher stehen,
nicht nur wegen ihrer Mannichfaltigkeit, sondern auch
weil es unmöglich ist, daß diese Poesie nicht für jedes
Gemüth einen Punct habe, der es berühre und erfreue.
Hier sind alle Farben des Lebens ausgetheilt: Scherz,
Lust, Muth, Ueppigkeit, treue Liebe, Trauer nnd höch-
stes Leiden, und in der Tiefe ruhen die Geheiinniße
eines fchönen Glaubens, der .die ganze Natur belebt
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und erhöht, den Stein vor Leid ins Waßer sinken
laßt, Zwerge aus den Felsen hervorgehen, einen kleinen
Vogel in eine schöne Jungfrau sich verwandeln. Er
ist die eigentliche Mariboe-Quelle, aus welcher alles,
was getrennt und getödtct wurde, vereinigt und leben-
dig wieder aufsteht. Wie einfach, wie unbedeutend
sieht manches aus, und doch wie poetisch, wie reizend
dies stille Wesen! eine verwaiste Jungfrau steht am
Bach und wascht, da kommt ein stolzer Ritter vor-
bei,' der spricht mit ihr, und entdeckt sich als Bruder
unb führt sie zum Glück; eine andere naht einsam in
der Kammer, und ^oeint, weil der Ritter sie verrathen,
dem sie anvertraut worden, oder weil der junge König
sie gelockt, und ihr Geschenke gegeben; beiden aber wird
es noch wohl. Dagegen in andern ist die Zauberei
hellwarmer nordischer Sommernächte: die Königin hört
im Bett den Klang zum Tanz, und eilt mit ihren
Jungfrauen hinaus; stolz Signild laßt sich nicht abra-
then, geht zum nächtlichen Reihen und muß verderben;
oder vor dem halb träumenden ranzen die Elfenjung-
frauen, deren Anschauen und Schlag ans Herz den
Tod bringt. Wer wird es ohne Rührung lesen, wie
die Mutter im Grab ihre weinenden Kinder hört und
aufsteht, sie zu trösten? wie Golvburg ihren Liebsten
in den Tod ruft? oder wie Hafbur lieber sterben will,
als die Haare Signildcns zerreißen, womit sie ihn ge-
bunden haben? Auf der andern Seite, was kann er-
götzlicher seyn , als das Spiel zwischen der Königstoch-
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
11
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ter und dem Stallbub, der ihr Ehre und Treue abgc
winnt? Der Humor des Herrn Zon, der überall vor-
aus ist, oder die Ueppigkeit des Leichtsinns, der sich erst
gefangen geben will, wann die Nordsee vertrocknet ist?
In den Märchen ist eine Zauberwelt aufgethan, die
auch bei uns steht, in heimlichen Wäldern, unterirdi
schen Höhlen, im tiefen Meere, un!^Mn^Kindern noch
gezeigt wird. Häufig kommt es vor, daß eine Mutter,
unwißend oder aus Noth, ihr Kind verkauft hat an
ein Ungeheuer, wie hier die Königin an einen wilden
Nachtraben, das es wegtragt, oder deßen Zauber da-
durch gelöst wird. Oder auch, daß der Bruder die
verlorene Schwester aufsucht, und in Meeresgrund fin-
det, wo sie ein wilder Zauberer in seinem Waßerschloß
halt, der das Menschensieisch wittert, und vor deßen
Wuth ihn die Schwester schützt, bis sie endlich erlöst
werden. Hier muß man zuletzt mit dem armen Ros-
mer, der seine Frau selbst auf dem Rücken unwißend
aus dem Meer tragt, und wie er sie unten nicht mehr
findet, vor Leid ein Stein wird, Mitleid haben. *)
Diese Märchen verdienen eine beßere Aufmerksamkeit,
als man ihnen bisher geschenkt, nicht nur ihrer Dich-
tung wegen, die eine eigene Lieblichkeit hat, und die
einem jeden, der sie in der Kindheit angehört, eine
goldene Lehre und eine heitere Erinnerung daran durchs
ganze Leben mit auf den Weg gibt; sondern auch, weil
*) Auch Musäu« hat diese« Märchen bearbeitet, aber in seiner Manier,
nicht einfach und gerad, wie wir es noch lieber hören: Kmder nicht
anders.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
XXVII
sie zu unsrer Nanonalpoesie gehören, indem sich nach-
weisen lässt, daß sie schon mehrere Jahrhunderte durch
unter dem Volk gelebt.
Seltsam ist das Lied von dem Held Vonved, ( Un-
ter dem Empfang des Zauberseegens und mit rathsel-
haften Worten, daß er nie wiederkehre oder dann den
Tod seines Vaters rachen müsse, reitet er aus. Lange
sieht er keine Stadt und keinen Menschen, dann, wer
sich ihm entgegen stellt, den wirft er nieder, den Hir-
ten legt er seine Räthsel vor über das edelste rmd ab-
scheuungswürdigste, über den Gang der Sonne und die
Ruhe des Todten: wer sie nicht löst, den erschlagt er;
trotzig sitzt er unter den Helden, ihre Anerbietungen ge-
fallen ihm nicht, er reitet heim, erschlagt zwölf Zau-
berweiber, die ihm entgegen kommen, dann seine Mut-
ter, endlich zernichtet er auch sein Saitenspiel, damit
kein Wohllaut mehr den wilden Sinn besänftige. Es
scheint dieses Lied vor allen in einer eigenen Bedeutung
gedichtet, und den Miömuth eines zerstörten herum-
irrenden Gemüths anzuzeigen, das seine Räthsel will
gelöst haben: eö ist die Angst eines Menschen darin
ausgedrückt, der die Flügel, die er fühlt, nicht frei be-
wegen kann, und der, wenn ihn diese Angst peinigt, ge-
gen alles, auch gegen sein Liebstes, wüthen muß. Dieser
Charakter scheint dem Norden ganz eigenthümlich ; in dem
seltsamen Leben Königs Sigurd, des Zerusalemfahrers, *)
auch in Shakespeares Hamlet ist etwas ähnliches.
*) Heimskringla XII.
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Am Ende sind mehrere Lieder zusammengestellt,
die ihren Stoff aus der Geschichte des zwölften und
dreizehnten Jahrhunderts genommen. Es zeigt sich in
ihnen recht merkwürdig die Art, wie sich das Volk die-
se aufbewahrt und zu eigen macht, denn sie sind sämmt-
lich viel gesungen und gelesen worden. Vergleicht man
damit die Parallelstellen aus der urkundlichen Geschich-
te, die in dem Anhang gesammelt sind, so wird man
sehen, wie genau sie sich an die factische Wahrheit
halten. Allein sie enthalten noch etwas mehr, nämlich
eine poetische Ansicht und Ausschmückung. In dem
Cyklus von dem Marschall Slig, in welchem sich, wie
irgend in einer griechischen Mythe die Macht des
Schicksals darstellt, denn er muß die Ehre seines Wei-
bes rachen, und nun rächt sich die beleidigte Heiligkeit
der Königswürde wieder an seinen Freunden und Kin-
dern, daß die Tochter des mächtigen Mannes bettelnd
durch die Welt ziehen, und die Gnade anderer anru-
fen, bis ein fremder König die wegemüden aufnimmt:
aber die eine stirbt, die andere zieht ein Zauberer ins
Waßer; in diesem Liedercyklus erscheint jene Verbin-
dung des Wunderbaren, des phantastischen, (wie der
Tanz, womit das Schloß gewonnen wird,) mit der
geschichtlichen Wahrheit recht innerlich begründet, und
man sieht wohl, daß es nicht zusammengelegt, sondern
aus einem Keim entsproßen und zusammengewachsen ist.
Man wird es einmal einsehen, daß dies poetische Auf-
faßen keine Lüge, weil cs in der Natur begründet ist,
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
indem zur Wahrheit nicht das Factum hinreicht, som
dem auch der Eindruck gehört, den es in das Gemüth
der Lebenden macht; und diese poetische Ansicht, dieses
Summe des Volks gefolgt sey und der Geschichte der-
traut habe, wie sie gewachsen war, nicht, wie sie von
geschäftigen Handen getrocknet und aufbewahrt worden.
Die Geschichtschreiber achten es gering auf das Privat-
leben Rücksicht zu nehmen, und beschreiben nur das
politische Treiben, wahrend doch die Götter selbst zu
den Wohnungen der Menschen herabgestiegen sind und
ihr Leben betrachtet haben. Der einäugige Othin ist
oft verkleidet in die Hallen der Könige getreten, und
hat nicht blos im Krieg ihnen beigestanden. So hat
uns die Geschichte von der Königin Dagmar kaum den
Namen erhalten, da die Lieder uns ihr frommes Le-
ben entfalten, auf welchem der Glanz eines reinen Him-
mels liegt (wie auch ihr Namen: Tagfrau, andeutet),
und welches ein beßeres Büd jener Zeiten gibt, als die
kalten Beschreibungen der Historiker von einer ganzen
Königöregierung.
Was wir überhaupt in all diesen Liedern lieben,
das ist die Lust des Herzens, die darin spricht, die
trauert oder sich freut. Wir müßen sie als das Höch-
ste achten, weil aus ihr allein entspringt, was man
durch Leben, Wahrheit, Schönheit, Poesie, oder sonst,
ausdrücken will. Daö ist der große Unterschied der
Volksdichtung vor der Kunst, daß sie keine Wüsten
kennt, sondern die ganze Welt grün, frisch und ent-
zündet glaubt von Poesie, daß sie weiß, es werde doch
alles von dem Himmel umfaßt und nichts sey unge-
zählt; auch kein Haar auf dem Haupt. Darum sagt
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
XXXI
sie nichts, als was nothwendig, was wirklich bezeichnet,
und verschmäht allen äußern Glanz, (wie die singen-
den Vögel einfarbig sind); darum ist sie auch unbe-
kümmert um den Zusammenhang, abgebrochen, und
fällt doch nie heraus. Mit der Kunst aber ist cs an-
ders, sie hat zu besorgen, man möge den Zusammen-
hang nicht erkennen, weil sie an eine Leere und Un-
poesie glaubt, darum will sie alles sagen, nicht blos
andeuten und fast mehr seyn als ihr Gegenstand, vor
dem sich die Volksdichtung immer demüthigt; darum
quält sie sieb in der Beschreibung und Umschreibung des
Kreises, den sie nicht ausfüllen kann und der immer
wieder von einander fallt. So konnte, nach der indi-
schen Mythe, die Göttin Mariatale das Waßer ohne
Gesäß in eine Kugel zusammengeballt tragen, aber eö
zerfloß, als sie die Unschuld ihrer Gedanken verlor.
Soviel von dem Geist dieser Lieder; wir haben
nun noch einiges von ihrer Verwandschaft mit benach-
barter Poesie und von ihrer äußeren Struckur zu be-
merken. Auffallend nämlich ist es, wie sie den engli-
schen ähnlich sind, sowohl an Tiefe und Weltansicht,
als in der äußerlichen Darstellung. Nur scheint es,
als ob die englischen, als spater gesammelt, ausgebilde-
ter, aber auch breiter waren. Es laßt sich diese Ueber-
einstimmung leicht aus der Geschichte erklären^ indem
schon im fünften Jahrhundert Jäten und Angelsachsen
England bevölkerten und spater im neunten ganze Hor-
den Norrmannen hinüber gezogen sind, ja auch dänische
***) Daß er nur bei einigen englischen angegeben ist, mag die Schul-
der Sammler seyn, wo er aber so innerlich nothwendig erscheint,
wie in dem Lied: Eduard, wie ist dein Schwert so roth! da darf mar:
auf Allgemeinheit deßelben schließen.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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zwungen! Manchmal enthalt er den Grund, worauf
die ganze Begebenheit beruht, und erklärt so den Zu-
sammenhang, wie in dem ckoften Lied. Dann tönt er
auch wie ein Ruf deö Schicksals, wie in dem Lied
vom Held Vonved. Beim Gesang muß er eine eigene
Wirkung gemacht haben, da sie sich schon beim Vor-
lesen etwas davon zeigt.
Weniger bemerkbar ist eine Uebereinstimmung der
dänischen Lieder mit den deutschen. Diese erscheinen
in ihrer Sammlung mannichfacher durch die verschie-
denste Art und Manier der Dichtung, wahrend jene
sämmtlich eine gewiße nationale Eigenthümlichkeit und
Familienähnlichkeit haben. Wir zweifeln aber nicht,
daß diese Mannichfaltigkeit der deutschen durch den Bei-
trag spaterer Jahrhunderte, die verschiedene fremdartige
Einflüße empfangen, entstanden sey, wodurch ihre Rein-
heit gestört und ihre ursprüngliche Natur versteckt wor-
den. Unverkennbar ist z. B. der Einfluß, welchen die
sogenannte schlesische Periode auf die Volksdichtung hat-
te, und wodurch so manche von den schönen hellklin-
genden Liedern entstanden und volksmäßig geworden
sind, während auf sie selbst wiederum die südliche Dich-
tung gewirkt hatte; so daß sie das Medium war, wo-
durch auch jener Glanz den deutschen Boden berührte.
Demnach kann eine Uebereinstimmung mit den deutschen
nicht so deutlich in die Augen fallen, wie bei den eng-
lischen, die doch wirklich vorhanden ist. Ein paar Bei-
spiele, die wir anführen wollen, werden mehr beweisen,
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
XXXIV
als viele anderweitigen Gründe. Erstlich das schöne
Lied: Es liegt ein Schieß in Österreich*) findet sich
auch schwedisch;**) eben so das Lied: Edelkönigskinder,
das in mehreren Recensionen existier, und wobei durch-
aus an keine Uebersehung kann gedacht werden; dem
Inhalt nach ganz übereinstimmend, und nur in den
Wendungen und Ausdrücken verschieden. ***) Sodann,
die zwei Lieder von dem Pfalzgrafen, der seine Schwe-
ster holen laßt und durch den Tanz erforschen will, ob
das wahr, wetzen man sie beschuldigt, und als er es
befindet, sie grausam tödtet,****) kommen überein mit
einem Theil der Erzählung im 8zsten Lied. Wenn man
aus der deutschen Sammlung diejenigen Lieder heraus-
scheidet, von welchen man vermuthen darf, daß sie mir
*) Wunderhorn. I. 22v.
»») Der ligger er Slot i Öiterng; trykt »688. und iGefle »Zao.
Es soll auch dänisch gefunden werden.
***) Nach einem fliegenden Blatt: En ynkelig wifa, huruledes en
konung» Son gas iig i fara for lin hiertan» kareste skul och
therigenom sorgecks; (ohne Iahrszahl) übersetzt in Kosegartens
Blumen (Berlin igoi.) S. 96. Das deutsche Lied steht am vollftänr
-igsten und am mei»ten übereinstimmend mit dem schwedischen, im
Wunderhorn il. 252. No. 72. in Hägens und Büfchings Volksliedern
enthält dasselbe, nur daß einige Strophen fehlen. Uebrigens bemerke
ich, daß die Verse, welche Hagen aus Kosegartens Ida von Pleßen
anführt, nicht mit dem hier erwähnten schwedischen Volkslied überein-
stimmen; welches vermuthen läßt, daß noch eine andere schwedische
Recension vorhanden, wie auch noch ein Druck, Gefle 1801, existier.
Der verlorene Schwimmer (Wunderhorn 1. 23$.) scheint auch ur-
sprünglich auf derselben Sage zu beruhen, und kommt in einzelnen
Ausdrücken, die im andern Liede fehlen, z. B. „ Cs fließen nun zwei
Waßer wohl zwischen mir und dir." mit dem schwedischen überein.
Luch dänisch wird das Lied gefunden, aber nicht in den Kämpe - Vifer.
***#) Wunderhorn r. 259. u. 272.
: 1 /
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
den dänischen von gleichem Alter, mithin vor dem 17.
Jahrh, schon da gewesen sind,*) und die, wenn man
vergleichen will, allein dürfen dagegen gehalten werden,
xxxvi ***
und 88. Ein analoger Fall ist in dem Verhältniß des
spateren Sylbenmaaßes des Heldenbuchs zu dem ur-
sprünglichen. Eine besondere Abweichung enthalt das
rzste Lied: hier sinket sich zwar die erste Halste regel-
mäßig, allein die andere besteht nur aus zwei oder drei
Accenten; dies gibt dem Rhythmus etwas rasches und
springendes, welches zu dem Inhalt recht wohl paßt.
Aehnlich ist daö Sylbenmaaß des 44sten Lieds. Diese
langzeilige Strophe kommt im Ganzen mit dem Syl-
benmaaß des Nibelungen Lieds überein, wie man leicht
bemerken wird. Doch zeigt sich auch wieder Verschie-
denheit: dort sind npist nur sechs Accente, der Abschnitt
ist fast regelmäßig weiblich, und überhaupt ist der Rhyth-
mus viel gemeßener und geregelter. Dort herrscht auch
der Iambe vor, hier der Trochäus, welches zum Theil
in der verschiedenen Neigung der Sprache, (die z. B.
das Pronomen an das Substantivum hinten anhangt),
seinen Grund haben mag. — Zweitens die Strophe,
die aus zwei kurzen Zeilen von vier bis sechs Accenten
besteht, die keinen Abschnitt haben, reimen, männlich
oder weiblich, und in mannichfachem dackylischen, rro-
chäischen und jambischen Rhythmus abwechseln. Es ist
häufig bei dieser kurzen Strophe, daß die zweite Zeile
der vorhergehenden Strophe bei der folgenden wiederholt
wird, öfter auch noch die zweite Hälfte der ersten, so
daß dann jede Strophe drei Zeilen oder drei und eine
halbe hat.*)— Merkwürdig ist nun, daß wir diesen
*} Im Original ist diese MederhLlung immer mit abgedruckt worden.
xxxvn
zweifachen Hauptrhythmus ebenfalls bei den englischen
und denjenigen deutschen Liedern finden, welche den ur-
sprünglichen Charakter noch erhalten haben. Die lang-
zeilige Strophe mit dem Abschnitt erscheint als die alte-
re, denn die Lieder in der kurzzeiligen sind im Ganzen
betrachtet offenbar die jüngern, und sie ist wahrscheinlich
das epische Sylbenmaaß gewesen. Die Heldenlieder sind
darin erzählt, alle alten Lieder bei Percy, und ihre Aehn-
lichkeit mit dem Sylbenmaaß des Nibelungenlieds muß
unsrer Ansicht sehr willkonimen seyn.
Man darf schließen, daß es nach diesem zweifachen
Hauptrhythmus auch nur zwei Hauptmelodien gegeben.
Bei der großen Freiheit aber, womit man den Vers
zu mehreren Accenten ausdehnen, und wieder einzie-
hen konnte, ist es einleuchtend, daß sie nicht wie mo-
derne für eine genau gemeßene Sylbenzahl eingerichtet
und fest bestimmt waren, sondern ebenfalls sich frei er-
weiternd und das Ganze regierend mannichfaltig genug
seyn mußten. Gewiß waren diese Melodien langsam
und traurig in Molllönen, wie die Volksweisen aller
Völker sind. Syv sagt in der Vorrede (§. 21.): es
sey vordem gebräuchlich gewesen, daß erst das Lied
gesungen wurde, und darnach der Inhalt erklärt; auch
(§. 14.), daß manche von den Melodien, womit die
alten Lieder gesungen würden, so angenehm, als ir-
gend neue, und daß Rescnius niehrere davon gewußt,
in der Uebersetzung nicht, weil sie sich leicht macht; außer bei Mar"
Stigs Töchtern, wo e« der Sinn verlangte.
xxxvm
die aber so süß und wohlklingend gewesen, daß manche
von den schönsten Psalmen in ihrem Ton gesungen wür«
den. Gewiß auch war der Gesang höchst einfach. ES
ist bis jetzt nur einiges zu uns gekommen,*) allein al-
le Volkögesange stimmen darin überein, daß sie nur
wenig Töne in geringer Abwechslung haben, die aber
einen starken festen Eindruck geben: wie war es auch
sonst möglich, da es niemand aushalten würde eine
moderne künstliche Melodie durch so viele Verse wie-
derholt anzuhören.
Das wollte ich als Einleitung zu dieser Uebersetzung
sagen: von der Treue derselben, und von den Grund-
sätzen, die ich dabei befolgt, rede ich nicht weiter, da
sie leicht bei einer Vergleichung mit dem Original ent-
deckt werden können. Alterthümlicher sollte die Spra-
che darin nicht erscheinen durch eingemischte alte For-
men und Wörter, die nichts mehr bedeuten als die
üblichen, weil ich das nicht als einen Vorzug ansehen
kann, daß sie außerdem noch unverständlich sind. Nur
die alten Ausdrücke, doch auch sparsam, sind gebraucht,
welche, wie ich glaube, überhaupt wieder in unsere
Sprache könnten eingeführt werden, deren Bedeutung
nämlich augenblicklich klar ist; alles was hier nicht un-
*) Die Melodie zum ?ten Lied der zweiten Abtk». findet sich in Bragur,
zum 88ften in Nyerups Ankündigungsschrift; dort werden noch ein
paar Melodien eitirt, die gedruckt find. Da aber der neuen Ausgabe
der Kämpe-Vifer alle noch zu gewinnenden Weifen sotten beigefügt
werden, so habe ich diese wenigen nicht mittheilen wollen, um eins
mal sämmtliche als einen Nachtrag zu liefern.
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mittelbar als ein lebendiges Glied eintreten und gefaßt
werden kann, scheint mir unrecht darzubieten. — Ich
wünsche, daß dies Buch vielen Freude gewahre durch
die Betrachtung dieser Tugenden, der Herzlichkeit, der
Treue, der Liebe und der großen Gesinnung der Hel-
den. Waö uns wieder berührt aus alter Zeit, das
lebt auch wieder, und so wird vielleicht jener Glauben
der Völker, den wir nicht ohne eine gewiße Wehmuth
als vergangen betrachten können, von der Unsterblich-
keit ihrer Ahnen, in einer Hinsicht wenigstens geret-
tet. Wer in Seligkeit stirbt bei den Indiern, aus des-
sen Leib geht eine Flamme und seht sich auf die Lip-
pen des Gottes; so ist, was göttliches Ursprungs ge-
wesen, auf die Lippen der Poesie geflogen, als das
sterbliche vernichtet wurde. Sie spricht cs aus durch
die Welt, und es ist ein unvergängliches Leben darin.
Jeder reine Sinn hat sie einmal gehört, und wenn sie
spater vor einem verwirrten Treiben ihm verstummte,
so muß doch die alte Lust daran sich regen, wann er
ihre Stimme wieder vernimmt. Jener persische König
war als Kind von einer Löwin im Walde getragen und
gesaugt worden; einmal, nachdem er sie langst verges-
sen über den Glanz seiner Krone, jagte er in dem Wal-
de und erblickte sie wieder: ein unbezwingliches Gelüst
überfallt ihn, er muß absteigen von seinem Pferd, und
sich, wie er als Kind gethan, auf den Rücken des
Thiers sehen, das ihn freudig in des Waldes Finster-
niß forttragt, aus der er nicht zurückkehrt. Wie in
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dieser Sage eine Wahrheit, der wir uns zugethan füh-
len, so liegt sie als Kern in aller alten Poesie; dane-
ben aber stehen die Täuschungen der Zeit: wenn wir
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- 4 -
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Das war der Held Hegen, der ging auf und ab an dem Strand',
Fand da eine Meerfraue, die ruht' auf dem weißen Sand.
Heil dir \ Heil dir! liebe Meerfrau, du bist ein künstlich Weib:
Komm ich in Hvenilds Land, kann ich behalten meinen Leib?
„Burgen hast du starke, auch vieles Gold so roth:
Kommst du auf Hven das Eiland, da wirst du geschlagen zu todt."
Das war der Held Hogen, der schnell sein Schwert auszog.
Das war die unselige Meerstaü, der er das Haupt abschlug.
So faßt' er das blutige Haupt, warf es hinaus in den Sund,
Schleudert' den Leib darnach: da sammelte sich beides im Grund.
Herr Grimmer und Herr Germer trieben das Schifflein vom
Lande mit Muth:
Zornig war ihnen das Wetter, und stark des Meeres Fluht.
Zornig war ihnen das Wetter, und stark des Meeres Fluht:
Entzwei da ging in des Held Hogen Hand das eiserne Ruder gut.
Entzwei ging das eiserne Ruder stark in des Held Hogen Hand:
Mir zwei vergoldeten Schilden steuerten sich die Herren ans Land.
Da sie nun kamen zum Lande, da schliffen sie ab ihre Schwert:
Da stand so stolz eine Jungfrau, die sah sie auf ihrer Fahrt.
Sie war schmal in der Mitte, nach rechtem Maaße lang.
Kurz war sie am Leibe: sie übt' einen Zungstauen Gang.
Sie gehen hin zu der Nordburg, wo pflegte der Pförtner zu stehen:
Wo ist nun der Pförtner, der sollte hier warten und gehen?
„Hier da ist der Pförtener, der liegt zum Schutz und Schirm:
Müßt ich, woher ihr kommen wärt, Eure Botschaft trüg ich gern."
Hierher sind wir gekommen über bjei Acker Land:
Frau Grimild ist unsre Schwester: das se» dir in Wahrheit bekannt.
Hinein da ging der Pförtner, stellte sich vor die Tafel sofort:
Er war klug im Reden, konnte fügen viel gut seine Work.
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Er war klug im Reden, konnte fügen viel gut seine Wort:
„Da halten zwei so wohlgeborne Mann außen vor der Pfort.5‘
„Da halten zwei so wohlgeborne Mann außen vor der Pfort:
Der eine führt eine Fiedel, der ander' einen vergoldeten Helm. “
„ Ec führet nicht die Fiedel irgend für Herren Lohn:
Von wannen die sind kommen, da sind sie zwei Herzoge» Söhn'. “
Das war die stolze Frau Grrmild, die wickelt' ihr Haupt in
das Kleid,
So ging sie in den Burghof, und lud ihre Brüder herein.
„Wollt Ihr gehen in die Stube, und trinken Meth und Wein?
Ein Seidenbett, wann ihr wollt schlafen, und zwei Jungfrauen
mein?"
Das war die stolze Frau Grimild, die wickelt' ihr Haupt in
das Kleid,
So ging sie in die Steinstube vor all ihren Kämpfern ein.
„Hier sitzet Ihr, all' meine Mann, trinkt beides Meth und Wein:
Wer will Held Hogen erschlagen, allerliebsten Bruder mein?"
„Wer diesen Preis will erwerben, der schlag Held Hogen zu todt;
Er soll herrschen in meinen Burgen, und gewinnen mein Gold
so roch."
Darauf antwortet' ein Kampfer, ein Vogt wohl über das Land:
Den Preis will ich erwerben fürwahr mit dieser freien Hand.
Den Preis will ich erwerben, ich schlag Held Hogen zu todt;
So herrsch ich über deine Burgen und über dein Gold so roth.
Dazu sprach Folqvard Spielemann, mit seiner großen Eisenstange:
Ich will dich schon zeichnen, eh du hervor gegangen.
Er schlug dackit den ersten Schlag: fünfzehit Kämpfer da lagen;
„Hei! hei! Folqvard Spielemann, wie rührst du den Fiedel-
bogen!"
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So schlug er die Kampfer, eine Brücke daraus er macht'.
Und die war beides breit und lang: groß Unruh sie allen bracht'.
Zu oben waren die Häute, zu nieden die Erbsen klein:
Das machre, daß Held Hegen zu allererst fiel hin.
Das war der Held Hogen, der wollt wiederum anfstehn:
„Halt du .nun, lieber Bruder, du weißt wie die Sachen gehn."
,Halt nun, allerliebster Bruder mein, du hältst deine Treue
so sehr:
Das erste du mögest zur Erde fallen, du wollest aufstehn nim-
mermehr. "
So getrost war Held Hogen, er wollte nicht brechen sein Wort:
Er stand auf beid' seinen Knien, als er empfing die TodeSwund.
Dennoch schlug er drei Kämpfer, die waren nicht von den gc-
ringsten;
So ging er hin gea-Hammcr-, seines Vaters Schatz zu finden.
Doch war das Glück ihm so freundlich, er empfing Jungfrauen
Gunst:
Das war die stolze Hvenild, mit der zeugt' er einen Sohn.
Ranke hieß der Kämpfer, er rächte seines Vaters Tod:
Grimild erstickt' aus Hungers Noth, bei Nibings Schatz, oh-
ne Brot.
So zog er aus dem Lande fort, nach Bern in die Lombardei:
Da war er bei dänischen Mannen, ließ sehen sein Mannthum frei.
Seine Mutter blieb daheim zurück, davon Hven seinen Namen
empfing:
Unter Ritter und unter Kämpfer der Ruf davon weit ausging.
2.
Das war die stolze Frau Grimi ld, die ließ beides brauen und mischen;
Da waren so manche freie Helden, nach denen gebot sie zu schicken.
„Du lad' sie zu kommen zum Kampfe, du lad' sie zu kommen
zum Streit,
Da wird so mancher freie Held verlieren seinen jungen Leib."
Das war Held Hogens Mutter, die thät so wunderlich!träumen:
Wie ein gut Fohlen stürzte, das wollte man ausreiten.
„Der Traum der hat zu bedeuten, lieber Sohn, behalts in
dem Sinn:
Hüt dich vor deiner Schwester, die ist so rasch und schlimm."
Das war der Held Hogen, der ritt aus zu dem Strand',
Er fand da ein Meerweib, das lag auf dem weißen Sand.
Sag mir, du gutes Meerweib, du bist 'ne Wahrsagerin weis:
Soll ich schlagen in Hvenischem Land und bestreiten die Käm-
pfer mit Preis?
„Hör du, Held Hogen, du bist ein Ritter so stark:
Gnug hast du Lande selber, darzu groß Ehr' und Gewalt."
.,Du hast beides Gold und Silber, darzu auch Durgen und Festen:
Kommst du in das Hvenische Land, da geht dirs nicht zum besten."
„Du hast Gewalt und großes Gut, darzu viel Gold so roth:
Kommst du nach Hven im Zahr, so wirst du geschlagen zu todt."
Das war der Held Hogen, er zürnte bei den Worten so viel:
Er schlug das arme Meerweib, daß es zur schwarzen Erde fiel.
Liege du hier und rnhe, du häßlich und böses Weib:
jd) weiß den Sieg über Kämpfer zu gewinnen, und zu weh-
ren meinen Leib.
Da ritten außen vor der Pfort ja zwei so herrliche Mann,
Sie waren gekleidet in Seide, ihre Roß« die sprangen heran.
J
Sie schlugen an dir Pforte, das schallt' in das Schloß hinauf:
Wo bist du, Pförtner? warum läßt du nicht auf?
Drauf antwortete der Pförtner unter dem Kleide so listig'und fein:
„Zch darf nicht vor meiner Fraue laßen irgend einen Fremden
herein. "
Er ging zur Fraue Grimild, er fragte sie sofort:
„Da halten zwei Ritter vor unsrer Burg, die bitten, zu öffnen
alsbald die Pfort."
Da sprach zu ihm Fraue Grimild: das ist der Spielmann Folqvard,
Das ist der Held Hegen, beid' meine Brüder fürwahr.
Nieder da gingen Frauen und Jungfrauen, die schauten der
Ritter Gang,
Sie waren schmal in der Mitte, nach rechtein Maaße lang.
Das war die stolze Frau Grimild, die schlug über sich ihr
Scharlachkieid,
So ging sie in den Hof hinab, und bat die Helden herein.
Hier ist Sitt' und Burgstubenrecht, daß keiner darf ziehen ein
Schwert:
Mich dünket das so schlimm zu seyn, seit erschlagen der König
Siegfred.
„Zch schlug den König Siegfred mit meiner eignen Hand:
Ich schlug auch König Ottelin, der war so stark ein Mann."
Daß ich verlor meinen Panzer gut, auch mein grau Roß, muß.
ich klagen.
Dort in den kalten Wintern, wo wir vor Trojen lagen.
Sie folgt' ihnen zu dem Saale zu hundert ihren Kämpfern werth:
Gegen die zwei Ritter standen sie all', in den Händen gezogene
Schwert.
'»Äst hier kein Kämpfer darunter, der gegeßen hat mein Brot,
Der aerravk meinen Bruder zu schlagen? ich geb ihm Gold so roth. “
^ 9 -
Das f)6m Folqvard Spielemann: so schnell über die Tafel er
spränge:
Das Schwert fuhr aus der Scheide, die Thüren fiele» aus den
Angeln.
Da faßt' er die große Stahlstange: wie fröhlich ward er da!
Er schlug wohl fünfzehn Kämpfer mit Mannes Stärk' und Schlag.
Eya! nun geht meine Fiedel recht! sprach Folqvard Spielemann;
Da schlug der Held Hogen wohl zwanzig in einem Gang.
Das war die stolze Frau Grimild, die zürnete da so sehr:
„Viel beßer mußtest du bleiben daheim, als daß du ansrittest
hierher. “
„Hier werden wohl hundert zu Wittwen, eh du läßt ab vom
Streit."
Da sprach zu ihr Held Hogen: das hast du selbst bereit't.
Da lüstete Held Hogen den Helm auf dem Haupte sein:
Zch brinne also sehre unter den Eisenhänden mein!
Ich bin beides matt und müde von ganzem Herzen mein:
Gib daß, Gott Vater im Himmelreich, ich hät ein Horn mit
Wein!
Sein Helmenetz das streift' er ab, er trank vom Männerblut:
In noinins clomini! das war Held Hogens Wort.
Nun liegen todt auf der Erde all' die Grimilden Mann:
Das hat Held Hogen alles mit seinem Bruder gethan.
„Gott gnade dir, Folqvard Spielemann! du liegst als Leiche dabei:
Du hast gebraucht deine gute Stahlstang, und das in aller Treu. “
Wohl vierzig fielen da für einen, sie konnten nicht stehen vor ihm:
Er lödtcte sie recht wie'ein Held, eh er zur Erde fiel hin.
„Ach! herzelieber Bruder, unselig ist diese Fahrt:
Daß ich dich nun soll mißen, mein Schicksal ist so hart!
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„ Erleb' ich einen Tag oder eine Nacht, eh' die sich mögen enden,
Soli's meine Schwester entgelten: ich will sie erschlagen oder
verbrennen. “
Das böse Schicksal kam, sie ward dazu erschlagen:
Grrmiidcn ließ König HogensSohn im Berge zu todte schmachten.
3.
Solche Kampfer wir Held Hogen und seinen Bruder Folqvard
Spielemann,
Wo man solche finden und solche rühmen kann?
Dodild, Heid Hogens Mutter, die trat da vor ihn hin:
„Daß die Fohlen all todt waren, bauchte mir in meinem Sinn."
„Traume kann ich viel gut errathen, dazu hab ich Verstand:
Kommt Ihr in das Hvenische Land, das schadet so manchem Mann."
Die Herren da ausreiten, wie der Strom rinnt brausend dahin:
Da fanden sie eine Meerfraue schlafen unterm Hügel grün.
Wach auf! wach auf! Meerfraue, du wunderschönes Weib:
Zieh ich in das Hvenische Land, mag ich erhalten meinen Leib?
„Wend dich! Helde Hogen, du bist ein Degen unverzagt,
Du haft in deinem eignen Land so manche Burg mit Macht."
„Du zieh heim in dein eigen Land, diesen Heldenstreit laß fahren:
Du kannst bei deiner Schwester nicht dein junges Leben bewahren."
Das war der Held Hogen und der sein Schwert auszog,
Das war die unselige Meerstau, der er das Haupt abschlug.
Nun bin ich weis, nun bist du blau:
Und ich zieh in das Hvenische Land, wenn guten Wind ich schau.
Fort da ritten die Heiden berd, sie fanden de§ Fährmanns Haus:
Steh auf, du guter Fährmann, und geh zu uns heraus.
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr.
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Hbr du, was ich sage dir: du fahr mich über den Sund,
Ich geb dir meinen guten Goldring, der wieget wohl fünfzehn
Pfund.
„ Behalt du selber deinen Goldring, ich mag ihn gar nicht haben:
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— 15» —
Auf da stand Franc Grrmild, sic konnt' fügen ihre Worte viel gut:
Er führet keine Fiedel noch vor Herren Tisch Dienst' er thut.
Das sind zwei frische Heiden, edle Herzogskinder frei.
Sie sind mir auch nicht unbekannt: wir sind Geschwister drei.
Das war der Graf Herr Guncelin, der zu seinen Mannen sprach:
Wir halten noch ein Rennen , Held Hogen kommt heut am Tag.
Wir wolle» fechten mit ihm noch heut und sie schlagen allsammt
zu todt:
So mögen wir gewinnen seinen grünen Wald, darzu sein Gold
so roth.
Frane Grimild ging ihren Brüdern entgegen, große Falschheit
war dabei:
Ihr seyd mir alle willkommen, außer Held Hogen allein.
Drinnen bei der Thüre, da sprach Hogen der Degen:
Drum will ich mit Euch kämpfen, dürst Ihr Euch deß verwegen.
Aus gingen die Gesellen, so sehre sie da sprungen:
Sie litten alle große Pein, die alten so wie die jungen.
Entz wei ging das gute Schwert in Folqvard Spielemanns Hand:
Da sah er sich über die Thüre und faßt' eine große Stahlstang'.
Er schlug aus den ersten Schlag wohl sieben so rasche Hofmann:
Zn des Herrn eigenem Namen, sprach er, nun wird meine
Fiedel bekannt.
Nun gehet meine Fiedel, Ihr tanzet und springet im Kreis:
Mir wird unter meinen Panzerringen von großer Arbeit heiß.
Das war Herr König Guncelin, der vor Grimilde trat:
Hilf nun gegen diese harte Heiden, oder befrei uns von ih,
nen alsbald.
„Kämpfet nun, meine guten Mann, alle, denen ich gebe das Brot,
Und läßet davon ja nicht ab, bis Folqvard lieget tobt."
Hör du, Schwester Grimild, mir hauen sie tiefe Wunden:
Du warst mir nimmer treu ober gut, das hab ich ieht befunden.
Ich habe nun gewachet Tag und Nachte sieben:
Zch räch gewißlich meinen Tod, eh ich mein Leben verliere.
Mein theuer Schwert ist verloren, meine gute Eisenstang' entzwei:
Meine Sorg wollt ich verwinden, könnt ich sahen ein Waffel ist ei.
Da sprach der gute Obbe Zern, er stand so nah bei ihm:
„Ich leihe dir mein gutes Schwert, mein Bruder halt' es so lieb?-
„Mich däucht, du mußt ein Heide fromm, darzu viel star-
ke seyn,
DaS kann ich merken ohne Falsch' an dem Fiedelbogen dein."
Zch dank dir, funger Obbe Zern, du bist ein Kämpfer so reich:
Zch und all die Brüder mein dienen dir mit aller Treu.
So schlug der Folqvard Spielemann, daß es schallt' zu den
Wolken hoch hin:
Diel lieber wollt' er männlich sterben, als schimpflich entlauft»
und flieh».
Des Leuen und König Dieterichs Kampf
mir dem Lindwrlrnr.
Das war Meister König Dieterich, der wollt' von Bern aus-
reiten,
Da fand er einen Löwen und häßlichen Lindwurm miteinander
so furchtbarlich streiten.
Der Lindwurm der zog ihn fort!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— *4 —
Sie stritten einen Tag, sie stritten zwei, am dritten Tag zur
Nacht:
Da hat der häßliche Lindwurm den Leu zur Erde gebracht.
Da aber rief der Leu aus Noth, da er den König sah reiten:
Du hilf mir, Herr König Dieterich, erlös' mich aus diesen Leiden.
Ihn deiner allerhöchsten Gewalt, befrei' mich Meister Ditterich
so mild,
Befrei mich um des vergoldeten Löwen, den du führest in dei-
nem Schild.
Bei deinem Namen hilf du mir, komm' mir zum Trost, du
König gut.
Weil ich stehe gemahlt in deinem Schild, so feurig wie Feuersglut.
Lange stand der König Dieterich, das baucht' ihn wohlgethan:
„Ich will helfen diesem armen Leu, wie es auch möge ergahn!"
Das war Meister König Dieterich, der zog aus sein Schwert
so gut.
Kämpfte mit dem häßlichen Lindwurm, sein Schwert stand tief
im Blut.
Nicht säumen wollt' sich der gute Herr: wie hieb er da mit Macht'.
So lange bis sein gutes Schwert ihm an dem Griff abbrach.
Der Lindwurm nahm ihn auf seinen Rück, und das Roß unter
seine Zunge:
So drängt' er in den Berg hinein zu seinen elf kleinen Zungen.
Das Roß warf er vor seine Zungen, in einen Winkel den Mann:
„ Eßet nun das kleine Stück, ich will zu schlafen gähn."
„ Eher nun die geringe Beut, ich will zu ruhen gähn:
Wann ich wieder aus dem Schlaf erwach, dann sollt Ihr grei-
sen den Mann."
Der Meister König Dieterich suchte rings in dem Berg zur Hand,
Da fand er das gute Schwert, das Adelring ist genannt.
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— i5 -
Da fand er so stark ein Schwert, und vergüldete Meßer zwei:
„Gott gnade deiner Seel, König Siegfted! hier hast du ge»
laßen deinen Leib."
„Zch bin gewesen in mancher Schlacht, in Herrenfahrt mit dir.
Doch nimmermehr hab ich gewußt, daß du bist blieben hier."
Das war Meister König Dieterich, der wollt' prüfen,, ob das
Schwert sey gut:
Er hieb in den harten Fels, daß der Berg stand all in Glut.
Und da der junge Lindwurm den Berg in Flammen stehen fach:
Wer hat" den Bauer Zwietracht in sein eigen Haus gebracht?
Er gebährdete sich zornig viel, und sah so böslich aus:
Wer hat den Bauer Zwietracht gebracht in sein eigen Haus?
Die andern jungen sprechen in der Ecke wo sie stehen:
Weckst du unsre Mutter aus dem Schlaf, wie schlimm wird
-dir's ergehen!
Darauf der Meister König Dieterich so gram im Muthe sprach:
„Ich will wecken durch einen so furchtbaren Traum deine Mut-
ter aus dem Schlaf."
„Deine Mutter erschlug den König Siegfred, solch' wohlge,
dornen Mann:
Das will ich an Euch allen rächen mit meiner rechten Hand."
Auf da wachte der alte Lindwurm, ihm ward dabei so bange:
Wer macht mir diese Unruhe, was ist das für ein Klang?
„Das bin ich König Dieterich, mich lüstet dir was zu sagen.
Gestern unter deinem geringelten Schwanz hast du mich in den
Berg getragen."
Du hau' mich nicht, König Dieterich, hier ist mein rothes Gold:
Es ist viel beßer gelaßen als gethan, wir bleiben uns treu
und hold.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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„Deinen falschen Listen trau' ich nicht, du willst mich gewiß-
lich bethören:
Du hast ermordet so manchen Held, das ziemet sich nicht mehre.«
Hör du, Meister König Dieterich, o schlag zu todt mich nicht:
Ich weis dir deine verlobte Braut, die versteckt im Berge liegt.
Zu oben bei meinem Haupte, da liegen die Schlüßel klein.
Zu nieden bei meinen Füßen, da kannst du zu ihr gehen ein.
„Zn oben bei deinem Haupte, da will ich heben an,
Zu nieden bei deinen Füßen, da will ich laßen ab.«
Erst schlug er den häßlichen Lindwurm, und so auch seine elf
Zungen;
Doch konnt' er nicht' aus dem Berg heraus, vor giftigen Wür-
mer Zungen.
So grub er so tief eine Grube vor seinem linken Fuß,
Auf daß er nicht umkomme in giftigem Würmer Blut.
Da fluchte zuerst König Dieterich, er ward dem Löwen so feind:
„Verwünscht soll seyn der Löwe, ihn treffe Fluch und Pein!"
„ Das hat mir gethan der listige Leu: Gott laß es ihm schlecht ergehn!
Hatt' er nicht gemahlt gestanden in meinem Schild, mich hätt ge-
tragen mein Roß dahin.“
Und als das hört der guteLeu, daß der König so sehr sich beklagt:
Du sieh selber fest, König Dieterich, ich grabe mit starker Klau'.
Der Löwe grabt, König Dieterich haut, der Berg sieht in Glühen roth:
Hätt' ihn der Leu nicht gegraben heraus, er hatt' sich gegra-
met zu todt.
Und da er erschlagen den häßlichen Wurm, dazu auch seine elf
Zungen,
Ist er mir schwerem Panzer und Schild aus dem Berg hervor-
gedrungen.
Und als er nun kam aus dem Berg, da trauert' er um sein Pferd:
Er konnt' ihm viel gut vertrauen, sie waren treu einander so sehr.
Hör du, Meister König Dieterich, du sollst dich nicht grämen so sehr:
Seh dich auf meinen Rücken breit, ich trag dich so lustig daher.
So ritt er über die tiefe Thal' und über die Wiesen grün.
So frei mit ihm der gute Leu drang durch den Wald dahin.
Der Leu und der König Dieterich, die blieben zusammen beid:
Der eine hat den andern befreit von Zammer und großem Leid.
So oft der König zu Land ausreit't, der Löwe neben ihm lauft.
Wann er wieder stille sitzt, in seinen Schoos legt er das Haupt.
Darum nannten sie ihn den Löwenrilter, den Namen trug er
mit Ehre;
Jede» Tag, ,den sie im Leben gewannen, hatten sie lieb eine
ander so sehre.
Der Lindwurm der zog ihn fort!
III.
Kampf zwischen dem Riesen Langbein, und
Vidrich Verlands Sohn.
König Dieterich sitzet in Bern, seiner Macht thut er gedenken:
So manchen hat er bezwungen, beides Kämpfer und rasche Helden.
Dort siehet eine Burg, heißet Bern, und drin wohnt
König Dieterich!
König Dieterich stehet in Bern, und schauet hinaus so weite:
Gott gebe, ich wüßte die Helden so stark, die im Feld gegen
mich dürften streiten!
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Da sprach der Meister Hildebrand: ich weiß dir Krieg und Streik:
Dort liegt ein Kämpfer am Biertings Berg, bist du ihn zu
wecken bereit.
„Hör du, Meister Hildebrand, du bist ein Kämpfer so gut:
Du sollst reiten zuerst noch heut in den Wald, führen unser Schild»
zeichen mit Muth."
Drauf sprach Meister Hildebrand, er war ein Kämpfer so weis:
Herr, ich führe nicht Eu'r Schildzeichen beut, denn es ziemet
mir nicht der Preis.
Da sprach Vidrich Verlands Sohn, mit guten Sinnen er sagt:
.Ich will der erste im Haufen seyn noch heut gegen Biertings Wald.
Das redete Vidrich Verlands Sohn, und zornig sprach er zur Hand:
Die Schmiede Gesell'n mein Schwert so schmieden, es zerbeißet
Stahl und Gewand.
Die waren wohl dreihundert Kämpfer, die.:zogen nach Bier-
tings Land,
Sie suchten nach Langbein dem Niesen, sie fanden ihn in dem Wald.
Da sprach Vidrich Verlands Sohn, wir wollen spielen ein
wunderlich Spiel:
„Laßt reiten mich in den Wald zuerst, wenn Ihr mir trauet so viel."
Bleibt allzumal, Ihr Königes Mann, beim grünen Kr^KweKfstehen,
Dieweil ich reit'^ zum Walde fort, nach dein Wege mich umzusehen.
Da sprach der König Dietrich zu ihm: ich sage dir das von mit:
Findest du Langbein den Niesen, birg du das nicht vor min
Das war Vidrich Verlands Sohn, der ritt zu dem Walde fort,
Und der hinunter zum Riesen lief, einen schmalen Steg fand
er dort.
Als nun Vidrich Verlands Sohn in die Biertings Heide kam.
Da fand er liegen Langbein den Niesen, so schwarz und mis-
gethan.
entrichten.
All das Gold, das ich habe, das bewahr ich mit großer Ehre:
Daß ein Scallbub mir's abgewonnen, das HS« man nimmermehre.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Das war Vidrick Vorlands Sohn, der stieß ihn an mit dem Schaft:
Wach auf! du Langbein Riese, mir dünket du schläfst gar hart.
„Hier hab ich gelegen so manches Jahr, und geruht in der
wilden Heide:
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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So jung und klein, als ich auch bin, sollst du mich doch hier finden:
Dein Haupt will ich dir abschlagen, und dein vieles Gold gewinnen.
Zu schlafen Langbein dem Niesen nicht länger mehr gefällt:
„Gelüstet dich fürder zu leben, reit von mir, du junger Held."
Skimming mit beiden Deinen sprang auf, mitten in des Rie-
sen Seite:
Entzwei ging ihm das Rippenbein, und so begannen sie zu
streiten.
Das war Langbein der Riese, der nahm die Stahlstang' in die
Hände:
Schlug einen Schlag nach Vidrich, daß die Stanz im Bergt
sich wend'te. . ,,
Da« war Langbein der Riese, der meintL-sest zu stehen so ■ sehr,
Aber als er den ersten Schlag mter, lwfnnte» ihm fett sein Pferd.
Da sprach Langbein der Riese, da hub er an zu klagen :
„Nun liegt meine Stanz' im Berge fest, wie vom Hammer
eingeschlagen.
Vidrich wollt' sich versäumen nicht, da war so muthig sein Sinn:
Wohl auf! Skimming, wend dich um: magst du noch taugen,
Mimmering?
Er faßte Mimmering in beid' seine Hand', zum Riesen er hin-
rennte:
Er schlug so tief ihm in die Brust, daß die Schärst sich im
Eingeweide wend'te.
Da empfing der Ries' eine Wunde, der vom ersten Schlaf nun
erwacht';
So gerne hätt' er's vergolten, konnt' er gewinnen die Macht.
„ Verfluchet seyst du, Vidrich, darzu das Schwert an deiner Seite!
Du hast mir geschlagen die Wund' in die Brust, darum bi»,
ich im Leide."
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Ich will dich, Niese, hauen so klein, wie die Luft den Staub
durchweht,
Oder du zeigst mir, wo dein gesammeltes Gold im Walde ver-
borgen steht.
„Du laß das, Vidrich Vorlands Sohn, du schlag mich nicht
zu todte
Ich will dich führen zu dem Hans, gedeckt mit Gold so rothe. "
Vidrich ritt, und der Riese kroch, in den Wald so tief beide
zusammen:
Sie fanden das Haus mit Gold gedeckt, das glanzt' in hellen
Flammen.
„Hier innen ist viel mehr rothes Gold, als in diesem Land
wird gesunden:
Du trag' hier fort den großen Stein, heb' die Thür ans den
Angeln herunter,"
Da sprach zu ihm Vidrich Verlands Sohn, er fürchtet' die Li-
sten sein: ,
Es pfieget kein weiser Held seine Kraft zu verlieren an ei-
nem Stein.
„Das ist wohl deine kleinste Kunst, du kannst dein Roß wohl
wenden;
Ich will mehr thun mit zwei Fingern, als du mit beid' deinen
Händen."
So nahm er den großen Stein, auf seine Schultern hob er ihn:
Wohl wußte Vidrich Verlands Sohn, was er hät Böses im Sinn.
Mehr als fünfzehn König vermögen, mag hier des Goldes stehen:
„Hör du, Vidrich Verlands Sohn, du sollst zuerst eingehen."
Da sprach zu ihm Vidrich Verlands Sohn, der kannte wohl
sein Sinnen schlecht:
Du selber sollst zuerst einaehn, denn das ist Kampfer Recht.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
22 —
Das war Langbein der Niese, der blickte nach der Thür hinab:
Vidrich hieb mit beiden Handen, das Haupt hieb er ihm ab.
So nahm er des Mannes Blut, sich und sein Roß er bestrich:
So ritt er zum König Dieterich, sprach: schimpflich verwun-
det bin ich.
So faßt' er den todten Leib, und stellt' ihn an eine Eiche,
Do ritt er wiederum zurück, ein wunderlich Spiel zu treiben.
„Hier haltet Ihr all am grünen Berg, Ihr guten Stallbrüder mein:
Langbein der Riese har mich geschlagen heut, meine erste Noth
muß das seyn."
Das ist so schlimm, hast du Hieb und Schlag, beides, von
dem Riesen empfangen.
Wir wollen reiten nach Bern zurück, nicht verlieren mehr ein'n
unsrer Mannen.
„Du wend dich, König Dieterich, du wend dich schnell mit mir:
Alles Gold das der Riese hat, das will ich zeigen dir."
Hast dü geschlagen den Riesen heut, das wird verkündet übers
Land so weite:
Der Held wird auf Erden geboren nicht, der gegen dich ver-
mag mit Streiten.
Das waren all König Dieterichs Mann, die hatten den Rief
zu sehn Lust:
Sie ritten in den Wald hinein, hei ! wie män lachen muß!
Sie meinten, der Riese werde gewiß nach ihnen seine langen
Bein' strecken,
Und keiner getraute bei ihm zu seyn, und keiner auch wollt'
ihn wecken.
Das war Vidrich Verlands Sohn, der ihnen großen Schimpf da bot:
.,Wie sollts Euch bei ihm im Leben ergehn, dürft ihr ihn nicht
sehen im Tod!"
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 2Z -
Vidrich stieß an den Leib mit dem Schaft, da fiel das Haupt
zur Erden:
Das mag ich Euch in Wahrheit sagen, so stark war der Ries'
ein Degen.
Sie zogen heraus viel rothes Gold, sie erbeuteten, was da stand,
Dem Vidrich gehörte der beste Theil, erworben mit seiner Hand.
Die Beute, die war ihm nicht so viel, den Sieg hatt' er im Sinn:
Daß Langbein der Nies' überwunden sey, wie es schalle durch
Dänemark hin.
So freudig ritten sie nach Bern zurück, König Dieterich er-
freuet zu meist.
Zog zu sich Vidrich Verlands Sohn, er mußt' ihm folgen zu
allernächst.
Dort stehet eine Burg vor Bern, und drin wohnet
König Dieterich!
Die H e l d e n f a h r t.
Die waren sieben und siebenzig, die von Halb zogen aus ins Feld,
Und als sie kamen zur Braringsburg, da schlugen sie auf ihr
Gezelt.
Das donnert unter dem Roß, wie die dänschen Hof-
niänuer ausreiren!
König Nilaus stand auf hoher Zinn, und sah hinaus so weite:
Wie mögen die Kämpfer haben ihren Leib so seil, daß sie lü-
stet hier zu streiten!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Da stehet in dem zehnten Schild eine Fiedel und ein Dogen,
Die führet Folqvard der Spielemann: er wollt trinken und nicht
schlafen.
Da schimmert in dem elften Schild ein Lindwurm ungestalt.
Den führet Orm, der junge Gesell: fürchtet keinen zornigen Mann.
Da kommt herzu der zwölfte Schild, drauf schimmert ein bren-
nender Brand,
Den führet Brand von Vifferlin gegen Herren und Fürsten Land.
Da stehet in dem dreizehnten Schild eine Tafel, so roth als Gold,
Die führet Harald der Grieche: er ist ein Stallbruder hold.
Da stehet in dem vierzehnten Schild eine Kappe und ei» Kolben,
Das führt der Münch Bruder Jlsung, der konnte die Kämpfer
stillen.
Er hat an der Seit' ein Schneidmeßer, von Blei darzu die
, Scheide,
Das Meßerlein nicht über elf Ehlen lang: so raßelts an seiner
Seite.
Da wird gelegt das fünfzehnte Schild, drin» schimmern drei ge-
zogcne Schwert,
Die führen Essemer des Königs Söhn in all' ihrer Herrenfahrt.
Da wird gesetzt das sechszehnte Schild, mit braunen Flügeln
ein Rabe,
Den führet Rigen Raadengard: hat zu dichten und reimen gu-
te Gabe.
Da schimmert in dem frebenzehnten Schild so weiß ein edles Pferd,
Das führt der Graf Herr Guncelin: im Kampf ein Heide werth.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Da schimmert in dem neunzehnten Schild ein Hund, und der
so rasch.
Den sührt der Kampfer Augestein, ein Wagehals ohne Falsch.
Da schimmert in dem zwanzigsten Schild eine Rose an einem
Reis':
Wo Herr Normann kommt in den Streit, da findet er großen
Preis.
Da stehet in dem nächsten Schild von Kupfer geschmiedet eine
Kette,
Die führt Herr Mogens Olgers Sohn: er gewinnt beides
Schloß und Feste.
Da kommt herein das zwei und zwanzigste Schild mit des Glü-
ckes vergoldetem Zeichen,
Das führt Herr AsbiSrn milde: lehrt die Kämpfer-Rücken leiden.
Da steht in dem drei und zwanzigsten Schild ein Arm in eine
Kette gcschranket.
Den führet Alvor Lange, der vor Känipfern stets einschenket.
Da schimmerts in dem nächsten Schild, es schimmert darin ein
Schwert,
Das führet Herr Humble Iersing, der ist wohl deßen werth.
Da schimmert im fünf und zwanzigsten Schild ein Falk, der ist
so grau.
Den führt der allerbeste Kämpfer, genannt Herr Iferblau.
Da schimmerts im sechs und zwanzigsten Schild, es schimmert
darin ein Spieß,
Den führet klein Mimmering der Degen: vor keinem Mann
er fliehen will.
Da kommt herzu das letzte Schild, ein Falk so weiß darin.
Den sührt Sivard, der hurtige Gesell: zum Kampf stand all
sein Sinn.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 27 —
Solch« Kämpfer und Zeichen waren da, wer kann sie zahlen
alle her?
Da wollte Sivard, der hurtige Gesell, nicht länger warten mehr.
Ist seiner hier von den Königsmannen, den gelüstet zum Kam-
pfe zu reiten?
Der säume nickt so lange, und treffe mich auf der Heide."
„Wer hat von Euch, Ihr dänischen Königes Mann, am be-
sten Streites Muth?
Wir beide wollen kämpfen heut um unsre Roße gut."
Sie warfen die Würfel aufs Tischbrett hin, die Würfel rollten
so weite;
Sie fielen dem jungen Amelung zu, der sollte mit Sivard reiten.
Herr Ameiung lüstet' zu spielen nicht mehr, das Tischbrett schlug
er zusammen;
Das will ich in Wahrheit sagen: so bleich waren seine Wangen.
Da ging der junge Herr Amelung in der Frauenstube umher,
Dann trat er in den hohen Saal vor dein König Dieterich einher.
Hör du, Vidrich Verlands Sohn, du bist so stei ein Mann:
Du leih' mir Skimming heute, ich geb dir dafür ein Pfand.
"Nicht^ältst du Skimming heute, Lu gebest mir dann gm Pfand:
ZwuLösmg-eMn-Wald und fünfzehn Schloß, die besten in dei-
nem Land."
Acht Burgen, die reichsten in Biertings Land, die setz' ich zum
Pfande dir fest:
Oarzu meine Schwester die schöne Maid, die däucht mir das
allerbest.
„Sivard der ist ein staarblinder Gesell, er steht nicht die Spitze
des Schwerts:
Du büßest das nicht mit all deinen Freunden, wenn Skimming
einen Schaden erleid't."
Grimm Nr. L 79
- =8 —
„ So läuft das Schwert in SivardS Hand, wie ringeln die
Nadlein im Sporen:
Hüt dich, du junger Herr Amelung, komm nicht heraus zu
dem Thoren."
Burgen neun und Ritter sieben, die setz' ich dir zum Pfand:
Leidet Skimming heut einen Schaden, nimm meiner jüngsten
Schwester Hand.
Wären nun all diese Durgen von Gold, und all dies Waßer
war Wer»,
Das wollt ich nicht haben sür Skimming heut; ich danke Gott,
das Roß ist mein.
So seht' er sich aus Skimmings Rück, so fröhlich möcht' er reiten:
Skimming dauchte das so wunderlich, daß Sporn ihm standen
in den Seiten.
Da schimmert Herr Amelungs vergoldetes Schild wie die Sonne
in Hochsommers Zeiten:
Herr Gott! gnade mir armen Gesell, soll ich hier halten und
streiten.
Den ersten Ritt, den sie zusammen ritten, so stark war jeder
ein Held:
Entzwei brach Amelungs Sattelring, sein Schild flog weit in
das Feld.
Mich daucht, Gesell, du bist schön und jung, und reitest viel
gut dein Roß:
Steig du herunter und gürte dirs, ich harre dein mit dem Stoß.«
Sie ritten zusammen den andern Ritt, sie waren zwei Käm.-
pfer so stark:
Da brach ihnen beid' der Sattel entzwei, und Herr Amlung
herunter sank.
„Nun hab ich dich geworfen herab, und das Roß hab ich ge-
wonnen :
Sag mir, .du guter junger Amelung: von wannen du bist
kommen?"
„Nun hab ich gewonnen von dir den Preis, und Skimming
das Roß ist mein:
Sag mir, du mmhiger junger Gesell, von Geschlecht und Ab-
kunft dein.
König Abelon ist mein-Vater, ein König über Biertings Land,
Kön'gin Elin' ist meine Mutter, das sey in Wahrheit dir bekannt.
Kön'gin Elin' ist meine Mutter, eine Königin schön und fein,
König Abelon harter Stahl, so heißt der Barer mein.
Selber heiß ich der junge Herr Amelung, über Bierrings Land
ein Mann.
Aus Helden Geschlecht, berühmt so weit, a!S einer reisen kann.
„'Ist König Abelon dein Vater lieb, so bist du mir verwandt.
So geb ich dir dein Roß zurück, dieweil ich nicht erkannt. '
„Ist Kön'gin Eiine deine Mutter schön, sie ist vom Geschlech»
re mein.
So nimm du Skimming wieder: meiner Schwester Sohn mußt
du seyn. “
„ Nimm nun beide Schildnemen, bind mich an die Eiche dort an.
So reite zum König Dieterich, sprich, du gesteglest mir an."
Trat ein der junge Amelung, ein grün Kleid hät an der Held:
Nun hab ich n>ein Roß gewonnen zurück, und gebunden den
kecken Geselln.
Trat ein Amelung in Stiefeln und Sporn, warf sein Schwert
auf den Tisch sofort r
Sivard stehet im Wald gebunden, und redet nicht ein Wort.
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Ich bin gewesen in dem Wald, hab gefangen den Kämpfer gut,
Ich faßte Sivard, den hurt'gen Gesell, band ihn an der
Eiche Fuß.
„Hör du, junger Herr Amelung, und das ist in Schimpf
gethan :
DaS ist all mir seinem Willen geschehen, wenn du bandest Si-
vard an."
Das war Vidnch Verlaubs Sohn, der wollt' wissen die Ding
alsbald:
„Zu sehen, wie Sivard leiden mag, reit' ich zum Rosenwald.“
Vier ich sprach zu seinem Bub: „leg den Sattel aufs Streit-
roß grau:
Zu sehen, wie sich gehabe der Held, will ich hinreiken zur Aue. “
Sivard stand in dem Wald, und sah' den Vidrich reiten:
„Findet mich Vidrich gebunden hier, er haut mir das Rippen-
dein von der Seite."
Da nahte sich Vidrich VcrlandS Sohn, Skimming thät unter
ihm schreiten:
Sivard langer nicht zaudern durft, und riß heraus mit der
Wurzel die Eiche.
Die Königin stand im hohen Saal und schaute hinaus so weite:
„Dort kommt Sivard, der hurt'ge Gesell, mir dem Eichbaum
an seiner Seite."
Da sprach Eline, Idie Königin, als sie Sivard kommen sah:
„Daß du auszogest solch eine Blume, das hast du fürwahr in
Noch gethan."
-Der König stand in der Burgthür, in seinem Panzer so neu:
„Dort kommt Sivard, der hurt'ge Gesell, er führt uns den
Sommer herein."
pfern stark:
Ob bort wär einer, der es wagen dürst, zu versuchen die gu<
ten Hofwerk.
(e) l-Iessiseiies 8t33t33i'c>iiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Da ging der Tanz bei der Bratingsburg an, da tanzten die
starken Helden,
Da tanzte, die Eiche an seiner Gurt, Sivard der staarblinde
Geselle.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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pv , WnflM/
Der eine sagt' eS-d«m andern- ab, Sivard nahm das Blatt
von dem Munde,
Er sagt': ich versuche mein junges Fohlen, ob ich Dryniel kann
gewinnen.
Er ritt sich fort, der Weg war lang, der Pfad der war viel ferre:
Sivard sah den Glasberg kühn, die Zungsrau lachte so sehre.
So führt' er fort stolz Brynild, ihm war so leicht die Fahrt:
Er gab sie dem guten Herr Niclus nach guter Stallbrüder Art.
Stolz Brynild und stolz Siggild, die schönsten Jungfrauen beide,
Die gingen sich zum Strande, auszuwaschen ihre Seide.
„'Hör du, stolze Brynild, und liebste Schwester mein:
Wie gewannst du die Goldringe, die du trägst am Finger dein?"
So gewann ich die Goldringe, die ich trag am Finger mein:
Die gab mir Sivard der hnrr'ge Gesell, als ich ward die Der,
lobte sein.
„Und hat dir Sivard der hurt'ge Gesell die Ring gegeben zur
Brautgabe:
Er hat dich versprochen dem Herr Nielus, nach guter Stallbrüder
Art soll er dich haben."
Sobald als Jungfrau Brynild möcht' hören diese Mahre,
Ging sie sich in den hohen Saal, lag krank vor großer Schwere.
Das war die stolze Frau Brynild, die lag so krank und siech.
Das war der gute Herr Nielus, der ging ab und ging zu bei ihr.
„Hör du, allerliebste Brynild, so bang ist das Herze mein:
Weißt du uns keinen gute» Rath, und für die Krankheit dein?"
„Und gibt es auf der Welt gar nichts, davon du Hilf kannst
sahen.
Du sollst das haben, und sollt es kosten all das rothe Gold,
das ich habe."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Ich weiß auf der Welt für die Krankheit mein nimmermehr ei,
nen Rath,
Außer ich habe Sivard des Hürtgen Geselln sein rothes Her-
zens-Blut.
Da ist gar nichts auf der Welt dafür, das lindern kann mei-
ne Pein,
Außer ich habe Sivard des hurt'gen Geselln sein Haupt in den
Händen mein.
„Wie soll ich Sivard des hurt'gen Geselln sein gutes Herz
Blut fahn?
Sein Hals ist hart wie blanker Stahl, den kein Schwert ver-
schneiden kann."
„Hör mich, guter Herr Nielus, und lieber Herre mein:
Ihr leiht von ihm sein gutes Schwert, und sein edles Ringelein. “
„Sagt ihm, Ihr gedächtet so oft daran, Ihr solltet einen
Kampf bestehn.
Aber seyd Ihr des Schwertes mächtig, haut ihm ab sein Haup-
te schön."
Und das war der gute Herr Nielus, der wickelte sich in sein Kleid,
Sv ging er in den hohen Saal vor Sivard seinem Stallbruder ein.
Hör, du guter Sivard, hurtger Gesell, du leihe mir dein Schwert,
Ich soll in den Krieg ausreiten, und ziehen auf Herrenfahrt.
„Und ich will dir leihe» mein Schwerte, darzu meinen edlen Ring,
Du kommst nimmer in einen Streit, wo irgend ein Mann dich
bezwingt.
Mein gutes Schwert heißt Adelring, das will ich so gerne
dir geben:
Du hüte dich vor den blutigen Thränen, dir unter dem Griff«
stehen,
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I
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 34 -
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Du hüte dich vor den blutigen Thränen, und die sind alle roth:
Rinnen sie nieder zu den Fingern dein, da wirft du geschlagen
zu todt."
Aufstand der gute Herr Nielus, wie schnell er das Schwert auszog'.
Das war Sivard der hurkge Gesell, dem er das Haupt abschlug.
So nahm er das blutige Haupt unter sein Scharlachen-Kleid,
So ging er in den hohen Saal vor der stolzen Frau Brvnild ein.
„Hier haft du das blutige Haupt, darnach du verlanget so sehr:
Durch deine Schuld erschlug ich den Stallbruder mein, das quält
mein Herze schwer."
„Da liegt nun das blutige Haupt vor Eurem Scharlachen-Kleid."
Geht zu Bette, lieber Herr« mein, unter die Linnendecken so weiß.
„Nimmer bin ich so lustig und froh, das darfst du nimmer denken,
Du bist gewesen so schuldig daran, meine Treu' und Ehre zu
kränken. “
Das war der gute Herr Nielus, der thät sein Schwert ausziehn,
Und das war die stolze Frau Brvnild, die er in Stücke hieb.
„Nun hab ich erschlagen mein lieben Stallbruder, und meine
stolze Frau Brynild,
So will ich seyn der dritte dazu: das hab ich nun in dem Sinn."
So setzt' er sein gutes Schwert gegen einen harten Stein,
Daß die Spitze wühlt mitten im Herzen und gab ihm Todes Pein.
Der Königs Sohn aus Dänemark'.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
Die königliche Hirtin.
Das springt umher so weite, weit über alle die Land:
König Sigurd hak seine Tochter verloren, die ward ihm heim-
lich entwandt.
Derweil ich re't alleine!
Das war Sigurd der König, der bedeckte sein Haupt mit dem
Kleid,
So ging er in den hohen Saal vor Rittern und Mannen ein.
Sie warfen die Würfel auf den Tisch, die Würfel rollten so weite.
Sie fielen Negnfred zu, dem Königs Sohn, der sollte nach der
Jungfrau ausreiten.
Er suchte nach ihr einen Winter lang, er suchte nach ihr fünf
Zahr:
Doch nimmer in all dieser Zeit die Jungfrau zu finden war.
Das war Regnfted des Königs Sohn, der im grünen Wald
thär reiten,
Da begegnet' ihm ein kleiner Bub, wohl um die Morgenzeiten.
„O hör du das, mein kleiner Bub, was ich nun sage zu dir:
Die erste Jungfrau, die du weißt, und die sollt du zeigen mir."
Hört Ihr, schöner junger Gesell, erzürnt nicht Euer« Muth:
Die erste Jungfrau, die ich weiß, hat Tabors Ziegen in
der Hut.
Ihr Kleid das ist von Ziegensell, ihre Kappe von grauer Woll,
Ihr Haar, das zwischen den Brüsten liegt, glänzt wie gespon-
nen Gold.
Da ritt er über die Wiesen und durch den dichten Dorn,
Da fand er die Jungsraue: sie trieb die Ziegen vom Kor»/
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
Er nahm sie freundlich in den Arm, die weiße Wange strei>
chelt' er ihr:
„Ich bitte dich bei dem höchsten Gott, deinen Vater nenne
du mir.«
Ein alter Mann ist mein Vater, treibt aus dem Sumpf die Ziegen:
Ich selber heiße Kragelild, will meine Geburt nicht rühmen.
Das war Regnfred des Königs Sohn, der ließ sein Meßer sehen:
„Du sollt'mir nennen den Varer dein, oder es ist um dich ge»
schehen.«
Sigurd König heißt mein Vater, meine Mutter ist Königin:',
Selber heiß ich Svanelild, den Namen zu tragen mir ziemt.
Da schlug Regnfred der Königssohn über sie den Mantel blau,
Er hob sie auf so sreudiglich zu seinem Noße grau.
Und er ritt über die Felder und über die Triften daher.
Der alte Mann lief ihnen nach, rief um Kragelild so sehr.
Er gab ihm beides Silber und Gold, daß er damit lief fort,
Dann führt' er sie heim so steudiglich zum hohen Saale dort.
Nun hat Regnfred der Königssohn verwunden all seinen Harm:
Wie schläft er nun so freudenreich in seiner Jungfrau Arm!
Nun hat die Zungfrau Svanelild verwunden all ihr Leid:
Wie schläft sie nun so freudenreich an ihres Königs Seit!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
«W
- 37 ^
VII.
Sivard der hurtige Gesell.
Sivard schlug seinen Stiefvater todt, zu lindern seiner Mutter
Geschick,
Und nun lüstet Sivard an den Hof zu reiten, und er will ver,
suchen sein Glück.
So steudiglich rennt Graumann unter Sivard!
Da ging Sivard, der hurt'ge Gesell, vor seine Mutter zu stehen:
Was lieber: soll ich von Euch reiten, oder soll ich zum Hofe gehen?
..Nimmer sollt du von mir gehen, wenn ein Roß dich tragen kann:
2ch will dir geben das gute Roß, das die Hostnecht' nennen
Graumann. “
Sie führten Graumann aus dem Stall heraus, sein Halfter
das war von Gold,
Seine Augen glänzend wie klare Stern, aus dem Gebiß sprang
Feuer hervor.
Sie führten heraus das feurige Roß, aufband er den Helm so gut.
So band Sivard sich das Schwert an die Seite; das zwang der
Mutter den Muth.
Sivard warf ab die Handschuh' klein, seine Hände waren
kreideweiß:
Weil er den Gesellen nicht trauen durst', gürtet' er selber sein
Roß mit Fleiß.
Das war SivardS liebe Mutter, die hat an ein Kleid so roth:
„Sivard du bist meine größte Sorg, das Roß wird werden
dein Tod."
Und sie geleitet' ihn so weit auf dem Weg, ihr Herz war so
sehr betrübt:
„Du, hüt dich vor Gmurnann deinem Roß, so mancheTück' es übt. “
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Hört das, weine liebe Mutter, und tragt darum nicht Leiden:
Ihr habt geboren so gut einen Sohn, der kann sein Roß wohl
reiten.
Graumann zog durch die Pforte aus, über Bach und Drücke gut;
So getrost der Held im Sattel saß: seine Stieseln standen voll
von Blut.
Das Roß rennt' über die Heide hinaus, vor dem breiten Richt-
felde daher;
Das Volk auf dem Plane verwunderte sich, daß das Roß konnt
springen so sehr.
Fünfzehn Nächte und fünfzehn Tage renm'S über Berg und Thal;
Da kam er vor ein hohes HauS: die Pforten verschlossen allzumal.
Der König stand auf der Mauer hoch, und sah hinaus in die
Weite:
„Dort seh ich einen dänschen Hofmann, der kann sein Roß
wohl reiten."
„Das ist entweder ein trunkner Hofmann, der kann sein Roß
wohl reiten,
Oder das ist Sivard, meiner Schwester Sohn, und er ist ge-
wesen im Streiten."
Graumann nahm das Gebiß vor die Zahn', und sprang über
die hohe Zinne,
Da fürchteten sich Frauen und Zungstauen bcid, so manche,
die waren drinnen.
Da erblaßten unter dem Scharlachkleid Frauen und Jungfrauen
schön:
Der König ging so steüdiglich entgegen seiner Schwester Sohn.
Und das war der dänische König, und der hub an diese Wort!
„Sagts zu den guten Schützen, daß sie aufschlagen niest«
Pfort'."
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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- 39 -
Da ritt Sivarb, der hm^Kesell, durch der König- Pforte hin:
Wohl dreißig von Fnirbu^s Weibern fielen nieder vor dem Roß
in die Knie.
Der König zu all seinen Mannen sprach: „Dem Sivard be»
gegrnet gut:
Das will ich Euch in Wahrheit sagen, er duldet keinen Spott."
Das war Sivard, der hurt'ge Gesell, der ließ sein Roß da
springen,
Wohl fünfzehn Ehlen über die höchste Mauer: da nahm ihr
Leben ein Ende.
So sorglich rennt Graumann unter Sivard!
Sivard stürzte vom Sattel herab, und Graumann den Rücken
zerbrach.
Da weinten sie all in des Königs Hof, gar keiner war da,
der lacht'.
So sorglich rennt Graumann unter Sivard!
VIII.
Der Berner Riese und Orm der snnge Gesell.
Das war der hohe Berner Riese, der wuchs über alle Mauern
hinaus,
Er war so wild und ungefüg, kein Mann ihm zu steuern getraut'.
Mein Wald steht all in Blumen!
Er war so wild und ungefüg, und niemand konnt' ihm rathen:
Wär er langer in Dänmark geblieben, da wärs gewesen großer
Schaden.
I
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
— 4o —
Das war der hohe Berner Niese, der band sein Schwert an
die Seite,
So ritt er zu des Königs Burg mit den Helden wollt' er streiten.
Das war der hohe Berner Ries«, der vor dem König stand:
Du sollt mir geben die Tochter dein, oder Briefe über halb
deine Land.
Heil Euch'. Dänischer König, über Eurer Tafel breit:
Ihr sollt mir Eure Tochter geben, oder theilen mit mir Euer Reich.
Ihr sollt mir Eure Tochter geben, und theilen mit mir Euer Reich,
Oder Ihr sollt mich verjagen durch Euern Kämpfer, der mich
darf bestehen im Streit.
„Nimmer sollt du haben die Tochter mein, oder Briefe über
halb mein Land,
Wohl aber einen Kämpfer gut, der mit dir fechten kann."
Das war der König von Dänemark, der saß über der Tafel breit,
Und allen seinen guten Kämpfern klagt' er sein schweres Leid.
„Ist hier keiner von meinen Mannen, der mich an dem Ber-
ner will rächen?
So will ich ihm die Tochter mein, darzu halb meine Lande ver-
sprechen. "
All da saßen die Königes Mann, sie sprachen nicht ein Wort,
Außer Orm, der junge Gesell, der viel gut reden dorft.
„ Wollt Ihr mir geben die Jungfrau fein, und darzu Land und Reich,
So will ich wagen meinen jungen Leib wohl für die Lilien Maid."
Das war der hohe Berner Nies', der über die Schulter hinblickt':
Wer ist dieses Mäuslein, das sich zum Kampf anschickt?
„Ich bin kein Mäuslein, ob du mich so nennen magst:
König Siegfrcd hieß mein Vater, den der häßliche Lindwurm
erschlug."
War König Siegsred dein Vater, solch ein Held wird gefunden
nicht mehr:
Du bist so schnell gewachsen, du siehst wohl aus wie er. —
Es war spat zur Abendzeit, die Sonne zur Ruh thät sich neigen,
Da lüstet's Orm, den jungen Geselln, zu seinem Vater hinzureiten.
Es war spät zur Abendzeit, die Gesell'» ritten die Roße Zum Dach,
Da lüstet's Orni, den jungen Geselln, seinen Vater zu wecken
aus dem Schlaf.
Und an den Berg schlug er so stark, daß der harte Felsen mußt'
springen:
Da hörte der im Berge lag den Schall so tief hinein dringen.
Wer schlägt so laut hier an den Berg, wer weckt mich aus
hartem Schlaf,
Daß ich unter der schwarzen Erde nicht in Frieden liegen mag?
„Das bin ich, Orm, der junge Gesell, allerliebste Sohne dein:
So sehre bitt ich dich um Hiife, allerliebster Vater mein."
Bist du Orm, der junge Gesell, ein Kampfer rasch und fein:
Ein Zahr ists, da gab ich dir Silber und Gold nach allein
Willen dein.
„Ein Zahr ists, da gabst du mir Silber und Gold, das acht'
ich nicht Pfennigs werth:
Jetzt will ich Birting haben, das ist so gut ein Schwert."
Und Birting erhältst du nicht von mir, zu gewinnen ein Mägd-
lein hold,
Eh du gewesen in Irland, und gerächt deines Vaters Tod.
„Du wirf Birting mir herauf, und laß das Schwert mich tragen,
Oder ich will den Berg über dir in fünftausend Stück zerschlagen."
So streck hinab deine rechte Hand, nimm Birting von meiner Seite:
Aber zerschlägst du den Berg über mir, wirst du sahen Qual
und Leide.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
So schleudert' er ihm Birting herauf, baß die Spitz' in der
Erde mußt stehn:
Genießest du nicht gut Glück, lieber Sohn, so wird mirs
schlimm ergehn.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 45 -
Nimmer ach*' ich aufBirting, zu mir kannst du nicht reichen;
Dein Hals entzwei soll knacken bei meinest ersten Streichen.
Da sprach Orm, der junge Gesell, so stei in seinem Sinn:
„So will ich dich hauen in deine Knie, reich' ich höher nicht hin."
Und darnach wirft er sein Schwert herum, Orm der junge Held:
Er haut den Berner in die Knie, daß er zur Erde fallt.
Nun war ich im Streitenachtzehnmal, nicht minder und nicht mehr.
Doch nimmer war es Kampferrecht, zu verwunden niedrig so sehr.
„Du Berner, laß deine großen Wort, du mußt mein Gefangener seyn:
Und wenn du nicht kannst beßer gehn, erhalt' ich vor dir das
schöne Mägdlein.
Und als er erschlagen den häßlichen Niesen, da verlangt' ihn
heim zu Land,
Da stieß er aus Giord und Alf wohl auf dem weißen Sand.
Willkommen, lieber junger Gesell, her aus dem Osterland:
Hast du irgend von Orm gehört, ob er ist worden ein Mann?
„Es ist nicht lang, daß ich ihn hörte bei der Ritter Versamm,
lung sprechen:
Ich schwöre, bei dem höchsten Gott, meines Vaters Tod zu rächen."
Das war der junge Herr Alf, der stieß auf die Erde sein Schwert:
Nimmer erhält Orm für den Vater sein Gold eines Pfennigs werth.
„Gewährte Gott es ihm, den Sieg zu gewinnen über den Der,
ner Riesen den langen.
So mag er auch rächen seines Vaters Tod, beides Gold und
Pfennig' erlangen.
Da sprach zu ihm Giord und Alf: in Wahrheit thu' uns sagen.
Dieweil wir ihn nicht mißen gern, ob Orm den Berner erschlagen.
Bist du Giord, und bist du Alf, Eure Namen sollt Ihr nicht bergen:
Ihr habt erschlagen den Vater mein, seinen Tod den will ich rächen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
HDQ
- 44 -
Sie zogen heraus ihre Schwerter gut, dis Kämpfer waren so gut:
Sie fochten wohl drei Tage: so weit da floß ihr Blut.
Da sprach zu ihm eine Meerfraue/ sie sagte so gut ein Wort:
Hör du, Orm, du junger Gesell, bezaubert ist dein Schwert.
Wirf du dein Schwert dreimal im Kreis, dann stoß es tief in
der Erde Grund;
Abends warf er sein Schwert im Kreis, wie sprach des Wei<
bes Mund.
Den vierten Tag zur Abendzeit, als die fünfte Stund' erklang,
Schlug Orm die beiden Kampfer todt, fuhr heim in seine Land.
Da kgm Orm, der junge Gesell, an des Königs Hof erfreut:
Ihm zogen entgegen mit Ehr und Ruhm der König und seine Leut.
Da war Freude über all' des Königs Hof, so lieblich zu hören
darinnen:
Der König gab seine Tochter weg, Orm, der junge Gesell,
thät sie gewinnen.
Mein Wald steht all in Blumen!
IX.
Wolf von Bern.
DaS war der junge Wolf von Bern, der vor dem König stand:
Wollt Ihr, zu rachen meines Vaters Tod, mir leihen Eure Mann?
Das klagt der Gesell, der gefangen liegt in der Heide!
„Ich will dir leihen meine Mann, will selber mit dir gehen:
Bitte du Vidrich VerlandS Sohn, so mag dein Willen geschehen."
Gold und Güldenklee trägt er in seiner Hand!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 45 -
„Ich will leihen dir meine Kampfer, die besten daraus zur Hand:
Vidrich und stark Dieterich, die machen viel Kampfer zu Schand.
„Das sind zwei Helden stark und kühn, die so oft gewonnen
im Kamsf;
Gefürchtet in allen Neichen, wo ihr Name wird genannt."
Eintrat der König von Dänemark, er schimmert' wie brennen»
de Loh':
„Wer von Euch, Ihr tapfern Gesellen, will folgen mein'm
Freunde zu Hof?"^
Der König ging über den Boden dahin, klar Silber in wei,
ßer Hand:
„Wer von meinen guten Mannen, will folgen mein'm Freun,
de zu Land?"
Alle hielten die Kappe sich vor den Mund, zu sprechen hatte
keiner das Herz,
Allein nur Vidrich Verland« Sohn, der machte daraus einen Scherz.
Das war Vidrick Verland« Sohn, der schimpflich zu ihnen sagt':
Das war, als tränken wir Wein aus der Schale: was hatt' uns
sonst zusammen gebracht!
Dietrich entrüsteten diese Wort, so feurig war sein Muth:
Das Haupt hieb er zwei Kämpfern ab, warft hin vor des
Königs Fuß.
Dazu sprach Vidrich Derlands Sohn, Ehr und Ruhm hät er
im Sinn:
Wir senden unsern Boden ab, wir kommen verstolen nicht, hin.
Das war der junge Hammergrau, der lief gen Osten fort aus
der Stadt:
Jedem, der den Mann ansah, verging Färb' und Laut alsbald., .
a l-auyi Ja lo ;
Das war der junge Hammergrau, dem das Gold an der Brust «rglast^
Es konnte weder Habicht noch Hund dem-Geftlln folgen zu @a(t.W
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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- 46 -
Es schimmerten Perlen an seiner Brust, jedermann veiwunder-
te stch da:
Kein Vogel war unter der Sonne so schnell, der ihm konnt
folgen auf der Jagd.
Eintrat der junge Hammergrau, stellte sich vor die Tafel sofort:
Er war klug im Reben, konnte fügen viel gut seine Wort.
Heil Euch, König von Dratensvendel, die andern will ich nicht
nennen:
Morgen kommt Wolf von Bern, seines Vaters Ted zu rächen.
„Viel lieber mag er bleibe» daheim und hüten das Vieh auf
der Heide,
Als daß er mir zu entbieten wagt, morgen komm' er mit mir
zum Streite. '
„Bester war .hm daheim zu ble.bcn, und zu kriechen untern
Fels wie ein Wurm,
Als da, wo gefallen der Barer sein, erregen Zank und Sturm. “
„Bester wär ihm daheim zu harren, zu kriechen unter die Dor-
nen so harr;
Sein Vater stand mir nur einenHieb, er selber steh: ihn nur halb."
„Sein Vater stand mir nur einenHieb, mitten auf dem Bier-
tings-felsen:
Beim andern Hieb, den ich ihm gab, inußt' fallen der Herr
zur Erde."
Hört Ihr, König von Dlidevendcl, den Zahn haltet vor die Zunge,
Denn es wachst auf der junge Wolf mit scharfen Zähnen im Munde.
„ES lebt kein Kämpfer auf der Welt, der mich könnt bringen
in Furcht,
Mein nur Vidrich VerlanLS Sohn, der aber ist nicht dort.
Da aber sprach der Bote zu ihm, das Wort, das bracht' ihm Leid:
Das ist Vidrich Verlanbs Sohn, der wird vorstehen im Streit.
'
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 47 —
Das war einer von des Königs Kämpfern, der sprach: „gar
wohl weiß ich.
Wer ist Vidrich Vcrlands Sohn: sein Vater war ein Schmied."
„Ich war ein Schmied aus Dosrefield, *) als die Kämpfer
tranken darinnen:
Vidrich trieb dort ein törichtes Spiel, das kommt mir nicht
aus den Sinnen."
„Fünfzehn Kämpfer schlug er zur Erde, einem Spiele achtet'
er das gleich;
Ich stand so nah, ich sah ihm zu: meine Wangen wurden
mir bleich."
„Hör du, guter Hammergrau, die Bitte so gern sag ich dir:
Was du irgend von Vidrich weißt, das birg du nicht vor mir."
Läg Vidrich auch krank im hohen Saal, und könnte sein Roß
nicht reiten,
Doch kommen tapfre Gesellen hierher, mit Euch im Felde zu
streiten.
Da sprach der König von Dlidevcndel, er sprach recht wie
ein Mann:
»Ich treff ihn morgen in Kampfes Sturm, wenn mein Roß
mich tragen kann."
Aufstand einer der Königes Mann, und also thät er anheben:
Vidrich ist eines Kohlenbrenners Sohn, den wollen wir wohl
bestehen.
Das aber verdroß den Hammergrau, er zürnte bei dieser Red':
Und so schlug er den Kampfer, daß er fiel todt zur Erd.
Da sprach der König von Pratensvendel, zornig war sein Muth:
„Warum schlugst du meinen besten Kämpfer todt vor meinem Fuß'?"
*) Das höchste Gebürg in Norwegen.
48
IV1
Darauf antwortete Hammergrau: ich berge das nicht vor dir:
Ich konnte nicht dulden die spottliche Rede, die gab er Vi-
drich oder mir.
Das aber sprach der Bote zu ihm, er that sich Großes dünken:
Wärst du gewesen ein edler Mann, du hättest mir geboten zu
trinken.
Das war der junge Hammergrau, und der begann zu schlingen:
Hört Zhr König von Bratensvendel, gebt mir etwas zu trinken.
Sie trugen herein achtzehn Lasten Bier, die trank er auf einen Aug,
Und die Tonne, vor des Königs Füß, in hundert Stück' er
zerschlug.
Fort lief der junge Hammergrau, stellte sich vor Vidrich den
Frommen:
Spitzt Eure Spieße, schärst Eure Schwert, morgen will der
König kommen.
Sie ritten all in dunkler Nacht wohl über das schwarze Feld:
Da schien das Licht, als wär eS Tag, von ihren Waffen hell.
Sie ritten da gen Bierting aus, gegen Diertingssumpf zumal,
Siebenhundert waren die Kämpfer stark, gepanzert theuerlich all.
Sie ritten da gen Bierting aus, gegen Diertingsstadt so frei,
Da schlugen sie ihr Volk in den Ring, machten Vidrich zum
Hauptmann aufs neu.
Auf Biertings Heide steckten sie auf ihre Fahn', einen Löwen
sah man drin fliegen:
Da war so mancher unschuldiger Mann, der mußte sein Leben
verlieren.
Sie hauen mit dem Schwert, sie schießen mit dem Dogen, ein
jeder kämpfet so wild:
Da ist gestoßen der rothe Schweis, und das Feuer aus dem Schild.
- 49 -
Da blickte der König von Dratensvendel durch seinen Helm
von Gold:
Wer sicht zuvorderst im Haufen heul': es geht so schlimm mei-
nem Volk!
Da sprach der kleine Bube, der zunächst ritt am König daher:
Das ist Vidrich Vcrlands Sohn, sitzt auf seinem starken Pferd.
Da sprach einer von den Königsmännern, dieweil er den Vi-
drich wohl erkannt:
DaS ist Vidrich VerlandS Sohn, er rührt Mimmering in
seiner Hand.
Dazu der König also sprach, sein Aug durch den schmalen Helm drang:
. Ich streite schlecht gegen dieses Schild, darin schimmert Ham-
mer und Zang. “
, Unselig streit' ich gegen dieses Schild, darin schimmert Ham,
wer und Zange:
Gewißlich werd ich erschlagen heut, denn Vidrich nimmt kei-
nen gefangen." *)
„Unter Heiden und unter Christen lüstet mich ein Gast zu seyn.
Nur nicht bei Vidrich Vcrlands Sohn, da geht mirs schlimm allein."
DaS war der König von Dratensvendel, der trieb mit dem
Sporn sein Pferd,
Er ritt auf Vidrich Verlands Sohn, er wollt' ihn fällen zur Erd'.
Das war der König von Blide Bendel, der hieb mit aller Macht;
Nichts konnte Vidrich anders thun, als vor seinen Würfen sich
nehmen in Acht.
Nun hab ich gestanden dir achtzehn Hieb, nicht minder und
nicht mehr:
Du stehe mir einen für alle die, und für deine königliche Ehr.
) d. b. er schenkt keinem das Leben.
4
„Hast du mir gestanden achtzehn Hieb, ob der sind minder
oder mehr:
Zch steh dir hinwieder ebensoviel, sollt ich König seyn nicht mehr."
So nahm er einen seidnen Faden, band ihn um den Helm so roth:
„Das hört nimmer die Verlobte mein, ein Schmiedgeselle schlug
mich todt."
Vidrich sprach zu Mimmering: Mimmering, bist du noch was werth 7
Nichtfiel aufcin erzürnteres Haupt in hundert Zähren mein Schwert.
So fest hielt ers am goldenen Griff, daß roth Blut aus den
Nägeln sprang:
Er hieb auf des Königs vergüldetcn Helm, daß die Kling in
dem Sattel stand.
Da hielt unter einem Hügel grün Vidrich Vorlands Sohn, der Degen:
Ist etwelcher von des Königes Mann, der sich Streikes noch
mehr will verwegen?
Nun liegt der König von Vratcnsvendel, und sein Blut das
rinnst so roch;
So freudig war der junge Wolf von Bern: er hat gerächt sei-
nes Vaters Tod.
Das war der junge Hammergrau, der mit den Augen aufsah:
„ Da liegen sie all und schweigen still, wie- Maust im ersten
Schlaf."
Das klagt der Gesell, der gefangen liegt in der Heide!
So freudig reiten alle die Königesmann mit Wolf von Bern
vom Gericht;
Er danket Vidrich Verlands Sohn, daß seines Vaters Tod er
gerächt.
Gold und Güldenklee trägt er in seiner Hand!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
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- 5- -
Einen Voten König Dieterich an Olger send't, der ihm ent-
bieten sollt':
Ob er lieber mit ihm streiten oder Schatzung geben wollt?
König Olger ward da zornig der Muth, den Spott konnt' er
nicht leiden,
„Sag ihm, er treff' mich auf ebener Heid, da wollten wir
mit einander streiten."
,,Von Schatzung weiß kein dänischer Mann, pflegt selbst dar-
nach zu fragen:
Aber wollt Ihr ja die Schatzung holen, sie soll Euch schlecht
behagen.“
König Olger sprach zu seinen Kämpfern, erzählte die neue Mähre:
„König Dieterich hat ein'n Boten gesandt, daß er Schatzung
von uns begehre.
Und Schatzung will er haben oder streiten mit uns so hart:
Er wird nicht der erste König seyn, der besiegt wird in Dänemark."
Darauf ein guter Degen zu König Dieterichs Bote sprach:
„Kommen die Berner in Dänemark herein, sie kommen her-
aus nicht all."
Wie lustig war da der Wolf von Dem, als sie hörten die
neue Mähr!
Wie lachte da Held Hogen! sie harrten schon lange so sehr.
Wie ward da Vidrich Verlands Sohn so froh in seinem Muth l
Da sagte Orm der junge Held: „gegen den Berner reiten wir zu'."
„An der Spitze der vorderste will ich seyn," das sagte Herr Iferblau:
„Der letzte Mann werd ich nicht seyn," das riefHerrKuldengrau.
König Olger und stark Dieterich trafen einander auf der Heide,
Schlugen sich mit Macht und ohne Schand: so zornig wa-
ren sie beide!
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Sie kämpften einen Tag, sie kämpften drei, keiner konnt' über
den andern siegen:
Die Dänen stritten so männiglich, sie wollte» ihren Herrn
nicht betrügen;
Das Blut rann heftig wie ein Strom durch Berg und tiefe Thale:
Die Schatzung, wie's vor gelobet war, die mußten die Berner
bezahlen.
Der Rauch trieb in die Wolken hoch und die Sonne ward so rdth:
Das war groß Jammer anzusehen, wie mancher Held war todt.
Da lag das Roß und dort lag der Mann, wurden geschieden
gute Freunde da:
Nicht alle lachten, die kamen zum Schmaus, da stand so heiß ein Bad.
Das war der hohe Berner Riese, der gedacht' in seinem Sinne:
Kaum hundert leben unserer Mann, wie sollen den Streit wir
gewinnen!
Und Dieterich ließ seine Deine gehn, nicht viel er rückwärts blickt';
Sverting vergaß zu sagen gute Nacht; nach Bern zogen sie zurück.
Dieterich wendete sich noch einmal um, und hoch in die Wol-
ken er sah:
Bern, dünkt mir, wird für uns das beste seyn, Schutz und Schirm
' wir sonst nicht sahn.
Da sprach Vidrich Verlands Sohn, er hielt auf grüner Heide:
„Viel klein sollt Ihr Euch rühmen damit, daß Ihr gewesen in
Dänemark zum Streite. ‘
Zur Zeit, da sie zogen aus dem Bernerland^ wohl achtzehn
tausend sie waren;
Fünfund fünfzig kamen davon zurück: eine so geringe Schaar!
Nun steht der Streit nach Norden unter Jütland!
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- 54 —
XI.
Hvitting Helfreds Sohn und König Jsald.
Der König waltet über Burgen und so über alle Land,
Und so über manchen raschen Held, mit gezogenem Schwert in
der Hand.
Dieweil der König waltet über Burgen.
Laß den Bauer walken über sein Haus, den Hofmann führen
sein Roß,
Der König von Dänemark waltet über Burgen und feste Schloß.
König Dieterich sitzt auf der Draringsburg, und schaut hinaus
so weite:
„Keinen weiß ich auf Erden, der wäre meines gleichen."
Da sprach zu ihm Brand von Vifferlin, der war gewandert so weite:
Doch will ich Euch weisen gute Kämpfer, die mir Euch dür-
fen streiten.
Es heißet Jsald ein König fein, der wohnt in Diertings Gefild,
Der hat Männer, die ihm folgen, die streiten mit Wölfen wild.
Er har Männer, die ihm folgen, die streiten gegen der Bären Zahn:
Er will nichts anders eßen, als Fleisch eines Christenmann.
Jeden Tag, der in Osten raget, La erfrischet er seinen Mund
Mit Gewürm und mit Kröten und anderm Unkraut: er ist kom-
men aus der Hölle Grund.
Das war Jsald der König, und der sprach diese Wort:
Sagt zu meinem kleinen Buben, er solle gehen vor mich sofort.
„Hör du, wackrer junger Gesell, du sollst mit Botschaft ausreiten
Zum Königs vonDratensborg: ich gedächr mit ihm zu streiten."
„Sag ihm, er solle Schatzung geben, oder ziehen zum Kampf
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Da sprach der wackre junge Gesell, er war so klug im Reden:
Ich will führen Eure Botschaft aus, und wenn sie mich schlafen legen.
Kam herein der kleine Bich, stellte sich vor die Tafel sofort:
Hört das, König Dieterich: mein Herr sendet Euch diese Wort:
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Zunächst ritt Held Hogen, eine Rofenblume werth.
Dann ritt Folqvard Spielemann, ln der Hand sein gezogenes Schwert.
Da ritt der junge Wolf von Bern, ihn trug ein Roß so schön,
Nach ihm ritt Herr Humble jung, und dann Herr Sigftedsön.
Da ritt Gonther Gernafl mit Pfeilen auf den Bogen gelegt.
Da ritt Sonne, Folqvards Sohn, sein Haupt so muthig er trägt.
Da ritt der kleine Grimmer mit seinem Panzer von Gold,
Da ritt Seyr der rasche, der vor keinem fliehen wollt.
Und das war der harte Angelfyr, der sprach zum Grasen Herr
Guncclin:
„Wer nicht ein andres Roß kann sahn, lauf mit bloßen Füßen hin."
So kam der Meister Hildebrand, aus scin'm Roß saß er so fest,
Ihm folgte der Münch Bruder Alsing, er dient' diesem Käm
pfer zunächst.
Da ritt Orm der junge Gesell, war so muthig in seinen Sinnen;
Alle waren sie so froh und getrost, sie gedachten den Sieg zu
gewinnen.
Da ritten aus der Dratingsburg auf das beste, so sie konn-
ten, daher:
Hvitting Helfteds Sohn -lief ihnen nach, dieweil er nicht hüt
ein Pferd.
So lange lief da Hvitting, bis zornig ward sein Sinn:
Er schlug einen Kämpfer vom Roß herab, setzte sich auf, und
ritt dahin.
Das war der Herr König Dieterich, der schaute rückwärts da:
Den Hofmann, der sonst zu gehen gewohnt, den sch ich reiten ja?"
„Hör du, Hvitting Helfreds Sohn, acht auf die Worte mein:
Du sollst ziehen gen Biertingsland, >und führen die Schätzung
uns heim."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Das war Hvittrngs Helsteds Sohn, der lachte so laut dabei:
Soll ich ziehen gen Biertingsland, laß ziehn nur uns drei.
Ach nehme dich Vidrich Verlands Sohn, dann Dieterich von Bern:
Diese sind die besten Kriegsmänner, die streiten mit Helden so gern.
Sie setzten sich auf ihre Roße. sie ritten den Weg so weit dahin;
Das will ich Euch in Wahrheit sagen: sie waren viel zornig im Sinn.
Der Wachter stand auf der Mauer, und sah in die Weite hinaus:
«Dorther kommen drei Helden, mich däucht, sie sähen zornig aus. “
«Der eine ist Hvitting Helsteds Sohn, der verlor sein Roß
vorm Jahr;
Das mögt ihr glauben, wenn Ihr wollt: er ist uns ein Gast
so hart."
„Der andre ist Vidrich Verlands Sohn, führt Hammer und
Fang' im Schilde frei.
Der dritte ist Dieterich von Bern: starke Kämpfer alle drei."
Sie stellten ihre Roße in den Burghof, zum Schloße gingen sie hin:
Das mußte jeder an ihnen sehn, wie zornig war ihr Sinn.
So griffen sie den Pförtner, schlugen ihn in Stücke klein.
Und darnach, vor dem König zu stehn, gingen sie in die Stube ein.
Da sprach Isald der König, er redete diese Wort:
„Von wannen sind die dummen Gesellen, die vor unsrer Tafel
stehen dort?"
Da sprach des Königs Mundschenk, der schenkte beides Meth
und Wein-
Greisen wir nach unsern weißen Spießen, wir treiben sie wie-
der heim.
Dar war Hvitting Helsteds Sohn, der faßte, den Mundschenk
bei dem Bart,
Er schlug ihn» hinter die Ohren: das Gehirn spritzt' an die Wand.
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Das war Hvitting Helfteds Schn, der Schimpf draus machte viel:
Er warf den todten Leib auf den Tisch: „wer spickt den Bra-
ten mir?"
Und Dietrich von Bern, der trat herzu, aus güldner Scheide
den Degen schwang:
Er hieb auf Zsald den König, daß die Klinge bis zum Nabel
drang.
Herzu trat Vidrich Verlands Sohn, und er hieb sich einen Kreis:
Vierzig Kampfer hieb er todt, lief rings umher mit Fleis.
Herein kam des Königs Mutter, alt und grau, und weinte viel:
Das mag glauben, wer da will: sie trieben viel Schimpf mit ihr.
Das war Hvitting Helfteds Sohn, der sic mit dem Schwerte
berührt':
Da W«' sie entzwei sein gutes Schwert, daß es brach in fünft
- ' rehn Stück.
Da küß^ sie entzwei sein gutes Schwert, daß es am Griff abbrach:
Er zog sie an beiden Deinen, er schlug sie also hart.
Sie verwandelte sich in einen Kranich, sie flog in die Wolken so hoch:
Hvitting in einem Federkleid, der flog ihr alsbald nach.
Sie flogen einen Tag, sie flogen zwei, mußten bcid' ohne Ru-
he seyn:
Da fing er den Kranich an beid' seinen Deinen, er zerriß ihn
zu Stücken klein.
Sie ritten aus von Diertingsland, mit gezogenem Schwert in
den Handen ;
Alle da liegen die Kämpfer todt, das Recht mußten sie erkennen.
Dieweil der König waltet über Burgen!
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 59 -
XII.
Das Lied von Vidrich Verlands Sohn.
Dlackmann der König wacht auf in der Nacht, und erzählt was
im Traum er gesehen:
„Zn vollen fünfzehn Wintern ist mir das nicht geschehen!"
Ihr reitet mit mir zur Abendzeit!
„Mich däucht', ich war auf Biertings Höhe, mit drei Bären
im Kampfe stark;
Ich schlug sie nieder unter mich, da wacht' ich auf alsbald."
„ Dann war ich wieder auf Biertings Höh', im Kampf mit ei-
nem Lenen:
Der Leu der trat mich unter sich, zerriß mich mit seinen Klauen."
Da spricht alsbald ein Kämpfer gut, bei dem König er dienet
und wacht,
Die Träume haben nichts zu sagen, Herr, habt drauf keine Acht.
Das war Blackmann der König, der ließ berufe» seine Män-
ner alle:
Einem König ziemt zu halten sein Wort, und sollt' ich sieglos fallen.
Heim da kam der Bote, und er machte sich auf zur Stund:
Aber folgen konnt ihm auf dem Weg kein Habicht und kein Hund.
„Hier sitzest du Alf von Bern, ;unt' kannst du darum nicht sorgen?
Der Herr will mit dir kämpfen auf dem Biertingsfelsen morgen."
Auf da standen die Kämpfer, und hießen satteln ihre Roß;
Ihr sattelt mir das beste, sprach Vidrich Verlands Sohn.
Sie zogen aus nach Holsterby, und nach Holsterbps Sumpfe fort:
Bedecket mit Panzern theucrlich, achtzehntausend zählte man dort.
Sie ritten hin gen Bierring und durch Bierringsstadt so frei,
Sie stellten das Volk in einen Ring, machten Vidrich zum
Hauptmann aufs neu.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
Eine Ordnung viereckig machten sie, das konnte jeder Mann sehe»,
Hundert und vier und dreißig dazu in jeglichem Gliede stehen.
Hundert und vier und dreißig dazu in jeglichem Glied mußten
kommen,
Dann vier und vierzig noch dazu; das war der Kämpfer Frommen.
Zn der Biertingsheid steckten sie auf ihre Zahn', einen Leu sah
man drin fliegen:
Wie mußte so manch' unschuldiger Mann sein Leben da verlieren!
Das war Vidrich VerlandS Sohn, der schlug mit starker Kraft,
Und fünf, und neun, und dreimal zehn, schlug er auf jeden Schlag.
Das war Blackmann der König, der schaute sich um nach allen:
„ O mag wohl Vidrich seyn dabei? wie muß mein Volk so fallen! “
Das war Blackmann der König, dem erbleichten die Wangen
so viel:
„O hätt ich das vorher gewußt, ich hätt vermieden solch Spiel!"
„Und will das Glück nun werden so, daß ich soll sieglos fallen,
So will ich männlich wehren mich: das sollt Zhr verkünden
vor allen."
Das war Blackmann der König, dem ward so traurig sein Muth:
Er hieb darnieder Kämpfer zwei, daß sie fielen vor Vidrichs Fuß.
Das war Vidrich Vorlands Sohn, vor dem war dem König bange:
Willst du behalten dein Leben heut, so gib dich mir gefangen.
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Das beste Gefängniß du haben sollt, beiß ein König lüstern
mag seyn:
Und ich will dir geben die Dratingsborg und die jüngste Schwe-
ster mein.
„Einer Jungfrau schon bin ich verlobt, Königstochter aus frän-
kischem Reiche:
Die soll das hören nimmermehr, daß ich vor einem weiche."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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„Hör an, o Vidrich Verlands Sohn, hier ist so klein die Noch:
Du bist ein Held, deß Ruhm geht weit, von deiner Hand will
ich den Tod."
So legt' er um seinen güldenen Helm den Seidenfaden so roth:
„Da hau' nun, Vidrich Verlauds Sohn, ich hoff', es stießt
kein Blut."
Mimmering, magst du taugen ein kleines noch? sprach Vidrich
zu seinem Schwert:
Ich schlug in fünfzehn Jahren nicht auf ein Haupt, das zürn-
te so sehr.
Vidrich zog aus sein gutes Schwert, war verschlossen in der
Scheide werth:
Er schlug auf Blackmanii' den König so hart, daß drang bis zum
Nabel das Schwert.
Da schlug Vidrich Verlands Sohn, in Schimpf wars nicht gethan:
Er schlug auf Blackmann den König, daß das Schwert in den
Sattel drang.
Da sprach Vidrich Verlands Sohn, seine Wangen wurden roth:
Ein großes Leid ists anzusehn, daß solch ein Held liegt todt.
Wir heben auf den königlichen Leib, wir laßen ihn wohl begraben:
Groß Ehre, Ruhm^ und Würde ein solcher Held muß haben.
Nun bin ich gewesen in manchem Tanz, in Kämpfer Händen schwer.
Doch nimmer hab ich einen gefunden, der sich so männlich gewehrt.
Das Lied das Ihr nun habt gehört, das hat genommen ein End,
Das hat gesungen Vidrich Verlands Sohn, den jeder Held
gut kennt.
Ihr reitet mit mir zur Abendzeit!
Er warf den Ritter vom -Pferd sofort.
Und that ihm an noch viel mehr Pein:
Er schlug sein Haupt gegen einen Stein.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
e» setzt' er sich auf zu reiten.
Mit andern Kämpfern wollt' er streiten.
Da er kam in einen vielgrünen Wald,
Auf Vidrich Versands Sohn stieß er alsbald.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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6 4
Das war der Graf Herr Guncelin, der am grünen Hügel ritt hin,
Da traf er auf klein Tilventin, zu harren gebot er ihm.
Willkommen, klein Tilventin, wo hast du zur Nacht geruht?
„Zch hab geruht auf der Bratensborg, dort haut man das
Feuer vom Hut. *)
Das war der Graf Herr Guncelin, der blickt' unterm Helme roth:
Zn Wahrheit, kleiner Tilventin, du sprichst deinen eigenen Tod.
Das war der Graf Herr Guncelin, der sein Schwert auszog.
Das war der kleine Tilventin, den er in Stücke schlug.
So ritt er fort zur Bratensborg, er stieß an die Thür mit deni Schaft:
Ist irgend ein Kampfer drinnen, der streiten dürfte mit Kraft?
Das war der Herr Zfer Blau, der nach Westen sich umschaut':
„Hilf mir, Wolf unoAsmer Greif! ich hör eines Helden Ruf laut!"
Da» war der Herr Zfer Blau, der nach Osten sich umschaut':
Hilf mir, Othin, du hast Macht! Herr Guncelin ruft mir laut!
Das war der Graf Herr Guncelin, der warf den Helm übern
weißen Hals;
Das hörte die liebste Mutter sein wohl über drei Acker lang.
Die Frau erwacht' um Mitternacht, zu ihrem Herrn sie sprach:
„Rathe nun, du höchster Gott, unserm Sohn auf seiner Fahrt."
Den ersten Ritt, den sie zusammen ritten, so stark war jeder ein Held,
Stach Guncelin Herr Zfer Blau, und trieb ihn weit ins Feld.
„Hör du, Grafe Guncelin, und willt du mich laßen leben:
Ich hab mir eine verlobte Braut, und die will ich dir geben."
Nicht will ich deine verlobte Braut, im Ehstand will ich leben:
Gib mir Salenta, die Schwester dein, mit ihr laß ich mich begnügen.
So ritten sie zur Hochzeit, so sie konnten, aufs beste fort.
Sie entboten dazu die Kämpfer, so viel sie konnten dort.
*) d. h. man haut auf den Stahlhut, daß die Funken fliegen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Sir entboten Vidrich Vorlands Sohn, stark Dieterich auch von Bern,
Sie entboten Holger den Dänen, dieweil er streitet so gern.
Sie entboten Sivard den hurt'gen Gesell, er sollt' vor der
Braut herreiten,
Sv kam. Langbein der Riese, sollt' sitzen an des Bräutigams Seite.
Sir entboten Meister Hildebrand, der trug die Fackel vor der
Braut voraus,
Ihm folgten auch die Kämpfer zwölf, die tranken einen guten Rausch.
Dahin kam Folqvard der Spielemann, den die Kämpfer müsi
sen leioen all,
Dahin kam König Siegsrid Horn, sich selber zur Angst und O.ual.
Da war die stolze Frau Grimild, zu bereiten die Braut im Saal,
Sie ließen ihr die Füße mit Eisen beschlagen, und die Finger
umschmieden mit Stahl.
Da kam herzu Frau Gunde Hette, die im Norden Gebürge haust;
Da war ein viel gutes Leben: sie tanzt und auch sie schmaust.
Da kam herein Frau Bkpnial, die schnitt vor der Braut das Eßen;
Ihr folgten sieben schlanke Frauen, in Mitten die Kämpfer da saßen.
Sie folgten die Braut in die Kammer hinein, zu eßen die Frühekosi:
Sie aß da auf vier Tonnen Brei, die schmeckten ihr das allerbest.
Da mußten sechszehn Ochsenleiber, achtzehn Schweine Seiten daran:
Bier trank sie sieben Tonnen, eh sie zu schlucken begann.
Sie führten die Braut zu dem Saale hin, da drängte so stark
ihr Kleid,
Sie schlugen, eh sie schoben die Braut hinein, von der Mau'r
fünfzehn Ellen breit.
Sie führten die Braut zur Drautbank hin, sie setzten sich nie-
der so sacht:
Eine Dank war da von Marmelstein, die zersprang in die Er.
de mit Macht.
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essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
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Sie legten ihr vor die beste Speiß, sie aß und trank nicht klein:
Fünfzehn Ochsen verzehrte das Meerweib, darzu zehn fette Schwein.
Der Bräutigam gab darauf acht, ihm dünkt's nicht wohl gethan:
„Ich sah nie eine junge Braut, die so der Schützet ihr Recht
that an."
Auf da sprangen die Kämpfer all, thäten sich zusammen besprechen:
Was lieber: wollen wir werfen die Slang, oder wollen wir rit-
terlich fechten?
Die Kampfer begannen zu beschreiben die Kreist da auf dem
grünen Plan,
Sie thatens der jungen Braut zur Ehre, sollt' schauen die gro-
ßen Hoftverk an.
Dir junge Braut sprang von der Draulbank, sie hatte zwei
Hände so schwach;
Zn ihr sprang Langbein der Riese: gnt Abentheure da geschach.
Da tanzte der Tisch, da tanzte die Dank, und das Feuer vom
Hute flog hin;
Aus da liefen die guten Kämpfer: hilf nun Frau Teufelin l
Da hub an ein stärkerer Tanz von Ribe bis an die Slie: *)
Der geringst« Kämpfer im Tanzen da hatte fünfzehn Ell'n un-
term Knie.
Der geringste Kämpfer im Tanzen da, das war der Degen klein
Mimmering:
Er war unter diesem heidnischen Volk das einzige Christenkinb.
Wohl auf vor Tag, wir komme» wohl über die Heide!
*) Statt in Jütland, und Fluß in Schleewig.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Ein altes Weib mit Spindel und Rocken da stand:
San« Oluf, wir segelst du uns zu Schand!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Sanct Ofaf, mit dem rothen Bart,
Durch meine Kellerwand geht ja die Fahrt!
Sanct Oluf hinter sich blos schaut:
„Steh du, und werd ein Kiesel grau."
So segelten sie ohn all Unglück:
Stock und Stein ließen sie zurück.
Sie segelten so sie konnten aufs best:
Kein Mann konnt' richten die Augen fest,.
Sanct Ol»f spannt' den Dogen an seinem Kniet
Der Pfeil siel hinterm Segelbaum hin. -
Vorn von dem Schiff herab er schoß:
Der Pfeil ins Meer fiel hinter dem Ochs.
Sanct Oluf traut' unsern» Herrn so sehr,
Drum kam er an drei Tag vorher.
So zorngemuch ward da Harald:
Verwünscht sich zum Drachen ungestalt.
Sanct Oluf »var ein gottsfürchtiger Mann,
Drum »vard er König in Norwegen Land.
Sanct Oluf ging zur Kirche hin,
Er dankte Gott mit Herz und Sinn.
Wie Sanct Oluf geht zum Kirchhof dar.
Da erscheint ein Strahl aus seinem Haar.
Der kommt »vohl fort, dem hilsct Gott,
Seine Feinde sahen Schand und Spott.
So lieblich ists in Dromheim^pi ruhen!
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grim
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Schaue du zu dem Himmel
Und zu den Sternlein auf,
Da kannst du schauen, wie stichle
Die Nacht wird zichn herauf."
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So scheint- nicht, daß eine Jungfrau fährt."
„Goldne Sporn thu' ich an die Füße dir legen,
Do kannst du reiten deinen Verwandten entgegen.
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„Goldburg, o seid mir treu und hold,
Zn beßerm Land Ihr wohnen sollt."
„Ich will Euch führen in da« Land,
Wo Sorge nimmer Euch wird bekannt."
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Er schlug über sie den Mantel blau,
Er setzte sie auf sein Rößlein grau.
Und als sie kamen auf die Heide,
Trafen sie den Graf, den reichen.
Hör du, Ribolt, lieb Skallbruder mein:
Wie hast du gewonnen Len Knaben fein?
„Das ist mein allerjüngster Bruder,
Den führ ich fort von meiner Mutter."
Vor mir sollt du das bergen nicht:
Goldburg, Goldburg, wohl kenn ich dich.
Kannst du bergen dein Scharlachgewand,
So kenn ich doch deine Roftnwang.
Ich erkenn dich an dem schönen Haar,
Dieweil ich Diener an deines Vaters Hof war.
Ich erkenn dich nicht an Kleid oder Schuh,
Doch weiß ich den Ritter, dem du Treu' sagtest zu.
Ich kenn wohl den Brok, sie gab ihm ihre Hand
Vor dem Priester und dem gemeinen Mann.
Einem Goldschmuck von der Brust sie nahm.
Sie schlang ihn um des Grafen Arm.
„Und langt Ihr an zu Abend dort.
So sollt Ihr reden von mir kein Wort. “
Der Graf der reitet zürn Kullö Haus,
Wo die Kämpfer trinken guten Rausch.
Und als er in Truids Burg einreil't.
Da sitzt er über der Tafel breit.
Hier sitzst du, Herr Truid, trinkst Mech und Wein,
Nibolr reitet fort mit der Verlobten dein.
Da empfing er seine Todeswund.
Ribolt steckte sein Schwert an die Seite:
Komm, Goldburg, nun wollen wir reiten,
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All in der Burg laßt Truid rufen gleich:
Zhr raschen Hofmann panzert Euch!
Als sie «ine kleine Stund geritten,
Goldburg thät da rückwärts blicken.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Hör du das, du wilder Nachtrabe, du senk uns nicht in den Grund-.
Gold und Silber sollst du haben, wohl fünfzehn gewogene Pfund."
Gold und Silber, das acht ich nicht, ich bitt um 'ne andere Gabe:
Was du hast unter deine«! Gürtel, das will ich von dir haben.
Gold und Silber das hab ich selbst, da« hilft dir nimmermehr:
Was sitzt unter deinem Leibgurt schön, darnach lüstets mich so sehr.
„Ich hab nichts unter dem Leibgurt mein, als meine Schlüße! klein:
So viele laß ich mir schmieden, sendet Gott mich lebendig heim."
So zog sie heraus die Schlüße! klein, und warf sie ihm über Bord:
Fort da flog der wilde Nachtrabe und nahm so fteudig ihr Wort.
Die Königin ging auf weißem Sand, so groß war ihr'Unlust:
Da merkte sie wie Germann der stöhliche Held ward lebendig
unter ihrer Brust.
Und mehr nicht als fünf Monde nach dieser Zeit vergehn.
Die Königin eilt in den hohen Saal, sie gebiert einen Sohn so schön.
Geboren ward er zur Abendzeit und getauft noch in der Nacht;
Sie nannten ihn Germann den fröhlichen Held, weil sie mußten
bargen sie ihn darnach.
Sie erzogen ihn in einem Winter und in neun Wintern fürwahr:
Er ward der allermuchigste Knabe, der mit Augen zu sehen war.
Der Knab' erstarkte, so wohl er wuchs, sein Roß konnt' er
wohl reiten:
So oft ihn seine liebe Mutter sah, war sie voll Sorg und Leiden.
O sagt mir das , liebe Mutter mein, o thut mir das kund:
Warum grämt Zhr Euch, wenn ich gehe vorbei, so jämmer-
lich zur Stund?
„Hör du, German«, du fröhlicher Held, ich mag um dich
wohl klagen,
Zch mußte dich, da du noch so klein, einem Ungeheuer zusagen/
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Hört Ihr das, liebste Mutter mein, laßt Euer Leid nur fahren:
Wie Gott mein Glück mir geben will, davor kann mich nie-
inand bewahren.
Das war ein Donnerstag Morgen, im Herbst, da der Tag ergraut',
Offen stand die Frauenstube, da kam so wild ein Laut.
Der häßliche Geier kam herein, setzte sich zu der Königin:
Gedenket was Ihr gegeben mir, allergnädigste Königin.
Sie aber schwur ihm bei Gott , bei den Heil'gen sie schwören that:
Sie wüßte weder Tochter noch Sohn, den sie auf Erden hätt.
Fort da flog der häßliche Geier, wie schrecklich sein Schreien war!
„Wo ich finde Germann den fröhlichen Held, ist er mir gege-
ben fürwahr."
Da lüstete Germann ein Mägdlein zu freien, da er hät volle
fünfzehn Jahr,
Des Königs Tochter von Engelland, so die schönste Jungfrau war.
Und Heini zu seiner verlobten Braut sosehr verlangte sein Muth:
„Wie werd ich kommen über die See zu der Insel rings in Fluht!"
Das war Germann der fröhliche Held, der zog über sein Schar-
lachkleid ,
So ging er in den hohen Saal vor seine liebe Mutter ein.
Eintrat Germann der fröhliche Held in scharlachrothem Kleid:
Mutter, über das salzige Meer Eure Federhaut mir leiht.
„Meine Federhaut hangt in dem Winkel so hoch, die Federn sin-
ken all' zur Erde:
Ziehst du fort in ein fremdes Land, ich seh dich nimmermehre."
„Die Fittiche die sind so breit, sind unter den Wolken so tief.
Und leb ich bis zur Sommerszeit, neu laß ich's wirken mir."
Er setzte sich in die Federhaut, über die See so weit flog er fort,
Da traf er den wilden Raben, der ruht' auf der Insel dort.
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sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
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Er flog auf, und er flog nieder, er flog so getrost dahin,
Da er kam mitten in den Sund, hört' er eine häßliche Stimm'.
Willkommen, Germann du fröhlicher Held, wo bist du geblie-
ben so lang?
Deine Mutter hat dich verschenkt an mich, als du noch klein und ;art.
„Du laß mich fahren, du laß mich fliegen, daß ich red mit der
Verlobten mein:
Wir wollen uns beid hier versammeln, komm ich wieder von
ihr heim."
Da will ich dich bezeichnen, weil du nun fliegest fort;
Wenn du kommst unter Ritter und Gesellen, sollst du nicht
vergessen dein Wort.
Er hackt ihm aus sein rechtes Aug, trank halb sein Herzens Blut;
Der Ritter kam zu seiner Braut, sein Willen war so gut.
Er setzte sich in der Jungfrau Kammer, so blutig und so bleich;
Alle die Iungfraun in der Kammer ließen Spiel und Scherzen gleich.
All da saßen die Jungstauen still und achteten drauf nicht sehr:
Aber, die stolze Jungfrau Adelutz warf von sich Saum und
Scheer.
All da saßen die Jungfrauen still und ließen Scherz und Freud:
Aber die stolze Jungfrau Adelutz schlug zusammen ihre Hände beid.
Willkommen, Gennann fröhlicher Held, wo seyd Ihr gewesen
im Spiel?
Wie sind Eure Kleider so blutig. Eure Wangen bleich so viel?
„Fahrt wohl, liebe Jungfrau Adelutz, meine Flügel müßen mich
forttragen:
Der mir ausgerißen mein Auge, will meinen jungen Leib auch haben."
Einen silbernen Kamm zieht sie heraus, selbst kämmt sie ihm
sein Haar:
Bei jedem Haare, das sie kämmt, vergrest sie Thränen schwer.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Bei jeder Locke, die sie ihm schlingt, vergiest sie Thränen schwer-
Sie verwünschet seine Mutier, sie machte sein Glück so hart.
Das war die stolze Adelutz, die zog ihn in ihre Arme beid:
Was sprach am Abend die Kön'gin mit dir?
„Ich sprach Abends nichts anders mit der Königin,
All wie tapfer und rngenLlich Euer Sinn."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 89 -
Schön Sidselill zieht über den Mantel so blau,
Sie lüstets zu gehn und schön Medel zu schaun.
Schön Sidselill ihr Muth that sorgenvoll seyn:
„Steh auf, schön Medclvoid, und laß mich ein."
Das hab ich niemand zugesagt,
Und niemand kommt herein in der Nacht.
„Steh auf, schön Medelvold, und laß mich ein:
Zch hab geredet mit der Mutter mein."
„Dich will sie oben an den Galgen hängen.
Mich will sie unten auf dem Holzstoß verbrennen."
Nicht aber will ich hängen für dich.
Und auch nicht sollst du brennen für mich.
Du sammle nun eilig dein Gold in den Schrein,
Dieweil ich sattle das graue Rößlein mein.
Er schlägt über sie den Mantel so blau.
Er hebt sie auf das Rößlein grau.
Und als sie kommen vor den Ort heraus,
Ihr Auge so hoch in die Wolken schaut.
Däucht dir der Weg so lang zu seyn?
Wie, oder ist dir der Sattel zw klein?
„Ach nein, nicht baucht mir der Weg zu lang:
Mein Sattel der wird mir zu schmal."
Er breitet aus den Mantel so blau:
Willst du, schön Sidselill, ruhen darauf?
„Christ geb! ich hätt' eine meiner Jungfrauen hier:
Eh ich sterbe, könnt' sie helfen mir."
Deine Jungfraun, die sind weit von dir,
Du hast nun niemand außer mir.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
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„ Viel lieber lieg ich zur Erde todt,
Ais ein Mann sollt sehen Frauen-Noth."
Nimm ein Tuch, und üinds um die Augen mein,
Do will ich an Weihesstatt bei dir seyn.
Christ geb! ich hatt einen Trunk Waßer frisch:
Mein sorgvolles Herz löscht er gewiß.
Schön Medelvold war ihr hold und gut:
Er holt' ihr Waßer in silbcrgespangetem Schuch.
Schön Medelvold durch den kleinen Wald hindrang,
Er ging zum Brunnen den Weg so lang.
Und als er kam zu dem Brunnen herab:
Zwei Nachtigallen saßen und sangen da:
, Schön Sidselill liegt im Walde todt.
Und zwei kleine Söhn in ihrem Schoos."
Er achtete nicht, was die Nachtigallen sangen.
Er ging zum Wald seinen Weg so lang.
Und als er in den kleinen Wald that gelangen.
Da war das wahr, was die Nachtigallen sangen.
Er grub beides tief und breit ein Grab:
Darein legt' er alle drei hinab.
Und als er über dem Grabe stund,
Däuchts ihn, die Kindlein weinten unter seinem Fuß.
Er setzte sein Schwert gegen einen Stein,
Und stieß es in sein Herz hinein.
Schön Sidselill war ihm treu und werth:
Die Liebe wollen wir nun bewahren!
Nun liegt er bei ihr in schwarzer Erd.
Allerliebste mein, ich kann dich gar nimmer vergcßen!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
„ Mitten auf sein Herz einen Schlag sie that.
Wie er ihn nie empfunden hät.
Sie hub ihn auf sein roch Nößlein:
„Zu deiner Braut nun reite heim."
~ 93 ~
9-
Hafbur und Signild.
(T.)
König Hafbur und Herr König Sivard. die lebten in einem Streik
Um die stolze Signild lille; sie war so schön ein Weib.
Was lieber: Zhk gewinnet mich, oder so schön eine Maid!
Und das war Hafbur, der Königs Sohn, der wacht' auf um
Mitternacht,
Von seinen starken Traumen gar bald und schnell er sagt.
All da saßen Jungfrauen und Mägdelein, und achteten drauf so klein.
Außer seine allerliebste Mutter, die errieth wohl die Träume sein./
„Mir däuchre, ich wär im Himmelreich, in einer,so schönen Stadt,
Ich hatte meine Liebste in dem Arm, wir svigten-den Wolken-nachr"
Geh' du zu dem Berge hin, sollst krag dazu nicht seyn,
Di« du Elsens allste Tochter, dre erräth die Träume dein.
Das' war Hafbur, der Königs Sohn, der nahm in die linke
Hand sein Schwert:
So ging er in den Berg hinein, und suchte die Zungstau werth.
Er schlug an den Berg mit seinem Kleid, so sacht mit kleinen
Fingern er schlug;
Wachend lag die Elsens Tochter, wußt, was er im Sinne trug.
„Heil Euch, Elsens Tochter fein, .Ihr seyd wohl verhüllt ins Kleid:
Ich bitt Estch bei dem höchsten Gott, errathet die Träume mein."
„Mir däuchre, ich wär im Himmelreich, in einer so schönen Stadt, .
Ich hatte meine Liebste in dem Arm, wir folgten-de« Wolkett-nach."
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Daß(du warst m-dem- Himmelreich, drum gewinnst du die Jung-
4/ dem:
Dauchte dir, du sielst cmf die Wolken, du leidest für sie Todespein.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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*)
Und ist mir das zum Glück gesagt, daß ich gewinne die Jung-
frau mein,
So ist mir das zur Sorge gewendet, soll ich leiden für sie Todespcin.
Herr Hafbur läßt sich die Haare wachsen und Jungfrauen Klei-
der schneiden:
Das Gewebe schlingen zu lernen, an Sivards Hof thut erretten.
Herr Hafbur läßt sich Kleider schneiden, recht nach Jungstauen Art,
Des Königs Tochter zu betrügen, beginnet er eine Fahrt.
Mitten in dem Burghof zieht er über die Schulter sein Kleid,
So geht er in den hohen Saal vor Frauen und Jungfrauen ein.
.,Hei! Euch, Ihr Frauen und stolze Jungfrauen, Mägdlein und
höfliche Weib,
Und am allermeisten, dänische Königstochter, mögt-Ihr hier in-'
nen seA"
„Heil Euch, Signild Königs Tochter, Ihr spinnt im Seide-
zwirn mit Ehren,
Herr Hafbur hat mich zu Euch gesandt: Ihr sollt mich das Ge-
web schlingen lehren."
Und hat Euch Herr Hafbur zu mir gesandt, sollt Ihr willkom-
mener Gast mir seyn:
Alles Gewebeschlingm, das ich kann, das lehr ich Euch so fein.
Alles Gewobeschtingen, das ich kann, das lehr ich Euch so fein:
Und Ihr sollt eßen aus der Schüßel mit mir und schlafen bei
der Dienerin mein.
„Und ich hab' gegeßen mit Königskindern, und geschlafen an
ihrer Seite:
Soll ich mit 'ner Dienerin zu Bette gehn, da rann ich sagen von Leide?
Laßt das fahren, meine schöne Jungfrau, Euch geschiehet bei
mir kein Leid:
Ihr sollt eßen aus der Schüße! mit mir, und schlafen an meiner Seit'.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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All da saßen die stolzen Jungstauen, und nahten was sie nur konnten,
Nur nicht Hafbur, der Königssohn, der spielt^ mit der Nadel -
in dem Munde.
Sie nähten den Hirsch und sie nähten die Hinde, recht wie sie
laufen im Wald:
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Hafbur kriegte nimmer eine Schaale so groß, die' er nicht aus,
alsbald.
Trat herein die arge Dienerin, zu einer so bößen Stunde:,
„Nimmer sah ich eine schöne Jungfrau, die wen'ger das- Ge^
webschinrgon konnte."
„Nimmer sah ich eine schöne Jungfrau, die «enger konnt,
rnen--das-Linnen sein-:
Nimmer sah ich eine stolze Jungfrau, die beßer konnte trinken
den Wein."
Und das sprach die böse Dienerin, sie sprach die Worte so schlimm:
„Nimmer sah ich eine edle Jungstau, die trank des Weins so viel."
Sie näht nimmer so klein einen Saum, sie har ja die Nadel
im Munde:
Und sie kriegt nimmer eine Schaale so groß, die sie nicht aus.
trinkt bis zum Grunde."
„Nimmer sah ich zwei so kühne Augen an einer stolzen Jungstaue ,
Darzu & hat sie auch zwei Hände, die sind wie C'isen anzuschauen?
Hör du, kleine Dienerin, wer du bist, warum spottest du mich
so schlecht?
Nicht geb ich dir ein einzig bös Wort, wie du nähest, falsch
oder recht.
Du laß deinen Spott, du laß deinen Schimpf, du kümmre dich
nicht so um mich;
Wie ich wende die Augen hinaus oder herein, ich achte nimmer
auf dich.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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„Das ist so Si'tt i» meines Vaters Land, daß Jungfrauin rei-
ten zum Gericht,
Vor meiner Panzers Ringen ist die Brust mir gewachsen nicht."
Sv lagen sie die fange Nackt, die Jungfrau und des Königs .Kind,
Sie «deren sie schliefen so wenig, sie hatten so manches
. im Sinn.
„Und hört Ihr, stolze-Jungftau Signild, dieweil allein wir
beide sind:
Mr ist Euch der liebste auf der Welt, der Euch liegt in dem Sinn?"
Keiner ist auf der Welt fürwahr, der mir mehr im Sinne liegt-
Als der gute König Hafbur, und den kann ich gewinnen nicht.
Ais der gute König Hafbur, den sah^ich mit^A^en^nock nicht.
Nur hört ich sein vergüldetes Horn, wenn er ritt imch-Lem Gericht.
„Und ist das Hafbur, des Königs Sohn, den Ihr habt im
Herzen so lieb:
Wendet Euch herum, allerliebste mein, er schläft Euch so nahe hier."
Seyd Ihr der junge Hafbur, Königs Sohn, wie wollt Ihr
mich so schänden?
Kamm rittet Ihr nicht in meines Vaters Burg mit Habicht und
Hund <n den Hände» ?
„Ich war in Eures Vaters Burg beides mit Habicht und Hund,
tzuer Vater sagte gar bald nein, spottete mich zu aller Stund.“
Zur Stund, da sie sprachen zusammen, meinten beid allein zu
seyn dort,
Stand außen die falsche Dienerin und horcht' auf ihre Wort.
Schand sahe die böse Dienerin, sie stiftete groß Unheil dabei r
Sie stahl ihm fort sein gutes Schwert und seinen Panzer neu.
Sie nahm mit sich sein gutes Schwert, daezu seinen Panzer blau^-
So ging sie zu dem hohen Saal, woder König Sivard. lag.
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„Wach auf! wach auf! Sivard König, und du schläfst aizu viel:
Nun liegt Hafbur, der Königs Sohn, im Bett bei der stolzen
Signild. “
Nimmer ist das Hafbur, des Königs Sohn, das darfst du mir
nicht sagen:
So lang ist er fort ins Osterland, sich mit Helden im Kampf
zu schlagen.
Schweig still, du böse Dienerin, und lüg nicht aus die Maid:
Ich will dich laßen verbrennen, morgen, eh die Sonn' aufsteigt.
«Hört Ihr das, niein adlicher Herr«, und wollt Ihr mir
nicht traun:
Hier habt Ihr fein blankes Schwert, darzu feinen Panzer blau."
König Sivard ruft über all seine Burg, so zornig war fein Muth:'
Hier ist ein harter Kampfer, steht auf all meine Hofinann gut! |
Nehmt Euer Schwert und Schild in die Hand, :und thut dat
ohne Falsch:
Hafbur der König ist kommen als Gast, er ist so hart ein Hals.
Sie stieße» an dir Thüre Schlachtschwert und Spieß mit Braus:
Steh auf, junger Hafbur, und geh in den Hof heraus!
Er griff über sein Haupte, fort war sein gutes Schwert:
„Steht auf, stolze Signilde, hier geschieht 'ne wunderlich
Fahrt.-
„Hört Ihr, stolze Signilde, laßt mich Euer» Willen erkennen;
Sobald Ihr sehet, daß ich bin todt, laßt Euer Kämmerlein
brennen. “
Habt Dank! Hafbur Königs Sohn; er wie ein Mann;
Nimmer konnten sie ihn fangen, bis manimrStMen-ihn-Mwz
Sie banden ihm die Hände mit Linnenbanden schmal,:
Das war Hafbur, der Königs Sohn, der zerriß sie allzumal. I«
99 ~
Das sprach die arge Dienerin, die riech ihnen schlimm so sehr:
„Bindet ihn mit Signildes Haar, er rührt Hand und Fuß
nicht mehr. “
Sie nahmen zwei von Signildes Haaren, banden damit die
Hände sein:
Er hatte sie im Herzen so lieb, er riß sie nicht entzwei.
Da sprach die stolze Signilde, und Thränen über die Wange
ihr rinnen:
„Hafbur, reißt das Haar entzwei, Ihr thut's mit meinem Willen. “
Sie setzten Hafbur, den Königs Sohn, in die Burgstube hin;
Da gingen Männer und Zungstauen zumeist seine Liebste zu ihm.
Sie nahmen Hafbur, den Königs Sohn, legten in harte Ban-
den den Herrn;
Stolz Signild ging zu ihm und ging von ihm, da vergoß sie
Thränen schwer.
Hafbur, und ist Euch das recht, sprach sie mit sorgvollem Muth:
Da sind meiner Mutter Schwestern drei, die sollen bitten für
Wt'hv»«, Euch gm?
Min Vater, der traut Euch so sehr, daß er Euch an einen
Ast läßt hängen,
Sv frühe morgen an die höchste .Eiche, eh die Sonne hell
wird brennen.
Dazu sprach der junge Hafbur, so zornig war sein Sinn:
„Darauf acht' ich so wenig, das; Weiber sollten bitten für mich."
„Fahrt wohl, liebste Signild, und laßt guten Willen erkennen:
Wann Zhr seh« den Wind mich treiben, laßt Euch in der Kam,
mer verbrennen."
Da sprach die stolze Signild, so sehre thäl sie klagen:
Fürwahr, Hafbur, Königs Sohn, deine Bitte will ich M zu,
sagen.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
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— IOO —
Er bat sie zu tragen seinen Mantel fort, der war von Schar-
lachen roth;
Alle die Frauen, die waren in der Stadt, die trauerten um
seinen Tod.
41
Sie geleiteten Hafbur, desKönigs-Sohn, zusammen vom Schlos-
se herab;
Da weintf um ihn jeder, der ihn sah: es bauchte schlimm sie all.
Da sie nun kamen zu dem Plan, wo Hafbur das Leben sollte mißen,
v Er hielt sie auf eine kleine Stund, er wollt' ihre Liebe fristen.
„Hangt auf meinen Mantel roth, und laßt mich das erst ansehn;
Sollt'ich hängen an dem Baum, es muß König Sivard zu
Herzen gehn."
Stolz Signild ward den Mantel gewahr, das mußt Sorg ih- >
rem Herzen geben, |
Sie fgedacht, die schlimme Mähr/ ist gewiß, das hilft nicht,
, länger zu leben.
So schnell rief sie ihre Jungfrauen zusammen, ihr war so schm
ihr Muth:
Wir wollen gehn in den hohen Saal, dort finden wir Kurzweil gm
"^Ünd ist hier eine unter uns, die an Hafburs Tod ist Schuld,
Das räche ich zu derselben Stund: wir brennen in einer Glüht.
Sie legte Fester an des Saales Brück, so hastig thät's aufbrennen;
Das mußt/ jeder Mann mit Augen sehen, fte- gab guten Willen
- >£,v. zu erkennen.
Das war Hafbur, der KönigS-Sohn, er blickt' über die Achsel
zur Hand:
Signilds Zrauenstube ganz in brennendem Feuer stand.
Reißt nun herab meinen Mantel roth, laßt ihn liege» auf der Erde;
Hätt' ich zehn Leben in meiner Gewalt dadurch, ich bettelte
"drum nimmermehre.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— 102
Der König läßt tief in die Erde eine Hütte bauen im Tann,
Er setzet hinein die schöne Jungfrau, darnach suchet so mancher
Mann.
Der König über seiner Tafel sitzt und schwört bei allem was wahr:
Nun hab ich verborgen die Tochter mein, daß sie niemand zu
finden vermag.
Nun hab ich verborgen die Tochter mein, daß sie findet nimmer
ein Mann,
Auch nicht der junge Graf Heinrich, der Runen stellen kann.
Aber da war ein kleiner Bub, der stand und horchte dort.
Er ging zu dem jungen GrafHeinrich und sprach zu ihm die Wort:
Hört Ihr, junger Graf Heinrich, und wollt Ihr werden mir hold?
Ich will Euch sagen von der Königstochter, sie ist verstecket im Wald.
„Hab du Dank, du kleiner Bub, ich will dich loben und preißen;
Ich gebe dir das rothe Gold, du sollst den Weg mir weisen."
Er ließ ein Goldband weben in seinen Seidezwirn fürwahr,
Das band der Graf Heinrich so schnell sich in sein hellgolde-
nes Haar,
Er ließ das mit Seide weben und mit rothem Gold fürwahr;
Das will ich Euch in Wahrheit sagen: Zungstauen-Farbe hat-
te sein Haar.
Da er kam auf die Heide hinaus, da prüfte der Graf sein Pferd:
Da er kam zu des Königs Burg, ritt er wie'ne Jungfrau werth
Sie hatte sich Kleider laßen schneiden und recht nach Jung-
frauen Art,
So ritt sie 'zu des Königs Burg, wollt Saume tragen fürwahr
Der König stand im hohen Saal, und schaute hinaus so weite:
„Wohl werden mir all meine Tag! dort seh' ich 'ne Jungsta»
En."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 103 —
Mitte» in dem Burghof da achselk' er sein Kleid,
To ging er in den hohen Saal vor dem Dänischen König ein.
„Heil Euch! König Görel, über Eurer breiten Tafel ein Herr:
Der König, mein lieber Vater, hat Brief und Wort Euch ge-
sendet hierher.
Euer Vater mir geschrieben hat, meine Tochter sollt Euch lehren:
Alles aber, was sie kann, das lehrt sie Euch so gerne.
Der König sprach zur Jungfrau schön: dieweil alleine wir zwei.
Wollen wir von Euerm Vater reden, drum bitte ich Euch frei.
Da lachte der junge Graf Heinrich so lisriglich für sich allein:
„Mein Vater hat mir verboten, zu reden lange mit Euch."
Herzog Görel heißt mein Schwester Sohn, der soll den Weg
Euch weisen:
Wann Ihr kommt in das Feld hinaus, Euer Roß das werdet
Ihr preisen.
Das war der dänische König selbst, der leitete die Jungfrau
zum Pferd;
Da sie kam in das Feld hinaus, ein Ritter folgte hinter ihr her.
„Sag mir das. Herzog Görel, sag mir das ohne Sorg:
Ist hier »ine Jungstau im Walde versteckt, die heißt Jungfrau
Ellensborg?"
Hirt Ihr das, schöne Jungstaue, En h folget beides Tugend
und Ehre:
Drinnen ist Jungftau E'llenSborg, und andere Jungfrauen mehre.
Da sind die Königskinder, fünf Herzogs Töchter drinnen:
Das ist die Jungstau Rosensang, von der sie Lehre gewinnen.
Hirt Ihr das, meine schöne Jungstau, ich sags Euch auf die
Ehre mein:
Da sind drinnen di» schönsten Jungsraun, die ans Erden können seyn.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 104 —
Das war der junge Graf Heinrich, der eintrat in die Thür:
Alle die darinnen waren, die standen auf vor ihm.
„Heil Euch! Ihre Frauen und stolze Jungfrau», beides Magd
und höfliche Weib,
Und zuerst und am meist der Jungfrau Nosensang, mag sie hier
innen seyn."
Das war der junge Graf Heinrich, der herauszog Briefe zwei:
„Die sendet Euch Euer Vater» nun rathet selber frei."
Mein Vater mir geschrieben hat, daß ich Euch sollte lehren:
Alles aber was ich kann, das lehr ich Euch so gerne.
So verging der klare Tag, die Nacht die kam so bald;
Da fragte der junge Gras Heinrich: „wo soll ich liegen in der
Nacht?"
Da sprach die Jungfrau Nosensang, so schnell sie die Worte da sagt':
Laßt die fremde Jungfrau schlafen bei mir selber heute Nacht.
Da sprach die Jungfrau Ellensborg, fürchtet', ihr Bruder den
Tod müßt leiden:
Schläft die Jungfrau bei Euch heut Nacht, könnt Ihr nicht
Jungfrau bleibe».
Sie holten die Wachslichter herein, die waren mit Ehre bereitet.
So wurden die jungen zwei in die Frauenstube geleitet.
Das waren die zwei jungen, die lagen einander so nah:
Es begann eine die andre zu fragen, wen sie lieb am meisten hab'."
„Sagt mir, Jungfrau Nosensang, dieweil allein wir zwei:
Wißt Ihr keinen auf der Erbe, aus den Euer Herz gerichtet sey?"
Ich weiß keinen auf der Erde, auf den mein Herze gericht't,
Außer den Graf Heinrich, und den. mag ich gewinnen nicht.
„Ist das der junge Gras Heinrich, den Ihr lieb im Herzen habt:
Fürwahr , meine Jungfrau Nosensang, der,stieget Euch so nah."
Da sprach die Jungfrau Rosensang, und drehte sich um nach
der Wand:
Gott gebe, daß wär meinem Vater und meine» reichen Freun-
den bekannt.
„Wenn all deine Freunde das wüßten, Männer und Weiber fürwahr.
Ich behalte was ich gut in Händen habe für jetzt und immerdar."
Hirt Ihr, junger Graf Heinrich, hütet ja wohl Euern Leib:
Vernimmt das meine Dienerin, es entsteht ein böser Streit.
Hirt Ihr das, Graf Heinrich, leis Eure Worte mir sagt:
Meine Dienerin die ist nicht weit, und die hat darauf Acht.
Aber da stand die Dienerin und horcht' auf ihre Wort,
Dann ging sie zu dem König, und sprach zu ihm sofort:
Wacht auf! Herre König, Ihr schlafet nun zu lang.
Nun liegt der Graf Heinrich im Dett bei der Jungfrau Rosensang.
„Schweig du still, du Dienerin, ich trau' deinen Worten nicht:
Da ist so manche stolze Jungfrau, von der man die Lüge spricht."
Hört Ihr das, dänischer König, traut mir nicht Wahrheit zu ?
Hier habt Ihr sein gutes Schwert, und seine silbergespangten Schuh.
Lange lag der König und thät bei sich gedenken:
Wie kann ich meiner Tochter ein Glück, beßer als dieses,, wohl
schenken?
Da war Freude in der Waldhütte und Lust zu hören an:
Der König gab seine Tochter fort, Graf Heinrich sie getvann.
Sie brachen ab die Waldhütte, sie machten eine Laube daraus,
So steudig waren die Jungfrauen, jede kam zu dem ihren nach Haus.
Nun haben die jungen beide überwunden Angst und Harm,
Sie schlafen nun so freudiglich einander in dem Arm.
Nun steht die Laubhütte mit Ehre.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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V
II*
Von des Königs Geschlecht.
Samsing dient unter des Königs Leut,
Lockt des Königs Schwester, die schöne Maid.
„Hört Ihr das, lieb Christel klein:
Wollt Ihr werden dir allerliebste mein?"
So gern wollt ich werden die Liebste dein.
Könnt es vor meinem Bruder seyn.
Er wickelt sie in seinen Mantel blau.
Er hebt sie auf sein Nößlein grau.
Auf sein gutes Roß setzt sie der Mann,
Und führt sie heim, so gut er kann.
Sie sagten dem König die neue Mähr:
Wie seine Schwester von Samsing entführet war.
Der König spricht zu den Mannen sein:
Stracks holt mir meine S, b ester heim.
Er laßt entbieten in all seine: Reich:
„Ihr jungen Helden, rüstet Euch!"
„ Ihr guten Hofmann, habt Zhr das gehört:
Meine Schwester ist mit Gewalt entführt."
„Ihr guten Hofmann, kleidet Euch ohn' Falsch,
Samsing ist rin so harter Hals."
«Zur Insel Ihr auSreiten sollt,
Dringt Samsing zu mir lebendig oder tobt."
Die Hofmann wollten faul nicht seyn,
Sie schnallten die Sporn stracks an die Bein.
Und als sie kamen zu der Wiese grün.
Da ließen sie springen ihre Roße dahin.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 107 •—
Und als sie kamen bei dem Burgthor an,
Samsings Mutter stand daran.
Hirt Zhr, Samsings Mutter, schin und fein:
Wo ist Samsing der Sohne dein?
„Samsing von hier jvg Abends aus.
Und kommt vor Weihnachten nicht nach Haus.'*
Wir geben dir das rothe Gold,
Willt du uns werden um Samsing hold.
„Das rothe Gold ist gut im Schrein:
Doch Samsing mein Sohn ist nicht daheim."
„Das rothe Gold ist gut in der Kiste:
Doch Samsing der ist schlimm zu mißen."
Sie breiten aus das Tuch so blau,
Sie legen bas rothe Gold darauf.
„Zn unsrer Burg gen Norden da steht ein Haus,
Da liegt Samsing mit seiner jungen Braut. "
Seine Mutter war ihm gar nicht hold,
Sie verkauft' ihn um das rothe Gold,
Die Hofmann zu der Burg hindringen:
Sie meinen, großen Sieg zu gewinnen.
Stoßen Schild und Schwert an die Thür mit BrauS:
Samsing steh' auf und komm heraus.
„Ich bin nicht Samsing, ich bin sein Gast:
Im Stall dort steht mein gesattelt Roß."
Samsing aus seinem Fenster sah:
„Eurer sind viel, und unsrer nur wenig-da."
„Zhr guten Hofmann, harrt ein' kleine Zeit,
Daß ich aufs neu anzieh mein Kleid."
arburg, Best. 340 Grimm
Seine Herzliebsie war gegen Ihn nicht falsch:
Sie schnallt' ihm selbst den Panzer um den Hals.
Samsing da aus der Thüre sprang.
Er machte Platz, wo der Haufen zudrang.
Erft schlug er vier, und fünf sodann.
So schlag er dreißig Königes Mann.
Und bis sie müd, kämpfte Samsings Hand:
In dreißig Männer Blut er stand.
Samsing hieß satteln sein graues Roß:
„Ich will Ausreiten an des Königs Hof."
Und als er in den Burghof kam.
Da stand seine Mutter und ruhte daran.
Samsing sein Meßer drauf ergreift:
„Wart Zhr nicht meine Mutter, es gält Euern Leib."
„Und gestern ndch wart Zhr mir hold,
Aber Zhr habt mich verkauft ums rothe Gold."
„Das rothe Gold, das liegt im Schrein,
Das nahmst du für de» Sohne dein."
Der König aus dem Fenster sah:
Hier hält im Burghof Samsing ja!
Hör du, Samsing, sag du n.lr :
Wo sind die Hofmann, die ich geschickt nach dir."
„Die liegen auf meines Hofes Grund:
Einige todt und einige schwer verwandt."
„Einige krank und ein'ge in Siechthums Noth,
Ein'ge liegen schon aus Bahren todt."
„Hört Zhr das, König, hold und fein:
Wann wollt Zhr holen Eure Eichrlschwein?" ,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
Reit einmal hin auf Doftesield,
Da trinkt auf gut Glück jeder Held.
Zhr stellt so wohl unsre Runen, dieweil wir
Und reitet zu seiner Braut zurück.
Weil er ohn Furcht, ward ihm dies Recht
Drum kam er in des Königs Geschlecht.
rimm Nr. L 79
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— IIO —
„Hör du, Rosenvand, lieber Stallbruder mein:
Laß uns reiten und schauen das Zungstäulein."
Ihre Roßt wurden wohlgezäumt.
Sie ritten zu ihr unversäumt.
Und als sie kamen zum Mühlteich hin:
Ströme von Blut die kreisten darin.
Hör du, Zon Rand, Stallbruder lieb:
Was bedeutet die Sach so wunderlich!
„Und da« ist all der Ritter Blut,
Die geritten zu der Zungstau gut.«
Hör du, Zon Rand, lieber Stallbruder mein:
Wir wenden unsre Roß', und reiten heim.
„Um meinen Tod solls nicht geschehn.
Ich will die züchtige Zungstau sehn.«
Und als sie kamen dem Gitter nah,
Don blutigen Schwertern war e§ da.
Und wo im Gitter ein Stab mögt stehn.
Ein todtes Haupt war drauf zu sehn.
Hör du, Zon Rand, Stallbruder lieb:
Was bedeutet die Sach so wunderlich?
Und das sind all die Häupter der Ritter gm.
Die um die stolze Zungstau gebuhlt.
Ach hör du, lieber Stallbruder mein:
Wir wenden die Roße und reiten heim.
„Um meinen Tod solls nicht geschehn,
Zch will die schöne Zungstau sehn.«
Und da sie kamen bei der Burgthür an,
Stand haußen die Zungstau, und ruhte daran.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best.
Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 112 —'
Da sprach ein Diener, der ihm stand zur Seit:
Herr Magnus hat schon die Magd gefreit.
„Und eh' sie soll werden Herrn Magnus Weib,
Solls kosten meinen jungen Leib. “
Wer von meinen Gesell'» will mit mir fahren.
Und seinen Leib für mich nicht sparen?"
Bei Gott und Mannen Torkild schwört:
Die Braut nicht aus der Kirche fährt. „Hör an, Torkild, lieber Stallbruder mein:
Willt du mir leihen das Streitroß dein?
„Und willt.du tauschen deine Kleider mit mir.
'All meinen Schmuck den geb ich dir."
Ich thu' es nicht für Gabe und Gold, Trüg nicht Herr Magnus, der mir hold.
„Und willst du tauschen die Kleider mit mir. Klein Christel meine Schwester geb ich dir."
Sie ziehen in den grünen Wald,
Da tauschen sie die Kleider alsbald.
„ Da du tauschest mit mir die Kleider dein,
So laß mich Schenk heut für dich seyn.«
„Und da wir getauscht die Kleider mit Ehr,
Laß den Wein mich tragen vor der Braut einher.«
Sie reiten hin zu der Brautschaar;
Sie wußten dort nicht, welcher Carl der Hauptmann war.
Vor dem 'Brautwagen voran er reit't;
Drum hat er beides Freud und Leid.
Nach Herrn Magnus Burg ging da die Fahrt;
Güldne Becher wurden nicht gespart.
— ii3 —
Sie setzen die Braut auf die Brautbank mit Ehr,
Carl der Haupkmann geht als Schenk einher.
Carl der Hauptmann über die breite Tafel sich bückt,
Scherzende Wort' er zu ihr spricht.
„Was lieber: wollt Zhr werden Herrn Magnus Weib,
Oder seyd Zhr gen Ramsöe mir zu folgen bereit?"
Viel lieber gen Ramsöe folg ich dir,
Als daß ich Herrn Magnus Weib werde hier.
Und eh' ich werd Herrn Magnus Weib,
Eh will ich wagen meinen jungen Leib.
„Schweigt still, Herzliebste, die Rede laßt stahn,
Einen bestem Rath den wollen wir sahn."
Als fiel der Reif, und es ward Nacht,
Die Braut da schlafen zu gehen gedacht.
Sie sühnen, die Braut zum Drautbett hin,
Die Königin selbst folgte mit dahin.
Sie führten die Braut hin zum Brautbett,
Carl der Hauptmann langer nicht weilen thät.
Carl der Hauptmann in das Drautbett sprang,
Löscht' aus das Licht mit der rechten Hand.
Erzürnet, die Königin da sprach:
Wer löscht das Licht, daß man sehen nicht mag?
Was für ein Schurk' ist im Brauthaus,
Der der jungen Braut das Licht löscht aus?
„Ich bin kein Schurk, die Braut will ich haben,
Carl der Hauptmann auf Ramsöe ist mein Namen."
Die Kön'gin zu ihren Jungstauen spricht:
Wer hat je gehört solche Wunder^Geschicht?
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Die KSn'gin mit ihren Jungfrauen geht fort,
Carl der Hauptmann schließt der Kammer Pfort.
Zum Saale geht die KSnigin dann,
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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,,So nimm das Schwert in die Hände dein.
Und kannst du, ss schone des Vaters mein.»
Carl der Hauptmann trat aus der Thür hervor
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Und darnach kam's ihm in den Sinn:
Seine Schwester gab er an Torkild hin.
Gab ihm seine Schwester eine Jungfrau so schön,
■ Mein Herzlieb, die Ros' ist mir am liebsten!
Mit ihr gab er halb RamsLe.
Aber ihm wird gewonnen das Leben!
-4.
Die Ehren - Geschenke.
Klein Christel und ihre Mutter,
Wer bricht das Laub von den Bäumen? *)
Sie nähen die seidene Mützx:
So tritt sie den Thau von der Erde.
Die Mutter näht den Saum so klein.
Strömend rinnen die Thränen dem Töchterlei«.
Klein Christel, lieb Tochter, höre du an:
„Warum verblüht dein Haar, warum bleicht deine Wang?“
Kein Wunder, daß ich blaß und bleich ausseh':
Ich hab so vieles zu schneiden und zu nähn.
„ Doch sind in der Stadt mehr Jungfrauen schön,
Die Hetzer können schneiden, und bester können nähn."
Das taugt nicht langer zu bergen vor dir:
Unser junger König hat gelocket mir.
„Hat unser junger König gelocket dir:
Was har er gegeben zur Ehre dir?"
Er hat mir gegeben ein seiden Hemdlein schön,
Das hab ich getragen mit so vielem Weh.
*) r. h. wer gewinnt die Liebe.
* 1
•— 11J —-
Ei' hat mir gegeben silbergespangete Sckmh:
Die hab ich getragen mit so großer Unruh.
Er hat mir gegeben eine Harfe von Gold,
Zu brauchen wenn ich sey sorgenvoll.
Sie schlug an den ersten Strang:
Da hörte der junge König im Bette den Klang.
Sie schlug an den andern Strang:
Der junge König der ruhte nicht lang.
Der junge König rief zwei Diener sein:
Klein Christel bittet zu mir herein.
Da kam klein Christel, vor der Tafel sie stand:
„Was wollt Zhr, junger König, Zhr habt zu mir gesandt?"
Da streicht der jung König übers Kißen blau:
Setz dich klein Christel, und ruhe darauf.
„Ich bin nicht müd, ich kann wohl stehn;
Sagt was ich soll, und läßet mich gehn."
Er zog klein Christel zu sich hin,
Gab ihr die Goldkron' und den Namen der Königin.
Nun ist verschwunden klein Christel ihr Leid;
Wer bricht das Laub von den Bäumen?
Sie schläft alle Nacht an des Königes Seit.
Sd tritt sie den Thau von der Erde.
-5.
Ich stand und wusch.
Ich stand und wusch am Dächelein,
Bei dem Hügel grün!
Da ritten lustige Ritter vorbei.
Wo wollt Zhr, Herrn Hägens Söhn hinreiten?
11
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7
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
I
--- ii8 —
Der eine seinen Weg ritt fort'.
Der andre blieb stehen, sprach freundliche Wort:
„Schön Jungfrau, schön Jungfrau, lob' Treue mir.
So gut ein Goldband geb ich dir.
Was soll ich sagen der Pflcgmutter mein.
Sieht sie mich tragen das Goldband dein?
„Du sagst, du warst gegangen an dem Strand,
Und hättest gefunden das Goldband im Sand.
Was soll ich sagen meiner Pflegmutter dann.
Wenn sie schaut meine bleiche Wang?
„Schaut sie deine Wange bleich so sehr:
Sag ihr, ich wollte dich halten in Ehr."
„Und willst du Treu' nicht geloben mir;
So seh dich nieder, und red' mit mir. "
„Setz dich nieder auf de» breiten Stein,
Und sag mir von den Eltern dein."
Ich war geboren zur Abendzeit:
Meine Mutter war todt vor Hahnenschrei.
Die Zeit, wo sie legen meine Mutter ins Grab,
Läuters für den Vater mein in der Stadt.
Und als sie legen meinen Vater ins Grab,
Läuters für die Schwestern mein in der Stadt.
Und allzumal nun sind die todt,
Die mir geben sollten Kleid und Brot.
Nur nicht Herr Svend, mein jüngster Bruder,
Der bracht mich zu meiner Pflegemutter.
Meine Pflegmutter hat mich gesaugt und ernährt,
Fremde Jungfrau» haben mich das Nahen gelehrt.
Doch sorget und seufzet sie noch vielmehr."
Die Königin ihr Haupt in das Kleid einhüllt,
So gehet sie ein zu Hellelild.
G ^688186^168 8t39t891'6lliv 663t. 340 6simm kls. >_ 79
Fremde Jungfrau» haben mich das Nähen gelehrt:
Zch selber lehrte mich Zucht und Ehr.
„Das hör ich an den Reden dein,
Du bist die liebste Schwester mein."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 120 —
„Hör du, Hellelild, du nähest mit Fleiß,
Doch nimmer was anders als Säume weiß.
Drum näh ich weiße Säume hier:
Mein Glück war wenig treu bei mir.
Ich war erst in dem zwölften Jahre,
Da wollt' mein Vater in den Krieg ausfahren.
Mein Vater wollt' in den Krieg ausfahren:
Zwölf Ritter nahm er, mich zu bewahren.
Die elfe hielten mich täglich wohl:
Der zwölfte lockte mich Truges voll.
Mein Vater er zeigte sich zornig so sehr.
Wollt hören und sehen mich nimmermehr r
Mein Vater der wollt' mich erhenken,
Meine Mutter die wollt' mich ertränken.
Sie verkauften mich für eine Klocke neu.
Die hangt in Maribös Kirche frei.
Die Klocke schlug den erste» Schlag:
Meiner Mutter entzwei das Herz« brach.
Die Klocke schlug den zweiten Schlag:
Mein Vater todt zur Erde lag.
„Hör an, Hellelild, nun sag' du mir:
Wie hieß der Ritter, der gelocket dir?"
Der Ritter der hieß Hitdrbrand,
Eines Königs Sohn ward er genannt.
„Was sagst du mir von Hildebrand?
Mein lieber Sohn wird so genannt."
„Er hat keine Mutter außer mir:
Fürwahr, er soll sich verloben mit dir."
Das Wort ihr aus dem Mund kaum dringt,
Hellelild vor Freud zur Erde sinkt.
Königin Hellen' aber zur Höhe sie richt't,
Meine Sorge weiß niemand als Gott!
Freudvolle Worte so tröstlich spricht.
Der lebt nicht, dem ich klage meine Sorge!
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-7-
Liebesmahl.
„Mein Vater ritt sich aus zu Land, buhlen um ein Jungstäulein,
Er freit so arg eine Zauberin: was wahr, darf verborgen nicht seyn."
Mußt einen von den lieblichsten fangen!
„Die erste Nacht, da sie beisammen schliefen, da war sie meine
Mutter so gut.
Die andre Nacht, die darnach kam, Stiefmutter bösgemuth. “
„Ich saß bei meines Vaters Tisch, spielte mit Hunden und
Wölpen klein:
Stiefmutter kam gegangen zu mir, machte schlimm das Leben mein."
„Zauberte mich zu einer Hindin klein, ich sollt' laufen in den Wald:
Meine sieben Jungfrauen zu Wölfen, die sollten mich zerreißen
alsbald.«
„Meine sieben Jungstauen zerrißen mich nicht, die hatten mich
lieb so sehr;
Das verdroß meine Stiefmutter, daß mein Schicksal nicht schlim-
mer wär." —
Herr Orm, der dient an des Königs Hof, war ein Ritter so
schön und fein.
Er fvrgt um die Jungfrau Tag und Nacht, die Sorge trägt
er geheim.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
! :i
--- 122 —
Herr Orm reitet von des Königs Hof, und Frieden mag er
nicht haben.
Er reitet zu dem Nosenwald, meint die Thiere da zu jagen.
Orm setzt den Bogen vor sein Knie, reitet nah an der Hindin her:
Die Hindin will nicht vor den Hunden fliehn, weil sie lieb hat
den Ritter so sehr.
Die Hunde, die treten der Hindin so nah, da muß sie springen
in die Flucht:
Sie verwandelt sich in einen Vogel klein, der fliegt so hoch in der Luft
Er legt eine Schlinge an den Steg, wo die Hindin immer gegangen;
Sie war vor seinen Augen so schnell, er konnte das Vöglein
nicht fangen.
Nieder flog das Vögelein, setzte sich auf die grüne Linde:
Herr Orm, darunter gestanden ist, that sich in Schmerzen winden.
Nieder flog das schöne Vögelein, ihm schmeckte so gut die Speis,
Die Herr Orm geschnitten aus seiner Brust, die aß es mit al-
lem Fleis.
Darnach das schöne Vögelein setzte sich auf den weißen Sand:
Da ward es zu einer Zungfrau so schön, wie keine war in dem Land.
Die Zungfrau steht unter der Linde grün, von aller Noth befreit,
Herr Orm der steht so nah dabei: sie klagen einander ihr Leid.
„Habt Dank, habt Dank, reicher Herr Orm! Zhr habt mich
erlöst vom Leide:
Zhr sollt nimmermehr schlafen einen Schlaf, als nur an mei-
ner Seite."
Habt Dank, habt Dank, reicher Herr Orm! seine Treue so wohl
er halt:
Am ersten Monatstag darnach, da ward die Hochzeit bestellt.
Mußt einen von den lieblichsten fangen!
123
iS*
Der schöne Stallbube.
Stolz Jngeborg läßt schneiden Hofkleidec fein.
Sie spricht: ich will ein Hofmann seyn.
Selbst traurt sie so heimlich um ihn!
Stolz Zngeborg steigt auf das Roß mit Hast:
Spricht: ich will seyn des Königs Gast.
Hör, junger König, was ich sage zu dir.
Hast du von nörhen meine Dienste hier?
„Ein Stallbub ist mir jetzt wohl werth,
Wär nur ein Stall hier für sein Pferd." -
„Bei meinem Rapp sein Pferd mag seyn,
Selbst schläft er bei mir unter der Decke mein."
Sie dient an des Königs Hof drei Jahr;
Niemand wußt, daß es 'ne Jungfrau war.
Sie dient drei Jahr ihm als Stallknecht,
Sie treibt die Füllen zur Weide recht,
Sie leitet drei Jahr die Füllen zum Vach;
Ein jeder sie für 'nen Mann ansach.
Mel Freud Jngeborg den Frauen kann bringen.
Und darzu auch so lieblich singen.
Ihr Haar ist wie gesponnen Gold,
Drum war der Königs Sohn ihr hold.
Sie geht in des Königs Burg: fürwahr.
Wie bleich sind ihr Gesicht und Haar!
Der Stallbub hat 'ne Fahrt wunderlich gethan:'
Die eignen Sporn er sich nicht schnallen kann.
124
Hat gethan so wunderlich 'ne Fahrt:
Kann ziehen nicht sein eignes Schwert.
Der Königs Sohn ruft fünf Zungfrauen herbei;
Die schönst' unter ihnen stolz Zngeborg bleibt.
Sie wickeln in ihr Kleid sie ein,
Sie geleiten sie in die Stube von Stein.
Sie setzen sie aufs blaue Bett:
Zwei Söhnlein sie gebühren thüt.
Der Königs Sohn tritt ein und lacht:
„Nicht jeder Stallbube so zwei hatt gebracht."
Er streichelt ihr das weiße Gesicht:
„Meine Allerliebste, nun sorge nicht."
Seht ihr auf die Krone von rothem Gold:
„Mit mir du leben und sterben sollt."
Selbst traurr sie so heimlich um ihn!
19*
Tiefe der Nord - See.
Der Bruder spricht zur Schwester sein:
Ost und manchesmal!
Willst du dir einen Mann nicht frei'n?
Wohl sorgt sie für ihren Herzallerliebsten!
„Nein, ach nein, lieber Bruder mein.
Bin noch für einen Mann zu klein."
Doch hör ich dort und höre hier.
Hattest oft schon gewollt einen steten dir?
„Sv redet man wohl dort und hier,
Doch dar ist Thorheit, glaub du mir. "
Wohl sorgt sie für ihren Herzallerliebsten!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Was war das für ein Ritter fein,
Der geritten heut Morgen in den Burghof dein?
„Das war ja nicht ein Ritter fein,
Mein Stallbub war- mit den Pferden sein."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
--- 126 —-
20.
1.
Der betrogene Ritter,
er.)
Der Ritter nimmt den Habicht, und der Diener den Hund,
So reiten sie in den Rosenwaid zur Stund.
Und sie fanden unter einer grünen Linde schön
Ein stolz Iungfräulein verborgen stehn.
„Hier steht Ihr, schön und holde Maid:
Warum steht Ihr hier in nächtlicher Zeit?"
Hier hab ich gestanden die Nacht so lang,
Und gehorcht mit Freud' aus der Vöglein Sang.
„Nicht hörtest du auf der Vöglein Sang,
Du siehst hier zu erwarten einen Ritlers'-Mann.
Das taugt nicht, langer zu bergen vor dir:
Ei» Ritter aus Skaanen hat sich verlobt mit rnir.
„Hör, schöne Jungfrau, was ich sage zu dir:
Verlaß du diesen, und verlob dich mir mir."
„Ach'wärst du geboren, wie du bist schön.
All Dänemark müßte unter dir stehn."
„Sey meine Liebste, deine Treue gib mir,
Ruhm, Zucht und Ehre soll werden dir."
«Ich geb dir Burgen und Schmuck von Gold,
Sey du meine Braut, und sey mir hold."
Das geschieht nimmermehr so lang ich lebe.
Daß ich zwei Rittern meine Treue gebe.
Thu' das, Ritter, um diö Ehre dein.
Führ mich als Jungfrau zur Kammer mein.
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-Mehr hab ich schon zur Ehre vollbracht.
Als 'ne schöne Jungfrau zur Kammer gebracht.
Die Jungfrau da große Ehr empfing:
Die Jungfrau ritt, der junge Gesell ging.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 128
II.
Die betrogene Jungfrau.
Der Aar auf hohem Felsen geht.
Und die Lind im tiefen Thals steht.
Aber den Gesell vergißt sie nimmer!
Zn der Linde da singt ein Staar so sein:
Da ists so lieblich auf DovetS Felsenstein.
Da wächst auf die Linde, da singt der Staar so fein:
Aber die Welle bricht den harten Stein.
Und die Welle bricht das harte Ei:
Aber herzlich Sorgen macht die Liebe stark und frei.
Sie macht beides bleich und dumm.
Und die Rosen-Wangen wendet sie um:
Wendet sie um, wie Thau vor der Sonne Strahl,
Sie rauscht sie um so manchesmal.
Der Ritter nimmt den Habicht, der Gesell nimmt den Hund,
So reiten sie in den Rosenwald zur Stund.
Er hieb den Hafer, spannte die Schlingen auf:
So pflegt ein Ritter zu fahren nach den Thieren aus^
Er fing die Thiere groß und klein.
Er griff die Hindin und das rasche Rehlein.
Und ein wilder Hirsch der kam gegangen,
Die andern kleinen Thier jagt' er von dannen.
Er mag ihm gönnen das wcn'ge, das er vermag.
Der Zäger läßt sich doch nicht verdrießen die Sach.
Er fand bei einer Linde so grün und schön
Ein Jungfräulein verborge» stehn.
.
— is>9 —
Er grüßte sie, die Jungfrau zart.
Unter der grünen Linde in dunfler Nacht.
„Warum steht Ihr da, um der VSglein Sang?
Oder steht Ihr da für einen' Nitter^Gang?»
Ich steh hier auf mein' eigne Treu,
Hier will ich bauen und hier will ich wohnen allein.
„Sagt an, allerliebste Jungfrau mein:
Und wer hat gewonnen die Treue dein? “
Das will ich nimmer bergen vor dir;
Ein Ritter aus Skaanen hak sich verlobt mit mir.
„Laß fahren ihn, und folg du mir,
So fest in der Treu will ich werden dir."
„Zch geb dir das rothe Gold darauf,
Ich nehm dich zu meiner verlobten Braut."
Und das hät er so klein in seiner Acht,
Doch gab sie seinen Worten und Schwüren Macht.
Und sie traut seinen leichtfertigen Reden ganz:
Ae hät 'ne Schlang und-'neu Aal am Schwanz.
Und da lagen sie die Nacht so lang,
Und horchten mit Freud auf der VSglein Sang.
yüh am Morgen, da es war Tag,
Der Ritter war fort: das war ihre Klag.
In der Linde da singt ein Staar so fein,
In der harten Welle bricht sich der Felsenstein.
Und die Welle bricht das harre Ei:
Wohl der Jungfrau ohn Trug an Ehr und Treu!
Dnrch 'nen Schwur ein dumm Jungfräulein läßt sich verleiten.
Darum rath ich allen, die zu Hof wollen reiten,
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Ihre Ehr zu bewahren, drauf zu achten fein.
Bist ein Thor, läßt du auf Trug dich ein:
Andrer Schaden mag drin Spiegel seyn!
Aber des Gesellen List vergißt du nimmer!
Gut« Nacht.
Auf Lindholms Hans,
Trinken die Gesellen einen guten Rausch;
Die Geselle» die trinken und machen sich froh,
Herr Berner, der im Thurn sitzt, »nachts eben so.
Die Frauen konnten nimmermehr vergeßen so reit
einen Fang!
Frau Ingeborg erwacht', umher sie sah:
Von meinen Iungfraun^ welche singet da?
„Keine Eurer Jungfrauen so singen kann:
Herr Werner ists, der gefangene Mann."
Frau Ingeborg rief zwei Diener zu sich:
Herrn Vcrner bittet zu gehen vor »nich.
Herr Werner trat in die Thüre hin,
Frau Zngeborg stand auf vor ihm.
Vor der breiten Tafel Herr Werner stand:
„Hier bin ich, Fraue, wie Ihr gesandt."
Frau Ingeborg streicht übers Kißen blau:
Komm näher, Herr Werner,- und ruhe darauf.'
Härt Ihr, Herr Werner, was ich sage zu Euch:
Ein Liebeslied, das singet mir gleich.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
»Ein Liebeslied ich nimmer sang,
Doch will ich singen so gut ich kann."
Herr Werner hub an zu singen ein Lied,
Daß Jngeborg in der Kammer entschlief.
Stieß Schild und Spieß an die Thür mit Braus:
„Steh auf, Herr Ion, und komm heraus."
Gib Achtung wann ichs thue, sagte Ion.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
Der König der sitzet in Nibe, und trinket Wein,
Die dänischen Ritter entbietet er all zu sich heim.
Wie herrlich tanzet Hagen'.
Steht auf, steht auf, all meine Mann, und Ritter kühn!
Und tretet mir einen großen Tanz, auf Angers Grün.
Den dänischen König den lüstet es mm, zu tanzen im Ring,
Folget ihm Hagen der Held, der laut vorsingt.
Auf wachst die dänische Königin, sie lag im Saal:
„Welche von meinen Jungfrauen schlagt die Harfe zumal?"
Von kein' Eurer Jungfrauen kam der Harfenklang:
Das ist gewesen Hagen der Held, der so lieblich sang.
„ Steht auf, steht auf, all meine Jungfrauen, im Rosenkranz!
Wir allzumal wollen fort reiten zum großen Tanz."
Aus reitet die dänische Königin, im Scharlachkleid,
Nach reiten ihr Frauen und Jungfräultin, und zierliche Maid.
Ost reitet um den Tanz im Kreis die Königin,
Und nach Held Hagen, dem edlen Mann, sie schauet hin.
Und Hagen der Held, der reichet die Hand zu ihr:
Lüstet Euch nun, gnädige Fraue mein, zu tanzen mit mir?
Und nun tanzet Hagen der Held und die Königin, beid';
Und in Wahrheit will ich das sagen: sie hatten viel Freud.
Auf da stand ein Jungfraulein, im blauen Kleid:
0 hütet Euch vor Kläffern falsch, die horchen dabei.
Das war der König von Dänemark, der ließ da fragen:
Was hat die dänische Königin beim Tanz zu schaffen?
- i35 -
Ne saß viel beßer im hohkn-'Saal, schlug die Goldharf an,
Als daß sie mögt her zu tanzen gehn, an Hägens Land.
Auf da stand ein Jungfraulcin, im rothen Kleid:
Eilt weg nun, meine gnädige Fraue, mein Herr erzürnt.
„So kurz erst bin ich kommen zum Tanz, hat noch kein End:
Mir freundlich § der Herr und König mein» bleib' zugelvcndt."
Auf da stand ein kleiner Bub, im grünen Kleid:
Eilt weg nun, gnädige Fraue mein, der Herr heim reit't.
Schand komme über Hagen den Held, daß er so sang;
Die Königin sitzt im hohen Saal, ihr ist gar bang.
So herrlich tanzet Hagen!
Liebes-Gespräch am Fenster.
Zs war spät am Abend und der Thau fiel schon herab,
Da lüstet' es den Herzog Heinrich zu schlagen seine goldene Hars.
Da oben an den Bergen!
Außen stand die Jungfrau Malfred und horchte da auf die Tön':
„Gott gebe, daß Herzog Heinrich nun wollte zu uns gehn!"
„Er sollte nimmer schlafen, als nur in den Armen mein,
Zr sollte nimmer trinken, als nur den klaren Wein."
Das war ihre liebe Pflegmutter, die sprach zu ihr die Wort:
Schweig stille, Jungfrau Malfred, sonst leidst du darum Sport.
Und bist du noch so kleine und bist so jung eine Maid:
Dein Kater will dir nicht geben einen Mann als erst iy Jah-
ren drei.
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sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— 136 —
„ Und laß mich seyn so kleine, so jung als ich nun bin:
Und würd er mein heut Abend, ich wollt' ihn haben recht lieb/'
Nicht wußt die Jungfrau anders, als sie wären beid' allein,
Aber außen stand Herzog Heinrich, horcht' auf ihr Reden fein.
Außen stand der Herzog Heinrich, und diese Worte sprach er:
Wohl dir, Jungfrau Malfted, hast du mich lieb so sehr.
Das war spät am Abend und hernieder fiel der Thau,
Da leitete der Herzog Heinrich aus dem Stall sein Rößlein grau.
Das war spät am Abend, der Thau trieb über die Zinnen,
Da lüstet' eS Herzog Heinrich die stolze Malfred zu finden.
Sein Roß sattelt' er sich selber, und ritt dann fort allein.
Er nahm nicht Gesellen und Buben mit sich; denen durft' ec
trauen klein.
Einen Sattel von Silber, einen Zaum von Gold, legt' er auf
sein Roß fürwahr,
So ritt er den kleinen grünen Stege hin, wo der-Jungfrau
Kämmerlein war.
Steh nun auf, Jungfraue Malfted, in deinen Saal laß mich
nun ein.
Ich bin der Herzog Heinrich, der allerliebste dein.
„Ihr seyd ein gewaltiger Herre, rathet über Bürgen und Feste»:
Ich kann mir nicht rathen heut Abend vor solchen reichen Gästen."
Was aber kümmert mich dein Meth, was kümmert mich dein Wein?
Leg mich in dein« weiße Arm, nenn' mich den allerliebsten dein.
„Leg ich dich in den weißen Arm, sag mein Allerliebster zu dir:
Hört das mein lieber Vater, gar sehre zürnt er mir."
Und daß ich reden wollt mit dir, hab' ich gesprengt mein Roß
hierher:
Läßt d» mich nicht heut Abend ein, du gewinnst mich nimmermehr
— *37 —
,, Ich sorg nicht um dein graues Roß, und um sein schlechtes Glück:
Mich kümmert mehr meine Ehre, und Spott hinter meinem Rück."
Du steh auf, stolz Malsted, und laß mich schnell zu dir ein.
So reit' ich. zu deines Vaters Burg und bitte um dich fein.
„Habt Dank, Herzog Heinrich, Ihr kommt doch nicht herein,
Eh Zhr bittet Vater und Mutter und die Verwandten mein."
Fort ritt der Herzog Heinrich, so zornig war sein Muth;
Meine stand klein Malsted, so laut lachte sie dazu.
Hab Dank, Zungstaue Malsted, sie durft' zu dem R.itter so reden.
Er ritt an ihres Vaters Hof und bat um sie mit Ehren.
Hab Dank, Herzog Heinrich , er wollt' die Zungftau lieben.
Er freite sie am Landestag mit all ihrer Freunde Willen.
Da gewann er die Jungfrau Malfred, weil sie ihre Ehre hat lieb:
Nun ist sie eine gewaltige Frau, sie herrscht über Burgen viel.
Da oben an den Bergen!
25.
Liebe im Sonnenschein.
Das war an einem Sonnabend, der Regen fiel auf der In-
sel so laut:
Das war Tygge Hermandsen, der sollt' holen seine Braut.
Zch soll reiten nach einer so schönen!
Der Herr guckt aus dem Fenster heraus: „die Dache so strö-
mend laufen,
Daß ich ritt aus mir selber zur Pein, .nicht so theuer meine
Braut thät ich kaufen."
„Hör du, Nilaus Beneditsohn, du hast lange Deine:
Ich bitt dich bei dem allmächtigen Gott, hol meine Braut mir
Heime."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 139 —
Das war an einem Mittwochen, das Waßer begann zu fallen: Herüber kam Tygge Hermandsen, mit seinen Drautmannern allen.
Und als er in die Hochzeitburg zu dem schönen Gelage kam. Da sprach zu ihm die junge Braut: reit fort, du kommst zu spat. ,W
„Hör du, stolze Sidselill, das hab ich nun mit dir: Daß du dich verlebt einem andern, aber mich betrogen schlimm." ' 4\
Hör du, Tygge Hermandsen, das mußt dn wißen fürwahr: Zch will nicht haben einen Gesell, der im Regen nicht reiten darf. | i ' v4M|i
Wärst du gewesen ein Jungfrauen-Gesell, und hattest mich ge- > [JH
liefet so sehr,
Du hättest gebrochen die Welle blau mir deinem blanken Schwert.
„Nun will ich mich in ein Kloster geben, und will ein Mönch
darin werden.
Aber mißet das stolze Sidselill: hierher komm ich nimmermehre."
Fähret dich dein Weg vorbei, und die Bächlein haben ihre Ruh,
Hab ich dann Käse mehr als zwei, einen in die Tasche kriegst du.
Zch soll reiten nach einer so schönen!
26.
Fahr über den Strom!
Der dänische König und Asbiörn Snare,
Der Wald steht herrlich und grün!
Die trinken zusammen den Wein so klar.
Der Sommer und die Wiese, die kommen wohl
zusammen l
Sie trinken Meth, sie trinken Wein,
Und reden so viel von Christel klein.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— i4i —
„ Geschnitten und genäht ist das Gewand:
. Herr Christ geb', daß es wär hingesandt!"
Der Jungfrau Diener dazu sprach:
So gern ich das Gewand hinkrag.
Wie das Gewand Herr Asbiörn sah:
„Herr Christus, segne die Finger zart!"
Der Jungfrau Bote da zu ihm sprach:
Was gebt Ihr zum Nähelvhn der Magd?
„Was geb' ich der Jungfrau anders zum Lohn,
Als mich selber, einen Ritter so schön."
Heim kam der Diener, sprach zur Hand:
Der Ritter nach Euch selbst verlangt.
„Bitt' den Ritter zu fahren über den Strom:
Nimmermehr trägt er mich durch Reden davon."
„Bitt den Ritter zu fahren über den Strom:
Der Wald steht herrlich und grün!
Nimmermehr tragt er meine Treu davon.
Der Sommer und die Wiese, die kommen wohl
zusammen!
Ml
«4t 2?-
Tord von Meeresburg lind der Tölpel Graf.
Das war Tord von Meeresburg, der ritt auf dem grünen Plan,
Da verlor er seinen Hammer von Gold, und der war verloren
so lang.
Das war Tord von Meeresburg, der sprach zu dem Bruder sein:
Du sollst fahren in das Norden Gebürg, und suchen den Ham-
mer mein.
"L
Das war Locke der Diener, der setzte sich ins Federkleid,
So flog er in das Norden Gebürg über das salzige Meer so weit.
Und mitten in dem Burghofe, da achselt' er sein Kleid,
So ging er in den hohen Saal, vor dem garstigen Tölpel ein.
„Willkommen, Lokke du Diener, willkommen bist du hüben:
Wie steht es aufM Meeresburg, und wie stehrs im Lande drüben?"
Wohl steht es auf der Meeresburg, und wohl siehts im Lank!
drüben:
Tord hat verloren den Hammer sein, drum bin ich kommen herüber.
„Tord seinen Hammer nicht wieder kriegt, du kannst die Won'
ihm sagen:
Fünf und fünfzig Faden tief liegt er in der Erde begraben."
„Tord seinen Hammer nicht wieder kriegt, das sag,ich frei zu dir,
Ihr gebt denn Jungfrau Fridlefsborg mit all Euerm Gute mir."
Das war Lokke der Diener, der setzte sich ins Federkleid,
So flog er wieder heim zurück über das salzige Meer so weit.
Und mitten in dem Burghofe, da achselt' er sein Kleid,
So ging er in die Burgstube zu seinem liebsten Bruder ein.
„Nicht kriegst du deinen Hammer zurück, das kannst du glau-
ben fürwahr.
Kriegt er nicht Jungfrau Fridlefsborg mit unserm Gute all."
Aber auf der Bank, allwo sie saß, die stolze Jungfrau sprach:
Viel lieber ich einen Chrisienmann, als das häßliche Ungeheuer mag.
Da wollen wir nehmen unsern Vater alt, kämmen wohl di>
Haare sein.
Und führen ihn ins Norden Gebürg, für mich dort Braut zu f«;n.
Sie führten die alte junge Braut, zur Hochzeitsburg ging die Fahrt.
Das will ich Euch in Wahrheit sagen: Gold war an dem Kick
nicht gespart.
*43
So nahmen sie die schöne Braut und setzten sie ans die Dcautbank,
Da trat der Tölpel Graf hervor, wollt' schenken der Braut den Trank.
Fünfzehn Ochsenleiber aß sie auf, dreißig Schweine Seiten darnach:
Lieben Brote ihre Mahlzeit waren, eh sie nur trinken mag.
ZwölfLasten Dier, die trank sie aus, eh sie den Durst konnt stillen.
Sie trank es aus der gehenkelten Mulde, und so begann sie
zn schlingen.
Der Tölpel geht über den Boden daher, er ringt seineHZnde so viel:
„Von wannen ist diese junge Braut, die so stark cßen will?"
Der Tölpel spricht zu dem Kellerknecht: „das Zapfen nicht vergiß.
Wir bewirthen so wunderlich eine Braut, die zum trinken hat
gut Gelüst."
Da sprach der kleine Lokke, unter feinem Kleid' er lacht':
In acht Tagen hat sie nicht gegesien, weil so viel sie hierher gedacht.
Da sprach der kleine Tölpel Graf, begann also diese Wort:
Rust mir die Tafel Knechte, sie sollen gehn vor mich sofort.
Dringt mir herbei den Hammer von Gold, ich will ihn gern entbehren.
Werd ich geschieden von der Braut, es sey mit Schand oder Ehre.
Das waren da acht Kämpfer, die den Haminer auf 'nem Daun«
trugen her,
Sie legten ihn so sorgsamlich der Braut über die Knie quer.
Und das war da die junge Braut, die nahm den Hammer in
die Hand,
Das will ich Euch in Wahrheit sagen, wie eine Ruthe sie ihn
gewandt.
Erst schlug sie den Tölpel Graf, ein Ungeheuer beides häßlich
und lang.
Dann schlug sie die kleinen Ungeheuer, daß ihnen di« Thüre
ward schmal.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
iiIIf
Sorgvoll da waren die Gäste, und all die nordischen Mann:
Sie erhielten Schläg und Todeswunden, da ward ihnen bleich
die Wang.
Das war Lokke der Diener, der sich viel gut bedachte:
Wir wollen heimfahren in unser Land, unsern Vater zur Win,
we machen.
-8-
Jungfrau Ellen.
Das war Ellen Oves Tochter, die war weit uncher bekannt,
Und das nicht um ihr vieles Gold, oder um ihr grünes Land.
Auch wir sind Jungstauen-Männer l
Und das nicht um ihr vieles Gold, oder um ihr grünes Land,
Mehr aber um ihren Vater, an des Königs Tafel mit Ehre genannt.
Das war Hcrre Magnus, der ließ sich satteln sein gut Rößlein:
„Ich will reiten nach Verslevburg, Ellen Oves Tochter mir stei'n."
Da er kam zu dem Sallingsund, da fragte er sofort:
„Mag seyn Herr Ove daheime, oder ist er gezogen aus dem Ort?"
Da aber begann der Fährmann und sprach zu ihm die Wort:
Herr Ove ist nicht daheime, er zog gestern aus dem Ort.
So ging er zu dem Kirchhof und band sein Rößlein fest,
So ging er in die Kirche ein, wie er konnt' aufs allerbest.
Alle da standen die schönen Jungfrauen, eine jede bei ihm
Mutter thät stehn,
Nur nicht Ellen OveS Tochter, der rollten Thränen über die
Wangen schön.
Trat er über den Schemel, und wohl über mehr als zwei:
„Steht auf, Ellen Oves Tochter, Md gebt mir Eure Treu."
Da sprach zu ihm die schöne Jungftau, und Thränen rollten
ihr übers Gesicht:
Zch bin nur ihre Dienerin, und bin Ellen Oves Tochter nicht.
Geliehen hab ich die Strümpfe, und geliehen hab ich die Schuh,
Und geliehen hab ich den goldnen Schleier, und dafür sagt' ich
meine Treue zu.
Sie zog einen Goldring von ihrer Hand, gab ihn dem Priester dann:
Ich bitt Euch bei dem höchsten Gott, lest eine Predigt lang.
Da sie vor dem Altar stand, 'nen güldnen Schleier hät sie auf
dem Haupt,
> Da sie kam vor die Kirchthüre, hät sie 'ne Kappe grau.
Da sie kam zu dem Kirchhof, sein Roß das löste sie dort,
j Sv ritt sie nach dem Sallingsund, aufs best', so sie konnte, fort.
Das war Herr» Magnus, der ging aus der Kirche spat;
Fort war Ellen Oves Tochter: was gilt nun für ein Rath?
„Zu lange hört ich die Meße, »nd die Predigt zu lange nachher:
Fort ist Elen Oves Tochter, sie hat los gebunden mein Pferd. “
! Da sie kam ;u dem Sallingsund, rief sie den Fährmann zur Stund:
Hier ist Pfenig und milde Gabe, fahr alsbald mich über Len Sund.
Da sie kam initten in den Sund, da löste sie auf ihr Haar:
! Hört Ihr das, Herr Magnus, ich bleibe Jungfrau dies Jahr.
! Da sie kam über den Sallingsund, schwenkte sie ihr Hütlein
mit Macht:
Jahr nun wohl, Herr Magnus, ich bleib eine Jungftau heut
Nacht.
Auch wir sind Jungfrauen-Männer!
146
29.
Die zwölf Zauberer.
Auf Dofrefield in Norden
Liegen die Kämpfer ohne Sorgen.
Wer aber soll stellen unsre Runen, so wir nicht
selber dürfen!
Da war so mancher Kämpfer kühn:
Alle zwölf Brüder Zngeborg der Königin.
Der erste konnt' wenden das Wetter mit der Hand,
Dem zweiten die strömende Fluht stillstand.
Der dritte fuhr untcr's Waßer wie ein Fisch,
Dem vierten fehlte niemals Speis auf dem Tisch.
Der fünfte die Goldharfe schlagen kunnt:
Alle die's hörten, die tanzten zur Stund.
Der sechste blies in das vergüldete Horn:
Alle die's hörten , mußten ergrauen davor.
Der siebente konnt' unter der Erde gehn.
Der acht' auf blauen Wellen stehn.
Der neunte band alle Thier' im Wald,
Ueber'» zehnten hatte kein Schlaf Gewalt.
Der elft' band den Lindwurm, der im Grünen lag:
Za sonst er noch viel mehr vermag.
Der zwölfte war so weis ein Mann,
Wußte was geschah in fremdem Land.
Fürwahr das mach ich Euch bekannt:
Dergleichen wird nicht funden im Nordenland.
l-l688i8cb68 8t33t83i-e>V>v IV>3sd^sg. 668t. 340 6,-imm I^Is. I- 79
Ich will Euch sagen dies Wort noch mehr:
Dergleichen wird nicht funden auf dieser Erd.
Wer aber soll stellen unsre Runen, so wir nicht
Sie löschte die großen Wach«lichter auS:
Ihr sollt nun liegen im dunkeln Haus.
Die Kindlein weinten am Abend spät.
Die Mutter es unter der Erde hört'.
Das hörte die Frau, die unter der Erde lag:
„Mögt gehn zu meinen Kindlein fürwahrl"
Die Frau ging hin vor Gott zu siehn:
„Und darf ich zu meinen Kindlein gehn?"
So lange sie ihn bitten thät,
Dis er ihr hinzugehn gewährt':
„Und du sollt kommen zurück, wann kräht der Hahn:
Nicht länger darfst du ' bleiben dann. “
Da hob sie guf ihre müden Bein:
Die Mauer zersprang und der Marmelstein.
Als sie durchs Dorf ging, zn der Stund,
Heulten in die Wolken so laut die Hund.
Und als sie zu dem Burgthor kam,
Stand ihre ältste Tochter daran.
„Was stehst du hier, liebe Tochter mein:
Und wie gehts den kleinen Geschwistern dein?"
Ihr seyd eine Frau beides schön und fein.
Doch Ihr seyd nicht die liebe Mutter mein.
Meine Mutter war weiß mit Wangen roth,
Doch du bist bleich und gleich dem Tod.
„Und wie sollt' ich seyn weiß und roth:
So lange hab' ich gelegen todt."
Und als sie kam in die Stube gegangen.
Da standen die Kindlein mit Thränen auf den Wangen.
«OM
- 149 -
Das ein' sie kämmet, dem zweiten 's Haar sie flicht.
Das dritte sie in die Höh hebt, das viert' sie ausrichr.
Das fünfte sie setzet auf ihren Schoos:
Sie reicht ihm ihre Brust so süß.
Sie bat das allste Töchterlein:
„Herr Dyring bitt, daß er komme herein."
Und da er trat in die Stube hin,
Sprach sie zu ihm mit erzürnetem Sinn:
«Ich ließ dir beides Bier und Brot:
Meine Kindlein leiden Hungers Noth.
„Ich ließ dir auch dir Kißen blau:
Meine Kindlein liegen auf vloser Srrau."
„Ich ließ dir große Wachslichter nach:
Meine Kindlein liegen im dunkeln Gemach."
„Muß ich oft gehen zu ihnen zurück.
Kommt über Euch gar schlechtes Glück!"
Da sprach klein Christel,*) im Bett sie lag:
Deinen Kindern will ich werden gut fürwahr.
So oft sie hörten knurren den Hund,
Gaben sie den Kindlein Bier und Brot zur Stund.
So bald sie hörten das Hundegebell,
Wer dem Gang des Todten flohen sie schnell.
Sobald sie hörten heulen den Hund,
. Wär ich selber jung!
Fürchteten sie den Todten zur Stund.
Freundliches Wort so manchem das Herz erfreut!
♦) Die Stiefmutter.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
. — i5o —
Zr.
Der Nacht-Rabe,
Der Rabe fliegt zur Abendzeit, weil er nicht darf am Tag:
Der soll haben ein schlechtes Glück, der ein gutes nicht sahen mag.
Aber der Rabe fliegt zur Abendzeit!
Es flog der wilde Verner Rab über die Mauer hoch dahin,
Da nahm er wahr, wie so sorgenvoll saß in der Kammer stolz
Irmindlin.
Er flog nach Süden, er flog nach Norden, er flog in die Wob '
km hoch auf,
Da sah er sorgenvoll sitzen und nahn Irmindlin, die schöne Jungfrau.
„Hör du, kleine Irmindlin, warum weinst du also sehr:.
Ist das um Vater, Mutter oder Bruder, daß dir fallen die
Thränen so schwer?"
Das war die Jungfrau Irmindlin die blickt' aus dem Fensterlein:
Wer ist da, der mich trösten will, und hören meine Pein?
Hör du, wilder Nachtrabe, und flieg herunter zu mir:
All meine heimliche Angst und Sorg will ich erzählen vor dir.
Mein Vater gab mich einem Königssohn, wir waren einander gleich,
Meine Stiefmutter hat ihn fortgeschickt, so weit ins Oesterreich.
Wir hätten so gerne zusammengelebt, seine Liebe so herzlich war:
Sie wollte mir gebe» ihrer Schwester Sohn, der war ein Trold
fürwahr.
Und einen Bruder hatte ich, Herr Verner ward er genannt:
Meine Stiefmutter hat ihn bezaubert, und gesendet in fremde Land.
»»Hört Ihr, Jungfrau Irmindlin, und was wollt Ihr mir
geben zum Lohn?
Ich führ Euch zu Euerm Bräutigam, könnt Ihr fliegen mit
mir davon."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— r5i —
Zch will dir geben das rothe Gold und das weiße Silber mit
Freuden,
Kannst du mich führen zu meinem Bräutigam, mich erlistn
von meinen Leiden.
Behaltet Ihr selbst Euer Silber und Gold und Eure reiche Gaben:
Dm ersten Sohn, den Zhr mit ihm erzeugt, den will ich von
Euch haben.
Und so in ihre weiße Hand legte ste den Fuß des Raben:
Sie schwur bei ihrer christlichen Treu, daß er das Kind sollt' haben.
So faßt' er die Zungstau Zrmindlin, setzte sie auf seinen Rück,
So flog er über das wilde Meer, ihm selbst ein schwer Geschick.
Das war der wilde Berner Rab, der ruhet' auf der Zinne:
Nun sitzen wir, Jungfrau, bei dem Haus, wo Euer Bräuti-
gam ist drinnen.
Wen stand der gute Herr Nilaus, 'neu Silberbecher in wei-
ßer Hand:
»Seyd willkommen, Jungfrau Zrmindlin, in diesen: fremden Land."
„Was soll ich dir geben, wilder Rab? hast geführt meine
Braut hierher,
Seit ich gegangen aus Dänemark hört' ich nicht beßre Mahr."
Hab Dank, guter Herr Nilaus; seine Treue ließ er sehen.
Am Monatstag der darnach kam seine Hochzeit mußte geschehen.
Mt Freud und mit vieler Ruhe sie tranken ihre Hochzeit:
Air vierzig Wochen waren herum, gebar sie ein Söhnlein erfreut.
Dar war der kleine Berner Rab, der setzte sich auf die Zinnen:
»Was Zhr mir gelobt, liebe Zrmindlin, das bring ich Euch
in die Sinnen."
So sehr sie weint' und die Hände schlug, daß es nicht ein
Mägdelein:
Der wilde Nachtrab soll dich haben: das kostet das Leben dein.
1!
i52
Da kam ein häßlicher Nachtrabe geflogen übers Haus daher,
Die Frauen weinten und Mägdelein, sie. rangen die Hände so sehr.
Herr Nilaus ging zu ihm hinaus, bot Gold und gute Dur<
gen ihm an.
Mögt er behalten seinen Sohn, bot er ihm zur Hälfte sein Land.
„Krieg ich nicht das kleine Kind, so soll dich das verdrießen:
Ich selber will dich schlagen zu todt, und will dir dein Reich
verwüsten.
Das Kindelein das nahm sie da, wickelt's in weiße Linnen ein:
Fahr wohl, mein allerliebster Sohn, ich bin schuldig am Tode dein.
So trugen sie heraus das kleine Kind, das lag an der Mut-
terbrust;
Es waren so viele die weinten im Haus, waren drknn in gro-
ßer Unlust.
Der Rabe nahm das Kind in seine Klau'n, und gluckste so
sreudiglich,
Herr Nilaus stand und sah das an und seufzte so herzelich.
So hackt er ihm aus das rechte Aug, sein Herzblut er halb trinkt:
So ward er zum schönsten Rittersmann, der je auf Erden ging.
Er ward der schönste Rittersmann, den man mit Augen sah:
Das war Frau Irmindlins Bruder selbst, der so lang ver-
schwunden war.
Und all das Volk, das dabei stand, aus die bloßen Knie fiel nieder,
Sie beteten zu Gott im Himmelreich, das Kind erhielks Leben wieder.
Nun sitzet Frau Zrmindlin so froh, ohne alle Sorge und Leid,
Nun hat sie beides Bruder und Sohn, und schläft an Herr
Nilaus Seil'.
Aber der Nabe fliegt zur Abendzeit!
'
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 153 —
32.
Schwertes Recht.
Die Königes Mann ritten auf dem Plan, zu jagen den Hirsch
» und die Hinde,
Da fanden sie ein Kindlein zart unter einer grünen Linde.
Zn dem Kämmerlein schläft die stolze Eime!
Eie nahmeir auf das kleine Kind, hüllten's in den Mantel bla»»,
Tragens in des Königs Burg, gaben ihm eine Pflegfrau.
Eie trugens zu der Kirche, gaben ihm die Taufe zur Nacht,
Sie nannten es jung Arelvold und bargens aus Noth darnach.
Sie ernährten es einen Winter und auch drei volle darnach:
Es »vurd der allerschönste Knab, den man mit Augen fach.
Sie ernährten ihn so lange, er »var »voh! fünfzehn Jahr:
Er »var der zierlichste Ritter, der an M Königs Hofe »var.
Die Königs Mann gehen in den Hof, und schießen mit Stein
und Slang,
Da trat herzu jung Arelvold und schoß ihnei» allen zur Schand.
„Deßer magst du gehen in den hohen Saal, und suchen die
Mutter dein,
lii daß dein Schießen zu unsrer Schand hier auf dein Plan
sollt seyn."
Da sprach der junge Arelvold, seine Wangen »vurden bleich so viel:
)ch will wißen »vo meine Mutter ist, eh' ich komm' zu Euerin Spiel.
Das war der junge Arelvold, der »var so still in seinein Muth;
So ging er in den hohen Saal, fragte seine Pflegmutter gut:
Hirt Zhr das, lieb Pflegmutter mein, »varurn ich Euch thu'
fragen:
Aßt Ihr irgend von der Mutter mein, so sollt ZhrS eilig sagen.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- *54 -
«Hör du das, lieber Axelvold: wie koiirmts, daß du so sprichst?
Lebt deine Mutter oder ist sie todt, auf Treu, ich weiß eS nicht."
Das war der junge Axelvold, der zog sein Meßer gleich:
Ihr sollt mir meine Mutter zeigen, oder «S kostet Euern Leib.
„So geh du in den hohen Saal und füge viel gut deine Wort:
Die aber nenn die liebe Mutter dein, die trägt dir hohe Gold-
krön' dort."
Das war der junge Axelvold, der wickelte sich in sein Kleid,
So ging er in die Franenstube vor Frauen und Iungftauen rin.
Hier sitzet Ihr Frauen und ihr Mägdlein auch, Ihr Jungfrauen
und zierliche Weib,
Darzu auch meine allerliebste Mutter, mag sie hier innen seyn.
Alle da saßen die stolzen Iungftauen und keine durft reden ein Wort,
Nur nicht die stolze Frau Eline, die setzt ihre Krön' auf den
Tisch sofort.
Hier sitzt Ihr, meine rechte Mutter, arbeitet mit weißer Hand:
Wo ist der Sohn den ihr heimlich geboren? die hohe Goldkron'
Ihr ja tragt.
Lange da stand die stolze Eline, sie redete nicht ein Wort:
Dieselbigen Wangen wurden wie Erde schwarz, die waren vor-
her so roth.
Sie nahm das Goldband von der Brust, mancher Ding' sie
sich versann:
«Nun helf Gott mir und unsre Fraue, nimmer heimlich eine»
Sohn ich gewann."
Hört Ihr das, liebe Mutter mein, dauchtsEuch nicht große Schand,
Daß Zhr so lang verborgen, wie Ihr die Mutter von solch
einem Mann?
Hört Zhr das, allerliebste Mutter, was ich zu Euch will sagen:
Wißt Ihr nicht- von dem Vater mein ? dar sollt Ihr mir verrathe».
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- -55 -
„Geh ein nur in den hohen Saal, du mußt fügen viel gut
deine Wort:
Dem die Ritter an der Tafel dienen, den heiß deinen lieben
Vater sofort."
„Geh du nur in des Königs Saal vor Rittern undHoftnannen ein.
Und schaust du Erlaub des Königs Sohn, heiß ihn den Vater dein."
Das war der junge Axelvold, der zog über das Scharlachkleid:
So ging er in des Königs Saal, vor dem dänischen König ein.
„Hier sitzt Ihr beide Ritter und Geselln, trinkt beides Meth
und Wein,
Und so auch, wenn er hier innen ist, der allerliebste Vater mein."
„Heil Euch, mein lieber Vater, ein Findelkind werd ich genannt,
Das klag ich am allermeisten vor Euch: dünkts Euch nicht gro-
ße Schand?"
Alle da saßen des Königs Mann, wurden-schwarz wie die Er-
de sofort.
Nur nicht Erland des Königs Sohn, der sprach das erste Wort.
Da sprach Erland des Königs Sohn und also that er anheben:
Zch bin nimmer, Axelvold, dein Vater, wie du nun magst vorgeben.
Das war der junge Axelvold der zog sein Meßer gleich:
„Zhr heirathet entweder die Mutter mein, oder es kostet
Euer» Leib."
„Unter Rittern und unter Rittersmann war mirs groß Spott
und Hohn,
Daß man mich hielt für ein Hurenkind, und bin ein Königs Sohn."
Hör du, junger Axelvold, du bist ein Fürst so fein:
Du gib mir deine Mutter Eline zur liebsten Hausfrau mein.
Da war Freud an des Königs Hof und Lust zu hören an,
Wie Axelvold gab seine Mutter hin, sein eigner Vater sie nahm.
»56
Da schlug auf mit der weißen Hand der junge Axelvold erfreut:
„ Ern Findelkind war ich gestern, ein Königs Schn bin ich heut."
In dem Kämmerlein schläft die stolze Eline.
33-
E l fe n h ö h.
Ich legte mein Haupt auf die Elftnhöh, meine Augen began-
nen zu schlafen.
Da kamen gegangen zwei Iungfraun heran, die wollten Rede st
gern mit mir haben.
Seitdem ich sie zuerst gesehn!
Die eine streichelte mir die weiße Wang, die andre ins Ohr
- thät mir flüstern:
„Du steh auf, schön jungerKnab, willt du dich zum Tanze rüsten."
„Wach auf, schön junger Knab, wenn du zum Tanze willst springen,
Meine Iungfraun sollen dar lieblichste, das dich lüstet zu hi-
ren, vorsingen."
Und über alle Weiber schnell, ein Lied hört' ich eine beginnen:
Der reißende Srrom stand still dabei, der gewohnt war sonst
zu rinnen.
Der reißende Strom stand still dabei, der gewohnt war sonst
zu rinnen:
Mit ihren Flößen spielten die Zischlein klein, die in den Flud-
ten schwimmen.
Mit ihren Schwanzlein spielten sie, die kleinen Zisch in der Fluh:
allzumale.
Die Wöglrin, die all in den Lüsten sind, begannen zu singt»
im Thale.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- *57 —
„Hör du, schön junger Knab, und willt du bei uns bleiben,
Da woll'« wir dich lehren Buch und Rune, darzu auch lesen
und schreiben."
„Ich will dich lehren binden den Bär, das wilde Schwein an
der Eiche Stamm:
Der Drache, der liegt auf vielem Gold, soll fliehen vor dir aus
dem Land."
Sie tanzten auf, und sie tanzten ab, da in dem Elfen-Zug:
Da saß der schöne junge Knab, gestützt auf sein Schwerte gut.
„Hör du, schön junger Knab, willt du nicht mit uns reden,
Soll das Schwert und scharfe Meßerlein dein Herz in Ruh»
noch legen."
Hätte Gott nicht gemacht mein Glück so gut, daß der Hahn
schwang die Fittich sofort,
Gewiß war ich blieben auf der Elfenhöh, bei den Elfen-.Zung»
stauen dort.
Das will ich jedem guten Gesell, der zu Hof ausreiret, sagen:
Er reite nicht nach der Elfenhöh, und lege sich da zu schlafen.
Seitdem ich sie zuerst gesehn i
Der Königs-Sobn aus Engelland.
Dem Königs Sohn aus Engelland
Schimmert Gold an der weißen Hand.
Aber der Wind bläßt günstig aus Westen gegen
Dänemark l
Und es schimmert vom Sattelbogen Gold:
Er hat sich eine stolze Jungfrau verlobt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Der Königs Sohn läßt «in Kriegsschiff bauen.
Wie nimmer eins vor auf dem Waßer zu schauen.
Zu beiden Seiten war vergoldet die Wand,
Darauf des Herren Wort geschrieben stand.
Und vorn gemahlet am Schiffsschnabel hoch:
Wie der Königs Sohn an die Brust seine Jungfrau zog.
Und außen da standen die Löwen klein.
Der eine goldig, der ander' in blauem Schein.
Und in dem Schiff da stand ein Mast,
Der hatte fünf hundert Nobel gekost.
Und an dem Mast ein Wimpel weht.
Solch einer kam nimmermehr in die Nord See.
Die Linker all mit rothem Gold belegt,
Die Segel all von zarten Binsen gedreht.
Jedes Tau, das war darin,
Das war befestigt mit Seide-Zwirn.
Jedes Tau und auch jedes Band
War gewebt von der Jungfrau mit eigener Hand.
Die Segel waren von Seide so rein.
So manche Fenster mogten im Schiffe seyn.
Hoch über den Segeln da stand ein Kreuz:
Unser Herr Jesus möge mit uns seyn!
Der König gab seinem Sohn die Lehr:
„Mein lieber Sohn, denk du an Ehr."
„Denk du an Ruhm, denk du an Ehr,
Laß den Pfennig werden nicht dein Herr."
„Spar du nicht das Silber, spar du nicht das Gold,
Gib deinem Diener, der dir ist hold."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Der König selbst geleitet seinen Sohn zum Strang
Und Ritter und Diener stießen ihn ab vom Land.
Der Königs Sohn seinen Hut zog ab:
„Vater und Mutter habt gute Nacht!"
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
—- 160
„ Wenn nur ein rothes Pferdchen klein.
Das nahm ich 'nem vaterlosen Mägdlein. “
„Will Gott, daß ich zurück kehr heim.
Will ich ihr geben zwei für das ein'."
Wie er das sprach, in diesem Sinnen,
Sein vergüldeter Schrein ans Land thät schwimmen.
Ein Küchjung kam gegangen daher.
Das bracht dem Herren große Schwer.
Und fünf Gesellen mit ihm reiten,
Herr Este Frost thut sie selbst begleiten.
Dem Königs Sohn Thränen von den Wange» rollen:
Christ hilf! ich bin nach Boubierg gekommen."
„Es ist geworden so schlimm mit mir:
Din gekommen in Herrn Este's Gewalt« hier."
„Wär ich kommen, wo die Lehn hat Herr Bugge der Man«,
Hätt mich geraubt weder Gesell noch Riltersmann. “
Mich raubt Herr Eskes kleinster Küchenbub allein:
Ich will das rächen, wann ich komm' heim."
„Will Gott, daß ich soll am Leben bleiben.
Will ich an den König von Dänemark schreiben."
Und wie Herr Duggc die Mahre vernahm.
Er sendet' seiner Söhne zwei ihm nach.
Er sendete nach ihm fünf Gesellen aus,
Ließ ihn alsbald holen nach Hof und Haus.
Herr Bugge that den jungen Herrn empfangen.
Die Dauer: ließen ihn nach Engelland gelangen.
Dorr wurden sie mit Geschenken und Ehre empfangen.
Aber der Wind bläßt günstig aus Westen gegen Dänemark!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 161 —
Klein Danvcd und der junge Tröst.
„Was soll ich in Dänemark! ihre Panzer sind mir so schwer.
Die dänische» Hofmann spotten mein, weil ich nicht ihre Rede
versteh."
Das war der junge Danved, der ließ den Sattel legen aufs Pferd:
»Ich will reiten gen Borreby, zu besuchen meine Mutter werth."
Ihre Sporn die waren so klingend, ihre Roße so gnt im Gang
Zn der Kirche zu Lund im Skaanen Land hörten sie den Früh
gesang.
hörten sie da den Frühgesang, und auch neun Meßen darnach:
Da ward dem jungen Danved auf sein Roß zu steigen jach.
Da aber zu ihm der Priester, der gute Herr Oluf, sprach:
Urwahr Ihr müßt, klein Danved, mein Gast seyn heut am Tag.
„Heut will ich bei niemand eßen oder trinken den klaren Wein,
Eh ich gekommen gen Borreby und gered't mir der Mutter mein."
Hirt Ihr das, lieb junger Danved, waS ich Euch sage für Wort :
viele von Eucrn Feinden, die halten außen vor dem Ort.
„Erst tauf ich meinem gute» Degen, und so meinem guten Pferd,
Darnach trau ich meinen tapfern Mannen, mir selber trau ich
noch mehr."
Wehl mögt Ihr trauen Euerm guten Degen, und so Euerm
raschen Pferd,
Und so traut Euern tapfern Mannen, die verlaßen Euch zuerst.
Und das war der kleine Danved, als er kam vor den Ort,
To stießen auf ihn seine Feinde und dreimal neune dorr.
( To stark waren diese Feinde, sie hatten verborgen gestanden:
Alle Danveds Mann nahmen Urlaub, von ihrem Herrn sie sich
wandten
II
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— iba —-
Da nahmen alle DanvedS Mann Urlaub, zu fliehen schnell,
Und Dienste nahm aufs neue nur Tröst der junge Gesell.
Und ich hab getragen Euer Kleid, und ich hab geritten Euer Roß:
Ich muß heute mit Euch stehen, da wo der Streit ist groß.
Zch hab genommen Euer Silber und Gold, und ich hab gegch
sen Euer Brot:
Ich lasse heut nicht von Euch ab, und sollt er seyn mein Tod.
Sie warfen zusammen ihre Rück', da in dem grünen Wald:
Die zwei sie schlugen fünfzehn in der Morgenstund alsbald.
Sie drängten zusammen ihre Rück' in Gebüschen dicht so sehr:
Die zwei sie schlugen dreißig allein, und erwarben große Ehr.
Das war der junge Danved, der band sei» Schwert an die Seite,
Da wogten so fröhlich die edlen Herrn zu ihrer Mutter heim reim
Das war der junge Danved der in die Burg geritten kam,
Das war seine liebste Mutter die ihm entgegen kam.
Sey du willkommen, klein Danved, allerliebster Sohne mein:
Was da lüstet dich zu trinken: Meth oder lieber Wein?
„Zch will nicht mit Euch eßen und trinken Meth oder klaren Milt,
Eh Ihr gebt dem jungen Helden Tröst die einz'ge lieb Schwe-
- ster mein."
Und höre du das mein lieber Sohn, was ich dir sage ftei:
So wahr mir Gon helf aus der Noth, Ihr seyd alle GeM
ster drei.
»Hört Ihr das allerliebste Mutter mein, Zhr sagt mir tot
mit Listen:
Wie habt Zhr geboren den jungen Tröst, daß ich das nimmer wußte/
Ich hab ihn als viel kleines Kind gesendet aus dem Land so weil,
So wahrhaftig ward mir verkündigt sein Tod: ich klagte me-
mand mein Leid.
— i6z —
Da sprach der kleine Danved, ein Ritterssohn reich so sehr:
„Hab ich solch' einen Bruder, nun klag ich nimmermehr. “
»So segne dich Gott, du junger Tröst, meine Treu will ich
dir geben,
Dich nimmer zu trügen und treulos zu seyn, dieweil ich bin im Leben. *
Klein Danved und der junge Tröst thun beide in Pelz sich kleiden,
Und darnach an des Kaisers Hof so freudiglich sie reiten.
i
Die sieben Schwäger.
(T.)
I.
Der Ritter nimmt den Habicht, der Gesell nimmt den Hund, in
dem Wald zu jagen reiten sie beide:
Sie finden die Thiere groß und klein, die spielen vor ihnen auf
der Heide.
Zm Sommer!
Sr fand eine Hindin unter der Lind, eine Jungfrau unter den
Weiden,
Der Ritter, weils da so lieblich zu ruhn, seinen blauen Mmr-
tel thät ausbreiten.
Und da lagen sie die lange Nacht, und keinem gcschahs zum Leid:
Die Linde, die verbarg sie so wohl, mit ihren Blättern breit.
Und da lagen sie die lange Nacht und das wurde niemand gewahr:
Die Linde verbarg sie so herrlich mir ihren grstnen Aesten fürwahr.
Wh am Morgen, da es war Tag, die Habichte schrien so weite.
Sie Lungstau streichelte deS Ritters weiße Brust: „Ihr dürft
nicht länger bleiben."
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essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
„ Reitet eilig über die Drücke, wohl lustig über die Heide,
Dort werden Euch meine sieben Brüder, so rasche Hofmanner,
anreiten."
Und sind deiner Brüder sieben oder zehn, und sind sie gute m
nünftige Mann:
Wollen sie mich erkennen für ihren Stallbruder gut, Platz mach
ich ihnen dann.
Und wollen sie mich haben als Schwager getrost, sollen sie mich
als Bruder finden.
Aber trachten sie mir nach Leben und Blut, den Sieg soll«
sie nicht gewinnen.
„Hört Zhr, allerliebster mein, darum bitt ich Euch so gerne:
Reitet einen andern Weg herum, dann seht Zhr sie nur so ferne?'
Nimmer soll man das hören an des Königs Hof, ich wollt' aal
dem Wege weichen^
Vor sieben wohlgewaffneten Männern: ich hoff, ich bin ihn«
noch gleiche.
Der Ritter band sein Schwert an die Seite, und legt' an sei-
nen Panzer schön.
Er sagte der Zungfrau tausend gute Nacht: so alleine mußte sie stehn
Er stieß sein Roß mit scharfen Sporn, da war so muthig sein Sinn;
Und als er kam aus dem Wald heraus, traf er sieben rasche
Hofmann.
„Willkommen, willkommen, du Ritter gut, wo bist du gewesen
so früh?«
Ich bin gewesen im Rosenwald, zu jagen die schnellen Thier'.
,,Wo ist dein Habicht? wo ist dein Hund? wo sind die Thiere,
die du gejagt?"
Die hab ich gegeben meinem lieben guten Freund, den ich zn-
erst am Morgen traf
*65
„Und rs pfleget nimmer ein Ritter gut, fortzugeben die wilde Jagd;
Das haben wir gehört dir zu kleinem Glück, du hast geschlafen bei
' unsrer Schwester in der Nacht.
Zch ritt mich aus zu jagen die Thier, Eure Schwester ich nim-
mer kannt:
Zch jagte das allerschönste Thier, das mir kam zuerst in die Hand,
h
Es gab sich unter mein Scharlachkleid, e§ that sich so wohl an
mich schmiegen;
^ Zch nahms zu Dank, und war so froh, und ließ mich damit
begnügen.
n
Die wilden Thier ich laufen ließ in dem Wald vor meinen Hunden,
Vas zahme Hündlein zog ich an die Brust, wir freuten uns
aus Herzens Grunde.
r
Eine Zungsrau war's so hold und fein, wie man eine mit Au-
* gen will sehn:
Lars Eure Schwester, so bitt ich darum, laßt unsre Hochzeit
n geschehn.
Ein treuer Bruder will ich Euch seyn, für Euch aussetzen mein Leben;
i- zch will sie halten in Ehren recht: was soll ich mehr noch geben?
„Und nimmer du unsre Schwester erhältst, wir wollen Hochzeit
hier feiern mit Ehren:
; Hu deine Beichte der Linde: jeder Vogel soll sie hören."
„Was lieber: willst du stehn oder fliehn und dich wenden zum
Walde hinein, *
n Oke willst du wehren deinen jungen Leib aus gutem Willen für
die Liebste dein? "
lind ich will stehen, und will nicht fliehen, nimmer mich wen-
f' den zutu Walde hinein,
über ich will wehren meinen jungen Leib, aus gutem Willen
v für die Liebste mein.
i66
Erst schlug er einen, dann schlug er zwei, und so ließ er sich
erkennen.
So schlug er alle der Jungfrau sieben Brüder, die raschen and
zorngen Hofmänner.
Als die Zungsrau die Zeitung hörte, vergoß sie Thränen schwer,
Sie weint um ihre sieben Brüder, um den tapfern Ritter noch mehr.
Es steht ein Baum in unserm Hof, ich glaub, es sind Vogelbeeren!
Große Herzens Sorg und heimlich Leid bringen in große Schwere
Dort steht ein Baum in unserm Hof, so manche Dirn thut er trage»!
Heimliche Sorg und Herzens Leid das ist so hart zu tragen.
Zm Sommer!
II.
Herr Helmer Blau in den Rosenwald ritt aus.
Selbst führt' er seinen Habicht und Hund hinaus.
. So frei reitet er im Sattel!
Er sah am Berge von weitem,
Der Jungfrau sieben Brüder reiten.
Herr Helmer räth mit seinem Diener zur Stund:
„Weißt du guten Rath, thu mir ihn kund.
Der beste Rath den ich nur weiß:
Säumt nicht, und reitet fort mit Fleiß.
„Nimmermehr meine Braut soll hören dort,
Daß ich floh vor ihren Brüdern fort."
Herr Helmer da ward so stei sein Muth,
So stech ritt er auf ihre Brüder zu.
Herr Helmer, wie reitest du uns entgegen:
Du erschlugst ^unsern Mutterbruder ohn Sühn' zu gebe«.
Du erschlugst unfern Mutterbruder, gabst Sühn' uns nicht.
Freitest unsre Schwester und fragtest uns nicht.
„Zehn Mark Golds liegen in meinem Schrein:
Das ist Sühn für dm Mutterbruder dein. “
Ich will nichts anders haben zur Bich',
Als die reckte Hand und den linken Fuß.
„Eh du meine Hand und Fuß sollst han,
Eh sollst du das Gegenstück rmpfahn."
Herr Helmer da sein Schwert zog auS:
Herr Ebbe schlug er ab das Haupt.
Zuerst erschlug er Ebbe und Lang:
Und da war sein Schwert gekommen in Gang.
So erschlug er Ulf und Adser Weis:
Da waren vier erschlagen mit Fleis.
So erschlug er Torkild und Tord zur Stund:
Sechs Brüder da lagen todt auf dem Grund.
Auf stand Herr Palle, roth wie Blut,
Allen seinen Verwandten war er gut.
Herr Helmer Blau, still das Schwerte dein,
Ich will dir geben die schöne Schwester mein.
Helmer stieß in die Erde sein Schwert sofort:
„Nun hör ich eines Bruders Wort."
„Habe Dank, Herr Helmer, für deine Gabe,
Du bist mein Bruder all meine Tage."
Und so ritten sie als Brüder heim,
Helmer gab ihm dafür die Schwester sein.
So tranken sie Hochzeit in Lust und Freud,
Und lebten zusammen ohn alles Leid.
Do stei reitet er im Sattel!
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— 168 —
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Fahrt zur Liebsten.
Das war der junge Svegder, der sollte Pen Ball austretben:
Der Ball trieb in der Jungfrau Schoos, "macht/, daß die Wan-
gen ihr bleichten.
Du redest deine Worte wohl!
Der Ball in der Zungfrau Kämmerlein trieb, und der Geselle
darnach ging;
Eh er wieder aus dem Kämmerlein trat, große Sorg' er im
Herzen empfing.
„Du darfst nicht werfen mit dem Ball, und du darfst nicht
werfen nach mir:
ES sitzt eine Zungfrau in fremdem Land, die verlanget so sehr
nach dir."
„Du sollt nimmer schlafen einen Schlaf und nimmer Ruh em-
pfangen,
Dis du erlöst die schöne Zungfrau, die liegt um dich gefangen. “
Da wickelt der junge Svegder in das Kleid sein Haupt sich eia,
So geht er in den hohen Saal vor seinen Hofmännern ein.
Hier sitzt Ihr, all meine guten Mann, und trinket den Meth
aus de» Schalen:
Ich aber geh in den Berg hinein, will Rede mit den Todten haben.
Hier sitzt Zhr, all meine gutenMann, und trinket Meth und Wein:
Ich aber geh in den Berg hinein, red mit der Mutter mein.
Das war der junge Svegder, der hub zu rufen an:
Daß Mauer und Marmelstein zersprang, und der Berg zu fal-
len begann.
„Wer ist's, der mich wecket, und solche Worte spricht?
Kann ich hier unter der schwarzen Erdij in Frieden liegen nicht?"
Das ist der junge Svegder und liebste Sohne dein:
Der will so gerne guten Rath von der liebsten Mutter sein.
Ich hab eine Stiefmutter bekommen, die ist mir also hart.
Die hat mir Runen geworfen um eine, die ich nie sah.
„Ich will dir geben ein Roß so gut, das soll dich tragen dahin,
Das laufen kann auf dem Meer so leicht, wie ans der Wiese grün."
Ich will dir geben ein Tischtuch, das ist von Binsen gemacht:
Die Speise, die du wünschest nur, steht auf dem Tisch alsbald."
„Ich will dir geben Trinkhörner, die sind belegt mit Gold:
Nvn all' dem Trank, den du wünschest dir, stehn sie vor dir gleich voll."
„Ich will dir geben ein Schwert darnach, gehärtet in Drachenblut:
Wenn du es trägst durch den Wald dahin, leucht't es wie eine Glut."
„Ich will dir geben ein^ Schiffelein, das soll dir werden gut:
Das lauft so über die grüne Erd, wie über die wilde Fluht."
Die seidenenSegel wanden sie an dem vergüldeten Mast in dieHöh,
Gesegelten zu selbigem Land, wo war dir Zungsrau schön.
Sv warfen sie ihre Anker wohl in den weißen Sand;
Das war der junge Svegder, der trat zuerst ans Land.
Das war der junge Svegder, der steuerte sein Schifflein ansLand:
Der erste, der ihm begegnet, das war ein alter Mann,
Das war der alte Mann, er ließ fragen zuerst:
„Wie heißet dieser junge Gesell, so muthig ist sein Herz?«
Der junge Gesell heißt Svegder, sein Ruf ist weit ausgegangen:
Nach einer die er niemals gesehn, trägt er so groß Verlangen.
„Es liegt in großem Verlangen eine Jungfrau im Lande hie.
Nach einem Gesell, heißt Svegder, den sie gesehn noch nie."
Verlangt sie nach einem jungen Gesell, den sie noch nimmer sah,
Heißt er der junge Svegder, so ist er aber jetzt da.
Hör du da», du alter Mann, ist'S so wie du gesagt:
Din ich ein König in diesem Land, so mach ich dich zum Graf.
„Dort stehet meiner Jungfrau Burg, mitten in dem grünen Wald:
Das Haus von grauem Marmorstein, der Hof belegt mit Stahl."
„DasHaus von grauem Marmorstein, der Hof belegt mit Stahl,
Vor der Pfort' von rothem Golde stehn zwölf Bären allzumal."
„Mitten in meiner Jungfrau Hof steht eine Linde grün:
Bist du der rechte Svegder, geh du drauf zu nur kühn. “
Fort ritt der junge Svegder, und als er die Thür ansah:
Die Schlößer, die all da hingen, die fielen alsbald herab.
Da welkte das Laub, da welkte die Lind, und das Gras um»
der Linde verdorrt'.
Die Löwen und die Bären fielen dem Herrn vor die Füße softrl.
Und da er in den Burghof kam, über dir Schulter warf«
sein Kleid,
So ging er in den hohen Saal vor dem heidnischen König ein.
Hier sitzt Ihr, heidnischer König, über Eurer Tafel breit:
Wollt Ihr mir Eure Tochter laßen? gebt mir deß guten Bescheid.
Ich hab keine Tochter, als eine einzige nur.
Die liegt in großem Verlangen nach einem Gesellen jung. l
„Nach einem den sie nimmer sah, liegt sie in großem Verlangen:
Der Geselle, der heißt Svegder, der Ruf ist weit von ihm gangen?' '
Da trat herzu «in kleiner Bub, hat ein weißes Nöcklein an:
Verlanget Euch nach Svegder, der ist nun kommen an.
Da trat herein die schöne Jungfrau, in weißem Seiden-Kleid:
„Seyd willkommen, junger Svegder, herzallerliebster mein."
Und wollt Ihr laßen taufen Euch, nach christlichen! Glauben streben,
Wir folgen hin gen Dänemark, bei dem jungen Svegder leben!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— i7r -
„Gern will ich taufe» laßen mich, nach christlichem Glauben streben.
Euch folgen hin gen Dänemark, bei Euch, junger Svegder, leben."
Am Sonnabend that sie die Taufe und Christen - Glauben empfangen.
Am Sonntag ihre Hochzeit geschah; sie lebten in Ruhe zusammen.
Sie tranken Hochzeit einen Tag, und wohl der Tage neun;
Da saß, und sorgte für jeden, der alte Mann dabei.
Hab Dank, du junger Svegder, so treu hat «rs gethan:
Er macht' ihn zu einem Ritter, und setzt' ihn oben an.
Nun hat der junge Svegder überwunden all seine Noth:
Er ward im Lande König, sie Kön'gin nach des Vaters Tod.
Du redest deine Worte wohl!
33.
Brautwerbung.
Wulf der hauset zu Odderskier, ist reich und kühn zu preißen:
So rasche Söhne hat er zwei, die laßen sich Kämpfer heißen.
Nun treibt der Wulf am weißen Sand im Norden.
Wulf der hauset zu Odderskier, har Söhne so klug im Sinn,
Die wollen, um die Königs Tochter zu werben, nach Upsals
Berge hin.
Das war der junge Helmerkamp, der satteln ließ sein Pferd:
„Wir wollen reiten aus zu Land, steien die Königstochter werth."
Das war der junge Angelfyr, der satteln ließ sein Pferd:
„Wir wollen reiten gen Upsal, wenn unter uns berste die Erd/'
Als sie kamen in den Burghof, da achselten sie ihr Kleid,
Sv gingen sie in den hohen Saal vor dem König von Upsal ein.
— 17* —
Jung Helmerkamp der trat herzu, stellte sich vor dir Tafel sofort:
„Herr wollt mir Eure Tochter geben, deß gebt alsbald Euer Wort."
Jung Angclfpr der trat herzu, Gold glanzt an seiner Hand:
„König gib mir die Tochter dein, oder räume selbst mir dein Land."
Darauf der König von Upsal diese Worte zu ihnen sprach:
Meiner Tochter geb ich keinen Mann, als den sie haben mag.
„Habt Dank, 0 liebster Vater mein, daß ich hier wählen kann:
Jung. Helmerkamp, dem verlob ich mich, der steht recht ali
«in Mann."
„Nimmer will ich haben Angelsyr, ein Ungeheuer Mißgestalt,
So ist sein Vater, und so ist seine Mutter, und so sind feine
Verwandten all."
Da sprach der junge Angelfnr, so zornig war sein Sinn:
Wir gehn, um sie zu fechten zum Burghof beide hin.
Darauf der König von Upsal diese Lorke zu ihnen sprach:
„Dir Schwerter sind scharf, die Gesellen sind rasch: gut Spiel
da geschehen mag."
Wulf'der stand zu OLderskier, und horchte über die Berge,
Da mußt'er hören, über den langen Weg, klinge» seiner Söh-
ne Schwerter.
Das hörte Wulf zu Odderskier weit über die grüne Heide:
„Was haben meine Söhne vor? wie sind sie so zornig beide!"
Er harrt' da nicht gar lange, sprang auf sein Pferd so roth:
Zu Upsal aber kam er an, eh gegangen seine Söhn' in den Tod.
«Jung Helmerkamp, 0 sage mir, Sohn allerliebster mein:
Warum rinnt dir der blutige Strom so heftig von Leib und Bein?"
Da antwort't ihm jung Helmerkamp, sein Leiden er ihm klagt:
Da« that Angelsyr, der Bruder mein, weil ihm nicht worden
die Magd.
— -73 —
Hab' fünfzehn Wunden an dem Leib, mit Gift vermischt je-
de Wund:
Za hätt' ich eine nur davon, ich könnt' nicht leben eine Stund.
„Hör du, junger Angelfyr, Sohn allerliebster mein:
Warum sitzet das gure Schwert so schlecht in den Handen dein? "
Darum sitzet das gute Schwert so schlecht in den Händen mein:
Hab'achtzehn Wunden an dem Leib, das ist meine größte Pein.
Hab' achtzehn Wunden an dem Leib, und alle sind so schwer:
Za hätt' ich eine nur davon, keine Stunde lebt' ich mehr.
Und Wulf von Odderskier riß aus mit der Wurzel den Eichenstamm,
Schlug, daß er todt zur Erde fiel, den jungen Helmerkamp.
Da liegen di: zwei Helden nun, liegen beide in einem Grabe!
Und der König gibt wohl die Tochter sein dem Gesellen, den
sie will haben.
Da trauert Wulf vonOdderskier, seine Söhne sind todt geschlagen;
Der König von Upsal für seine liebe Tochter muß selber Sor-
ge tragen.
Nun treibt der Wulf am weißen Sand in Norden!
1
39*
Das goldene Hörnlein.
(T.)
Herr Peter und Herr Oluf sitzen an der Tafel breit.
Auf, unter die Linde!
Reden so manches Wort aus alter Zeit.
Auf, unter die Linde, da wacht die Allerliebste mein!
„Hör du, Herr Oluf, Stallbruder mein:
Gelob dir zu freien ein Zungfräulein."
m
-74
Und was soll ich freien mir ein Weib,
Dieweil ich habe mein gut Hörnlein.
Dieweil ich habe mein gülden Hörnlein:
Zch bethör' damit manch Zungstäulein.
Die Zungstau lebt nicht auf der Erde mehr.
Die ich nicht mit diesem Spiel bethör.
„Doch weiß ich so stolz ein Zungstäulein,
Die soll dir nimmer zu Willen seyn."
„Ich setz darauf mein gutes Pferd,
Du fängst nicht Mettelille, meine Braut so werth.-
Ich setz dagegen mein grau Roß schön.
Am Abend soll sie zu meiner Kammer gehn.
Zch setz darzu mein weiß Halsbein:
Zch bethör' die Zungftau schön und fein.
Spät am Abend, als der Reif hernieder fiel,
Herr Oluf hub an mit seinem Spiel.
Herr Oluf spielt auf seiner Harfe von Gold:
Ueber das Feld hin hörts die Zungstau hold.
Herr Oluf blies in sein gülden Hörnlein:
Das klang bis zu Mettelilles Kämmerlein.
Lange stand Mettelille, und horchte darauf:
Soll ich gehen am Abend noch hinaus?
Lang stand Zungsrau Mette, und gedachte bei sich:
Keine meiner Zungftauen darf ich nehmen mit.
Zungstau Mettelille und ihr kleiner Hund
Gingen durch den Roscnwald zur Stund.
Stolz Mettelill ihren blauen Mqnrel über sich schwang,
Zu Herr OlufS Kämmerlein war ihr Gang.
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Sie klopft' an die Thüre mit ihrem Kleid:
Steh auf, Herr Olaf, und laß mich ein.
„Niemand hab ich vor Gericht gebracht.
Und niemand laß ich in meine Stube zur Nacht.
--- 176
„ Ich war gegangen heimlich dahin,
Kräuter zu pflücken blau und grün."
„Ich pflückte die Krauter weiß und roth.
Die nun stehen in ihrer schönsten Blüth."
„Da hab' ich gestanden die Nacht so lang.
Und gehört den süßen Nachrigallen-Sang. “
Du hörtest nicht mit Freud auf der Vöglein Sang,
Doch wie Herr Olufs güldenes Hörnlein klang.
Dieser nächtliche Gang und andere mehr.
Die bethörten uns beide gewißlich so sehr.
Dieser nächtliche Gang und andere mehr:
Fürwahr, Jungfrau Mettelille, thut das nicht mehr.
Hör du, stolz Mettelill, allerliebste mein,
Geh ins Bett unter Linnen weiß und fein.
Du geh zu Bert, das rath ich dir wohl.
Wenn ich treu und gut dir verbleiben soll.
Nun ist mein gutes Roß dahin,
Weil du 'ne Braut so falsch und leicht gesinnt.
Und niemand wußte, wo sie blieb,
Wo Wind und Wetter ihren Staub hintrieb.
Dieweil ihr Kämmerlein in Glühten stand:
Die Neue und Buße war so hart.
Herr Peter grämte sich so sehr,
Herr Oluf durft ihm begegnen nicht mehr.
Auf! unter die Linde, da wacht die Allerliebste mein
CT.)
Herr Carl der ritt sich aus zu Land, und freite die stolze Mettelille,
Darüber zürnte der dänische König; es geschah nicht mit sei-
nem Willen,
Aber Herr Carl reitet friedlos!
Herr Carl dem war so murhig sein Sinn, dieweil er die Ro-
senblume freite:
Nun liegt Herr Carl in Banden geschlagen, getrennt von Lust
und Freude.
Nun haben sie ihn in Banden geschlagen, in Ring und harte
Ketten den Herrn,
Da bitten für ihn Mutter und Brüder, und seine Verlobte
ja so gern.
Seine Mutter ging vor den König zu stehn, sie rang ihre
Hände so sehr,
Sie bat so herzlich für ihren Sohn, und Thränen vergoß sie schwer.
»Ich biet' Euch für ihn neun Noße an, die stammen vom
Rheine her:
I Nimmer kam ihnen ein Sattel auf den Rück, ein Gebiß in
den Mund nimmermehr."
Steh auf, Herr Carls Mutter, so schnell, Gott erlös dich
von deinem Leide:
Nimmer lebst du so gut einen Tag, wo du siehst Herr Carl
ausreiten.
Das war Herr Carls ältster Bruder, und der war seinem Bru-
der hold:
Tr bot für seinen Bruder lieb ein Schiff von rothem Gold.
Das war Herr Carls zweiter Bruder, der trat zunächst hervor:
Er bor für Herr Carls jungen Leib dreihundert angebauete Hof.
Kam herzu Herr Carls dritter Bruder, er meinte das aufs beste:
Er bot für seinen liebsten Bruder all seine Burgen und Festen.
Sein vierter Bruder, ein Held so kühn, ihm war so weh im
Herzen und Muth,
Er bot was er hatte zu eigen, beides seine Schatze und sein Gut.
Kam herzu Herr Carls fünfter Bruder, er wollt' versuchen den
König und Herrn:
Er bot für seines Bruders Hals dreißig rasche Pferde so gern.
„Die Sättel von Silber, die Gebiße von Gold, die Pferde
all schneeweiß find:
Glaubt mir, Herr König, Eure Gnade drauf zu reiten Lus:
empfind't. “
Das war Herr Carls sechster Bruder, der gab gurrn Wille»
zu erkennen:
Er bot dem Könige theure Edelgestein und Perlen ohne Ende.
„Und sie sind gekommen aus Osterland, aus des heidnische»
Königs Burg,
Nimmer war ein König hier im Land, der solchen ziem
Schmuck trug."
Kam herein Herr Carls jüngster Bruder, war gekleidet i»
Scharlachen roth:
„Ich biet' nichts anders für den Bruder mein: ich gehe für
ihn in den Tod.
Stehtauf, Herr Carls Brüder sieben, ich acht nicht auf solche Gaben:
Das blanke Schwert zur letzten Speise, das soll Euer Bruder habe».
Das war die Zungfrau Mettelill, die sarnmelt' im Schreine ihr GO,
So ritt sie zur Skammelborg, ihren Bräutigam lösen wollt.
— r79 —
Und als sie in die Thür trat ein, vor dem König die Knie
that sie beugen:
„Ich bitt Euch, bei dem höchsten Gott, wollt mir Genade erzeigen."
„Laßt meinen Drautgam aus dem Thurne los, laßt mich genie,
ßen meine Bitte recht:
Ihr seyd mein eigen Fleisch und Blut, und mir so nah im
Geschlecht. “
„Ich biete für ihn all mein Gold, da« ich habe in meiner Gewalt,
Darzu meine goldnen Spangen neu, die ich nimmer tragen darf.
„Ich biete für ihn Trinkhörner neun, aus dem Osterland geholt,
Innen mit weißem Silber besetzt, außen mit rothem Gold."
„Ich biete für ihn meine große Burg, ja mehr und nicht minder;
DieStollen sind von weißem Halsbein, vergüldet sind die Zinnen."
„Zch biet Euch Aggerhuus und Dekkeskovs Stadt, darnach Ihr
traget Verlangen:
Nimmer erlebt Ihr so gut einen Tag, wo mehr wird geboren
für 'en Gefangnen."
Du steh auf, stolze Jungfrau Mettelille, Herr Gott erlös dich
von deinem Leide:
Nimmer lebst du so gut einen Tag, wo Herr Carl schläft an
deiner Seite.
Und bist du von unserm Blut und Geschlecht, mag so wohl
bekannt mir seyn:
Ner daß dich Herr Carl freiete, war gegen den Willen mein.
Du weißt wohl, daß Herrc Carl that Neid im Schilde gegen
uns tragen;
Du gabst ihm deine Treu und Hand, ohne mich um Nach zu fragen.
Ich ging in mein Bett zu schlafen, ich wußte von keiner Gefährde:
hm Carl der weckte mich aus gar bald mit dreißig gezogenen
Schwertern.
12 *
Mm
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m.
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— Igo —
Den einen Schuh hat ich an dem Fuß, den andern nahm ich
in die Hand:
Sv mußt ich hinten zur Thür hinaus, ich ward von niemand
erkannt.
Zch gelobt' eine Pilgrims Fahrt auf bloßen Füßen mein.
Sollt ich erleben so gut einen Tag, wo Herr Carl mein G«'
fangener müßt seyn.
Nun hab ich vollbracht meine Reise nach Nom, darnach ich
/ getragen Verlangen,
Nun hab ich erlebt den Tag so gut: Herr Carl den hab ich
gefangen.
Da- war der dänische König, der hieß da satteln sein Pferd:
Laßt Herr Carl aus den Banden los, er soll nun haben sein Recht
Da fiel nieder vor des Königs Fuß die Zungfrau Mettelille gut:
„Gebt mir meinen Bräutigam los, er ist von königlichem Blut"
Da aber ward der junge Herr Carl auf den grünen Wall geführt:
Sie schlugen ihm sein Haupte ab über seinem eignen Schild.
Za über seinem güldenen Schild schlugen sie ihm sein Haupte ab:
Nun ist Herr Carls Gold und Gut in des dänischen Königs Gewalt I
Stolz Mettelill nahm den blutigen Leib, an ihre Brust zoz
sie ihn dann:
„Fürwahr, dänischer König, er war mein Bräutigam."
Da war großer Jammer und größer Leid, als sie von einai»
der geschieden:
Wollten so gerne leben und bauen zusammen mit Ehr und gu/
rem Willen.
Die Zungfrau auf der Znsel in ein Kloster ging mit Gut un-
reichen Gaben.
Sir wollt' da leben in Einsamkeit, und nimmer einen Mann
mehr haben.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— igi —
Nun reiten Herr Carls sieben Brüder so weit und so manche
wilde Wege:
Sv gerne rächten sie ihres Bruders Tod, sollten sie auch ver-
lier cii ihr Leben.
Das hilft dir nicht, wer du auch bist, deinem Herrn Kampf
zu bitten.
Das ist beßer, Gott rathen zu laßen, und zu leben in stil»
lem Frieden.
Aber Herr Carl reitet friedlos!
4».
Die wilden Schlafgesellen.
Und ich stand vor meines Herren Tisch, ich schenkte beides
Melh und Wein,
Und da kam eine Botschaft zu mir, daß erschlagen der Bruder mein.
Ich darf nicht Fried vor Schwedens König genießen!
Und so folgt' ich meinem Herrn zu Bett, bei seiner Lieb' er
'ruhen wollt',
Sv ließ ich aus meitr gutes Roß, legt auf den Zügel von Gold.
So ließ ich aus mein gutes Roß, legt' auf den Zügel von Gold,
Bevor ich legt ab meinen Sattel roth fünfzehn Meilen ritt ich fork
Als ich kam vor daßclbe Haus, wo Kämpfer trinken Mech und Wein,
Da hört'ich, wie meine liebe Mutter weint'über den Bruder mein:
Und so spannt' ich meinen guten Bogen, ich legt'einen Pfeil darauf:
Sv schoß ich Königs Mannen zwölf, die mir meinen Bruder geraubt.
So ritt ich hin vor das Gericht, wo Recht di« Herren sprechen:
Sechs entbot ich zu gutem Rath, und sechs meine« Bruder zu räche«.
Hi
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Ich ging dreimal vor das Gericht, ich bat sie um rechtlichen Rath;
Auf da stand des Königs Lehnsmann, und stieß mich an so hart.
Und auf da stand des Königs Lehnsmann, gab mir so hark ei-
nen Stoß,
Und auf da standen die AchtSmanner zwölf, und schwuren vom
Frieden mich los.
Da spannt' ich meinen guten Bogen, legt' den Pfeil darauf
zur Hand,
Und schoß ihn nach des Königs Lehnsmann, daß der Pfeil im
Herzen ihm stand.
Ich ging vom Gericht so eilig fort, zu meinem guten Roß alsbald,
Und da däucht es mir in den Sinnen mein, mich berg' am
„ besten der Wald.
-u.
Und in dem Wald äm. heimlichen Qtt acht Winter lang ich saß:
Ich hatte mich zu nähren nichts anders als Laub und Gras.
Ich hatte mich zu ernähren nur Laub und Gras allein,
Ich hatt' keine andern Bettgeselln als Bären und Wölfe zwei.
Und das dauert bis zum Pfingstentag, fast bis zu der heiligen Zeit,
Und da lüstets den schwedischen König, daß er zur Kirche auSreit'k.
Und so spannt' ich meinen guten Bogen, legte den Pfeil dar-
auf zur Hand,
So schoß ich nach dem schwedischen König, daß der Pfeil im
Herzen ihm stand.
Und nun lag der schwedische König, verblutete sich zu todt;
Sie gaben mir Schwedens Königin wieder, die war mir jede»
Tag gut.
Ich darf nicht Fried vor Schwedens König genieße»!
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
<J>
1^
\
^ i83
42.
Die blutigen Traume.
Herr Jonas und Herr Nielus Maard, die waren Skallbrüder beide.
An einem heiligen Ostermorgen auf die Thierjagd sie ausreiten.
Der eine gewinnt dem andern die Thiere ab!
Sie reiten vor Kirche und Kloster vorbei, achten auf die Mes-
se gar klein,
Und als sie kommen auf die Heide, erzählen sie einander ihre Träum'.
„Mir däuchte, daß meines Vaters Burg stand ganz in Glühten roth.
Und mir däuchte, daß meine verlobte Braut lag auf der Bahre todt."
„Mir däuchte, ich war ausgeritten über 'ne Brücke breit und gut.
Doch all der Strom, der darunter lief, war wie das rothe Blut."
Hast du mir meine Traum' erzählt auf der grünen Wiese hier:
Unvahr, mein lieber Stallbruder, ich erzähl dir meine dafür.
Mir däuchte, daß meines VaterS Burg stand ganz in bren-
nendem Brand,
Und mir däuchte, daß die stolze Frau Sidsel hatt' verloren ih,
re eine Hand.
Mir däuchte, daß meine Stiefeln da waren ganz voll von Blute,
Rein Roß das schlug mich unter sich, und lief zur wilden Stute.
Herr Jonas und Herr Nielus Maard denken an der Träume Gefahr;
Da sprang auf ein kleines Thier, und das ein Hase war.
DaL war der gute Herr Nielus, der gedacht' an seine Träum' :
„Du, Jonas, eile schnell von hier, wir wollen nun reiten heim."
Da sprach Herre Jonas, achtete nicht die Worte sein:
Wir wollen jagen den kleinen Has, dann wolle» wir reiten heim.
Da sprach dazu das kleine Thier, es sprach so groß ein Wort:
Und jagst du mich mit Hunden heut, und führest du mich fort:
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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f
— i84
Zagst du mich mit Hunden heut, komm ich morgen auf die Ta-
fel dort:
Welcher Geselle von mir ißt, der spricht nimmermehr ein Wort.
Zusammen ritten die Stallbrüder zwei, wohl in dem grünen Wald,
Da erhob sich zwischen ihnen ein Zank um ihre Roß und Hund'
alsbald.
„Meine Hunde will ich nicht rühmen, wiewohl sie die besten sind:
Das will ich in Wahrheit sagen, meine Roße gar köstlich sind."
Viel beßer magst du, Jungfrauen Gesell, scherzen mit der Jung-
frau dein,
Als daß du reitest im Felde aus, und spottest der Noße mein.
„Daß du mich nennst einen Zungsrauen Gesell, drum will ich
dir nicht «eichen:
So wohl mag sich Jungfrau Mettelill der Frau Sidsclille geleichee.
Zusammen da gingen die Stallbrüder zwei, und schlugen sich
nieder zur Erde,
Zusammen da liefen ihre Noße, jagten und schlugen sich so seh«.
Zusammen da liefen ihre Roße, schlugen sich mit großer Gewali,
Zusammen da liefen ihre Hunde, jagten todt einander gar bald.
Viel schlimm sind die Hunde geboren, die unter der Tafel d«l
Königs spielen:
Zwei Stallbrüder schlugen einander todt, die wollten sich nichi
versühnen.
Da lebt» die Frau Sidselill, und Jonas Braut in Sorg uttl
Noth;
Da- war seine liebe Mutter, die mußte sich grämen zu todt.
Wü eine gewinnt dem andern die Thiere ab!
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- i85 -
43*
Oluf Strangesön und der junge Hafburd.
Das war 0!uf Strangesön und auch der junge Hafburd,
Und die dieneren so lange auf des dänischen Königs Burg. ,
So brennet dies Gut auf Nylandl
Und sie diencten so lange dem dänischen König mit Muth; *
Da gerierhen sie in ein Zanken um beid' ihre Roße gut.
Sie wollten auch Kampf versuchen um ein so schönes Weib;
Das will ich Euch in Wahrheit sagen, das kostet' ihren jungen Leib.
„Und hör du, junger Hafbutd, ich will nicht mit'dir streiken:
Deine Mutter war meine gute Pathe, die soll nicht um un§
weinen. “
Hör du, lieber Oluf Strangesön, was ich da sage zu dir:
Du sollst heut mit mir fechten, oder du sollst rennen mit mir.
Und ist meine Mutter deine Pathe gut, sprichst du mit Fug
das hier:
Gott laß dich nie werden einem Manne gleich, wenn du nicht
käinpfst mit mir.
„Wer kann wohl rühmen meine starken Händ, da sie niemand
geprüfek hat?
Aber das will ich in Wahrheit sagen: ich hab ein Roß so rasch."
„Gott weiß, daß es mir leid so sehr, daß ich soll in den Kampf
mit dir gehen:
Aber heiß ich Oluf Strangesön, du sollst mich morgen kom-
men sehen."
Früh war es zu der Morgenstund und lang eh' die Lerche sang:
Auf da stand Oluf Strangesön und «kleidet' vor dem Bette
fich an.
— iß6 —
Früh am Morgen bei guter Zeit, lang eh' des Tages Licht
brach aus.
Da waren so manche, die sattelten ihre Roß, wohl vor dem
Kampfer HauS.
Dei dem ersten Kampf, den sie zusammen ritten, ihre Roße z»
scherzen begannen:
Und da standen Frauen und Jungfrauen, die wurden so bleich
an den Wangen.
Bei dem andern Kampf, den sie zusammen ritten, kniete Haf-
burds Nos; zur Erden:
So manchen Kampf hab ich geritten, ich fürcht, dieser der
schlimmste wird werden.
Dei dem dritten Kampf, den sie zusammen ritten, hät Hast »kt
eine Wunde empfangen:
Den Frauen und Jungfrauen, die da standen, fielen schwere Thrä-
nen von den Wangen.
Dei dem vierten Kampf, den sie zusammen ritten, und da wer
Hafturd nah dem Tod;
Die Frauen die da standen und die Königin selbst sanken ohnmäch-
tig unterm Scharlack/rolh.
Das war Oluf Strangesön, der zog ihn in seinen Arm:
„Du setze dich nun auf mein Roß, verzeih mir all deinen Harm."
Gern will ich dir vergeben, mich kümmert nicht dein Pferd:
Ich bitte dich bei dem höchsten Gott, hol mir den Priester hierher.
„Ich bitte dich bei dem höchsten Gott, verzeih' mir nun deinen Ted:
Gott weiß, daß ich so mit dir stritt, wie ich drum hatte Noth."
Mel gern vergeb ich dir meinen Tod, Gott lös' so wohl unser Leid:
Aber wenn mein Water das erfährt, .wirds kosten deinen jum
gen Leib.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 187 —
Und das war Oluf Strangesön, der zu seinem Roße sprach:
„Es dünkt mir selbst in meinem Sinn: uns birgt am besten
der Wald."
Und das war Oluf Strangesön, der schlug auf mit weißer Hand:
„Gab das Gott im Himmelreich, ich wär in stemdem Land!"
Dazu sprach der dänische König, er hielt gar kleines davon:
Und das verbiete der höchste Gott, daß du dem Wald solltest nahn.
Da liegt der junge Hafburd, todt geschlagen von dem Roß;
Oluf Strangesön birgt am besten der Wald, der ist nun friedelos.
Und da liegt nun der junge Hafburd, und das Blut rinnt, bis
er todt;
Oluf Strangesön reitet nach Zorsals Land,*) da dienet er um
sein Brot.
„Gebt mir Waßer und löscht meinen Durst, ich trink das lie-
ber als Wein:
Gar nimmermehr komm' ich von Zorsal nach Haus, zu reden
mit der Mutter mein."
Dank habe, Oluf Strangesön; er säumet sich nicht lange.
Und reitet aus dem Lande fort vor dem König und all seinen Mannen.
So brennt ihr Gut auf Ryland!
44«
Stolz Elin.
(T.)
Es ritt der gute Herr Remold zur Insel weit,
Er freite Herr Dundis Tochter, so schön eine Maib.
Sie schlich ihm nach im Schlafe!
•) Jerusalem.
r,*U
- -88 —
Er steite Herr Bundis Tochter und führte sie heim:
Der König und der Erzbischof die waren dabei.
Nach Remolds Burg mit der jungen Braut ging hin die Fahrt,
Da ward nicht das rothe Gold an den Kleidern gespart.
Sie führten die Braut aus dem Wagen da in den Saal,
Nach gingen Ritter und Gesellen, trugen ihr Kleid allzumal.
So setzten sie die junge Braut auf die Brautbank,
Hervor traten Ritter und Gesellen, brachten ihr den Trank.
Aufstand die stolze Elin, mit der Kann' in der Hand,
So ging sie zu schenken den Wein, bis der Tag verschwände.
So ging sie zu schenken den Wein, bis der Tag verschwand,
So zornig nahm sie den Silberbecher der Braut aus d«
Hand.
Den klaren Wein am Tag so lang man schenken thät.
Drauf führten sie die Braut zu Bett am Abend spät.
So führten sie die junge Braut hin zum Drauthaus;
Ritter und Gesellen da trugen die Fackeln voraus.
So sehten sie die junge Braut in das Brautbett,
Auf stand der gute Remold, nicht lange zaudern thät.
Da ging all das gute Volk aus dem Brauthaus fort,
Außer stolz Elin, die unter Seide blau sich versteckte dort.
Da sprach der gute Herr Remold, und wie er lag:
„Meine junge Braut, unter uns zwei, mir sagen mag:"
„Mögt Zhr, meine junge Braut und schöne Maid, mir sag«
^zur Hand:
Wie lüstet Euch zu schlafen bei einem treulosen Mann?"
„Alle meine christliche Treu, die ich hatt, und Gott mir gai,
Die gab ich an die stolze Elin, eh ich Euch gefreiet hab'."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 189 —
Dieweil Zhr hattet in Eurer Bürge hier so schön eine Maid:
, Warum seyd Zhr geritten in meines Vaters Burg, und habt
mich gefteit?
Dieweil Ihr hattet in Suerm Haus so hübsch eine Maid:
Warum seyd Zhr geritten in meines Vaters Burg, gabt mir
Eure Treu?
»Zch wollte nicht mit stolz Elin, dem Kebswcib, leben,
Darum hab ich Euch Daumor, meinem ächten Weib, die Treue
gegeben."
Dazu die Zungfraue Daumor so tugendlich sprach:
Gar wohl die stolze Elin sich Euch geleichen mag.
Herr Remold wüste nicht anders, sie wären bcid' allein,
Aand aber im Brauthaus und horchte Elin stolz und fein.
Und als den ersten Schlaf Herr Remold empfing.
Die stolze Elin da zum Bette ging.
Ae zog ihr vergüldet Meßerlein aus dem Ermel roth,
Ae stach damit den guten Herr Remold, bis er war todt.
Auf da wachte die junge Braut, und wendete sich:
Ich bitte dich bei dem höchsten Go», erschlag mich nicht.
„Hätten das nicht gethan die guten Wort, die du sprachst für mich,
DerselbigeTod, Len Herr Remold empfing, wär kommen über dich."
„Setz auf nun dein goldne Krön und dein Goldband:
80 gewißlich kommst du, Zungsrau gut, von Herr Remolds Hand. “
„Eil nun zu deinem Vater heim, nimm das rothe Gold;
Du kommst gewißlich von Herr Remolds Hand, eine Zungstau
so hold.»
Die junge Braut fuhr zu ihrem Vater heim mit sorgvollem Muth:
Aber der gute Herr Remold lag schwimmend in seinen; Blut.
Sie schlich ihm nach im Schlafe!
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— i9o —
45.
Herr Ebbe's Töchter im Kämmerlein.
Herr Ebbe 'ne Kammer hoch bauen ließ, zum Gedächtniß n
heute zu schauen:
Da sangen Staar und Nachtigall süß, drin schliefen zwei Jung-
stauen.
So listiglich sie fahren!
Herr Ebbe sollt nach Irland fahren, seines Herrn Gebot voll-
bringen :
Seine Töchter sollten Durö bewahren, ihnen selbst zu kleinem
Gewinne.
Herr Bonde und Herr Skammel mit ihrer Mutter zu Rath
sind gangen:
Wie Herr Ebbes Töchter zu zwingen, zu bringen in Spott und
Schande.
Der jüngste Bruder Furcht verrieth, die Jungsraun zu bringt»
in Schand:
Und kommt Herr Ebbe heim in Fried, er rächt das, so er samt.
Seiner Mutter erbleichte das weiße Gesicht, ihr Sinn ward
zornig viel:
„ Deines Vaters Muth, den hast du nicht, bist du so furchtsamlich."
„Dort ist zur Wehre niemand daheim, dort sind nur Stallbu-
ben klein:
Die können nicht aufstehn gegen Euch, sollt' von Eisen ihr
Kleid auch seyn."
Früh gegen Morgen ihre Spieße schärften sie.
Spät gegen Abend zum Kämmerlein ritten sie.
Unterm Boden des hohen Saals stille brachen die Ritter ein,
Gegen der Jungfrau Willen kamen sie in den Saal hinein.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
— 191 --->
Aufwachten die schöne Jungstauen beid, und dachten umher so weite:
Herr Bonde und Herr Skammel in Freud lagen an ihrer wei-
ßen Seite.
Die Jungfrau» weinten so trauriglich, um ihre Ehre sie baten:
Daß sie wollten sich hatten tugendlich, vor ihrem lieben Vater
Furcht tragen.
Auffanden die Ritter, ein jeder ging ab, eh' die Sonn überm
Hügel that scheinen.
Und dankten für die erzwungene Gab; sie dursten nicht länger
säumen.
Die jüngste Schwester grämte sich so sehr, weil sie zuerst di»
Schande mußt leiden:
„Wr wollen springen hastig ins Meer, hinunter uns senken
mit Steinen. “
Die allste Schwester sprach zur Hand: „nicht also, lieb Schwe-
ster mein:
„Wir erwarten unsern Vater von Irland, der rächt uns, so es
kann fern:.“
Das war Ebbe, der gute Herr, der kam von Irland heim;
Gingen ihm entgegen und weinten so sehr beid' die lieben Töch-
ter sein.
„Seyd Ihr willkommen, Water mild, wir klagen vor Euch mir
Sorgen:
Es haben Herr Bonde und Herr Skamild unsre schönen Haare
verborgen.“
Herr Ebbe ward im Herzen bang über diese sorgenvolle Fahrt:
Schlimm stellt ich meine Reise lang, soll ich schlagen den Mann
mit dem Schwert.
Hr sollt nicht führen für unser Wild Panzer oder scharfes Schwert,
Da« wollrn wir rächen selber mit List, wenn wir sind Ehre werth.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 192 —
Das geschah als das Volk zur Meße ging, wohl in der Weih-
nachts Nacht,
Daß Herr Ebbes Töchter schnell sich angeschickt, und ihr Mes-
ser scharf geniacht.
Was mögen Herr Ebbes zwei Töchter schön beginnen so »um
dcrlich 'ne Fahrt,
Weil sie können nicht zur Kirche gehn, als mit gezogenen, Schwert?
Frau Mettelild erröthel' an den Wangen und unter dem Klei-
de sie lacht':
„ Ihr tapfern Weiber aufgestanden, meiner Söhne Frau'n Platz
gemacht! “
Herr Bonde und Herr Stammet gingen zu opfern daher,
Jungfrau Trunde uud auch Signild traten hinter ihnen her.
Gen Norden in dem Waffenhaus Jungfrau Trunde ihr Sch«
te zückt,
Gen Süden vor dem Altarhaus empfäht Bonde ein groß UnglM
Gen Norden vor dem Altar klar zog Jungfrau Signild ifr
Meßer hervor.
Zu nieden bei dem Kirchenthor Herr Skammel sein Leben verlor
„Hier stehen wir nun als Witten zwei, weil wir sind Zmg-
frauen nicht:
Nehmt nun Eure Söhne zwei, eßt zu Salz und Brot dies Gericht.'
Sieben Winter nach diesem Mord stand Höjebys Kirche im Baw
Keine Predigt ward gehalten dort und nicht begraben ein M»
Sie bauten eine Kapell' am Helenen Berg, die besuchte SBfl'l
und Mann;
Der Pabst der mildert' ihre Sorg, und löste die Kirche vom Dam
So listiglich sie fahren!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 194 —
Der KSnig streckte seine Hand nach ihr:
Wollt Ihr, schöne Zungstau, tanzen mit mir?
,Zch bin gegangen durchs Thal dahin.
Zu reden mir der dänischen Königin."
Ihr ranzet mit uns «ine Zeit so klein.
So kommt die Kön'gin zu uns herein.
Herzu ging Signelild, wie ein Reis so schlank.
Ging tanzen an des Königs Hand.
Hör, Signelild, was ich sage zu dir:
Ein Liebeslied bas sing du mir.
„ Ein Liebeslied ich nimmer sang.
Ich sing «in anders, das ich kann."
Stolz Signelild begann, ein Lied sie sang.
Die Kön'gin hört oben im Saal den Klang.
Da sprach die Königin, die im Saale lag:
„Welche meiner Zungstaun ein Lied jetzt singen mag?"
„Weiche meiner Zungstaun tanzet so spat?
Warum stlgten sie mir nicht zu Bett?"
Darzu ein Diener in rothem Rock spricht:
Don Euer» Zungstaun ist diese nicht.
Non Euer» Zungftauen ist diese nicht:
Das ist von der Znsel stolz Signelild.
„Dringt mir hierher meinen Scharlach schmal.
Die Zungstau zu sehen, geh ich hinab."
Und als sie zu der Burgthür kam.
Der große Tanz der ging da cut.
Oft tanzten sie den Tanz in der Rund;
Den Kreis zu sehen die Königin stund.
Die Königin sprach: „wie groß meine Pein:
Der König ranzt mir Signilde den Reihn."
Die Königin sprach da zu her Magd:
„Ein Horn mit Wein werd mir gebracht."
Bring du mir her das Horn von Gold,
Und laß es füllen mit Wein so voll.
Der König streckte seine Hand nach ihr:
Wollt Ihr, Königin, tanzen mit mir?
„Nimmer ich da tanzen will,
Dis mir zutrinkt stolz Signelild."
Sie hielts ihr hin und Signild trank:
DaS unschuldige Herz in der Brust zersprang.
Lange stand der König, und sah das an:
Die Jungfrau vor seinen Füßen lag.
„Gar nimmer sah ich eine Maid so schön.
Die so unschuldig mußt in den Tod eingehn."
Um sie weinten Jungfrauen und gute Weib:
Sie trugen zur Kirche de» todten Leib.
Hätt' sie gehört der Mutter Stimm,
Da wachet wer da will!
Es wär ihr nicht ergangen so schlimm.
Dort wachet stolz Signelild auf der Insel grün!
47-
Der Nachtigallen Verrath.
Jngfced und Gudrune, die zwei Schwestern fein,
Die sitzen in ihrem Kämmerlein.
Wie lieblich ists in der Sommerzeit !
i3*
„ Die können das sagen so wohl und fein:
Ob er empfangen ein Weib oder Mägdelein.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
-98
Gag mir, Gudrune, liebste mein:
Warum hast du verlaßen das Drautbett dein?
„Mein Vater wohnt' am Strande,
Als Unfried war im Lande."
„Achte warens die brachen in mein Kämmerlein,
Ein Ritter raubte di« Ehre mein."
„Einer von den Gesellen hielt meine Hand:
Ein Ritter wars, der meine Ehre gewann."
Er streichelt' ihr die weiße Wang:
Du allerliebste mein, sey nicht mehr bang.
Meine Gesellen waren- die brachen ein.
Selbst war ich's, der raubte die Ehre dein.
Das waren meine Gesell'», die dich faßten bet der Hand,
Selbst war ich'-, der deine Ehre gewann.
Jngfred, dieweil sie Braut gewesen,
Ward ein reicher Ritter an des Königs Hof erlesen.
Wie lieblich ists in der Sommerzeit!
- -
48.
Der zahme Hirsch.
Da draußen bei dem Waßer, da wohnet Herr Peter frei:
Er will nichts anders treiben, als nur die Schifferei.
Der Geselle hat geträumet von der Jungfrau alle Nacht!
Er will nichts anders treiben, als nur die Schifferei:
Manch' Jungfrau stolz thut er locken, und hält ihr schlechte Treu.
Herr Peter hat gesprochen zu zwei Gesellen sein:
z» Fangt mir die Jungfrau Usalill mit Reden süß und fein."
- -99 -
Da ritten die tapfern Gesellen fort, zu der Burg der Jung-
frau schön.
Sie sendeten ihr die Dvtschast zu: ob sie dürsten zu ihr gehn?
Da traten die tapfern Gesellen herzu, stellten sich vor die Ta-
fel sofort.
Sie waren klug im Reden, konnten fügen viel gut ihre Wort.
„Eure sieben Brüder aus Skaanen haben Botschaft gesendet
an Euch:
Ihr mögtet, sie z« finden, an Schiffsbord kommen gleich."
Und wollen die mit mir sprechen, und haben zu reden mit mir,
Sv sollen sie mich finden, bei meinem eignen Tische hier.
Es pfleget keine schöne Jungftau zu gehen an Schiffesbord,
Sonst folget ihr Schimpf und Schande, so manches schmähliche Wort.
D» ritten die tapfern Gesellen fort, erzählten, wie es ihnen
ergangen:
„Wir konnten die Jungfrau Usalillp mit feinen Reden nicht
fangen. “
Kann ich die Jungfrau Ufalift nicht fangen mit Reden fein.
Will ich sie doch überlisten, so mir helfen Zauberei'».
Und einen Wams, besetzt niit Gold, den zog er sich da an,
Darüber eines Hirschen Haut: das war mit List gethan.
Da spielt' er wie rin wilder Hirsch vor Usalille's Burg,
Und jedes Haar, das an ihm war, das glänzte wie rothes Gold.
Und als die Burgthür aufstand, da lief der Hirsch hinein;
Da spielten unter der Jungstau Kleid all ihre Hunde klein.
Er spielte auf, er spielte nieder, er spielte hinaus in den Wald:
Die Hunde an dem Seil, folgt ihm die Jungfrau »ach alsbald.
Er spielte aus, er spielte nieder, er spielte auf dem Plan:
Da folgt' ihm Jungfrau Usalill, lockt' ihn mit weißer Hand.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
—- 200 —
Das war die Jungfrau Usalill, die lockt' ihn mit weißer Hand:
„Gäb' das Gott Vater im Himmelreich, daß nun der Hirsch
wär zahm'."
„Gäb das Gott Barer im Himmelreich, daß nun der Hirsch
war mein!
Er sollte nichts mehr trinken, als nur den klaren Wein."
„Er sollte nichts mehr trinken, als nur den klaren Wein,
Er sollte nirgends schlafen, als in den Armen mein."
Das war der Herre Peter, der warf die Hirschhaut ab:
Wohlan schau, Jungfrau Usalill, der Hirsch ist worden zahm.
Lange stand die Jungfrau Usalill, und that gedenken dabei:
Gott sende mir nun schnellen Rath, und mache mich von ihm sck
„Und hätt ich das zuvor gewußt, bas ich nun weiß zur Stund:
Den Kindern, die wir erzeugen beid, würd Armuth niemals kund.'
„Daheim in meines Vaters Burg, war ich noch klein ein K>
Als man bas Gold in die Erde vergrub, wohl weiß ich, w|
man's find't."
„Sie vergruben es so nah am Strand, unter so breit ein»
Stein;"
Da ging Herr Peter eilends hin, zu hole» das Gold so rein.11
Sie gruben in den harte» Fels, daß sich die Erd' aufthät;
Nimmer soll man da Gold aufgraben, wo keins hinabgelegt.
Nimmer soll man da Gold aufgraben, wo keins hinabgelegt:
Der Gesell und auch die Jungfrau schön nimmermehr einandk»|
sehn.
Der Gesell hat geträumt von der Jungfrau alle Nacht!
Ca
—' 201
49*
Der Meermann.
i.
Es wohnt' eine Frau in Dänemark die war Frau Hillerslill genannt.
Sie ließ bauen eine neue Burg, die schimmerte weit über Dänemark.
Die leben so wohl in Dänemark!
Zhre Tochter war ihr gestolen, sie suchte nach ihr so weit:
Je länger sie suchte, je wenger sie fand, sich selber zu Angst
und Leid.
Und sie ließ bauen ein neues Schiff, güldene Wimpel waren
daran:
Und ließ es viel gut besetzen mit Rittern und raschen Hofmann.
Stelz Hillerslill folgt' ihren Söhnen zum Strand mit Tugend
und mit Ehre;
Sie wollten segeln acht Jahre, das war ihr lieb so sehre,
Und sie wollten segeln acht Jahre, die Zeit währt' ihnen so lang,
Und sie segelten vor einen hohen Berg, da gingen sie ans Land.
Und da sprach die Jungfrau Schwanelill im Berg, so sie konn-
te, auf beste:
„Woher die fremden Gesellen? wir haben zu Abend Gäste."
Und da sprach der jüngste Bruder, sein Reden war viel gut:
Wir sind drei arme Wittwen-Söhn', die haben Schiffers Muth.
In Dänmark erzeugt und geboren, Frau Hillerslill unsre Mut-
ter genannt.
Unsre Schwester ward uns gestolen, die finden wir in keinem Land.
„Und bist du geboren in Dänemark, heißt Frau Hillers die
Mutter dein:
Das kann ich nicht vor dir bergen, du bist der jüngste Bru
der mein."
W
m
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
ii
D i
— 202 —
Und hör du das, mein jüngster Bruder, warum bliebst du
nicht daheim?
Hättest du hundert und tausend Leben, du behieltst davon nicht ein-.
Sie setzt ihn in den kleinsten Winkel, den sie im Haus ersichl,
Sie bittet ihn, bei dem höchsten Gott, zu lachen und zu uxi-
nen nur nicht.
Rosmer kam von Seeland heim und hub zu fluchen an:
Ich riech-, bei meiner rechten Hand, drinnen ist ein Christe»
mann l
„ ES flog da ein Vogel über unser Haus, mit eines Christe»
Manns Knochen im Mund:
Er warf- hinein, ich warfS heraus, so schnell als ich nur kunm."
Sie bereitet' ihm so gut ein Bad, sie streichelt' ihn mit Listen:
„ Es ist kommen hierher meiner Schwester Sohn, und den kann
ich nimmer mißen."
„Es ist kommen mei..:r Schwester Sohn aus unserm Lew
land hierher?
Mein Herrj, beweist ihm wahrhaftige Treu, und wollet fyn
fluchen nicht mehr."
Ist gekommen deiner Schwester Sohn aus Euerm Vaterland
hierher:
Ich schwör dir bei meinem höchsten Eid, ich thu ihm zu W
nichts mehr.
Das war der hohe Rosmer König, der zwei Diener zu sich rief:
Bittet stolz Schwanelilles Schwester Sohn, einzugehn,in die
Stube vor mich.
Das war Schwanelilles Schwester Sohn, der sollte vor W
mer eingehn;
Seiii Herze das bebt, sein Leib der zittert, so ängstlich
er da stehn.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
ad
-id
die
— 203 —-
Und Rosmer faßt ihrer Schwester Sohn, setzt' ihn auf seine
Knie herauf:
Er streichelt' ihn so freundlich, daß er ward gelb und grau.
Da sprach die stolze Schwanelill: Herr Rosmer, gedenket daran,
Daß Eure Finger nicht so klein, zu streicheln so zart eine Wang.
Dm war er bis ins fünfte Jahr, da verlangt' ihn heim ans Land;
„Hilf Schwester, daß ich werde gesetzt nun auf den weißen Sand.
Das war die stolze Frau Schwanelill, die da vor Rosmer stand:
„Der Gesell ist gewesen so lang im Meer, nun verlanget ihn
heim ans Land."
Ist der Gesell gewesen so lang im Meer, und trachtet er heim
ans Land,
So will ich ihm geben eine Kiste mit Gold, woll« ihm gehen
so wohl zur Hand.
„Wollte Ihr ihm geben eine Kistk mit Gold, wollt ihm gehen
so wohl zur Hand:
Hirt Ihr das, mein edler Herzliebster, tragt beides auch an
da« Land."
Das that die stolze Frau Schwanelill, sie that« in großen Listen:
Sie nahm heraus das rothe Gold und legte sich selber in die Kiste.
Und er nahm den Mann auf seinen Rück, und die Kiste in
seinen Mund:
So ging er den langen Weg herauf aus Meeres Grund.
„Nun hab ich ans Land dich getragen, daß du Sonne und
Mond beides schaust:
Zch bitte dich bei dem hSchsten Gott, sag nichts von Schwane-
lill der Jungfrau.
Rosmer sprang ins Meer hinab, daß die Fluht mußt zu de>»
Wolken aufstehn;
AIS er kam in den Berg hinein, stolz Schwanelill konnt er nicht sehn.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
7,
Als er kam in den Berg hinein, da war fort die Liebste sein;
Da sprang er um den Berg so weit in ein'n schwarzen hij-
lichen Kiselstein.
Da ward Freude in stolz Hillers Burg so oft und viel bekannt!
Ihre Kinder waren kommen zu den Freunden heim, die lanz
gewesen aus dem Land. ,
Die leben so wohl in Dänemark!
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ir.
Bockbein und Elverstein, und ich weiß nicht mehr Namen ji
sagen,
»!
Die ließen sich bauen so fest ein Schiff, das sollt« sie nach AI
land tragen.
Ach breche nimmer meine Treu!
Sir trieben das Schiff in das Meer hinaus, das brummte m
ein zorniger Bär,
Die weiße Gans zu Grunde sank: ein garstiger Trold das that.
Das war der junge Roland, der sucht' auf Meeres Grund, -
Und fand zu EiiuenS Kämmerlein 'uen kleinen grünen St«!
zur Stund.
Und Roland ging zum Berge hin, er sah oir Funken tvcibfii:
„ Mir mag er werden wir Gott will, hi-r will ich gewiM
bleiben."
Das war der junge Roland, der in den Hof geritten kam,
Da stand seine Schwester, die stolz Eiine, grhüllet ln Pelz dam
Und Roland ging in den Berg hinein, konnt' nicht rühren st
ne Hand:
.»Was hast du zu thun hie? innen? Gott gnade dir armen Man»!'
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
'S
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l'ch
- ao5 —
Las sprach Eline, die ihn nicht erkannt: „junger Gesell, wie
kommst du hierher?»
„Was hast du für Brief oder Botschaft bei dir? daheim viel
bester dir wär."
Geh ein, geh ein, zur Stube nur, so zitternd und so feucht,
Mer kommt Rosmer der Niese heim, er zerreißt dich in Stücke klein.
„Seh dich nieder, du armer Mann, und wärm dir deine Bein:
Er brät dich bei diesen Stecken lang, kommt der Nies und
* streckt sich herein."
Heim kam Rosmer mir-Riesinn-Brnmr, und ward so zornig
und gram:
ko gewißlich ist gekommen herein ein Christweib oder Mann!
La trat die stolze Eline zu ihm, sie schwur was sie nur kunnt:
„Es flog eine Krähe da über unser Haus mit eines todten
Manns Knochen im Mund."
Rosmer schrie und sprang im Kreis: ein Christmann ist sicher.
lich drinnen:
Lagst du mir nicht Wahrheit ohne Falsch, so laß ich dich bra-
ten und drinnen.
Eline zog über den Mantel blau, vor Rosmer sie da stand:
„Ein Gesell ist von Irland kommen, der ist mir so nah
verwandt."
Zst ein Gesell von Irland kommen, ist er von Geburt dir gleich,
Will ich ihn betrügen nimmermehr, will ihm schwören Huld
und Treu.
Es waren noch nicht volle zwei Zahr herum, daß niemand ihn
erkannt;
Und das war die stolze Frau Eline, der ward so bleich ihre Wang.
Er war dort fast zwei Jahre lang, nicht länger es ihm gefiel;
Eiine trug ein Kindlein von ihm, davon kam Unglück viel.
— 2o6
Als das gewahrte die stolze Elin', vor Rosmer sie ging und stand:
„Wollt Ihr geben dem fremden Gesell Urlaub heim in sein Land?"
Will der Gesell heim in sein Land zurück und thust du wahr,
hastig reden,
So will ich ihm geben Silber und Gold und das in eine Si,
ste legen.
So nahm er das viel rothe Gold und legt's in eine Kiste,
Stolz Eline legte sich hinein: der Meermann wußte nicht die Liste«.
Er nahm die Kiste aus seinen Rück, den Mann in seinen Am,
So ging er durch die salzige Fluhr, gar friedlich ohne Ham
Und daß du siehest Sonn und Mond, hab ich dich gesühret ans Land,
Und ich geb dir diese Kiste mit Gold, die geht dir wohl zur Hand.
„Ich dank dir Rosmer, guter Mann, daß du mich getragn
auf den Sand:
Stolz Eline mit einem Kindlein geht, die neue Mähre sei dir
bekannt. “
Da rollen Thränen über Rosmer- Wange, wie Thautropfn
von der Erle sinken:
Hält ich nicht geschworen der Treue Eid, ich wollt' dich hi«
verschlingen.
Rosmer lies so schnell zum Berg, wie die Hindin vor dm
Hirsch treibt fort;
Und als er in den Berg heimkam, da war Eline nicht dort
Stolz Eline nahm Roland bei der Hand, sie gingen zusammen
in Freud;
Den Weg mußt' er ihr zeigen: sie erzählten einander ihr Leid.
Rosmer sein Muth ward zornig und gram, er sah Eline nicht komme«;
Er ward zu einem grauen Kisclstein: da steht er wie ein Dummer.
Zch breche nimmer meine Treu l
So.
Stolz Signild.
Stolz Signild ließ brauen und mischen den Wein,
So herrlich fallt da der Rhein!
Sie entbot ihren Bruder zu sich heim.
Zn Harnischen alle!
Und sie schenkten Meth und sie schenkten Wein,
Sie schenkten so lange die Sonne gab Schein.
Und als ihr Bruder nach Haus wollt' reiten.
Rief Signild ihre Diener ihn zu geleiten.
„Und was soll ich mit den Dienern dein?
Zu Bett sind alle die Feinde mein."
Und als hinaus vor den Ort er kam,
Da rennten ihn sieben Feinde an.
Und da er gelangt' in den dicken Wald,
Kam er in seiner Feinde Gewalt.
„Meine Feinde, ich bitt Euch bei Gott:
Laßt mich blasen in mein Horn von Gold."
Dazu unsern Willen geben wir:
BlaS nur, so lang gelüstet dir.
Er bließ das Horn, er bließ so sehr.
Bis Signild in ihrer Burg es hört'.
Ins Horn so lang er blasen thät,
Dis stolz Signild es hört' in ihrem Bett.
Stolz Signild rief über den Hof hinaus:
„Mein graue» Roß laßt mir heraus."
„Laßt mir heraus mein Rößlein grau,
Seit sieben Zahr har'S nicht die Sonne geschaut."
m
208
„Die Sonn nicht geschaut, seit sieben Zahr,
Fünfzehn Jahr es frei vom Sattel war."
„Bringt mir Schlachtschwert und Spieß heraus.
Seit achtzehn Zahr' waren sie nicht Haus."
Stolz Signild ritt stark und stärker noch,
Ihr gutes Roß sprang überhoch.
Stolz Signild rief in großer Angst:
Gib Red, mein Bruder, wenn du kannst.
„Mir ist nicht weh, bin unverzagt:
Hilf Schwester mein, so du hast Macht."
Die sieben Feinde schlug sie todt.
Sie führt' ihn lebend zur Bürge fort.
Und mochten da zwei für einen leben.
So herrlich fällt da der Rhein!
Sie hätt' ihnen all den Tod gegeben..
Zn Harnischen alle!
5r.
Schlechter Gewinn.
Die Schwester fragt ihr Schwesterlein:
Für Len der heimlich mir verlobt!
Willst du dir einen Mann nicht frei'»?
Sie wohnt in dem vielgrünen Wald!
„Ich will nimmer auf der Znsel vermählet seyn,
Dis ich gerächt den Mord des Vaters mein."
Wie aber sollen wir rächen den Tod:
Wir haben an Schwert und Panzern Noch?
»
-E 20g *1—
«Im Dorfe wohnen Dauern so reich.
Die leihen »ns Schwert und Panzer gleich."
Und sie nahmen ihren Mantel und ihre Halskraus,
Und schnitten sich Ritkerkleider daraus.
Die Iungfraun banden das Schwert an die Seite,
Und so lüstete sie nach dem Hof zu reiten.
Und als sie kamen bei der Burgthür an,
Herr Erlands Fraue stand daran.
«Hier stehet Ihr, Herr Erlands Frau:
Ist Herr Erland daheim in der Stube auch?
Herr Erland ist in der Stube sein.
Und trinket mit den Gasten Wein.
Die Jungfrauen traten ein zur Pfort',
Aufstand Herr Erland vor ihnen sofort.
Herr Erland streicht übers Kitzen blau:
. Wollt Ihr, junge Gesellen, beid ruhen darauf?
„Wir sind nicht matt, wir sind nicht müd.
Eine kleine Ruhe sie ist doch gut."
Wie aber, seyd Ihr verehlichte Leut:
Oder reitet Ihr erst nach Liebe geheim?
„Wir sind noch nicht verehlichte Leut,
Aber wir reiten nach Liebe geheim."
So weis' ich Euch zur Insel hin.
Wo zwei reiche vaterlose Jungfrauen sind-
„Dieweil sie aber sind so reich:
Warum habt Ihr selbst sie nicht gefreit?"
So gern hatt' ichs gethan fürwahr,
Dürst ich es thun vor Mßethat.
*4
— 210 —
Hätt' ich nicht getödtet ihren Vater!
Hätt' ich nicht geschlafen bei ihrer Mutter»
„Du, der getödtet unsern lieben Vater,
Du lügst von unsrer lieben Mutter."
Sie zogen das Schwert so jungfräulich,
Sie schlugen «uf ihn so männiglich.
Sie sieben Herr Erland zu Stücken alsbald,
Wie liegen die Splitter in dem Wald.
Da weinten die Jungfräulein schön.
Als sie sollten darnach zur Beichte gehn.
Sie gewannen nichts anders für Herr Erlands Tod,
Für den der heimlich mir verlobt!
Als drei Freitage bei Waßer und Brot.
Sie wohnt in dem viel grünen Wald!
52.
Jungfräulicher Muth.
Die Tochter fragte die Mutter:
Da fällt so schön ein Neif!
Hatt' ich nimmer einen Bruder?
So wohl da gehet das Tanzen!
„Gute Brüder hast du gehabt:
Die sind nun in des Grafen Macht."
Die Jungfraue ging zu dem Stall,
Sie trieb heraus die Fohlen all.
Trieb den braunen heraus, den grauen auch,
Dem besten legte sie den Sattel auf.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 21 I «E
Und als sie zu der Durgthür kam.
Da stand des Grafen Kebsweib daran.
„Hör du, Kebsweib, sag du mir:
Zst noch so spät dein Herre hier?"
Mein Herr zum Gericht ritt gestern fort.
Einen Gefangnen zu richten um einen Mord.
„Hör du, Kebsweib, sag du mir:
Wo ruhen die Gefangnen hier?"
In unsrer Burg da steht ein Haus,
Da ruhen sie ohne Licht und Feuer aus.
Vor der Thür steckt ein Erlenstange:
Eine Jungfrau wird nimmer hinein gelangen.
Die Jungfrau zog aus die kleinen Handschuh' alsbald,
Schob weg den Eisen-Riegel mit Gewalt.
„Mein lieber Bruder, hör du mich an:
Läßt du dich binden von mehr als einem Mann?"
Nicht vier, nicht fünf, haben es gethan:
Mich banden wohl dreißig rasche Mann.
„Ich steh da schwach wie ein Mägdlein zart:
Nicht sollten dreißig binden meine Hand."
„Ich steh allein hier wie ein Weib:
Dreißig Männer sollten nicht binden meinen Leib."
So zog sie heraus ihres Bruders Bein,
Und setzte des Grafen Kebsweib hinein.
„Aber will dein Herr haben ein'"andern Rath:
Da fällt so schön ein Reif!
Bitt' ihn^, er mög im Felde mich reiten an.
So wohl da gehet das Tanzen!
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Staatsarchiv Ma
53*
Liebesprobe.
Die Kriegsmann liegen vor der Insel auf dem Meer,
Und streiten um eine schöne Jungfrau so sehr.
Sie gelobt ihm ihre Treue!
Ich darf setzen drauf mein Gold so roth:
Klein Christel kümmert nicht Herr Nordmanns Tod.*
Ich darf setzen drauf meinen weißen Hals:
Klein Christel ist gegen Herr Nordmann ohn' Falsch.
Herr Nordmann stand und hört' ihr Wort:
Ich will prüfen beider Red sofort.
Herr Nordmann kleidete sich in Seide roth.
Und legte sich nieder, als wär er todt.
Die Königsmann steuerten ihr Schiff ans Land/
Klein Christel ging aus weißem Sand.
„Seyd willkommen, all ihr Königsmann:
Was hat Euch der Krieg zu Leid gethan
Das hat uns der Krieg zu Leid gethan.
Daß wir verloren so tapfer einen Mann.
Wir haben verloren so fein einen Mann:
Cr heißt der junge Herr Nordmann.
Klein Christel da steht und die Wort anhört/
Sie fällt zehnmal ohnmächtig zur Erd.
„Und ist es wahr, daß Herr Nordmann todt.
So bau ich über ihn eine Kirche so roth."
„Die Mauer von grauem Marmorstein,
Das Grab von weißem Wallfischbein."
Und in dem neunten, wenn ich soll."
Da acht Jahre sind vergangen:
€tolj Jngerlild trägt so sehr Verlangen,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
„Seinen Sarg laß ich mit Silber beschlagen,
Und drauf setzen güldene Buchstaben."
„Die sagen jedem, der tritt heran:
Hier liegt klein Christels Bräutigam."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
214
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Stolz Zngerlild Brüder gehn zusammen zu Rath:
„Wir verheirathen unsre Schwester im Zahr."
„Wir wollen sie dem reichen Herrn Tord gervähren.
Hat Silber mehr als Herr Lovmann Erde."
„Er hat mehr Gold an dem Brustpanzer sein.
Als Herr Lovmann in dem vergüldeten Schrein."
„ Er hat in seinem Kasten mehr Geld,
Als Herr Lovmann Erde auf dem Feld."
Fünf Tag lang wird getrunken die Hochzeit mit Freud:
Die Braut will zu Bett nicht in all der Zeit.
Am sechste» Tag, als der Abend ergraut.
Da ziehen sie mit Gewalt die Braut.
„Und soll ich gehen ins Bett zumal,
Folgt mir erst zur Brück' am hohen Saal."
Sie leiten zur Brücke stolz Zngerlild;
Ihre Augen sind auf's salz'ge Meer gericht't.
„Dort seh ich Wimpel, blau und gelbe wehen/:
Die thät ich mit meinen kleinen Fingern nähen."
„Hätt ich einen vielgetreuen Freund,
Der wollte reiten hinaus mit Eil."
„HSr du, Herr Peter,lieber Bruder mein:
Rett' an den Strand für die Schwester dein."
Der Peter der ging hin zum Stall, .
Er schaute die güten Fohlen all.
Er schaute die gelben, die grauen darauf.
Dem muthigsten legt' er den Sattel auf.
Herr Lovmann steuerte sein Schifflcin anö Land,
Herr Percr ritt auf weißem Sand.
„ZMf Tonnen Mcth und zwölf Tonnen Most,
Geb ich Herr Tord zur Hochzeitkost/'
(c) >-!688i8cli6S 8t33i83fcliiv IV>3fdufg, 868t. 340 Qfimm KI«-. I_ 79
„Hör du, Herr Peter, Stallbruder feln:
Wie ergehts Zngerlild, der Verlobten mein?^'
So ergehts Ingerlild, der Verlobten dein:
Sie trinket heut ihre Hochzeit fein.
2l6
So schnell die Mähr zu Herrn Tord hinlauft:
Nun schläft Herr Lovmann bei deiner jungen Braut.
Schläft Herr Lovmann bei der jungen Braut sein,
Sie gehörte ihm ehr als sie war mein.
Er schlaft bei der jungen Verlobten dein,
lind gibt dir die schöne Schwester sein.
So gerne nehm ich die Schwester sein.
Schläft er bei der Verlobten mein.
Seine schöne Braut hak nun Lovmann;
Herr Tord gab er seine Schwester dann.
Da war Lust und so große Freud:
Herr Tord und Herr Lovmann tranken zusammen Hochzeit
Da kam statt Sorgen der Freude Schein,
Ihr tanzet wohl, mein schön junger Leib!
Ein jeder seine Braut führt selber heim.
Sir mußte noch werden mein!
55.
Stolz Elsebeth.
Dort geht der Tanz auf der Ruderbank an,
Am Strande!
Daß der König im Saal es hören kann.
Wohl dem, der nimmer kommt in Leide!
Dort geht der Tanz auf der Wiese an.
Daß der König im Bett es hören kann.
Da tanzet vor Herr Iverlang,
Der flinkste Ritter in diesem Land.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— 218
„Hör an, Herr Zver, ein Geselle so fein:
Was macht stolz Elsbeth, die Schwester dein?
Sie sitzt in der Kammer, schlagt Gold ins Gewand,
Selten ihr sorgvoll Herz sich freuen kann.
Sie sitzt in der Kammer, jchlägt Gold in das Rohr,
Jed' ehrliche mutterlose Jungfrau thut so.
„Hör an, Herr Jver, ein Geselle so fein:
Laß holen zum Tanze die Schwester dein."
Ich wollt es thun mit Freuden,
Könnt das ihre Ehre leiden.
Es ziemt sich keiner Jungfrau schön,
Mit trunknen Gesellen zum Tanz zu gehn.
Der König aufs hohe Roß sich schwingt,
Aufs best als er nur kann heimdringt.
Er gewann nicht Ruh zu schlafen in der Nacht,
Weil der Jungfrau Lob im Wald er gedacht.
Der König sprach zum Buben klein:
„Wie sehen wir stolz Elsbeth insgeheim?"
Fünf Nonnen werden morgen eingeweiht,
Stolz Elsebeth sie alle geleit't.
Der König aufs hohe Roß sich schwingt,
Aufs best als er kann zur Kirche dringt.
Stolz Elsbeth geht unterm Seiden-Schleier schmal:
Der König hält still, und schaut sie an.
Sie zogen sich ab die Schleier schmal,
Sie nahmen die Mantel allzumal.
Sie zogen ab die Goldborten roth,
Sie nahmen schwarz Linnengewrb davor.
219
Der Bischof stand vorm Altar und sang;
Die Frauen gingen den Opfergang.
Stolz Elsbeth mit ihrem krausen Haar,
Darauf ein Kranz von Perlen war.
Stolz Elsbeth vom Altar sich wendete da.
Das war das erstemal, daß der König sie sah.
Stolz Elsbeth neigte sich nach dem König zur Seit,
Ihr Herze ward da gebracht in Leid.
Der König spricht so froh zu ihr:
„Stolz Elsbeth, Eure Treu gebt mir."
Stolz Elsbeth sagt in Angst geschwind:
Ich bin ein ehrlich Ritterkind.
Stolz Elsbeth zn ihrer Pflegmutter spricht:.
Zn meinen Sorgen verlaß mich nicht.
Pflegmutter lieb, Rath leihe hier:
Ich fürcht der König will Böses mir.
Biel lieber einem Armen mit Ehre zusagen.
Als schimpflichen Namen um rothes Gold tragen.
Stolz Elsbeth sagt' ihrer Dien'rin zur Hand:
Du tauschest mit mir deine Gewand.
So gern will ich gehorchen meiner Jungfrau hier.
Was sie zu thun geboten mir.
Die Dien'rin den schmalen Schleier nahm.
Den grauen Mantel die Jungfrau zog an.
Sie gab ihr die Goldspangen schön,
Zn den Kleidern der Dienerin will sie gehn.
Setz dich in meinen Hängkarn ein.
Es folgen dir alle die Gesellen mein.
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Die Dien'rin geputzt geht aus der Kirchthür,
Und alle Zlugen die folgen ihr.
Die Dien'rin geht in rothgüldnem Geschmeid,
Unter dem Mantel die Zungstau mit ihrem Leid.
Der König nimmt die Dien'rin in seine Arm,
Und hebt sie in den vergoldeten Karn.
Der König der reitet, die Dien'rin die fährt,
Stolz Elsberh die geht einen andern Weg.
Stolz Elsbeth läßt sichs nicht verdrießen,
Sie läßt sich verwahren und verschließen.
Sie läßt sich schließen in die Mauern ein,
Niemand' sollt wißen ihr Kämmerlein.
Und als sie kamen in des Waldes Grün,
Da lüstete den König zu ruhen darin.
Der König nahm sie in seinen Arm,
Und hob sie aus dem vergoldeten Karn.
„Stolz Elsebeth, und istS Euch recht,
DaS Lindenlaub mit mir abbrecht. “
„Brecht ab das Lindenlaub mit mir.
Unsre Herzen damit erstellen wir."
„Der Weg ist schmal, der Tag ist lang,
Wir wollen hier hören der Vöglein Gesang."
Herr König laßt mich in Frieden fahren.
Meiner Jungstau Kleider will ich bewahren.
Sir zog sich ab den Schleier schmal.
Eine Magd wars grau und häßlich zumal.
„Fort, fort, du Hexe, daß du wärst geschändt,
Driner Jungfrau mach ich den Weg schon eng."
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
221 —
Und will gen Rom den Weg sie ziehen.
Sie soll uns nimmermehr entfliehen.
Der König läßt einen Krieg ansagen;
Herr Zverlang soll den Banner tragen.
Hochsommers Nacht ist kurz- und kalt.
Der König reitet im grünen Wald.
Der König reitet, die Diener springen;
Nicht konnten sie stolz ElSberh finden.
Die Braut liegt verborgen im Walde mit List,
Tief unter der Erd sie verstecket ist.
Als sie kamen in den Rvscnwald,
Hörten sie bellen ein Hündlein alsbald.
Wühlten auf die Er.de, wühlten auf den Stein,
Sie zogen heraus ein Zweigelein.
Sie nahmen seiden und roth güldenes Band,
Und banden der Zungsrau weiße Hand.
„Nun will ich dich führen gebunden daher.
So leichtlich sollst du entfliehen nicht mehr."
„Dann sollst zu seyn zu Willen mir.
Und meinen Gesellen zum Lohne dir."
Sie schlugen über sie den Mantel blau.
Und hoben sie aufs Roßlein grau.
Und da sie kamen in des Waldes Grün,
Lüstete den König eine Stunde zu ruhen drin.
„Hilf mir, Maria, du reine Maid,
Daß eine Jungfrau in Ehren de» Tod erleid."
Stolz Elsbeth rief so laut sie kunnt.
Das hörten die Räuber an dem Sund.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 22Z —
Der Sturm erhebt sich wild zur Stund,
Die Räuber versinken in Meeres Grund.
Der Räuber Haufen im Meere blieb,
Stolz Elsebeth gen Engeiland trieb.
Stolz Elsebeth-am Strande saß;
Sie war so müd, sie war so naß.
Stolz Elsbeth windet ihr seiden Hemdlein,
Ich mag wohl sagen, aus Herzens Pein.
Stolz Elsbeth gehet an dem Strand,
Herr Adelmann reitet sein Pferd auf dem Sand.
„Hör an, du schönes Jungfräulein:
Wie gehst du hier so mutterallein? “
Fremde Jungfrauen haben mich nähen gelehrt,
Mit Gewalt würd ich von dannen geführt.
Er schlug über sie seinen Mantel blau.
Er hob sie auf sein Reitpferd grau.
Und als sie kamen bei der Burgthür an,
Stand seine Mutter und ruhte daran.
Hör an, Herr Adelmann, lieber Sohne mein:
Wo hast du bekommen die Jungfrau fein?
„Ich war ausgeritten an den Strand,
Da fand ich die Jungfrau auf weißfm Sand."
„Fremde Jungfrauen haben sie nähen gelehrt.
Mit Gewalt ward sie von dannen geführt."
Will die Jungfrau bei uns bleiben.
Wir wollen ihr Lieb und Ehr' erzeigen-
Da war fünf Wochen lang die Maid:
Guter Willen wuchs in all der Zeit.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Da war neun Wochen lang die Maid:
Guter Willen wuchs in all der Zeit.
Herr Adelmann und die Mutter sein
Legten auf den Tisch die Goidtafel rein.
— 225 —
„ Und heute ist ihr Hochzeittag,
Geht ei» und mehret das Gelag."
Herr Zver tritt zur Thüre ein,
Die junge Braut lächelt unterm Kleid.
„Und das ist mein einziger Bruder gut,
Ist gekommen hierher über die salzige Fluht."
Adelmann sprach: laß dir das behagen.
Ich frei deine Schwester in diesen Tagen.
Herr Jver sprach zu Herr Adelmann:
Sie könnte kein bcßres Glück empfah».
Mein Freund und Bruder sollst du seyn.
Nimm hin zur Braut die Schwester mein.
Sie verkauften ihr Gut für Gold so roth,
Am Strande!
Und blieben in England bis an ihren Tod.
Wohl dem, der nimmer kommt in Leide!
56.
Gott lenkts.
Klein Christel dient unter des Königs Leut,
Von Seide und Pelz trägt sie ein Kleid.
Klein Christel kann verbergen die Runen!
Ritter und Gesellen haben sie lieb,
Mer der dänische König zu nah ihr tritt.
„Gott gebe, klein Christel, die Kön'gin wär todt!
Da solltest du werden mit mir verlobt,"
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
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226 '■*“
0 König, laßt dies« Worte seyn:
Wie wär der KSn'gin gleich ein arm Mägdlein?
Dir KSn'gin ist schöner wann sie ist todt,
Ais ich in meinem Scharlach roch.
Die KSn'gin ist schöner, wann sie eine Leich,
Als ich gesund und lebendig gleich.
Sie wußten nicht anders, sie waren beid' allein,
Da horchte die dänische KSn'gin hinein.
Die KSn'gin rief zwei Diener zu sich:
Bitter klein Christel zu gehen vor mich.
Klein Christel trat ein, stund vor der KSn'gin sofort:
Gnädige KSn'gin, habt Zhr mir gesendet Eur Wort?
Hör, klein Christel, was ich sage zu dir:
Was sprachst du gestern Abend mit dem König von mir?
„Ich sagte nichts anders, so helf' mir Gott'.
'Als daß Zhr muthig und tugendvoll."
Die KSn'gin mit ihren Freunden that sich berathen:
Wir wollen klein Christel verbrennen und braten.
„Verbrennen und braten wollen wir sie nicht:
Zu dem heidnischen König werd' sie geschickt."
„Und will sie der verbrennen und braten,
Da wollen wir ihm gar nicht abrarhen."
Die Briefe zu schreiben war sie bereit.
Die sollten bringen klein Christel in Leid.
Und die gab sic den Dienern darnach.
Dazu klein Christel die Lilien -Magd.
Aber als sie kamen zum Strande frei.
Da schrieben sie alle Brief aufs neu.
J
—- 227 —
Daß er sollt seyn klein Christel hold.
Und sie freien, weil sie so lugendvoll.
Und als klein Christel zu des Heiden Burg kam.
Der König, in Pelz gehüllt, stand daran.
„Und eh' ich sollte werden sein Weib,
Eh wollt ich laßen meinen jungen Leib."
Und eh ich sollt solch ein' Jungfrau entbehren,
Eh laß ich mich taufen und bekehren.
Sonnabend spat empfing er die Tauf:
Sonntag früh geschah der Drautlauf.
Klein Christel opfert das rothe Gold :
Ihre Diener opfern zwei Schalen voll.
„Sagt dem dänischen König so manche gute Nacht,
Ais der Himmel mit Sternen besät in der Nacht."
„Der bauschen Kön'gin wünscht so viel schlimme Jahr,
Ais die Linde tragt Laub, und die Hindin tragt Haar."
Klein Christel kann verbergen die Runen!
Jfl f
Held V 0 nved.
Held Vonved sitzt im Kämmerlein,
Er schlägt die Goldharst an so rein:
Ec schlägt die Goldllarfe unterm Kleid,
Da kommt seine Mutter gegangen herein.
Schau dich um Held Vonved!
M
ssisches Staatsarch
— a»t> —
Da kommt seine Mutter Adelin,
Go fein war sie 'ne Königin:
„Du sollst, Held Vonved, ausreiten.
Mit reichn» Kämpfern zu streiten."
Schau dich um Held Vonved!
„Deines Vaters Tod du rachen sollt.
Einem andern leih' deine Harfe von Gold,
Reit' aus ins Land zur Stund davon:
Das rath ich dir, mein lieber Sohn."
Schau dich um Held Vonvcd!
Und soll ich fahren ins Land hinaus,
Gar nimnier komm' ich »vieder nach Haus;
Das Harfenspiel das acht ich klein:
Und da wurden bleich die Wangen sein.
Scha»» dich um Held Vonved!
„Zaubersegen zur Stunde geb ich die,
Dir schadet kein Mann für und für:
Sieg ü» dein hohes Pferd!
Sieg in dich selber noch viel mehr!" .
Schau dich um Held Vonved!
„Sieg in deine Hand! Sieg in deinen Fuß!
Sieg in alle deine Glieder gut!
Gott der heilige Herr seegne dich!
Wach und regiere über dich!"
Schau dich um Held Vonved!
Hört aus nun, liebe Adelin,
Ihr seyd die allerliebste Mutter mein;
Ihr dürft nicht brauen nicht mischen den Wein:
Ich glaub', gar niemals kehr' ich heim.
Schau dich um Held Vonved!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Ihr wünscht, kein Unglück mög tim' geschehen,
Ihr wißt nicht, wie meine Fahrt kann gehen.
Wie ich reit über Feld »nd Heide hin;
Ich achte so wenig der Weiber Grimm.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
— sZr —
Ein Wildschwein auf seinem Rück er trägt,
Ein Bär ist in seinen Arm gelegt:
Zeden- Finger,E er «ohk zur Hand,
Spiels auf HaS' und Hindin allesammt.
Schau dich um Held Vonved!
Höre du, Thier-Mann, theile mit mir,
Oder ich wills nehmen mit Gewalt von dir;
Was lieber: willst dn theilen die Thier,
Oder fechten um das Leben mit mir?
Schau dich um Held Vonved!
„Viel lieber will ich kämpfen mit dir.
Als du sollst fahrn die Beute von mir;
Nimmer ward mir geboten solch ein Gebot,
Seit ich schlug König Eßmer todt."
Schau dich um Held Vonved! -
Und schlugst du, Eßmer , den König fein.
So schlugst du todt den Vater mein;
Ich nehm für ihn kein' andre Sühn:
Mit dein'm eignen Blut mußt du büßen für ihn
Schau dich um Held Vonved!
Sie schrieben Kreis' in die schwarze Erd,
Sir waren beide Helden so werth;
Das aber kann ich in Wahrheit sagen:
Keiner mögt den Sieg davon tragen.
Schau dich um Held Vonved!
Sie fechten einen Tag, sie fechten zwey.
Und machen's am dritten eben so:
Am vierten aber, eh' cs ward Nacht,
Da war der Thier-Mann zur Erde gebrach^'
Schau dich um Held Vonved!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— 2Z2 —
Held Vonved bindet sein Schwert an die Seite,
Ihn lüstet weiter auszurecken;
Zum großen Berge der Held hinreit't.
Sieht, wie der Hirte das Vieh da treibt.
Schau dich um Held Vonved!
Und hör du, Hirte, sag du mir:
Weß ist das Vieh, das du treibst vor dir?
Und was ist runder als ein Nad?
Wo wird getrunken fröhliche Weihnacht?
Schau dich um Held Vonved!
Sag: wo stehet der Fisch in der Fluht,
Und wo ist der rothe Vogel gut?
Wo mischet man den besten Wein?
Wo trinkt Vidrich mit den Kämpfcrir sein?
Schau dich um Held Vonved!
Da saß der Hirt, so still sein Mund,
Davon er gar nichts sagen kunnt.
' Cr schlug nach ihm mit der Zange,
Da fiel heraus Leber und Lunge.
Schau dich um Held Vonved!
Zu einer andern Heerde kam er darnach.
Da saß ein Hirt bei einem Grab:
Hör du, guter Hirte, sag du mir:
Weß ist das Vseh, das du treibst vor dir?
Schau dich um Held Vonved!
„Dort beides Burgen und Festen stehn,
Wo die Kämpfer als Gäst allzeit eingehn."
Einen Goldring von der Brust er nahm.
Steckt' ihn dem Hirten an den Arm.
Schau dich um Held Vonved!
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Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Wo Wird gefunden der höchste Gang?
So wird getrunken der kälteste Trank?
Schau dich um Held Vvnved!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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„Die Sonn ist runder als ein Nad,
Zm Himmel begeht man die fröhliche Weihnacht,
Gen Westen geht die Sonne zu ihrem Sitz,
Gen Osten ruhen eines todten Mannes Füß."
Schau dich um Held Vonved!
„Der Schnee füllt ans alle Thale,
Am herrlichsten kleidet der Mann im Saale,
Der Donner ruft lauter als der Kranich kann.
Und Engel sind weißer als der Schwan."
Schau dich um Held Vonved!
„Oer Kibitz tragt den Bart in dem Nacken sein,
Der Trold hat die Nas' unter dem Kinn allein.
Die Sünde/schwarzer ist als ein Megel noch mehr^
Und der Gedanke rascher a!s ein Reh."
Schau dich um Held Vonved!
„Das Eis macht die allerbrciteste Brück,
Die Kröt' ist cuu meisten zuwider des Menschen Blick,
Zum Paradies geht der höchste Gang,
Da unten da trinkt man den kältesten Trank."
Schau dich um Held Vonved!
„Weisen Spruch und Rath hast du nun hier,
So wie ich ihn habe gegeben dir."
Nun hab ich so gutes Vertrauen auf dich,
Wiel Kampfer zu finden bescheidest du mich.
Schau dich um Held Vonved!
„Ich weis dich zu der Sonderburg,
Da trinken die Helden den Meth ohne Sorg:
Dort findst du viel Kampfer und Rittersleut,
Die können viel gut sich wehren im Streit."
Schau dich um Held Vonved!
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
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— sz6 —
Er zog einen Gsldnng von der Hand,
Der wog wohl fünfzehn gewogene Pfund;
Den thar er dem alten Hirten reichen,
Weil er ihm durft' die Helden anzeigen.
Schau dich um Held Vonved!
Held Vonved Ln die Burg ritt ein,
Randulf stand außen im Pelz gehüllt ein:
„Hörst du wohl, du Huren Sohn,
Was willst du hier in meinem Land?"
Schau dich um Held Vonved!
Zch will mit meiner einen Hand
Rücken von dir all' deine Land,
Ich will mit einer Zehe mein
Wegziehen all die Burgen dein.
Schau dich um Held Vonved!
„ Nicht aber sollst du mit deiner Hand
Nehmen mir ein einziges Land,
Noch weniger mit den Zehen dein
Wegziehn die geringste Bürge mein."
Schau dich rnn Held Vonved!
„Du sollst nicht mir einem Finger dein,
Schlagen mir eins meiner Glieder entzwei;
Ich bin stark und bin gewachsen dir.
Gar bald sollst du das merken an mir. “
Schau dich um Held Vonved;
Held Vonved zog sein Schwert von der Seite,
Zuerst schlug er den Randulf selbst.
Den Strandulf dann mir vollem Recht.
So schlug er den starken Ege Under,
So schlug er Ege Karl seinen Bruder,
So schlug er in die Kreutz und Quer:
Er schlug die Feinde vor stch her.
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„Held Vonved willst du bleiben bei mir.
Beides Ruhm und Ehre soll werden dir:
Und willst du zu Land ausführen.
Meine Ritter sollen dich bewahren."
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
—- 240
58-
Ländlich, sittlich.
Mein Herr hat gefreit eine Rosenblume:
Hilf Christ, daß sie wohl nach Schweden komme!
Das hilft so wenig zu klagen!
Da sprach ein Nittersmann so reich:
„Mein Herr, laßt holen die Zungftau zu Euch."
Sie winden die Segel um die vergüldete Stanz,
Sie segeln nach Dänmark zwei Monat lang.
Sie werfen die Anker in den weißen Sand:
Die schwedischen Frauen treten ans Land.
Und mitten in dem Burghof sodann
Kleiden sie mit Marder und Pelz sich an.
Und da achseln sie ihr Scharlachkleid,
So gehn sie vor dem dänischen König ein.'
„Heil Euch! über Eurer Tafel, o König, dort,
Dör schwedische König sendet Euch sein Wort."
„Er sendet Euch Wort und freundliche Red,
Eure Tochter zur Königin er begehrt."
Darauf der dänische König sprach:
Nicht genug daß er sie haben mag.
Denn eh er wird die Zungftau gewinnen,
Soll erst der Würfel übers Tafelbret rinnen.
Der erste Goldwürfcl über die Tafel hinrann.
Der schwedische König das Fraulein gewann.
Und Seide ward auf die Erde gebreitet,
Und die Zungftau zu dem Strand geleitet.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Der König nahm seine allerliebste in den Arm:
Stolze Jungfrau, Ihr lebt bei mir ohne Harm.
So manchen guten Tag sind zusammen die zwei,
Und leben in Ehre, in Tugend und Freud.
Das hilft so wenig zu klagen!
59-
Frauen Rache.
Wollt Ihr hören und horchen? das sing ich Euch fürwahr,
Wie die kleine Christel ihre Sorg nicht überwand.
Dort all unsre Sorge verschwindet!
Erst starb der Jungstau Vater, und so ihre liebe Mutter,
So starb der Junker Waldemar, der Jungfrau jüngster BM.
Es warb um sie ein Königs Sohn, den wollte sie nicht hab«,
Es warb um sie ein Ritter reich, zu dem sie ja thät sagen.
ES warb um sie ein Ritter so reich, und der hieß Knud vonDorg;
Er lebte mit ihr eine kurze Stund, das mehrte der Jungfrau ©erg.
Knud ging hinab in den Keller, schenkte beides Meth und Wein:
„Laden wir Sander, den König, zu unsrer Hochzeit ein?"
Da sprach die kleine Christel, Thränen rollten ihr über die Wangen:
Laden wir den König Sander, unsre Freude ist zergangen.
Das war der kleine Knud von Borg, der ließ satteln sein Res
zur Stund:
„Wie wollen reiten zum Strande aus, zu Gast bei dem A
nig jung.«
Das war der kleine Knud von Borg, der ritt sich aus gegvi
den Strand,
Das war der junge König, der ging auf weißem Sand.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
ien
— 243 —
„Hört Ihr König von Dänemark, wollt Ihr mir anthun die Ehre,
Dei mir zu bleiben diesen Tag, meine Hochzeit soll geschehn?"
Hab Dank, du kleiner Knud von Borg, hab Dank, daß du
zu mir gegangen:
3ch wär doch zu deiner Hochzeit kommen, hätt ich deine Ladung
nicht empfangen.
Sie setzten daS Volk in einen Ring, so sie konnten, auss allerbest;
Das war der dänische König, der saß der Braut zunächst.
So tranken sie den braunen Meth und so den klaren Wein:
Mit der Hand unter der weißen Wange, da saß die Chrk-
stel klein.
Das war der kleine Knud von Borg, der streichelt' ihr die
sorgvolle Wange:
„Warum seyd Ähr so schre, meine Herzallerliebste, bange?"
„Hirt Zhr, klein Christel,, was machet Eure Wange bleich
so viel:
Wovon habt Ihr da« empfangen, von Harfen - oder Aötenspiel?"
Zch hab cs nicht von Harfen- auch nicht von Flötenspiel:
Das ist mir mehr in meinem Sinn, daß Euch der König bee
triegen will.
„!) schweiget still, klein Christel, Ähr sollt drum nicht furcht-
sam seyn:
Ich will gehen in den hohen Saal nach dem harten Panzer mein."
Hütet Euch, kleiner Knud von Borg, der König will böses
gegen Euch:
§r entbot zwei seiner tapfersten Ritter, zu verderben Euer»
jungen Leib.
Das war der junge König, der zu seinen Mannen sprechen thär:
Weicher von meinen tapfern Dienern will geleiten meine Braut
zu Bett?
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Welcher von meinen Dänischen Hofmannen will geleiten zum
Schlaf meine Bram?
Welcher von meinen Dänischen Hofmannen will schlagen klein
Knud in den Staub?
Alle da wollten die dänischen Hofmann folgen zu Bett der Braut:
Keiner von den dänischen Hoftnannen wollt schlagen klein Knud
in den Staub.
Dar war Sander der König, der setzte sich nieder in's Bett,
Das war die junge Braut, die zur Wand sich wenden thät.
Ich bitt Euch, Herre König, all um meine große Noch:
Laßt mich als eine Zungftau schlafen wohl um den harten Tod.
Die erste Nacht da sie zusammen schliefen, nicht viel gewährt
sie ihm.
Die andre Nacht die darnach kam, zu todt da schlug sie ihm
Liege du, Sander König, Herr Gott erlös' mich von meiner Sorg!
Das that mir so weh im Herzen: du erschlugst klein Knud von Borg
Dort all unsre Sorge verschwindet!
60.
Der unrechte Bräutigam.
Der Königstochter von Engelland,
Sie lebt' ohn alles Leid!
Ist Sorg gegangen an die Hand.
Sie hat sich verlobt dem jungen Herrn Stygt!
Sie ist gewöhnt an Tugend und Ehr,
Will haben einen andern Mann nimmermehr.
/t Des Königs Sohn von Dänemark
Um die Zungftau bat so viel und stark.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Fünf Winter lang sie es ernährt.
Da ward's des Königs kleiner Bube werth.
Der wuchs so bis zum achtzehnten Jahr,
Des Königs eignen Banner trug er da.
Der König gab ihm Burg und Lehen,
Dazu seine eigne Tochter schön.
Der König zu seiner Tochter spricht:
„Und wann willst du vermählen dich?"
Wann es zusagt der Herr Vater mein.
Und wann will das väterlich Herze sein.
„Herr Karl ist der köstlichst' an mein'm Hofe hier;"
Nein, das ist Styge, so dünkt es mir.
Das mogte dauern bis zur Hochzeit:
Die Jungfrau trüge täglich Leid.
Sie tranken die Hochzeit, das währt fünf Tag,
Die Braut wollte nicht zu Bett darnach.
Am sechsten Tag, da der Abend graut.
Da zogen sie mit Gewalt die Braut.
Die setzten die Braut nieder in das Bett,
Herr Karl nicht lang dabei ruhen thät.
An die weißen Wangen er streichelt' ihr:
Wendet Euch, allerliebste, herum zu mir.
„Schweig still, Karl lieber Sohne mein,
Ich bin die liebste Mutter dein."
Und das ist Schand in meines Vaters Land:
Eine Mutter soll haben ihren Sohn zum Mann.
Und das ist Schand auf dieser Insel so sehr:
Ihr tragt die Goldkron' und seyd keine Jungfrau mehr.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
247
Am Morgen ihn der König fragt:
„Wie habt Ihr ausgehalten die Nacht?"
Nun, König, für alles Gut habt Dank:
Ich hab geheirath't meine Mutter, das war große Schand.
Der König hats gemeint aufS beste zu mir:
Das ist meine Mutter, die ich gefreiet hier.
„Meine Tochter wollen wir braten und brennen,
Oder zu dem heidnischen König hinsenden."
Ach nein, mit meiner Mutter handelt nicht so hart,
Sie lebt ohn alles Leid!
Gebt sie Herrn Styge, das ist mein Rath.
Sie hat sich verlobt dem jungen Herrn Sknge!
61.
Unglück in der Ehe.
Ich ward geboren so zart im Kämmerlein, unter Frauen und
Zungfräulein,
Die wickelten mich in seidene Tücher und in rothen Scharlach ein.
Kein Mann soll meine Sorge wißen!
Stiefmutter bekam ich schon so früh, die war mir gar nicht gut:
Eie legte mich in einen vergüldeten Schrein, und sehte mich
an die Fluht.
Die eine Welle trug mich ans Land, die andere schlug mich herab;
Daß ich kam auf den Grund zu stehn, zu gutem Glück Gott macht-
Die Fluht trieb mich mit sich zum Land, die Ebbe herunter mich zog;
Ich Hörle nie, daß ein Königskind von den Winden das lei-
den wogt.
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— 248 —
Zuletzt machte Gott mein Glück so gut, daß die See mich
weht' an« Land,
Da kam gegangen so wild ein Wolf da aus dem weißen Sand.
Da kam gegangen ein grauer Wolf, nahm mich in seinen Mund,
Und führte mich so freudiglich in den grünen Wald zur Stund.
Derselbe Wols war mir so gut, unter einen Daum er mich legi!
Da kommt gelaufen eine Hindin so rasch, die in ihr Lag«
mich trägt.
Sie futterte mich einen Winter, und so der Winter zwei:
Erst lernte ich da kriechen, dann lernt' ich gehen frei.
Und solcher Jahre war ich acht dort in dem wilden Wald:
Ich schlief auf einer Hindin Rück so manchen süßen Schlaf.
Ich hatte nichts anders zum Kleid und zur Deck als nur d«
grüne Linde,
Ich hatte keine andere Pflege Mutter als nur die wilde Hinde.
Da kam geritten ein Ritter heran, ein Ritter mächtig und stach
Der schoß meine Pflege Mutter todt in dem viel grünen Wald.
Und schlug zu todt im viel grünen Wald meine Pflege Med
ter lieb.
Er wickelte mich in sein blaues Kleid und legte mich in sein SA
Derselbige reiche RitterSmann zog mich in seinem Kämmerlein «es,
Ich blieb bei ihm so lange Zeit, ward seine eigne Braut.
Er hatte geforscht und gesucht umher, ein Graf war der La-
ter mein:
Ueber SchlSßer und Burgen in Wendels Land ein Her« chii
er seyn.
Als wir schliefe» beisammen die erste Nacht, da kam ich i»
großes Leid:
Seine Feinde ritten in den Hof, erschlugen ihn an meiner Ve>>
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
St
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it.
— 249 -
Als wir schliefen beisammen die erste Nacht, da kam ich in
Angst und Harm:
Seine Feinde brachen der Drautkammer Thür, erschlugen ihn
in meinem Arm.
To gingen meine Freunde zu Rath, gaben mir einen ander»
Mann,
Einen Prior von einem Kloster, der ward Herr Nilaus genannt.
Und da ich zuerst ins Kloster kam, ward ich von den Nonnen erkannt:
Tie schwuren bei dem höchsten Gott, der Prior wär mit mir
verwandt.
Tie führten ihn vor den Ort hinaus, sie steinigten ihn todt:
Zch stand so nah dabei, sah zu, so groß war meine Noth.
Aufs neu gingen meine Freund' zu Rath, gaben mir den drit-
ten Mann,
Eines Königs Sohn aus Engelland, Herr Engelbret genannt.
Wir waren zusammen einen Winter, ja wohl der Winter neun;
Das will ich Euch in Wahrheit sagen: ich gebar zehn Söhnelein.
Da kam der Krieg in dieses Land, mir zur Sorg und zu gro-
ßem Leid,
Tie schlugen todt Herr Engelbret, und meiner Söhne neun.
Tie schlugen -beides die Söhn und den Mann, das muß ich
klagen so sehr:
Den zehnten Sohn führten sie mit aus dem Land, den seh ich
nimmermehr.
Nun hab ich Sorg so maitnichfach wie Jungfrauen, die fpiiv
nen Gold:
Herr Engelbret erfreue Gott, er war so tugendvoll.
Nun will ich auf der Insel hier in ein Kloster gehen ein,
In Sorgen will ich sterben, und keinen Mann mehr stei'n.
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All meine heimliche Sorge will ich treten unter den Fuß,
Ze länger, daß ich sorge, je schlinimer ist meine Duß.
Kein Mann soll meine Sorge wißen!
6i. k.
Die Wachsbilder.
Herr Ove hat ein einzig Töchterlein;
Auf, unter so grün eine Linde!
Das gab er zur Eh' einem Ritter fein.
Sie reiten so sorgsam nach dem Wald!
Das gab er einem schönen Nittersmann,
Und Herr Stig Kob ward er genannt.
Und fast ein Zahr das war dahin,
Torelild mir zwei Söhnlein ging.
Sie führten sie hin, sie führten sie her.
Doch schlimmer ward es immer mehr.
Herr Stig er wickelt' sein Haupt in das Kleid,
So ging er in den Saal vor seine Mutter ein.
„Hört Zhr, liebe Mutter, gebt mir nun Rath,
Wie's mit Torelild ergehen mag."
Vierzig Wochen und ein Zahr,
So lang geht Tore mit rin'm Kindlein fürwahr.
„O nein, liebe Mutter, das ist nicht gewiß:
Vierzig Wochen ging Maria mit dem Christ."
„Fürwahr mag ich nichts beßers fahn,
So führ mich hin, woher ich kam."
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
a-nai—xj*.
— 25- —
Die Pferd' sind auf der Heide,
Zm Bckt die Fahrknecht' beide.
„Kann ich nicht Karn und Fahrknecht sahn, •
Auf meinen bloßen Füßen will ich gähn."
Nicht sobald hät er das ausgesagt.
Da waren Noße vor den Karn gebracht.
Herr Skig faßt' sie freudig in seine Arm,
Und hob sie in den vergoldeten Karn.
Setzt' auf die blauen Kißen die Mutter sein.
Und selber fuhr er den Wagen heim.
Als sie kamen in den Rosenwald,
Da brach entzwei der Wagen alsbald.
Ein wunderlich Weib muß ich wohl seyn.
Kann mich nicht tragen der eigne Wagen mein.
„Ihr sollt darum nicht sorgen oder leiden:
Zch will gehen und Ihr sollt reiten.
Als sie kamen bei dem Burgthor an,
Stand seine Schwester und ruhte daran.
„O meine liebe Schwester, gib mir Rath,
Und wie es mit ihr ergehen mag."
Stolz Mertelild ging in die Wüstenei allein.
Da wirkte sie alsbald zwei Wachskindlein.
So wickelte sie ihr Haupt in das Kleid,
Und ging in den Saal vor ihre Mutter ein.
ö meine liebe Mutter, laßt Euer Leid,
Nehmt in den Arm Eures Sohnes Kinder beid.
Ich gedacht mit meinem Schlüßelring,
So gewiß zu werfen all' Ding im Ring.
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Ach meint' all Ding ständen in Zauberei,
Nur wo steht Tores Draulkist' da wär er frei.
Die List ward geschoben so bald von der Glätt':
Torelild dahin man setzen that.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
~~ 25z
Stolz Senild ließ brauen und mischen den Wein,
Sie entbot ihre Brüder zu sich heim.
Herr Loumor lachte da herzlich so sehr:
Er lachte nicht in acht Zähren vorher.
Stolz Senild gehet in den Saal,
Und sie schaut hinaus so manchesmal.
Sie schaut nach dem Berg in die Weite,'
Ihre sieben Brüder sieht sie reiten.
Stolz Senild im Gange des Saales steht,
Sie hört in dem Hof ihrer Brüder Red.
Stolz Senild hüllt ihr Haupt in das Kleid,
So geht sie in den Saal vor Herr Loumor ein.
„Hört Zhr, Loumor, Herre fein:
Wie wollt Zhr halten die sieben Brüder mein?"
So will ich halten die sieben Brüder dein.
Als wenn sie wären allesammt mein.
Herr Loumor begann wiederum zu lachen.
Daß die harte Mauer zersprang mit Krachen.
Da sprach das Kind, das in der Wiegen lag.
Es sprach nicht eher als an diesem Tag:
„Das ist nicht geschehen zum Guten,
Mein Vater lacht über meine Mutter.
Er stieß an die Wiege mit seinem Fuß,
Da gab das Kind sein Herzensblut.
Das dauerte bis zum Abendmahl,
Als sie gingen zu Tische allzumal.
Herr Loumor setzte sie an die Tafel oben hi«,
Zhre Brüder auf Stühle unten hin.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
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i
— 255 —
Ich war draußen auf der Halle Stufen, .
Ich hörte die Habichte rufen.
„So lange sprichst du von dem Habicht dein;
Herr Gott, gnade den Brüdern mein'."
Ihrer Brüder Blut holt er herbei,
Setzt's nieder vor ihre Füße frei.
„Du trink, stolz Senild, meine Fraue gut.
Du trink von deiner sieben Brüder Blut."
Da müßt mich ein großer Durst bezwingen.
Sollt' ich nach deinem Worte trinken.
Geht zu Bette, lieber Herre sein.
Ich acht so wenig auf die Brüder mein.
Ich acht nicht auf meine sieben Brüder eben.
Hab ich Euch, Herre mein, am Leben.
Und das stand wohl acht Jahre an:
Herr Loumor nimmer seine Geschwister sah.
Herr Loumor läßt brauen und mischen den Wein,
Er entbietet seine Geschwister zu sich heim.
Da lachte stolz Senild, die Frau so schön:
Sie lachte nicht in acht Jahren vorher.
Sie setzte Herr Loumors Geschwister an dieTaftl- sofort,
Sie schenkte ihnen Meth mit freundlichem Wort.
Herr Loumor trank den klaren Wein,
Achtele so wenig auf das Leben sein.
Sie bereitet' ihre Betten auf Pflaumfedern zart,
Sie wollt' ihnen gönnen einen süßen Schlaf.
Sie bereitet' ihre Betten auf Kißen bla«.
So schrieb, sie Schlaf-Runen darauf.
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Als Herr Loumor den ersten Schlaf empfing,
Stolz Senild aus seinen Armen ging.
Nahm ein Schwert, das in «in'm Winkel thät stecken
Herr Loumors Geschwister wollt' sie wecken.
Sie ging hinab in den Burghof,
Und seine fünf Brüder schlug sie todt.
Zgch war so weh im Herzen dabei:
Sie erschlug auch seine Schwestern drei.
So nahn, sie all der Geschwister Blut,
Und trugS hinein vor Herr Loumor gut.
Und dann nahm sie ein Seidenband,
Und Fuß und Lende sie ihm band.
Und dann nahm sie auch ihr Flechtband,
Sie band damit Herr Loumors Hand.
„Wach auf! Herr Loumor und red mit mir:
Zm Schlaf üb' ich nicht Trug an dir."
„Trink nun, trink nun, Herr Loumor gut.
Du trink nun von deiner Geschwister Blut."
Da würd ich löschen den Durst nicht gut.
Der mich zwäng zu trinken von diesem Blut.
Du geh ins Bett, süße Senild mein.
Auf meiner Geschwister Tod acht ich so klein.
Herr Loumor wollt' faßen sein feurig Schwert:
Hand und Fuß ihm da gebunden war.
Halt ein, stolz Senild, erschlag mich nicht.
Nimmermehr will ich betrügen dich.
„Mir däucht, da war großer Trug in dir.
Zur Zeit, da du gemordet den Vater mir."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 257 —
„Erft nahmst du meinem Vater das Leben,
Und dann meinen raschen Brüdern sieben."
„So gewiß will ich das rächen an dir.
Daß du die all erschlagen mir."
Stelz Senild zog ihr Meßer aus dem Ermel roth,
Damit gab sie Herr Loumor den Tod.
Da sprach das Kind, das in der Wiege lag:
Ich räche das, wenn ich leben mag.
„Ich weiß, du bist von demselben Blut,
Zch gedenk/, du wirst mir nimmer gut."
Und so faßtf sie das kleine Kind,
Und schlugs gegen den Bettknops geschwind.
Nun hab ich erschlagen Mann für Mann,
Nun will ich in meines Vaters Land.
Stolz Senild und ihre Brüder!
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63.
Der treue Herr Csben.
(T.)
Don wohnt' ein Frau in Seeland weit,
Die hät eine Tochter, eine Lilien^Maid.
Aber die See ruht nimmermehr!
Sie hak keine Tochter als die eine fürwahr.
Und die mit Herr Esben verlobet war.
Herr Oluf und seine Tochter sitzen über der Tafel breit,
Sie reden so manches Wort von alter Zeit.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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- 2.58 -
Und meine liebe Tochter, das sag du mir,
Ob sich Herr Esben verlobt mit vir.
Lange saß stolz Maifred, thüt überlegen.
Welche Antwort sie sollt ihrem Barer geben.
Und da sie saßen und sprachen die Wort,
Ein Dube trat ein, stellte sich vor die Tafel sofort.
„Hier sitzt Ihr, Herr Oluf, in Pelz gehüller ein:
Vor Eurer Burg da halt ein Ritter fein:
Alle Zungfraun, die da saßen, lachten gut.
Nur Malfred die erröchere wie das Blut.
Herr ESben hüllte sein Haupt in das Kleid,
S» ging er in den Saal vor Herr Oluf ein.
„Hier sitzest du, Herr Oluf, und trinkest Wein,
Gib mir stolz Malfred, die Tochter dein.
Da sprach Herr Oluf, ein Mann so fein:
Meine Tochter ist dein, und nicht mehr mein.
Meine Tochter hat gelobt mit dir zu leben,
Zch hoff, du wirst ihr stets deine Treue gebe».
Da hät er Freud und große Lust empfangen,
Sie ließen geben die beiden jungen zusammen.
Sie waren zusammen beide zwölf Jahr:
Aw^if Kindlein sie zur Welt gebar.
Das dauerte bis zum dreizehnten Jahr,
Das zwölfte Kindlein trug sie fürwahr.
„Nun will ich fahren zu deinen Verwandten heim,
Und will sie laden zu dem Kindbett ein.
Herr Esben, Zhr sollt nicht von mir gehn,
Es verdrießt Euch dann, wenn es ist geschehn.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
--- 2Ö0 —
„Diesen Wetten trau' ich zu keiner Stund,
Vis ichs hör aus meiner Mutter Mund.
Herr Esben zu der Durgthür kam.
Da stand seine Mutter und ruhte daran.
„Meine Mutter, Ihr seyd wohl gehüllt in Euer Kleid:
Wie ergeht es Malfred, der Liebsten mein?"
Stolz Malfred ist krank, schlimm gehts ihr hier.
Die Frauen gehn ab und zu bei ihr.
Herr Esben streichelt' di« Wange der Mutter sein;
„Laßt mich gehen zu der Liebsten mein."
Herr Esben ich sag dir von großer Noth:
Stolz Malfred ist von dem Kinde todt.
An Esbens Wang bleichte der Rosenschein:
„So laßt mich sehen die Allerliebste mein."
Herr Esben ging in die Stube ein,
Und da fand er das Kindlein klein.
Hob auf das Kind zu selbiger Stund,
Und küßt' es tausendmal an den Mund.
Er legte das Kind in die Wiege sein:
„Du siehst nimmermehr den Vater dein."
Hob auf von Malfred das Linnen weiß und fein :
Auch im Tod liebt' er die Liebste sein.
Herr Esben däuchte das eine große Noth,
Daß Malfred durch seine Schuld war todt.
Einen Goldring von seiner Brust er «hm.
Steckt' ihn der Leiche an den Arm.
„Nimm du dm in das Grab mit dir.
Weil du kannst nicht mehr leben mit mir."
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Er zvg einen Goldring vom Finger ab,
Gab ihn dem, der die Glocken läutet zum Grab.
Er zog einen Goldring aus der Tasche,
Gab ihn dem, der das Grab sollt machen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
114;
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— 262 ---
Stolz Lyborgs Jungfrauen auf dem Boden spränge»,
Den ganzen Abend sie vorsänge.
Darnach währt's nicht länger als zwei Tag,
Stolz Lyborg krank und siech da lag.
Stolz Lyborg lag da krank und siech,
Frau Jngeborg ging ab und zu bei ihr.
Hört Ihr, Jngeborg, Mutter mein,
O gebt mir Waßer oder Wein.
„Gefroren ist das Waßer und gefroren ist der Wein,
Und gefroren ist der Zapfen in der Tonne mein."
„Die Thür ist verschloßen, und die Schlüße! sind fort:
Ich weiß nicht, wo sie sind, an welchem Ort."
Kann ich nicht haben Waßer oder Wein:
Macht auf die Thür, laßt treiben den Thau herein.
Da laßt die Thüre nach Norden aufschlagen,
Sv gute Kühlung mag ich da haben.
Ich will aufschlagen nach Süden die Thür,
Daß die heiße Sonne kann gehn zu dir.
Christ gebe, ich hätt einen viel treuen Freund,
Per wollt fahren als Bote zu meiner Mutter geheim.
Dazu der Frau Lyborg Diener sprach:
Eure Botschaft so gern ich heimlich hintrag.
Sie meinten nichr anders, sie waren bcid' allein,
Da stand Frau Jngeborg, und horchte hinein.
Der Diener sprang auf sein hohes Pferd,
Rennt so schnell wie ein Vogel durch die Lust dringt daher.
Eintrat der Diener im Kleide roth:
„Eure Tochter, Frau Lyborg, ist nah dem Tod."
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— sbZ —
„Sie bittet Euch zu kommen recht schnell und bald:
Sie überlebt nicht diese Nacht."
Frau Mettelill ruft ihren Dienern werth:
Holk mir von der Wiese meine Pferd.
Die Roße laufen, der Wagen rennt
Den langen Tag, nach der Heide gewendt.
Die Sonne scheint heiß in Hochsommers Zeit:
Frau Lyborg wird ohnmächtig vor starkem Leid.
Frau Ingeborg nimmt eine Schale mit Gold,
Sie geht in den Saal so sorgenvoll.
„Wer Pfennige und Gold will haben.
Helf mir Lyborg lebendig begraben. “
Die Pfennig wurden vertheilt zur Stund,
Sie legten die Lilie in der Erde schwarzen Grund.
Stolz Mettelill zu der Durgthür kam,
Da stand Frau Ingeborg und ruhte daran.
«Stolz Ingeborg, HLr, was ich sage zu dir:
Wo ist meine Tochter? birgs nicht vor mir."
Gestern Abend und länger ists nicht her.
Da ward ste gelegt in die schwarze Erd-
„Schweig still, stolz Ingeborg, solch Wort sag du nicht,
Zum Grab meiner Tochter führ du mich."
Als Stolz Mettelill über die Stätte kam,
Stolz Lyborg rief unter der Erde sie an:
„Und wer will Gold und Silber haben,
Der helfe mir bald aus dem Grabe."
Sie zogen stolz Lyborg heraus, wo sie lag,
Ihre Mutter bedeckte sie niit ihrem schmalen Scharlach.
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265 "*•
65.
Klein Engel.
(T.)
Das war klein Engel, der war muthig und schön von Gestalt,
Der fuhr hin nach Opland, und raubt eine Frau mit Gewalt.
Erfuhr hin nach Opland, und raubt' eine Fraue mit Preis:..
Die erste Nacht, die sie zusammen schliefen, das war zu VesterrüS.
Das war klein Engel, der um Mitternacht aufivachte.
Und feine starken Träume p alsbald er ihr da sagte.
„Mir däuchke, daß die jungen Wölf, dazu der Wolf so grau,
Wen mein Herz in ihrem Mund, und davon wacht ich auf."
Das ist kein Wunder klein Engel, daß Ihr träumet solche Träum:
Zhr habt mich geraubt mit Gewalle, nicht geftagt die Der,
wandten mein.
Eintrat Sölffver Jonsön, stellte sich vor die Tafel sofort;
Äug war er in seinen Reden, er konnte fügen viel gut seine Wort:
Hört Ihr, klein Engel, und wollt Ihr nicht fliehen fort?
Es kommt Giödi Herr Loumand auf vier Wagen hierher zu
dem Orr.
„Zch bin nicht bang vor vieren, vor fünfen bin ich nicht bang,
Nicht vor Giödi Herr Loumand, und nicht vor dreißig Mann."
Da kommen mehr als viere, und mehr als fünf gegangen.
Das ist Giödi Herre Loumand mit hundert gewaffneren Mannen.
Das war klein Engel, der zog Malfred in seine Arme:
»Wißt Ihr uns keinen guten Rach in unsers Herren Namen?"
Das war klein Engel, der streichelt' ihr die weißen Wangen:
»-Hirt Ihr, allerliebste mein: was für 'nen Rath sollen wir
empfangen?"
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266
Da g'b ich Such dm besten Rach, den ich nur kann erdenken:
Wir geben Gold für Mariä Kirche, die sie gar nimmer verbrennen.
Wir sparen nicht Gold, wir sparen nicht Silber, wir laßen'«
in Schalen laufen,
Wir geben Gold für Maria Kirche; morgen wollen wir sie kaufen.
Und nehmet Eure Gesellen, denen Ihr gegeben das Brot,
So ziehen wir zu der Kirche, dieweil uns dränget die Noth.
Nehmet all Eure Gesellen, die haben geritten Eure Pferd:
So ziehen wir zur Mariä Kirche, so gut als es nur geht.
Da« ist der beste Rach, den ich weiß, ich bin ein armes Weib:
Wir eilen zu der Mariä Kirche, laßen uns verschließen darein.
Das war klein Engel, der in die Kirche rennte,
Das war Giödi Herre Loumand, der die Hoftnänner nach ih»
scnd're.
Sie lagen davor einen Tag und so fünf Monde fürwahrr
Giödi Herre Loumand so zornig im Muthe war.
Da sprach Malfreds Mutter, sie war ihr gar nicht hold:
„Brennt Mariä Kirche auf und baut sie wieder mit Gold.-
Das Feuer hub an zu brennen, hinein die Lohe drang:
Das war klein Malfred, die erbleicht' an ihrer Waug.
Da wars so heiß im Kirchhofe, da er in Flammen thät brinnen,
Da wars noch heißer in der Kirche, da das Blei herab thät
rinnen.
Sprach die kleine Malfred, ihr war fo schwer ihr Muth:
Stecht todt Eure Roß« und kühlt uns mit ihrem Blut.
Da sprach klein Engel auf dem Boden, wo er stand:
„Wir können von unsrer Roße Blut so wenig Kühlung sah«."
Da rief der kleine Bube der hatte so lieb die Pferd i
Stecht lieber klein Maifted nieder, den Tod ist sie doch werth.
- .........1-1 I «»—
*— 267
Das war klein Engel, der zog Malfred in die Arme sein:
„Den Tod den bist du nimmer werrh, Herzallerliebste mein."
„Aber hör mich, klein Malfred, was ich nun sage zu dir:
Dringst du zur Welt einen Sohn im Zahr, so nenne du ihn
nach mir."
Ae setzten sie auf die Schilde, hoben sie mit den Spießen hinauf,
Cie hoben sie so schwer betrübt zu dem Kirchenfenster hinaus.
Das war klein Malfred, die ging sich um den Kirchhof:
Verbrennt waren ihre Haare, geschändet ihr Scharlach roth.
Das war klein Malfred, die fiel auf die bloßen Knie nieder:
„Mögt ich gebähren einen Sohn im Jahr, der nahm Rache
dafür wieder."
To nahmen sie klein Malfred, wickelten sie in den Mantel blau,
lind hoben sie so klägelich da auf ein Rößlein grau.
Da sprach klein Malfred, als sie kamen auf das grüne Feld:
„Heut am Tag verbrennt die Maria Kirche und ein so rascher
Gesell.«
„Heut am Tag verbrennt die Mariä Kirche und ein so rascher Mann:
Nimmer kommt einer, der ihm gleich, wieder in dieses Land.«
Das währte darnach nicht lange, noch in selbiger Jahreszeit,
Ging sie in die Kammer, und gebar einen Sohn erfreut.
Sie trugen ihn zu der Kirche, in der Nacht gaben sie ihm die Tauf,
Sie nannten ihn klein Engel, und verbargen ihn darauf.
Sie erzogen ihn einen Winter, erzogen ihn neun Winter fürwahr:
Erwarb der schönste Rittersmann, der mit Augen zu sehen war.
So wohl er wächst, so wohl er gedeiht, volle sieben Winter
gehn herum:
„Muttcrbruder schlug deinen Vater todt, zu allererst hörst du
das nun."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 26g —
Und er blieb bei seiner Mutter, gehn herum volle Winter fünf:
Mutterbruder schlug deinen Vater todt, das hört er meist darin.
Hört Ihr, liebste Mutter mein, Ihr seyd in Marder gehüllet
so wohl:
Ich will reiten zur Insel aus, und dienen an des Königs Hof.
„Reit du hin zu des Königs Hof, und diene mit Ruhm und Eh«:
Gedenk du an deines Vaters Tod, ich sag dir das nimmermehre."
Er diente so lang an des Königs Hof, bis der König ihm
ward hold;
Wenn andere Ritter lachten oder spielten, war er recht sorgenvoll
Das merkte der dänische König, daß er trauert' alle Zeit:
Und hör du klein Engel, warum trägst du solch Leid?
Du trauerst ja so sehre, wie auf den Aesten die Vögelein:
Als warst du der einzige Mann, der verloren all die Verwand-
ten sein.
„Hört Ihr, dänischer König, mir ist so schwer mein Muth:
Mein Murterbruder schlug meinen Vater todt, und bot mir
nimmer Buß.
Und rvillt du reiten aus zu Land, und rächen deines Vaters Tod,
Meine Wann, die dir folgen zum Gericht, will ich dir leihen gut.
Und wenn du, wie es rechtlich ist, deines Vaters Tod rächen willt:
Dreihundert Männer, die leih ich dir, die führen beides Har-
nisch und Schild.
Klein Engel that sich ausreiten in den grünen Walde dann,
Dort in einer so kleinen Zeit waffnet' er seine guten Mann.
Eintrat der kleine Bube, stellte sich vor die Tafel sofort, .
Er war klug im Reden, konnte fügen viel gut seine Wort.
Hört Ihr, Giödi Herr Loumand, und wollt Ihr nicht fliehen fort?
Es kommt klein Engel auf vier Wegen hierher zu dem Ort.
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. -
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 269 >—
Es kommt klein Engel auf vier Wegen hierher ju dem Ork,
Er ist so zornig in seinem Murh, führt in den Wolken sein
Schlachtschivert.
„Ich bi» gewesen vor dem Gericht so weit, und vor der Ver-
sammlung im Land,
Nimmer bin ich kommen zu einer Stäkt, wo man klein Engel
genannt. “
Das war Giödi Herr Loumand, der streichelt' ihm die weiß«
Wang:
„Weißt du mir einen gurrn Rath, mein lieber kleiner Bub»,
sag ihn an."
Mßt ich irgend guten Rath, ich sagt ihn Euch fürwahr:
Eilt nun in unsre Steinstube, dieweil wir bedrängt so stark.
Die Wände sind von Marmorstein, von Blei die Thüren sind:
Das sollte zugehn recht wunderlich, könnten sie uns fahrn darin.
Das war klein Engel, der auf dem Weg stillstand:
„Dort seh ich die Kirche liegen, darin mein Vater ist verbrannt."
lind dort seh ich den Burghof auch, wo mein Mutterbruder
drinnen:
Rathe nun, Gott Vater im Himmelreich, welche Buß ist hier
zu gewinnen.
So zogen sie auf vier Wegen um die Steinstube rings mit Fleiß;
Selbst war der klein Engel der vorderste in dem Kreis.
Das war Giödi Herr Loumand, der schaut' aus dem Fenster gut:
Wen habt Ihr zum Vormann, weil ihr so prahlerisch thut?
Sprach da klein Engel, hielt unter dem Scharlach sein:
„Das bin ich klein Engel, Herr Giödi, Schwestersohn dein."
Da sprach Giödi Herr Loumand aus großem Leid geschwind:
So klein darfst du dich deß rühmen, du bist ein Hurenkind.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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„Und bin ich auch ein Hurenkind, bin ich von den besten und
werthen.
Genug hab ich beides Gold und Silber, und reit' auf Mo
respferden.
„Und bin ich auch ein Hurenkind, daran bist du viel schuld,
Doch hab ich genug des grünen Walds, und auch der Burgen gut."
„Du weißt, du erschlugst meinen Vater und hast mir nimmer
Sühn gegeben;
Nun spottest du mich noch ans Haß: das soll dich kosten dein
Leben. “
Nehmen wir beides Silber und Gold, laßen das zusammen laufen,
So brennen wir ab diese Sreinstube, wir vermögen sie noch jn
kaufen.
Da wars so heiß vor der Stube, das Blei begann zu rinnen:
Da wars noch heißer in der Stube drinn, das Feuer begann
zu brinnen.
Da aber klein Engel sein Roß gar nimmer abwandt.
Er wollt nicht von der Burg wegreiten, bis die Steinstube
verbrannt.
Klei» Engel ritt aus der Burg, schlug auf mit weißer Hand,
Als er sah seinen Murrerbruder brennen in brennendem Brand.
Und als klein Engel seinen Mutterbruder sah in den Glüh«
ten stecken:
„Nun hab ich dir bereitet dieselbe Speiß, die du meinen As-
ter ließest schmecken."
Das war klein Engel, der ritt in die Burg zu der Mutter fein:
Außen stand seine liebe Mutter, in Pelz gehüllet ein.
„Hier steht Ihr liebste Mutter, in Euer Kleid gehüllet recht!
Ich bin gewesen aus zu Land, meines Vaters Tod hab ich gerächt."
I
271
Da sprach die Fraue Malfted, schlug die Händ zusammen und
weint':
Sonst hat ich nur eine Sorge, nun aber hab ich zwei.
„Zhr selbst, liebe Mutter wolltet's haben: wie rinnen Thränen
über die Wangen Euch hin!
Nun bereut Zhr, was Ihr gerathen selbst, wie wunderlich ist
Euer Sinn!"
So warf klein Engel sein Roß herum, ritt aus der Burg so
schnell:
Da aber stand seine Mutter, und weinte Thränen schwer.
So ritt sich klein Engel fort nach des Königs Hof,
Außen stand der dänische König, sah seine Fahrt sowohl.
Das war klein Engel, der vor den König eingegangen:
„Dank Euch, dänischer König, und all Euern edlen Mannen."
„Nun hab ich gerächt meines Vaters Tod, in der Steinstube
Herr Giödi verbrannt.
Und den Mörder meines Vaters selbst hat verzehrt eine gleiche
Flamm'."
i
66.
Größer Leid.
Klein Christel steht auf des hohen Saales Altan,
Und hört Herr Stranges Reden an.
Mich verlangt all meine Tage?
Er spricht: ich lieb meine Buhle so sehr,
Kein'n guten Tag soll Christel haben mehr.
Klein Christel laßt ihren Wagen bereiten,
Herr Strange laßt sein Roß austeilen.
V Din?*
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Klein Christel fährt, Herr Strange reit't.
Die lange Nacht über die dunkele Heid.
Klein Christel vor dem Gericht kam an,
Sie standen gegen einander beid' Frau und Mann.
Willkommen, klein Christel, lieb Schwester mein:
Was neues mit dem Schicksal dein?
„Am Tag in Angst und Noth gelebt.
Zur Nacht gestoßen aus dem Bett."
„Zur Nacht herausgeworfen, fürwahr.
Und geschleift an meinem schönen Haar."
„Er spricht: meine Buhl' ich lieben mag.
Klein Christel soll haben keinen guten Tag."
Er spricht: ich will lieben meine Buhl' allein.
Klein Christel soll kurz das Leben seyn.
Der König ruft zwei Gesellen zu sich:
Bittet Herr Strange zu gehen vor mich.
Herr Strange kam, vor dem König stand:
Gnädiger Herr, Zhr habt zu mir gesandt.
„Hör du, Strange, was ich sage zu dir:
Wie lebst du mit klein Christel mir?"
Mit Eurer Schwester hab ich solche Tage,
Ich hoffe sie wird nicht über mich klagen.
„Ergreift Herr Strang an seiner güldenen Lock',
Und haut vom Leib herab den Kopf."
Sie leget» Herr Strange auf einen Block,
Sie hauen von seinem Leib den Kopf.
Klein Christel weint, die Händ sie ringt:
„Diese Sorge mich nieder zur Erde bringt."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 27z —
Klein Christel weint, in die Hand sie schlägt:
Eine Sorge sonst, nun zwei sie trägt.
Mich verlangt all' meine Tage!
67.
Frau Görild.
(i.)
Herr Matthis hat eineHaussraue, über Maßen so schön ein Weib.
Alle, die sie mit Augen sahen,? wollten sie locken insgeheim.
Herr Ei-tand reitet nach Schweden.
Deide leben so gerne zusammen Herr Matthis und seine HauS,
frau schön:
Ihre Lieblichkeit müßen loben alle, die sie mit Augen sehn.
Hm Erlaub reitet nach Schweden, beides mit Ruhm und Ehre:
reitet der junge Herr Matthis, und trauert dabei so »ehre.
Las war der junge Herr Erland, der ließ legen den Sattel
aufs Pferd,
Weil er will reiten nach Dänemark, als Gast bei Herr Mat-
this werth.
Des war zu so böser Stunde, als er vor SöborrigS Pforte kam,
Da stand Herr Matthis Hausfraue, und rührte sich daran.
»Hier steht Ihr, stolze Frau Görild, und wollt Ihr werden
mir hold:
Jeder Finger, den Zhr habt an der Hand, soll tragen das ro-
the Gold."
»Hier steht Ihr, stolze Frau Görild, und wollt Ihr werden
mein Weib:
Ich geb Euch Roß und Sattel von Gold, darzu die weiße Seid'. “
18
Ln
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 274 —
Ich habe so tapfer einen Mann: Herr Gott segne seinen Leib!
Er gibt mir Roß und Sattel von Gold, und darzu die weiße Seid'.
Ich habe so tapfer einen Mann: Herr Gott der sey ihm hold!
Jeder Finger, den ich haben mag, der trägt das rothe Gold.
Das war der Herr Erlaub, der faßte sie gewaltiglich:
Er hob sie mit ihrer goldnen Lock anjs Roß hinaus zu sich.
Da sprach die stolze Frau Görild, sie sprachs aus großem Leid:
Zch bin so hart gebunden mit Herr Matthis Kindeiein.
„Seyd Ihr mir Herr? Malthis Kind^ so hart gebrückt und
gebunden,
Gott läßks Euch gewißlich bringen zur Welt: dann ist Em
Sorg' überwunden/'
Acht Tage darnach geschah's, als sie kain nach Schweden insgeheim:
Da ging sie in die Kammer, gebar einen Sohn so fein.
Sie ging in die Steinstube, sie gebar ein Kindlein süß:
Herr Erland ging zu einem Schmied, ein eisern Kästlein schim
den ließ.
So faßt' er das kleine Kind, und steckt's in das Kästlein,
So sendet' ers nach Skaanen dem jungen Herr MatthiS heim.
Da sprach der junge Herr Marchis, wie er das arme Kindlein
thät sehn:
,jHilf nun, Gott Water im Himmelreich! wie mag es beim
Mutter ergehn!"
Der König ließ einen Herrntag halten mit Rittern und guttu
Mannen;
Nicht kam der junge Herr Matthis, bis der Herrntag zu End
gegangen.
Nicht kam er zu dem Herrntag, bis er zu Ende war.
Der König fragt' ihn selber, warum er so lange geharrt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 27 5 —
All da saßen die Königs Mann, sie tranken beides Meth und Wein,
Nur nicht der junge Herr Matthis, der legt' die Hand unter
die Wange sein.
Hör du, junger Herr Matthis: warum mußt du so traurig seyn?
Bist du's um Gold oder Silber oder um den klaren Wein?
„Nimmer ists um Gold oder Silber, oder um den klaren Wein,
Meine Hausfrau ist mir nach Schweden geführt, mein Kind ge-
steckt in ein eisern Käftlein."
N dir dein Hausfrau nach Schweden geführt, dein Kind gesteckt
in ein eisern Kastlein,
So will ich dir geben Gold und Silber, hol deine Hausfraue dir heim.
Ed will ich dir geben Gold und Silber, du hol deine Haus-
frau heim.
Und dir leihen, zu rächen deine Schand, die besten Hofinänner mein.
„Mir hilft nicht Silber und Eure Hofmann, daß mein Willen
werd vollbracht:
Meine Hausfrau sitzt im Schwedenland, und ist gefangen so hart."
In nahm der Herre Matthis einen Pilgrims Stab in die Hand,
Und so ging er den langen Weg fort nach dem Schwedenland.
Des thät der Herre Matthis, er thäts aus großer Noth:
Er ging zum Kellerbuben, bat ihn um ein Stück Bror.
„Hör du guter Kellerbube, was ich will hören von dir:
Wie gehts der stolzen Frau Görild, lebt sie in Freuden hier?"
So helf mir von allem Leid und Weh der Gott, der über mich
thut wachen!
Nimmer sah ich Fraue Görild irgend scherzen oder lachen.
„Hör du, guter Kellerbube, bas rothe Gold geb ich dir.
Wenn du willst bitten Fraue Görild, daß sie komm in den Kel-
ler zu mir.
r«
ii
--- 276 **■
Ein trat der gute Kellerbube, er stand vor der Tafel sofort;
Das will ich Euch in Wahrheit sagen: er konnte wohl fügt»
seine Wort.
„Frau GSrild geht in den Keller, versucht den besten Wein,
Ihr gewinnet Dank von unserm Herrn, wann er kommt km
der heim."
Ich hab keinen Herrn in Schweden, denn nur Herrn Jesum Christ,
Mein Herr der ist in Skaanen, heißt der junge Herr Matthii.
„Hört Ihr, stolze Fraue GSrild, geht in den Keller hin,
Da will so gern mit Euch reden aus Skaanen ein Pilgcrim."
„Ist Herre Matlhis Euer rechter Herr, vielleicht ist er nicht
weit von hier,
Lüstet Euch mit ihm zu reden, geschiehts wohl in Eurer Thür."
Da stand auf Fraue GSrild, zog über den blauen Mantel W,
So that sie so sreudiglich hinab in den Keller gehn.
Frau GSrild trat in die Thüre ei», ihr war im Herzen so weh:
Herr Matlhis war beides zornig und bös, doch ließ er's «er
ihr nicht sehn.
^Hör du, stolze Frau GSrild, sag du mir die Wahrheit an: j
Ist das geschehn mit deinem guten Willen, daß du zogst M
mir aus dem Land?"
Da sprach die stolze Frau GSrild, ihr fielen Thränen so sch«:
Das kam mir gar nimmer in meinen Sinn, daß ich wollt aus
Eurer Bürge gehn.
„Sag mir, du stolze Frau Görild, wie dirs im Herzen mag fci;n:'
Willt du nach Skaanen mir folgen, und bleiben die Herzliebst!
mein? “
So faßt' er die stolze Frau GSrild bei ihrer weißen Hand,
So gingen sie zusammen den langen Weg heim in das SkaaiiemLaub
tmm
~ 277 —
Da sie kam in Herr Matthis Burg, sprach sie mit großem Leid:
Zch bin so hart gebunden mit Herr Erlands Kindelein.
„Und bist du so hart gebunden, Gott wird dir dein Leid abwehren:
Dringst du zur Welt das Kinde, wir vermögen's wohl zu er-
nähren. "
Acht Tage darnach geschahs, als sie kam nach Tkaanen heim:
jr«a Gön'ld ging in die Kammer, gebar einen Sohn so fein.
Iran Görild ernährt' ihren kleinen Sohn, da war so groß ihre
Pein:
Herr Matthis ging zu einem Schmied, ließ schmieden ein ei-
sern Kästlein.
De faßt' er das kleine Kind, und steckt's in das Kästlein,
So sendet' er es nach Schweden seinem lieben Vater heim.
Sprach der Herre Eriand, als er das Kindlein sah:
Gnade mir, Gott Vater im Himmelreich, ich erfand den schlim-
men Rath.
Herr Erland ließ legen den Sattel aufs Roß, 4h»'lüsietf nach
S-kaanen^u reiten,
Gedacht bei Herr Matthis Gast zu seyn; böses Schicksal sollt'
er leiden.
Das war Herr Erland eine jämmerliche Fahrt, als er kam zur
Burgthür,
Herr Matthis lüstete den Gast zu sehn, der hielt außen vor
der Thür.
„HSr du das, Herre Erland, warum thatst du mir an die Pein:
Du entführtest mir meine Hausfrau nach Schweden, stecktest mein
v Kind in ein eisern Kästlein.
„Nun sollen vor mir in Frieden fahren alle deine guten Hofmann,
Nur du sollt zurücke bleiben, unzüchtiger Herr Erland."
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Hab ich deine Hausfrau nach Schweden geführt, gesteckt da»
Kind in ein Kästlein dir:
AL mein Gold und meine grüne Wälder, die will ich^wg«-
ben dafür.
„Gold ist wohl lieb und Gut ist gut, doch schlimmer ist zu mis-
sen die Ehre,
Der harcste Tod für deinen Hochmuth ohne.Gnade soll dir werde».
Und gäbst du mir von Schwedens Reich alles was deine Frem-
de haben,
Zch achte das nicht um ein Haar: das Recht sollt du selber
erfahren.
So griffen sie Herr Erland, warfen ihn in den Thurm hinab:
Alle da standen seine guten Gesellen, sie bäuchte schlimm
die Sach.
Sie holten ihn wieder aus dem Thurm, führten ihn vor die
Stadt hinaus frei.
Da legten sie ihn auf Pfähle, und die waren alle neu.
„Gott gnade mir, sagte Frau Görild, daß ich ward je geboren:
Zwei Söhne hab ich zur Welt gebracht, und in bösem Äd
verloren."
Herr Erland starb draußen auf dem Feld, und auf zwei Pfäh-
len neu:
Frau Görild starb im hohen Saal für ihre zwei Söhne klein.
Herr Erland reitet nach Schweden!
— 279 -
68.
Das Vergmännlein.
Es liegt in der Nordsee ein Anger, da denkt ein Bauer zu
bauen sein Haus,
Er denkt da im Winter zu liegen, führt Habicht und Hunde hinan-.
Die wilden Thier' mitten in dem Wald!
Er denkt da lang zu bleiben, nimmt Hund und Hahn mit hin:
Die wilden Thier', die im Walde gehn, die beklagen sich da über ihn.
Er haut die Eich, er haut die Birk, die Buch' er nieder fällt:
Das verdroß das grimme Bergmännlein, daß er da sollt haben
Gewalt.
Erhaut Sparren und er haut Balken, ist emsig drüber her:
Da stagken die Mannlein im Berge: und wer lärmt «lsosehr?
La sprach das kleinste Vergmännlein, wie 'ne AmeiS nicht grö-
ßer es war:
Hierher ist kommen ein Christen-Mann, dem will ich steuern
fürwahr.
Aufsteht das erste Vergmännlein, im Kreis umher es sicht:
Wir gehen nach des Bauern Hof, zu halten über ihn Gericht.
Er haut uns aus Len heimlichen Wald, das ist uns ein gro-
ßes Leid:
Er soll mir geben die Hausfrau sein, zu Schimpf und Schand
ihnen beid.
Alle die Männlein, die waren in dem Berg, die huben zum
Tanze sich stet,
Sie näheren sich zu des Dauern Hof mit langen Schwänzen herbei.
Der Hund, der bellt im Hofe, der Hirt tutet in sein Horn,
Die Ochsen brülln, .und die Hahnen krähn, denen der Bauer
hat geben sein Korn.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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„Da will ich nehmen Eline und dich. Euch treten unter die
Füße mein, ,
Dann nehm ich auch dein Silber und Gold, verstecke unter'S
Häuslein mein."
Der Bauer und feine Magd und sein-Knecht retteten sich aus
der Noth zur Stund:
Mel beßer ists die eine verdirbt, als wir gehn alle zu Grund.
Und der «»berathene Dauer, von Noth gequält, aufstand,
Er gab Eline, die Hausfrau sein, dem jungen Männlein in
die Hand.
Da ward es stoh und sprang im Kreis, es zog sie in seinen Arm;
Sie ward bleich an ihren Wangen zumeist, ihr Herz war ge-
drückt von Harm.
Da sprach das betrübte Weib, Thränen fielen ihr so schwer:
Hm Gott, gnade mir elenden Frau! mein Glück ist hart so sehr!
Ich steil' einen Mann so schön, als einer auf Erden mag seyn:
Soll nun das häßliche Bergmännlcin mich zwingen zur Buhlerei?
Es hat sie lieb einmal, zweimal, es that ihr im Herzen so weh:
Ei blieb der häßlichste Teufel, den man mit Augen konnt' sehn.
Er wollt' sie umarmen zum drittenmal, da rief sie an Ma-
riä Sohn,
Da verlor er die häßliche Männleins Gestalt, und war ein Rit-
ter so schön.
Das geschah unter der Linde so grün, der Ritter war erlöst
aus der Noth;
Es geschah ihm ohne Schmerz und Leid, sie waren beide so froh.
„Hör du, allerliebste Eline, mein Weib das sollt du werden,
Und all das Gold, das in Engelland ist, das will ich dir nun
geben. “
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 282 —
„Ich war so klein ein Kindlein noch, da starb die Mutter mein,
Stiefmutter har mich fortgetrieben, da ward ich zum Berg-
männlein. “
„ Ich will geben deinem Hausherrn Gabe, Gold und viel gro-
ße Ehre:
Fürwahr, Eline des Bauern Frau, du mußt meine Liebste werden?
Du edler Ritter, wir danken nun Gott, der uns erlöst vom Leide:
Verlob dich einer Zungsrau schön, in Freuden lebt ihr beide.
„Kann ich dich selbst nicht haben zur Frau, deine Tochter will
ich haben.
Für alle deine Wohlthaten groß, du sähst keine andere Gabe."
Hab Dank, Eline, du weise Frau, ich will dich preisen und ehren,
Kann ich dich gewinnen mit Liebe nicht, daheime magst du leben.
Der Bauer der baut auf seiner Znsel nun, und keiner thut ihin
was zu Leid;
Seine Tochter in Cnglland die Krone trägt, und lebt in gro-
ßer Freud.
Nun hat Eline des Bauern Frau überwunden beides Angst
und Harm,
Sie ist die Mutter von einer Königin, die schläft in des M
nigS Arm.
Zuerst thät sie ein Töchterlein, einen jungen König dann gebären;
Sie dankten Gott zu aller Stund, daß es so wohl mußt werden.
Nun fitzt Elines Töchterlein, und herrscht über alle die Reich:
Eline lebt mit ihrem Bauersmann, die sind sich einander gleich.
Die wilden Thier' mitten in dem Wald!
Unglück durch Poesie.
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Der Apfel hängt so hoch am Daum, muß so tief herunter fallen:
Sin jeder, der hat ein viel treues Weib, der liebt Ire gewiß über alle.
Mein Herr hat gelobt seinen Gesellen in den Waid zu reiten!
Das war der reiche Herr Peter, der sollte nach Rom ausführen,
Las war die stolze Frau Metteiill, die sollte daheim sich bewahren.
Ad das war der reiche Herr Peter, der kam von der Fahrt
nach Haus,
Nicht wollte die stolze Frau Mettelill zu ihm da kommen heraus.
To ging er in den hohen Saal ein vor Frauen und Jung-
frauen gut:
Da saß die stolze Frau Mettelill, es war so schwer ihr Muth.
M da fragten die Frauen und Maid, was er gelitten außer Land,
Selbst ftagt' er nach Frau Mettelill, was ihr war gegangen
zur Hand.
„Wohl hab ich gelitten in fremdem Land, im kalten Winter schwer:
Wie lebt die stolze Frau Mektelille, warum kommt sie nicht
zu mir her?"
Herr Peter der saß über seinem Tisch, und der hub an zu reimen:
„Hier dient'ei» Gesell in unserm Hof, ist geboren zu bösen Zeiten."
„Ich pflanzte in mein Würzgärtlein beides Rosen und adiiche Lilien:
Nim ist noch andres dazwischen gewachsen, und nicht mit mei-
nem Willen."
„Zch hab gepflanzt ein Würzgärtlrin mit Blumen und adlichen
Rosen:
Nim ist noch andres dazwischen gewachsen, dieweil ich nach
Rom gezogen."
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sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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- o84 -
„ Zn meinem Garten ist gewesen ein Hirsch, der die Dlumt«
hat niedergetreten,
Er hat mir verwüstet das einzige Kraut, das Freud' mein«
Herzen konnt geben."
Herr Peter der sitzt über breitem Tisch, und dichtet dir starken Reim.
Frau Mettelill geht auf dem Boden der Stube, ihr Herze so
sehr muß leiden.
Die Fraue steht im hoben Saal, mir vielem Weh im Herze»,
Sie klagt so fehre, wie sie hört die Reime, die sie schmerzen.
Frau Mettelill sammelt beides Scheer und Saum, legts in dt»
vergüldctrn Schrein,
So geht sie, zu stehen vor Herr Perer, vor ihrem Herrn i«
dir Stube ein.
Hört Ihr das, Herr Peter, ich bitt Euch darum so sehre:
Zu Abend gebt mir Urlaub, zu meinem Barer heim zu geh».
Gelobt mir das, mein adlicker Herr, und gebt mir Urlaub zu reim,
Ich hab gehört, mein Vater sey krank, und um mich so sehr leite.
Ich hab gehört/ mein Vater sey krank, und ich fänd ihn «ich!
am Leben,
Ich wollte das nicht um all mein Gold, daß er den Goiji
schon aufgegeben.
„Ich will dir das nimmer wehren, willt du fahren zu beim
Vater heim, f
Bleib du dort ein Jahr etwa, so gerne leb ich allein."
„Bleib du dort ein Jahr etwa, uqd bleib du dort auch zwei,
Bleib du dort all dein Lebtag, wenn dirs selber recht so scheint."
Mein Vater hat mich verheirathet aus seinem Hof mit fünf
Wagen vergoldt:
Ich bitt Euch, .Herr Peter, lieber Herre mein, einen bare»
mir leihen wollt.
285
„Hat bei« Vater dich verheirathet aus seinem Hof mit neun
Wagen vergolde:
Geh du fort, stolze Metkclill, davon Lu keinen haben sollt."
Url ging die stolze Frau Mettelill, sie öffnete beides Schrein
und Kiste,
Und drinnen lag ihr rothes Gold, doch keinen guten Freund sie wußte.
Stolz Mettelill ging auf die Zugbrücke hinab, sie sah die gu-
ten Bürgen all:
Hm Gott, gnade mir armen Weib, die ihr Glück nicht hat
in der Gewalt!
Stolz Mettelill ging die Zugbrücke hinab, sie sah die Burgen
so roth:
Hm Gott, gnade meinem sorgvollen Herzen! die Sorge muß
werden mein Tod!
Hm Peter nahm die Schlüße!, warf sie zu der Tochter sein:
„Nimmer lebst du so gut einen Tag, wo du hörst die Mutter dein."
Und da sprach seine Tochter, sie war eine Zungsrau fein:
Unvahr, ich leid' unter der Gewalt, allerliebster Vater mein.
Stolz Mettelill kam in ihres Vaters Burg, wie eine Roseir*
blume roth;
All das Volk, das war in der Burg, ihr so wohl einen Will-
komm bot.
Ihr Vater ging ihr entgegen, er war ein Mann so fein:
„Willkommen, stolze Mettelill, willkommen bei mir daheim."
Willkommen, stolze Mettelill, du bist die liebe Tochter mein:
„Wie geht es Herr Peter, dem lieben Mann und Herren dein?"
So ergeht es dem reichen Herr Perer, ist noch nicht lang von
Rom gekommen:
Recht unselig war die betrübte Stund, wo wir kamen beide
zusammen'.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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ist
„ Als irgend einer auf Erden ist, so edel gab ich dir einen Mann,
Zst nun etwas kommen dazwischen, so hast du das s<
gethan."
Ihr habt mich reichlich ausgestattet mit schönen Burgen und
mit Gur,
Ist nun etwas kommen dazwischen, so hat er selbst daran Schuld.
Wie nirgend einer zu finden, gabt Ihr mir einen Mann so fein,
Aber etwas ist dazwischen gekommen: das könnt ihr sehn »n
den Wangen mein.
Herr Peter, der ist gewesen zu Nom, da hat er gelernt
Reimen:
Es war eine unselige Stunde, als er von Nom kam Heime.
„Hör du das, meine liebe Tochter, ein andrer Rath fomtnt
mir in den Sinn:
Wir laßen dir bauen ein Kloster, du lebst so fröhlich darin."
Laßt Ihr mir ein Kloster bauen, von hier bis an der Welt Ende:
Gar nimmer hab ich Ruhe darin, bis Gott mein Unglück M
wenden.
Da antwortet' ihr Vater: „von hier bis an der Welt Ende
Will ich bauen ein Kloster so lang, daß dein Unglück mag sich
wenden. “
„ Geh du fort, Mettelill, Tochter mein, eil' weg aus mein»
Gewalt:
Gott laß dich nimmer leiden so schwer, daß du besuchst deinen
Vater zur Nacht."
Und da sprach ihre Mutter, ihre Gedanken liefen so weite:
„Laßt sie hier bleiben in der Nacht, morgen mag sie weitet
schreiten. “
Es war spat am Abend, der Thau schon treiben that:
Das war die stolze Frau Mette, die wollte gehn zu Bett.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 287 —
Da« war die stolze Frau Jngerlill, die kam in den hohen Saal
gegangen:
Da lag Frau Mettelill in ihrem Berr mit Sorgen und blei-
chen Wangen.
Lo zeitig an dem Morgen, als die Sonne möcht' aufstehn,
Da» war die stolze Frau Jngerlill, die wollt zu ihrer Tochter gehn.
lofct lag Mettelill in ihrem Bett, ihr Herz war gebrochen vor
Sorgen:
hm Peter freite sich eine reiche Jungfrau, und führte sie in
seine Bürge.
Mein Herr hat gelobt seinen Gesellen in den Wald zu reiten!
70.
Liebe geht über Königs Gebot.
Zch will nicht an dem hellen Tag in die Mark oder in den
Wald ausrciten.
Denn ich trag um eine stolze Jungfrau beides Sorgen und
groß Leiden.
Denn es scheint mein Schild so weite!
Da« war der junge Anfind, der hüt sich mit 'ner Jungfrau verlobt,
Aber sie hatten sie in ein Kloster gegeben, da ging ihm zu Her-
zen die Noth.
Da« war der junge Anfind, der berieth sich mit den Brüdern sein:
«Ich will schlagen das Kloster darnieder, und holen die Ver-
lobte mein."
Willst du schlagen das Kloster darnieder, und stiften so großes
Unheil:
Erfährt das der König Dyrge, so sehr erzürnt er dabei.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 288 -
Das war der junge Anfind, der berieth sich mit den Gesellen sei»:
„Wir schlagen das Kloster darnieder, holen die schöne Jung-
frau mein. “
Da sagten die tapfern Gesellen, zu seinem Herrn jeder also sprach:
Wir schlagen das Kloster darnieder, es gehe dann wie es mag,
„Es gehe mit des Königs Freundschaft, wie's Gott der Hm
will haben:
Zch will schlagen das Kloster darnieder, und das Glück will ich
laßen zuschlagen. “
Sie ritten zu der Kloster Maur und höreten dabei
So lieblich schlagen die Nachtigall», und singen die Jungftäulcin.
Da sangen neun Jungfrauen, herrlich schlugen die Nachtigallen:
Es sang die" Jungfrau Benedit am schönsten unter allen.
Er schlug nieder die Klostermauer, sie zitterte da so sehr,
Er zog heraus die stolze Jungfrau, aus der Kirche, wo sie gcMi'l.
Da sprach die Jungstau Sireiild, am Altar wo sie stand:
Es kostet dir dein Herzensblut, wird das dem König Dyrge
bekannt.
Er nahm die Jungfrau Benedit, hob sie aufs Roß in die Höh';
Cr führte sie zum Strand hinaus, wie's konnt aufs beste gehn.
Da sprach die Jungfrau Benedit, sah die vergüldeken Wimpel
blinken:
HilfGott Vater im Himmelreich, das Schiff muß im Meere sinken!
Da sprach der junge Angfind, sprach zu der schönen Maid:
„Das Schifflein ist so wohl bewahrt, trägt über die See uns beid."
Sie wanden die seidenen Segel mit den vergüteten Wimpeln aus,
So segelten sie nach Norwegen-Land; zwei Tage währt' ihr Laus.
Er führt' sie zu seines Vaters Burg, ließ dort seine Hochzeit feiern;
Sie lebten zusammen acht Jahre, beides mit Ruh' und Freude.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 290 —
71.
Schwerer Tod.
Magnus war König in Schwedenreich, und halte zwei Tich-
ter so schön,
Die waren beide jung und klein, als ihre Müller in den Him-
mel that gehn.
So weit da fuhren die Helden ihren Weg überSchwedemeich!
„Hör du, stolze Ellen, und liebe Tochter mein:
Willt du dich geben in ein Kloster für die liebe Mutter Wit?"
Ja gewißlich, mein lieber Vater, das thu' ich gern so seh«,
Ich will mich geben in ein Kloster, da will ich leben mit Ehr».
Das war stolz Ellen, die schrieb die Brief alsbald,
Sendete sie an den König von Spanien, sie kamen in Hm
Soune's Gewalt.
So weit fuhren die Helden ihre Wege, so weit über Schwedens:
So bös that Sonne Folkersen: er brach auf der Briefe Band.
Da sprach Sonne Folkersen zu dem Bruder Knud die Wort:
Wir wollen von hier ausführen, und reiten nach Opland fort.
Da ritten sie so sehre ja wohl nach Opland fort;
Sie entböte!» König-Magnus heraus, als sie kamen vor bei
Schloßes Pfort.
Da sprach zu ihnen ein Königs-Mann und auch der Pföm-
ner sprach:
„Der König liegt in Krankheit, nimmer mit Euch reden mag:
Da sie hörten die Mähre, waren froh die Herren beid:
„Nun wollen wir zu Abend besuchen die allerschönsie Maid."
Da ritten sie von dannen so schnell nach Opland hin,
Da sie kamen vor die Klosterpfort', da zogen sie an dem Ring.
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29 s •
Sir kitten vor die Ktosterpfon', und zogen an dem Ring mit
Gewalt:
Steh auf, du kleines Thormägdlein, und laß uns ein alsbald.
Zur Zeit', da sie kamen ins Kloster, in den Klostergang hinein,
Zünden sie die kleine Dienerin, war gehüllet in ihr Kleid.
-Hör du, kleine Dienerin, was ich will nun sagen zu dir:
Weißt du, wo die Jungfrau ist, du birg das nicht vor mir.
Das Haus ist von Marmor, und das Dach ist von Blei,
Da« Detr ist mit Seide gedeckt: eine Zungfrau schlaft darein.
Dawaren sie einen Tag, da waren sie der Tage zwei.
Sie konnten nicht in die Kammer kommen, vor des Königs
Tafeldienern klein.
Sir konnten nicht in die Kammer kommen um gut oder böse Wort,
W sie hieben die Tafeldiener zwölf, daß sie fielen zur Erde todt.
So schnell La ward die Kammerthür, so schnell, aus den An-
geln geschlagen,
Und das war die stolze Ellen, die ward aus dem Bett getragen.
Kr bricht in das Kloster, und wer gehet hinein?
lind wer darf löschen Vas' Nachtlicht da bei der stolzen Ellen?
Hm Tonne bricht in das Kloster, und die Ritter gehen «in,
Leibst löschet er das Nachtlicht da bei der stolzen Ellen.
Durstiß und in blosem Haupte, so kam sie aus der Thür:
Nimmer hört' ich, daß ein Königskind ward so jämmerlich ans
dem Kloster geführt.
Sie war bei ihm einen Winter, war bet ihm der Winker neun:
Nimmer war ihr so weh oder wohl, sie redete mit ih-n frei
Das war die stolze Ellen, die lag in Verlangen so sehr,
Sit sendete Botschaft an Herr Sonne, und bar ihn, zu ihr zu gehn.
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— 29a ~
Lange stand Herr Sonnt und that bei sich gedenkt»:
Wie mag dir stolze Ellen nun Botschaft an mich senden»
Eintrat da Herr Sonne, stellte sich vor die Tafel sofort:
WaS wollt Ihr nun stolz Ellen, warum habt Ihr geseilt«
Euer Wort?
„Ich lieg in schwerer Krankheit, ich weiß, ich muß leiden den Ts-,
Ich danke, Gott Vater im Himmelreich, der hat mich erlis«
aus der Noch."
Er streichelt' ihr die weiß« Wang, zog sie in die Arme sein:
Vergebt mir alle Mißethat, herzallerliebste mein.
„Ich kann Euch nicht vergeben, ach! um so manches Weh:
Ich hab mit Euch drei Töchter, die kann ich nimmer sehn."
Laßt nun auf die schwarze Erde die weiße Seide hinbreiten,
Und läßet nun die schöne Jungfrauen vor ihre Mutter herein leileii.
„Willkommen, stolze Jngerlild, mit deinem schönen Haar,
Und willkommen, stolze Karen und Königsbraut fürwahr."
„Willkommen, klein Christel, und jüngste Tochter mein:
Willst du dich geben in ein Kloster für die liebe Mutter dein?"
Da sprach die kleine Christel: ich sage da« fürwahr,
Hört Ihr, meine liebe Mutter: ich nehm' mir lieber einen Mann.
Das war die stolze Ellen, die weinte vor Angst und Pein:
„Mag ich nicht eine Bitt'erlangen, von dem eignen Kinde mein?"
Da sprach zu ihr klein Christel , Thränen rollten ihr über die
Wangen:
Ich will mich gern in ein Kloster geben, nach meiner liebe»
Mutter Verlangen.
„Wirst Im dort hingeleget in ein Seiden Bettlein schön',
Doch wirst du herausgezogen mit großem Herzensweh."
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— 293 —
Zm zweitenmal streichelt' er ihr die Wsng, zog sie in die Ar-
, me sein:
Angebt mir alle Mißethat, herzallerliebste mein.
„Ich kann Euch nicht vergeben, ach! um so vielen Harm:
Ur habt meine Dienerin zu Euch gezogen, und gelegt in Eu-
re Arm."
„Hk habt meine Dienerin zu Euch gezogen, sie gelegt auf
Kißen blau.
Mich habt Zhr aus dem Bett geworfen, hin auf die blose Strau."
ZW drittenmal streichelt' er ihr die Wang, zog sie in die Ar-
me sein:
Vergebt mir alle Mißethat, herzallerliebste mein.
Sie zog die Goldringe von ihrer Hand, warf sie auf die
schwarze Erde:
»Hr zogt mich aus dem Kloster, gegen meinen Willen so sehr."
Dir drei Iungsräulein traten herzu, Thränen rollten über ihre
Wangen:
Sie wollten für ihren Vater von der Mutter Freundschaft er-
langen.
Das war die stolze Ellen, die legte sich an die Wand zu schlafen:
Sie starb mit diesen Worten, das will ich in Wahrheit Euch sagen.
So nahmen sie stolz Ellen, legten sie in die schwarze Erde,
Dieweil er ihr nicht gut gewesen, Herr Sonne trauerte so sehre.
So weit da fuhren die Helden ihren Weg über
Schwedenreich!
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Stolz Mettelille.
In der Kirche zu Lund eine Versammlung hebt an,
Dahin reiten Gesellen und Nittersmann.
Lebet Thule Vognsön, so soll das werden gerochen!
Ritter und Gesellen, Mägdlein und Frauen,
D>e dänische Königin in rothem Scharlach zu schauen.
Frau Mettelille läßt einen Goldstuhl machen.
Läßt ihn nach der Kirche in Lund hinschaffen.
Insgeheim war der Goldstuhl gemacht.
Mit Hochmuth nach der Kirche in Lund gebracht,
Stolz Mettelill sollte zur Kirche fahren,
Herr Graasvend thät da auf sie wahren.
Frau Mette in dem Goldftuhl steht,
Herr Graasvend gibt ihr sportliche Red.
Frau Mettlille sollte zum Opfer gehn,
Herr Graasvend ging in dem Goldstuhl zu stehn.
Frau Mette am Altar wendet sich daher:
Ueber die Wangen rinnen ihr Thräne» schwer.
„Herr Graasvend, laß fahren die Lüsten dein.
Wir versöhnen uns nimmer im Stuhle mein."
Graasvend Frau Mmriil!' im Haar ergreift,
Und sie nieder zur schwarzen Erde schleift.
Frau Mettelille von der Kirch heim kam,
Ihre sieben Söhn gingen zu ihr heran.
Ihre sieben Söhn gingen ihr entgegen:
Der jüngste that ihr Tuch unter die Füße legen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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'*r 296
Was ick gegen dich damit verbrach.
Mit rothem Gold das sühnt ich ab.
Von Silber und Gold dreitausend Mark:
Für 'nen armen Gesell'» eine Sühne stark.
„Ob du meinen Vater mit Ehre gebüßesi,
Doch meine Mutter vom Goldstuhl stießest."
Sey mir Gott und der heilig Geist zugewandt:
Ach rührt' sie nicht an mir Fuß oder Hand.
Herr Thnle trägtS Schwert unterm Scharlach sein,
Herr Graasvend flieht in die Kirche hinein.
Herr Thule zieht heraus sein Schwert,
Er haut Graasvend in Stücke zur Erd.
Vor Mariä Altar hemmt sich bas Blut so roth.
Vor Sankt Steffens Altar liegen beide todt.
Lebet Thule VognsSn, so soll das werden gerochml
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73.
Hedebys Gespenst.
Ach ritt, da wollte die Nacht eindringen.
Ach legte mein Roß alsbald in Schlingen.
So weit davon der Ruf geht aus!
Ach legre mein Haupt an einen Rain,
Ach wollte so gern da schlafen ein.
Als ich den ersten Schlaf empfing.
Ein todter Manlr zu mir herging.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
297
„Und bist du einer vsn meinem Geschlecht,
Sollst du führen meine Sach im Recht."
„Und du sollst hin gen Hedeby gehn,
Da wohnen all meine Blutsfreunde zehn."
„Da wohnet auch mein Vater und Muttex,
Dazu meine Schwester und lieber Bruder."
„Da wohnt klein Christel, mein schönes Weib,
Und die hat verrathen meinen jungen Leib."
„Mit ihren fünf Weibern sie das thät:
Sie erwürgten mich im seidenen Bett."
' Zn einen Bündel Heu gehüllt,
Brachten sie mich hinaus auf die Heidt wild. »
„Derselbig Gesell, dem ich traute so sehr.
Der leitet nun mein gutes Pferd."
„Ißt mit den silbernen Meßern mein.
Schlaft bei meinem lieben Leib allein."
„Sitzt an meiner breiten Tafel dort.
Spottet meiner Kindlein mit hartem Wort."
„Gibt ihnen nur so klein ein Brot,
Cr spottet sie, weil ihr Vater todt."
„Reitet mit meinen Hunden zum Walde hin.
Und jagt die wilden Thiere darin."
„Jagt alle Thier'in de» Garten hinab:
Da weckt er mich auf au- meinem Grab."
„Doch sollt ich mit ihm nach Hause gehn.
Gar schlimm sollt es dem Mann ergehn."
So weit davon der Ruf geht aus!
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74-
Klein Grimmer.
Grimmer geht über den Boden dahin, kann wohl scherzen mit
dem Schwert:
Gebt uns Znngstau Ingeborg auf unsre Herren-Fahrt.
Nun segelt Grimmer vom Lande!
„Mir dünket du bist so klein, du kannst nicht um dich haue»,
Sie treiben dich gar bald zurück, wie du dich unter Helden laßt
schauen. “
Ich aber bin nicht also klein, ich kann mich ja wohl wehren:
Wenn ich mir Helden kämpfe, mein Schwert kann ich da rühren.
„ Ein Kämpfer haust in Birtings Land, er ist ein Held so kühn,
Kannst du ihn zur Erde fällen, so nimm meine Tochter hin."
Grimmer trat zur Thür hinaus, beides mit Harm und Sorg:
Welche Antwort gab dir der Vater mein? sprach Jungfrau 3»
geborg.
„ Ein Kämpfer haust in Birtings Land, Kämpfers Namen mag
er tragen:
Ich gewinne dich mit Ehre, kann ich zu todt ihn schlagen."
Da sprach zu ihm die junge Magd, mein Vater will Euch
verrathen:
Der Kampfer ist für Euch zu stark, führt Euch in große Gefahren."
„ Ich will Euch leihen einen Helm so gut, drauf mögt Ihr
Euch verlaßen.
Ich geb Euch einen Panzer so hart, keines Schwertes Zahn
darf ihn faßen."
„Ick will dir geben ein Schlachtschwert gut, einen Harnisch,
den du magst tragen:
Auf Erden gibts kein Waffen mehr, da» ihn je könnt zerschlagen."
299 —
„Ein Schwert will ich dir geben, daß du in der Hand es trägst:
Das zerbeißet hartes Eisen so leicht, als tvie du ins Waßer schlägst."
Der Kämpfer stand auf Bratings Burg, und sah hinaus so weite:
Was ist das für ein Stücklein zertrümmert Schiff, das will zu
uns herschreiten?
Das war der kleine Herr Grimmer, der steuerte sein Schifflein
ans Land,
Das war der große Kämpfer, der reicht' ihm die weiße Hand:
„Klein Grimmer sey willkommen, hier kannst du glücklich seyn:
Ich geb dir meiner Schwester Tochter, und halb die Lande mein. “
Nicht will ich daß Jungfrau Jngeborg hSre daheim im Land,
Daß ich sollt nehmen deiner Schwester Tochter, und dir gehen
also zur Hand.
Wir wollen gehn auf Vimmings HSh, dort soll ein Streiten
f geschehn.
Es sollen wir das Leben laßen, eh aus dem Kreise wir gehn.
Darauf antwortet' der Kämpfer, er hatte so rasch eine Hand:
„Den ersten Schlag, den will ich haben, es ist in meinem Land. “
Den ersten Schlag der Kämpfer schlug, er führt so grämliche Red:
Erschlug den kleinen Grimmer, daß er fiel zur schwarzen Erd.
Auf da stand klein Grimmer, nicht lang er harren thät:
Nun sollst du stehen auch gegen mich, eh die Sonne geht zu Bett.
Der andere Schlag kam Grimmer zu, er schlug mit der rech.
ten Hand:
Er schlug in des Kämpfer- vergüldeten Helm, daß im Herzen
die Klinge stch wandt.
Da sprach der Kämpfer zur selbigen Stund, todt fiel er zur
Erde nieder;
„Gäbe Gott im Himmelreich, das wüßt Raadegaard mein Bruder."
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So stöhlkch ist klein Grimmer, daß der Streit ein End genommen,
Cr führet heim in der Zungfrau Land Gold und Silber, dal
er gewonnen.
Nun liegt der Kämpfer erschlagen, sein Blut rinnt bis er tvdl,
Doch Grimmer lebt der junge Gesell, führt weg das Gold so roth.
Grimmer harrte da nicht länger, hät den Kämpfer überwunden;
So fröhlich segelten all seine Mann, daß sie die Deute gefunden.
Die Zungfrau stand im hohen Saal, sie sah hinaus zum Strand:
„Dort seh ich meinen verlobten Mann, er legt sein Schiff an
den Sand."
Hab Dank, du junger Grimmer, du hältst deine Treue so sehr:
Am Monatstag der darnach kam, da mußte dir Hochzeit ge-
schehen.
Nun segelt Grimmer vom Lande ;
75.
D a lby Bar.
Da geht ein Dar auf der Dalby Heide,
Beides ist er fett und breit;
Verwüster den Ochsen und Pferden die Weide.
Wir aber tragen Freude in Dänemark!
Die Dauren werden bös gar sehr.
Daß sie soll zwingen ein häßlicher Bär.
Drum all zu neuem Rath sie lagen:
Wie sie sollten den Bären greifen und schlagen.
Sie ließen die Schwein' in den Wald hinaus.
Das hörte der Bär, der lag beim Schmaus.
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr.
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„ Und meine Stiefmutter das hat gethan.
Daß sie mir that den Zauber an."
„ Band dies Eisen «Band um meinen Hals,
Und das hat sie gethan so falsch."
„Kannst du das Eisen mir aufsprengen,
So will ich dir dein Leben gönnen."
Zch will dir helfen aus deiner Qual:
Mariä Sohn räth überall.
Er löst dich aus diesem harten Band,
So wohl das vermag seine rechte Hand.
Ueber ihm das Kreuz der Hofmann schlagt:
Das Band zerspringt, frei ist der Bär.
Er ward zu einem guten Nittersmann,
Der seines Vaters Reich und Herrschaft getvann.
Dem Hofmann hats guten Lohn gebracht:
Des Königs Schwester, die schöne Magd.
Sie lebten zusammen in Ehr und Freud ;
Das war der Stiefmutter ein großes Leid.
Sie sprang in einen Kieselstein,
Da ward ihr beides Schand und Pein.
Wir aber tragen Freude in Dänemarkt
76.
Die drei Brüder.
Liden der reitet zum Gericht, läßt seine tödtliche Wunde sehen:
„ Und das ist mir nimmer von eineni Weltmann, aber von Baar
meinem Bruder geschehen."
Dort sie nicht reite» mußte»!
-
— 3»3 —
Aufsteht der junge Herre Baar, bittet für sich um Recht alsbald:
Ich biete dir beides Silber und Gold, darzu meines Vaters Wald.
„Hab du selber dein weißes Silber, dazu dein Gold so roth:
Liehst du diese kleine rveiße Hand, und die soll werden dein Tod."
Palle und Daar reiten vom Lands Gericht, gedenken an keinen
Verrath;
Eiden und feine Diener fünf auf dem Rücken folgt ihnen »ach.
Palle, Baar, und Liden, sind drei, die am grünen Berg sich
anreiten:
Da war großer Jammer anzusehn, wie die Schwerter fuhren
aus den Scheiden.
Erst schlug er seinen Bruder Palle, und so schlug er auch Baar,
Das will ich Euch in Wahrheit sagen, Liden selber todtwund war.
llttb so nahmen sie Palle und Daar, und führten sie zu der Stadt;
Aden so blutig unter offnen Wolken liegt in dem Rosenwald.
Nun liegt Liden für Adler und Eul'n und and're Thier' zur
Speis' im Wald:
Das hdrt daheim seine verlobte Braut, die grämt sich zu todt
gar bald.
Hin er gehorcht seiner Mutter Wort, und seine Sach mit
Recht gesprochen,
To waren seine Brüder nicht erschlagen, und ihr Streit hätte
sich gebrochen.
To sehre sorgt stolz Mettelille ja wohl für ihre drei Sühn:
Hm Gott gnad mir diese svrgvoüe Stund, mit meinen Augen
mußt ich's sehn!
To sehre weint sie um Palle, um Baar weint sie noch mehr.
Am allermeist weint sie um Liden: er kam in heidnische Erd.
Dort sie nicht reiten mußten!
„Lot Herr Torkild darf ich alle Gefahren wage»,
Zch weiß Kohl was ich ihm soll sagen. "
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
In sein vergütetes Horn bläßt Torkild der Herr:
Nun hab ich erschlagen den Skaanischen Bär.
Herr Anders Nieisön muß innerlich lachen so sehr:
Da war so schlimm ein Schaden geschehn.
Herr Ofviö Gesellen wollen reiten zum Wald!
7k>
Herr Ribolt.
Biele Kriegsschiff thu ich schauen, und vergütete Maste da«:
Das ist Aller der starke Held, der will zum Lande heran.
Sie warfen ihren Anker in den Grund, im Hauen freuten sie sich;
Jjuu
Aller faßt' das Ruder in die Hand, sprang vorn an den Schi>a-
bel vom Schiff.
Als sie in den Burghof kamen, da achselten sie ihre Kleid,
So gingen sie in de» hohen Saal vor dem König von Upsal «in
„ Heil Euch, o König von,Upsal, ein Herr über Eurer Tafel breit!
Wollt mir Eure jüngste Tochter geben, und sagt mir guten Bescheid"
Das war der König von Upsal, der säumte sich da nicht lang!
Wir ziehen erst auf Vidrichs Wall und versuchen unsre Hofmam
Wie bald war der Panzer vom Balken gerückt, übers Haupt
geworfen der Helm!
So segeln sie nach Vidrichs Wall, ohn alle Rast, viel schnell.
Ribolt nahm seine Stahlstang auf den Rück', ihn lüstet' jn
schauen den Tanz;
Er igedacht über Aller den Sieg zu gewinnen, er gedacht' an
der Ehre Kran».
I
— 307 —
Sit schlugen zusammen mit aller Macht, keiner wollt dem an-
dern weichen,
So mancher Held sein Leben zuseht, seinen Herrn nicht zu betrügen.
Mr hieb, und schoß noch mehr, er sprang in des Königs
Schnecke, *)
Der König erblaßte wie eine Leich unter seiner vergüldeten Decke.
^>Hab Dank, du reicher Herr Ribolt, sein Arm der war so stark:
Aus des Königs vergüldetem Schiff schlug er Aller in's Meer hinab.
Aller gelangt' in ein kleines Boot, so eilig rudert' er da;
Sie schoßen nach ihm mit scharfen Pfeilen, doch keiner kam
ihm nah.
Der König von Upsai wandte sich um, und schaute hinaus in
das Meer:
„Dm seh ich einen wüthenden Mann, wie ein Vogel fliegt,
segeln daher.«
Ein wüthender Mann der bin ich nicht, mich zwingt des Mee-
res Noch,
Der Drach trägt fort mein viel rothes Gold, da wär ich viel
lieber todt.
„Ist das Aller von dem du sprichst, du berg das nicht zum
Schaden,
Erzähl uns von deinem Vaterland: ob des Drachen wollen wir
uns berathen."
Wie könnt Ihr kommen zu dem Land und treten den Drach'
darnieder,
Dazwischen ist ein Waßer so tief, und der Wind ist Euch zuwider.
*) Der Namen einer besondern Art von Langfchiffen, die bisweilen
22 Ruderbänke hatten. S. Olaf Helga Saga in der Heimskringla
e 124.
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- 308 -
„Und ist dazwischen der reißende Strom, will der Wind nicht
wehen zu Glück,
So hauen wir nieder Len großen Wald, und machen daraut
eine Brück."
Hört Ihr das, reicher Herr Ribolt, könnt Ihr den Drach'
überwinden.
So will ich Euch geben Kohlebrand, und alles was dort ist drinnen.
Sie wanden die Segel hoch an den Mast, gute Winde schwell-
ten sie an,
Sie kamen dahin, wo der Drache war, eh's Aller zu merken begann.
Herr Ribolt stieß an den Berg so hart, seine Stahlstang mögt’
er schwingen:
„Gib' mir Kohlebrand, das gute Schwert, oder ich will Streit
mit dir beginnen."
Kohlebrand sahst du heute nicht, so lieb ist mir das Schwert:
Das kommt nimmermehr in deine Hand, so lang mein Leben wahrt.
Sie kämpften einen Tag, sie kämpften zwei, am dritten Tag zur Nacht:
Herr Ribolt stand so männelich, den Drach'er unter sich bracht'.
So nahm er das rothe Gold, was er konnte tragen schwer;
Und als er kam auf Vidrichs Wall, traf ihn so böse Mähr:
Der König von Upsal ist erschlagen, das bringt so großes Leid:
Erschlagen sind all deine sieben Brüder, die so treulich mit ihm
standen im Streit.
Das verdroß den reichen Herr Ribolt, da war so schwer sein Muth, !
Da ging Kohlebrand in seiner Hand gleich brennendem Feuer
und Glut.
Sie kämpften einen Tag, sie kämpften zwei, eh das Streittu
nahm ein Ende:
Herr Ribolt schlug auf Allers Panzer, daß die Kling sich im
Herzen thät wenden.
— 309
Die Königes Mann gingen in die Burg, sie schlugen den Ball
mit Freude:
Sie spotteten den nackte» Herr Ribolt, so zerrißen waren sei-
. , ne Kleider.
„Meine Kleider nicht zerrißen, wie Ihr seht, der Zungstau
will ich das klagen. “
Wir senden ihr ein Hanfgeweb, das ziemt dir am besten zu tragen.
Dieweil sie aber Herr Ribolt kannt', die Znngfrau that abwehren:
„Nicht spottet diesen fremden Mann, viel beßer müßen wir ihn
ehren.“
„Legt weg dies graue Zeug von Hanf, das er nicht am Leib
mag leiden:
Mel beßer ists, dies seidne Tuch auf die Erd' unter ihm zu breiten."
„Erst schlug er Aller den Kampfer stark, der konnt' ihm nicht
entweichen:
So rächt er seines Vaters Tod, seiner sieben Brüder desgleichen.
'Erlebt keiner auf der ganzen Welt, der meines Vaters Reich
sollt haben:
Nehm ich selber den Ritter gut, so ists meine Morgengabe. b
79-
Burmann und Olger der Dane.
Burmann in den Gebirgen hält, sein leuchtendes Schild läßt
er sehn.
Sendet Botschaft an Iselands König, weil er hat eine Tochter
so schön.
Olger der Däne siegt über Burmann'.
— Zro —
Hör du, Zselands König gut, du hör, was ich sage zu dir:
Du sollst mir geben die Tochter dein, oder theilen deine Lande
mit mir.
Du sollst mir geben die Tochter dein, oder theilen mit mir dei-
ne Land,
Oder du sollst mir schaffen den Kämpfer gut, der im Streit
mich bestehen kann.
„Ich hab keine Tochter, denn eine nur, die heißt Zungfta»
Gloriant:
Die hab ich an König Carl verlobt, mein Vertrauen zu ihm
gewandt."
„Einem König hab ich sie versprochen, König Carl wird er genannt:
Kann er sie nicht vor dir schützen, das mag dir frommen dam
Das war Zselands König, der thät in die Kammer eingehn,
Das war Zungfrau Gloriant, die thät vor ihm aufftehn.
„Hör du, allerliebste Tochter mein, hier ist eine Mähre neu:
Durmann, um dich zu werben, hält im Gebirge frei."
„Burmann ist so stark ein Held, im Schimpf kanns nicht geschehn:
Dich aber will er haben, oder einen im Kampfe bestehn."
Das war die Jungfrau Gloriant, die wollt' nicht länger schweigen:
Ein Gefangener in dem Thurme sitzt, ich denke, der kann ihn
bestreiten.
Und über sich ihren Mantel blau zieht dir Zungfrau Gloriant:
So geht sie in den Gefängniß-Thurm, wo die Gefangnen lie-
gen allsammt.
Das war die Jungfrau Gloriant, die über all die Gefangne»
ausrief:
Hör du, kguter Olger aus Däneinark, magst du gehen he«
zu mir?
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
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— Zu ^
Mst du lebendig, Olger aus Dänemark, sey dir kn Wahrheit bekannt:
Hier ist ein Trold, der begehret mich, das ist der schwarze Burmann.
Nimmer will ich den häßlichen Gast, bin verlobt einem Chri-
stenmann :
kannst du ihn im Kampf überwinden, so fröhlich geh ich dir
zur Hand.
„Hier hab ich gelegen fünfzehn Zahr in Banden hart gefangen:
Wohl Euch, o Jungfrau Gloriant, daß Ihr zu mir gegangen."
„Hier hab ich gelegen fünfzehn Zahr, gelitten Hunger und
Durstes Pein,
Ein'n Trokd gleich zu bekämpfen, meine Kraft ist allzu klein."
Hirt Ihr, guter Olger aus Dänemark, o helft mir aus die-
ser Noth:
Eh ich ziehe zu dem häßlichen Trold, viel lieber wär ich todt. i
Der Mann ist grimm und das Roß ist gram, das sag ich Euch
in Wahrheit:
Das hab ich gewißlich gehöret, mit Wolfes Zahn er beißt.
Nichts anders will er eßen, als Fleisch eines Christenmann,
Nichts anders will er trinken, als Blut in Gift gethan.
„Euer Vater gab Euch einen Mann so fein, König Carl ist
er genannt,
kann er Euch nicht schützen vor dem Trold, so geht Ihr mir
zur Hand."
„Wohl Euch, o Jungfrau Gloriant, daß Ihr zu mir gegangen :
Gebt Ihr mir Speis und Trank so gut, ich brech mit Bur-
mann eine Stange."
„Könnt Ihr mir geben mein Roß zurück, darzu meinen Pan-
zer und Schwert:
Durch Eure Schuld soll es geschehn, ich beginn mit ihm eine Fahrt."
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„König Carl ist mein Stallbruder treu, er soll das gewißlich spüre»:
Eh will ich laßen meinen Leib, eh Burmann Euch soll wegführen."
Die beste Speise, die dich lüstet zu eßen, die laß ich dir bereiten,
Dein Roß das geb ich dir zurück, so dich lüstet lieber zu reite».
Ich will dir geben deinen Degen stark, den dich lüstet an du
Seile zu binden:
Ein Schlachtschwert, dem du vertrauen darfst, sollst du dabei
auch finden.
Sie führet Olger aus dem Thurm; sie schneiden ihm Kleider zurecht,
Sie setzen zu oberst ihn an den Tisch: drauf Speise man hertragt.
Durmann kommt geritten in den Hof, denkt die Jungfrau z«
gewinnen:
Olger der Däne gegen ihn reitet; da mußt' er ein andres beginne».
Sie fochten einen Tag, sie fochten zwei, am dritten, da ei
wollt nachten.
Setzten sich die Kämpfer auf einen Stein, zu ruhen sie gedachte».
Das war der tapfre Burmann, der sprach zu Olger diese Wen:
Willst du trauen auf meinen Gott, ich führ dich gefangen sott.
Olger der Däne duldet^ das nicht, antwortet' ihm zu Hand:
„Und wenn du in die Hölle kommst, sag: Olger hat mich gesandt."
Zusammen ritten die Degen aufs neu, so stark war jeder ein Held:
Entzwei gingen ihre Helme gut, die Schlachtschwert fuhren Mt
in das Feld.
Sie stritten so lang, sie stritten so hart, waren matt und müde so sehr:
Erschlagen ward der Kämpfer Burmann, und todt fiel er zur Erd.
Olger reitet zu der schönen Jungfrau: nehmt nun Euer» Bräutigam:
Ich hab geschlagen mit meinem guten Schwert, , den giftig g„
spenstigen Mann.
Olger der Däne siegt über Burmann!
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— 313 —
80.
Der streitbare Mönch.
Da liegt ein Kloster über dem Wald, drauf vergüldete Wim-
pel wehen:
Die das Kloster wollen verrathen, zwölf Kämpfer davor stehen.
Die das Kloster wollen verrathen, zwölf Kämpfer davor stehen;
Es ist um Ochsen und Kühe, der Mönche Nahrung, geschehen.
Der Mönch schaut aus dem Fenster heraus, da erzittert Dalk
und Gemäuer:
„Und sind der Kämpfer nicht mehr als zwölf, so will ich ih«
nen wohl steuern."
„Der Mönch zu seinem Knechte spricht: meinen Kolben hol du mir,
Zch will mich ergehen in dem Wald, und stillen der Kämpfer Gier."
Und fünfzehn trugen den Kolben herein, nicht minder und
nicht mehr;
Mit zwei Fingern hob der Mönch ihn auf, so leichtlich trug
er ihn daher;
Der Mönch nahm den Kolben auf seinen Rück, ist hinaus in
den Wald gegangen;
Dort begegnet' er den Kämpfern zwölf, die wollten ihn greifen
und fangen.
Eie schrieben Kreise in die Erd, eine andre Weist jeder da sang:
Das kann ich Euch in Wahrheit sagen: gar bitter das Lied-
lein klang.
Erst schlug er vier, dann schlug er fünf, dann schlug er alle
zugleich;
Das war der kahlköpfige Mönch, den lüstete noch weiter nach Streit.
Das war der kahlköpfige Mönch, den lüstete spatziren in die Weite,
Da ging er aus dem WaldjHeraus, so listiglkch über die Heide.
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- 3*4 -
Da ging er aus dem Wald heraus, so listiglich über die Feld«,
Da begegnet' er einem Zauberer grau, den nannte man Si>
vardt Gielde.
„Und wenn du bist derselbige Mönch, der Leids den Kämpfern gethan:
Entweder sollst du schimpflich fliehen, oder männlich vor mir stahn."
Und ich bin derselbige Mönch, der Leids den Kämpfern gethan,
Ich will nicht schimpflich vor dir fliehen, aber männlich vor dir stahn.
Der Zauberer schlug den ersten Schlag, er schlug dem Mönch
auf die Platte,
Daß die Haut mitten auf dem Kopf ihm sprang, und die Klei-
der blutnaß er hatte.
Da schlug der Mönch den ersten Schlag", daß der Zauber«
zur Erde fiel:
„O Schande dir, kahlköpfiger Mönch, schwer sind deine Kolbenhieb."
„Halt du nun ein, kahlköpfiger Mönch, und schlag du mich
nicht so sehr,
.Ich will dir geben Silber und Gold und Pfennig' darzu noch mehr."
Der Mönch der fleugt, der Zaubrer kreucht, doch beide «och
gleich hoch:
Da zeigt er ihm ein kleinesHaus, mit fünfzehn Thüren von Gold.
Mit fünfzehn Thüren all von Gold, zeigt er ihm einHaus so klein;
Da empfing der Mönch beides Silber und Gold, das sollt«
genug ihm seyn.
Sieben Lasten Silber, sieben Lasten Gold läßt er zum Kloster führen:
Er bittet zu senden einen andern heraus, der den Kolben bcßer
könnt rühren.
Das dauerte bis ging die Sonne zur Ruh, wohl bis zur Abendzeit,
Ta hatte der Mönch, bis zum Kloster hin, fünfzehn welsch«
Meilen weit. ' .
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3*5
Das dauerte bis zur Abendzeit, da zur Erde die Sonn' ging hinab.
Doch nahm der Mönch das erste Gericht, das kam auf den
Tisch vor den Abt.
Kfzehn Mönchen hieb er in das Blut, weil der Brei noch
nicht auf dem Tisch,
Fünfzehn hängt' er auf in den Rauch, weil noch nicht gesot-
ten der Fisch.
Da sprach der kleine Bube, der bracht' die Grütze zum Brei:
»So oft der Mönch zum Kloster kommt, mögen wir erwar-
ten derlei."
Das dauerte bis zur Abendzeit, wo das Volk sollt' gehen zu Bett,
Da schlug er aus dem Abt ein Aug, weil ec so lange sitzen thät.
Der Abt da zu dem Bette lief, durft weilen nicht länger mehr;
Das will ich Euch in Wahrheit sagen: er war in Noth so sehr.
Und morgens früh, da es ward Tag, die Klocken begannen
zu klingen,
Da wollte der kahlköpfige Mönch nicht lesen und nicht singen.
Dann ging er zu dein Chore hin, wo Mönch und Nonnen drinnen;
Es durfte vor dem kahlköpfigen Mönch keiner lesen und keiner
singen.
Da machten sie den Abt so fromm zu einem Mönch wie alle,
Da ward gesetzt der kahlköpfige Mönch zum Abte über alle.
So hat er gehalten das Kloster mit Macht wohl über dreißig Zahre;
Da starb der kahlköpfige Mönch, ein Abt über sie alle.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
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Sturst als Svend Felding Frau Zudtelill sah, diese Worte thät
er sprächen:
Lmvünscht seyen Deine Hände beid, die deine Augen sollten
waschen.
Lmvünscht sey die Dienerin, die dir soll Waßer zutragen:
Da« ist Sitte in Dänemark, Fräulein zu Tugend und Ehre
sich halten.
Pc du, Herr Svend Felding, spott' du so kränkend mich nicht:
Zch habe das fürwahr gehört: du bist ein unehlich Kind.
„Bin ich auch ein unehlich Kind, die besten Freunde stehn mir
zur Seite,
Da mag ich tragen den Scharlach roth, und mit hundert Roßen
reiten. “
ist nimmer so arg ein Schalk, hat er ein paar rothe Hosen,
Wie er kommt nach Deutschland, nennt er sich eine Rose.
„Er ist nimmer so arg eine Hur', hat sie ein bunt bemahltes
Haupt,
Wie sie kommet nach Dänemark, nennt sie sich eine Frau."'
„Was hilft es, daß wir säumen hier, die Zeit ist hingegangen,
Wie es uns mag ergehen, trägt mein Herr zu wißen Verlangen."
„WolltIhr folgen, es ist jetztZcit, ich thue was mein Herr will:
Der Gott der Euch zusammenfügt, kann Euch wieder trennen
gar schnell."
DaS war Herr Svend Felding, der faßte Frau Zudtelill mit
den Armen beiden.
Und setzte sie nieder aufs Schifssverdeck, daß es ihr gallt' in
den Eingeweiden.
Ne wanden hoch auf an dem vergäldeten Mast ihre güldenen
Segel frei.
So segelten sie nach Dänemark, in wcnger als Wochen zwei.
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Das war Herr Svend Felding, der steuerte sein Schiff ans Land:
Das war der dänische König der trieb sein Pferd auf dem Sand.
Das war Herr Svend Felding, der thät schwingen seinen Hut:
„Herr, springt nicht mit dem Roße heut, wir gewannen »ich
Freude gut."
Sie nahmen alsbald die junge Braut, und führten sie aufdasLand,
Ihr ward da Ehr erzeiget sowohl von Weib als Mann.
Sie setzten sie in einen vcrgüldeten Karn, belegt mit Edelgestein:
Den gab ihr der König von Dänemark, eh sie ward die Fraue sein,
Da sprach die Jungfrau Judtelill, als zuerst sie das Braul-
haus, sah:
Schand sahen die Zimmermänner, die Feist anlegten da.
Schand sahen die Zimmermänner, die gebracht das Bier und Eßen,
So auch Herr Svend Felding, der Hofmann, der's thät eßen.
Da sprach der Herr Svend Felding, er konnt den Spott nicht leiden:
„ Wendet Euern Wagen herum, nach Deutschland läßet ihn schreiten.
„Die Stollen sind von Pappeln, die Nägel von Eichenholz stark:
Dir ziemts nicht Jungfrau Judtelill zu schlafen bei dem Köniz
von Dänemark."
Da sprach Herr Peter ein Kämpfer, er war ein Helde stark:
Heut am Tage will ich mit dir fechten um ein Roß und hnn<
dert Mark.
j. Genug hab ich Gold und Pfennige und darzu Pfennigs werth:
Ich will fechten mit dir heut am Tag um aller Jungfrauen Ehr."
Den ersten Ritt, den sie zusammen ritten, jeder war so stark ein Heid:
Entzwei da ging Svend Feidings Schwert, ihre Schilde nie
. ben weit ins Feld.
Da lachte die Jungfrau Judtelill, sie lächelt' unter ihrem Scharlach
So gethan sind all meine Hofmänner, die ich nach Dänmark gebrach
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 319 —
Darauf der Herr Svend Felding zu dem Braut Haus hineilt':
„Herr ich komm eilig von dem Kampf, leiht Euer Roß mir heut."
Da sprach der dänische König,, es war seine eigene Ehr:
So gerne leih ich dir Kraubein, wenn du hast Dies nicht hier.
Sie leiten Graubein aus dem Stall, war gefleckt gleich einem Aar:
»Gebt es Herr» Svend Felding, der ist kein Kind fürwahr."
Sie leiten heraus das schnelle Graubein, legen einen Goldsat»
tel darauf;
Das war langer als neun Winter, daß cs die Sonne nicht geschaut.
Dm andern Ritt, den sie zusammen ritten, zornig waren die
Helden beide:
Da kniete Herr Peter des Kämpfers Roß, sein Haupt trieb
weit in die Heide.
Da weinte die Jungfrau Zudtelill, sie schlug in die Hände vor Leid:
Unselig bin ich nach Dänemark kommen, mit den stärksten Hel"
den zwei!
Da lachte der König Von Dänemark, er lächelt' unterm Scharlach roth:
! »So gethan sind alle dänischen Hofmänner, denen ich gebe
Kleid und Brot."
Kühe am Morgen, da es war Tag, Frau Zudte fordert' Mor-
gen Gabe:
Gebet mir Herr Svend Feldings Haupt, und anders will ich
nichts haben.
»Ich will dir geben reiche Burgen und Schloß, großen Reich-
thum, drüber zu walten.
Du erhältst keinen von meinen tapfern Gesellen, mit denen das
Land ich muß halte».
Da sprach Herr Svend Felding, er stand-für sich allein:
»Knie ich vor Zudtelill heute, brechen stracks mir beid' meine Bein."
Sie trachten hin nach Dänemark!
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82.
Herr Plog.
Früh Morgens als die Lerche sang.
Unter so grün einem Hügel!
Herr Carl kleidete vor dem Bett sich an.
Der König von Dänemark laßt das rächen!
Sein schönes Hemd das zog er an,
Grünseiden gestickt ein Wams sodann.
Bocklederne Stiefel zog er an die Bein,
Wergüldete Sporn daran geschnallet fein.
Vergütete Sporn daran geschnallet fein;
So reitet Herr Carl zum Gericht allein.
Herr Earl da reitet auf dem Weg daher,
So manches Wunder versuchet er.
Herr Carl der gehet zum Gericht;
So mancher Mann vor ihm da flieht.
Der König sagt zu Dienern neun:
Bindet Herr Carl und laßt michs schaun.
Aufstanden alsbald die Diener neun.
Banden Herr Carl und ließens den König schaun.
Sie führten Herr Carl hinaus vor den Ort,
Auf ein neues Rad legten sie ihn dort.
So schnell ein Bor' zu Herr Plog trat ein:
„Der König läßt rädern den Bruder dein."
Herr Plog sprang übern breiten Tisch sofort.
Er gab darum nicht viele Wort.
Bocklederne Stiefel schnürt er an die Dein,
Vergüldete Spor» daran geschnallet fein.
Vergütete Sporn daran geschnallet fein.
So reitet Herr Plog zum Gericht allein.
So stark er reitet und stärker noch,
Sein gutes Roß springt überhoch.
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— 3-3
„Klein Christel die ist ein schön Fräulein,
Herr Buris ein'm Roßbub gleich mag
Der KSn'gin erbleiche' ihr Rosengesicht:
Mein edler Herr, wie verachtet Ihr mich.
Sie schlug die Hand auf den Tisch sofort:
So wahrhaftig will ich rächen die Wort.
König Waldemar sollt' in den Krieg ausfahren,
Herr Buris sollte das Land bewahren.
Der König der zog aus dem Land,
Am folgte manch' schöner RitterSmann.
Am folgten so manche Ricrerschaaren,
Er gab fort seine Schwester, die Apiegelklare.
Einem mächtigen Fürsten, beides reich und fein,
Gab er klein Christel die Schwester sein.
Königin Sophie und Herr Buris saßen über der Tafel dort,
Sie gedacht' an König Waldemars Wort.
Hör du, Herr Duris, lieber Bruder mein:
Und du sollt locken des Königs Schwester sein.
Herr Buris seine Schwester ansah:
„Meine liebe Schwester, was redet Zhr da?"
„Selche That die thu ich nimmermehre.
Ich hoff' meine Herzlichste soll sie werden."
Daß du sie gefreit, das kümmert mich nicht,
Hätte nicht mein Herr gespottet dich.
Sie schlug die Hand auf den Tisch sofort :
Du mußt dich wohl richten nach meinem Wort.
Herr Buris zog über de» Mantel blau,
Und ging zu Christel, der edlen Jungfrau.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— Z24
Er bat sie beides früh und spät,
Doch nimmer sie seinen Willen that.
„Herr Buris, wie wollr Ihr mich so verrathen,
Wre wollt Ihr Euch von meinem Bruder lossagen?"
Herr Buris mit bleicher Wang fortgeht,
AuS Herzensgrund er sie lieben that.
Herr Buris zog über sein Scharlachkleid,
So ging er vor die Königin Sophie ein.
„Der Jungfrau Sinn ist fest so sehr.
Ein Ritter überwindet sie nimmermehr.
Was bist du für ein Liebesmann,
Wenn du nicht Runen lesen kannst?
„Mit Treuheit will ich dienen meinem Herrn,
Mich kümmert- nicht, daß ich deine Runen lern."
„König Waldmar vertraut Reich und Lande mir:
Sollt ich verrathen seine Schwester dafür?"
In die Hand« sie Runen ihm schreiben that,
Er warf sie in der Jungfrau Bett.
Klein Christel ward beides angst und weh,
Sie mußte zu Herr Buris gehn.
Sie stieß an die Thüre unter dem Kleid:
Sieh auf, Herr Buris, und laß mich ein.
Aufstand Herr Buris im rothen Scharlachkleid,
So lockt' er herein die schöne Maid.
Die Nacht schlief sie in des Ritters Ärm,
Sich selbst zur Sorg und zu täglichem Harm.
Das dauerte den Sommer bis zum Herbste spät,
Klein Christel unter der Brust es wachsen thäk.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
Mn Christel spricht zur Dienerin:
„Zur Fraucustube folg du mir hin."
„Hol mir fünf Frauen herein ins Gemach,
Bitt die Königin auch, daß sie komm' darnach.
Und Christel spricht zum Buben klein:
„Hol mir alsbald Herr Duris herein."
Auf des Saales Drücke begegnen sie sich,
Sie reden zusammen so sorgelich.
Cie zogen einander in den Arm,
Sie erbleichten beide vor Herzens Harm.
Das Wort das war hermngegangen,
Der König von der Fahrt that heim gelangen.
König Waldemar eintrat in die Thür,
Königin Sophia streckte die Hand nach ihm.
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Der König über die AM sich schaut:
„Wo ist meine Schwester? wie gehts der Jungfrau?“
Königin Sophie unterm Scharlachkleide lacht:
Das sind drei Monden, seit ich sie fach.
„Sollt' ich Königin von Dänemark seyn,
Wollt' ich beßer lehren die Jungfrauen mein."
Die Königin sprach: sie ist nicht zu belehren,
Den» sie gehorcht mir nicht in Ehren.
„Me redet Ihr von meiner lieben Schwester so schlecht,
Sie hat allzeit gelebt in Ehren recht."
Sie ist gegangen in unsre Stube von Stein,
Sie hat geboren ein Kindiein klein:
Der König traurig im Muthe spricht:
„Sophia^bienen Worten trau ich nicht."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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328
Hör, stein Christel, was ich sage zu -dir:
Ein Liebeslied das sing du mir.
„Ein Liebeslied ich nimmer sang,
Ich sing ein andres, so gut ich kann.
Du sollt tanzen und du sollt singen.
Meinen Gästen heut Abend Lust bringen.
Klein Christel hub an eine Weise zu singen.
Nach welcher viele Ritter zu tanzen beginnen.
Der König mit ihr zum Tanze sprang.
Er nahm seine Schwester an der weißen Hand.
Sie tanzten hin, sie tanzten her die beid,
Er konnt' nichts erkennen an der Maid.
Er prüfte so oft ihren Gesang,
Noch mehr sah er aus ihren Gang.
Ihren Gürtel maß er mit Fleiß sodann.
Doch konnt er nichts erkennen daran.
„Schand dir, Sophia, Königin mein.
Wie hast du gelogen auf Christel klein?"
Das ist wahr bei Gott und nicht gelogen:
Sie har eine Tochter heimlich geboren.
Sie thäc an klein Christel noch mehr Leid:
Sie riß ihr auf die Brüste beid.
Sie that an dem König noch mehr Unlust:
Sie drückte Milch vor seinen Fuß.
Sie drückte Milch vor den König auf die Erd:
Traut nun meinen Worten, mein edler Herr.
Der König wird schwarz wie der Erde Grund,
Klein Christel verschwinden die Sinne zur Stund.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Da schlug er so lange auf die Magd,
Bis sie in blutigen Strömen lag.
Sie kroch unter der Königin Sophie Kleid,
Die trat sie fort mit ihren Füßen beid'.
„Verbergt mich unter Euerm Scharlach roth.
Durch Christi Schuld, der für uns litt den Tod."
„Ich vergieße so manche Thräne schwer:
Gott gnade mir, mein Glück »ft hart so sehr."
„ 0 Brüder, laßt mich so lange leben.
Derweil ich vertheil meine Seelens.Gaben. “
„Euch selbst geb ich meine guten Schützer all,
il Ihr habt mein Leben in Eurer Gewalt."
„Meiner Tochter geb ich mein Gold so roth,
Weil sie soll laßen rachen meinen Tod."
„Der Königin Sophie »rill ich mein silbern Mcßcr geben,
Weil sie verrathen mein junges Leben."
„£> klein Buris, Gott geb dir Weh!
Nun ist mein Herz in Sorgen gestellt."
„Und nun hab ich gethan meine Deicht:
Mein lieber Bruder, sey mir gut und geneigt."
„Meine See! geb ich dein reichen Christ;
Der mir gutes gönn', hier keiner ist.
Sie bot gute Nacht jedem in dem Saal,
Um sie weinten so traurig sie allzumal.
Da weinten um sie Frauen und Iungsraulein,
Nur Kön'gin Sophie, die böse, murrt allein.
So die Rose ihren Geist aufgab.
Und ihn in GorreS Hand befahl.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 53* —
Da ward dem König vor Bangheit schwer.
Und daS Herz in der Brust schlug ihm so sehr.
„O Sophie, was ölst du ein untugendlich Weib
Daß du nicht um sie willst tragen Leid."
„Schand dir, Sophia, du böses Weib,
Was du gern gewollt ist geschehen heut."
„Nun ist meine liebe Schwester todt:
Wohin sollen wir legen die Rose roth?"
Auf die Riber Gaße wollen wir sie legen,
Meines Roßes Eisen mag täglich drüber treten.
„Nimmermehr sollt du die Freud empfangen.
Daß dein Pferd wär über sie hingegangen."
Zum Westervig Kloster laß ich sie leiten.
Die rothen Decken über sie breiten.
Er läßt klein Christel so herrlich begraben.
Er traun um sie all seine Tage.
„Nun will ich in ein dunkles Haus eingehn.
Wo ich weder Feur noch Licht kann sehn.
„Da mag keine Sonne geben über mich Schein,
Eh ich gebüßt die Sünden mein. “
Der König spricht zum Buben sein:
„Heißt Herr Buris vor mich gehen ein."
„Hör du, Herr Buris, was ich sage zu dir:
Und wie hast du gedienet mir?"
„Einen Weingarten gab ich dir zu bewahren,
Drin hast du gethan mir großen Schaden."
«Den schönsten Weinstock hast du verwüstet mir,
Selber zu Sorg und täglichem Leide dir."
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
— ZZ2 —
Herr Buris vor dem König fällt auf die Knie:
Mein lieber Herr, verzeiht das mir.
„Ja du mußt leiden auch solche Noth,
Sie hat geduldet für dich so hart einen Tod."
Den ärgsten Tod, den ihr anthut meinem Leib,
Den leid ich gern für das schöne Weib.
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Dem Noßdieb soll man die Augen- ausstechen(bcid.
Weil er verrathen das schöne Weib."
Er ließ ihm die beiden Augen ausgraöen,
Königin Sophie mochte so sehre klagen.
Die rechte Hand und den linken Fuß darnach,
Die ließ er auch ihm hauen ab.
So ließ er ihn führen hinab zum Schloß,
Der Königin Sophie zu Spott und Schande groß.
Das that er der Königin Sophie zu Ehren:
Er ließ Herr Buris Augen vor sie legen.
„Schau nun deinen Bruder den mächtigen Herrn,
Der wollte viel fürstlich seyn so gern."
Der König ließ eine Kette schmieden.
Ins WestcrvigS Kloster ließ er ihn legen.
Daran ging Herr Buris elf Jahre lang,
Zu ihrem Grabe war jeden Tag sein Gang.
Er bedung von dem König jeden Tag,
Daß er neben sie werde gelegt ins Grab.
Er mußte dem König all seine Lande geben.
Daß er durst liegen im Kloster neben.
Gar bald starb er im zwölften Jahr;
Klein Christel war fromm!
Der König nimmer gut der Königin war.
So herrlich konnte sie stelle» die Runen!
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Ich hab nimmer dich belogen hier.
Wie willst du ernähren dich Zngerlild,
So du nicht an des Königs Hof dienen willt?
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Der König zog sie unter Len Mantel sein:
„Lüstet dich zu ruhen bei dom Mutterbruder dein?
Sag mir, du schöne Zungsrau Zrigerlild,
Ob an des Königs Hos du dienen wrilr.
Der König ließ ihr geben so manchen Schlag,
Dis sie in blutigen Strömen lag.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
337
Sie kroch unter Zngerlildes Kleid,
Die stieß sie fort mit den Füßen beid.
Schlimm hät ich gestellt meine jungfräuliche Ehre,
Sollt' ich bergen dich arge Hure.
Sie schlugen sie so lange,
Dis sie der Tod bezwange.
„Todfist Sophie das böse Weib:
Wohin soll'n wir nun legen ihre Leich? “
Wir woll'n sie legen mitten auf die Riberbrück,
Da gedacht sie, sollt wohnen meine Mutter lieb.
Wir wollen befolgen so schnell dies Wort,
Und sie schaffen aus der Burg bald fort.
Nun liegt Königin Sophie auf der Niberbrück brau-',
Nun waltet stolz Ingerlild über ihr Haus.
Nun liegt Königin Sophie in schwarzer Erd,
Nun waltet stolz Ingerlild über ihr Gold so werth.
Stolz Ingerlild ward eine Königin bald,
Ganz Engelland kam unter ihre Gewalt.
So schnell da gehet das Tanzen!
85.
Königin Dagmar.
I.
Brautfahrt.
Mig Waldmar und Herr Strange sitzen über der Tafel breit,
lind beginnen unter sich zu reden so manches Wort von alter Zeit.
Da segelt Strange nach der Königin Dagmar!
22
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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- 338 -
Hör du, Herr Strange, was ich sage dir, du sollst fahren |u
Land mir aus .
Und du sollst fahren in das Dohemische Land, meine jung!
Braut holen nach Hau«.
Da Herr Strange Sbbeson so klüglich that er sagen:
Soll ich ziehen in das Dohemische Land, wer soll dann mit mir
fahren ?
So nimm mit dir Herr Limbeck jung, und auch Herr Oluf LiK
Und nimm den reichen Herr Peter Glob, und andre nach du-
nem Dünken.
Und nimm den Bischof von Seeland, einen so gelehrten Man»,
Und auch Herr Albert von Eskelsee, seine Wort er wohl fügen kam
Das war der junge Herr Strange, der ging nieder zu dem Strand,
Ihm folgte König Waldemar selbst, mit manchem wohlgeb«.
nen Mann.
Sie segelten drei Wochen lang wohl über die salzige Fluht;
Als sie kamen vor die Gränze von Böhmenland, da ward ft
frei ihr Much.
Sie zogen die Segel, warfen die Anker in den Grund, ein je-
der eilt' ans Land:
So schön war da die Herren-Schaar, Herr Strange der m-
derste Mann.
Und als sie kamen auf das Land, da schickten sie Botschaft ad,
Sie ließen dem König von Böhmen sagen, sie wären des dä-
nischen Königs Rath.
Sie hätten zu reden mit ihm insgeheim, wie es ziemlich auft
beste mögt seyn:
Und Seide ward da auf die Erde gebreitet, sie sollten komm»
vor den König herein.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
- 339 -
„Heil Euch, o König von Böhmenland, Zhr seyd ein Fürst
mik Ehre,
Wmg Waldmar um Eure Tochter lieb sendet Botschaft an Euch
hierher."
*** Herren, nehmt Handtuch und Waßer an, setzt Euch an die
Tafel zur Hand,
Bis wißen Euern Antrag gut, seyd willkommen in unserm Land.
Sie trugen herein das Würfclbrett, die Würfel von Gold so reine;
Herr Strange sollt' mit dem Fraulein spielen, und reden mit
ihr alleine.
Der König ging in den hohen Saal, mit der Königin sich zu
berathen,
Die Herrn sind kommen aus Dänemark, die wollen meine Toch-
ter haben.
„Und wenn der König Waldmar von Dänemark will unsre
Tochter haben,
Wir geben sie dem mächtigen Mann, darzu auch theure Gaben."
Sie legten ihr an das rothe Gold, sie führten zum Saal sie hin;
Herr Strange ein Ritter jung und sein, der stand da auf vor ihr.
Und alsbaid ward von rothem Gold die dritte Schachtafel gebracht:
Herr Strange das edle Fräulein gewann, in König Waldemars
Macht.
Sie schlugen über sie die Seide blau, führten sie in den Saal
hinein:
„Hier mögt Zhr sehen das Fräulein selbst in Tugend und Sit-
ten fein."
Des dauerte bis zum Abend spät, als die Tafel ein Ende hät,
Herr Strange, der Hofmann weis' und klug, sollt folgen der
Braut zu Bett.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
So führten sie das Fräulein zu Bett, zu dem guten Nittersmaun:
Herr Strang' in Zucht und Ehre gegen das Fräulein wieder aufstand.
„0 sagt, Herr Strange, in Wahrheit mir, dieweil nun allein
wir zwei:
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 341 —
Mein gnädige Fraue Dagmar, ein Fürst ist's, mächtig und kühn:
Er hat Burgen und reiche Festen, drei Reiche gehorchen ihm.
„Und wenn ich will, soll dirs werden leid, daß du gelogen so sehr:
Mir däucht', als hätt' nur ein einzig Aug von Dänemark der
König und Herr."
Hirt Ihr das, schöne Iungstaue, zum Krieg ist er ein Mann:
Er hat wieder gewonnen für Dänemark alle Nordalbingische Land.
Er ist ein Mann und Fürste weis, seine Feinde darf er anschauen :
Die fliehen vor ihm nach Osten und Westen, wenn er beginnt
zu dräuen.
Wer Land und Leben wagen will, und versuchen gute Kampfesspiele,
Ist er ein Fürst voll Muth und Blut: so kann er beides verlieren.
Höre das, o Zungstau schön und fein, seyd fröhlich und erfreut:
Diese Fahrt sollt Zhr nimmer vergeßen all Eure Lebenszeit.
Und alle Stunden, die Ihr leben mögt, bin ich Euer Diener so gern:
Es sollen Euch lieben und ehren in Dänmark all' edle Herrn.
So tranken sie ihr Hochzeitfcst zu einer so guten Stund:
König.Waldmar und Königin Dagmar liebten einander aus
Herzens Grund.
Da steuere sich groß und klein, der Arme mit dem Reichen,
Da freute sich Bürger und Bauer so herzelich desgleichen.
Sie.kam ohne Schuld, sie kam in Fried, dem guten Bauersmann
thät sie Hilfe gewähren:
Hätt Dänemark immer solch eine Blume, man sollt es preißen
und ehren.
Und alle, die lebten in Dänemark, die mußten Dogmar lieb haben:
So lange sie auf der Erde war, hatten sie so gute Tage.
Dort segelt Herr Strange nach der Königin Dagmar'.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
«chor aratz; gvö uoa u-bru-U r;q avar svE
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- 343 —
Und als er kam aus dem Thurm heraus, da war so schwer
sein Gang:
„Hier hab ich geseßen bis ins zwölfte Zahr, die Zeit war mir
so lang."
Leine Schwester zog den Goldkamm aus ihrem Schrein, sie kämm-
te sein gelbes Haar:
Lei jeder Locke, die sie ihm schlang, flößen ihr die Thränen herab.
Oweine nicht so sehr um mich, du liebste Schwester mein:
Lin ich lebendig nur wieder ein Zahr, mein Leid soll gero-
chen seyn.
„Schweig still, o Bischof Waldemar, dein Zorn sey nicht
dein Herr:
Denn kommst du wieder in Seeburgs Thurm, ich seh dich
nimmermehr."
Der Bischof nicht konnt verwinden sein Leid, bis er mußt' räu-
men das Land:
Des verdroß die Kön'gin Dagmar zu meist, daß es sich nicht
beßer gewandt.
Daß Dagmar gekommen in das Land, deß war ganz Däne-
mark froh;
Und Bürger und Dauer die lebten in Fried', ohne Schatzung
und Pflugpfennigs Noth.
Christ segne die jungen Edlen beid', daß sie zusammen leben
recht lang,
Gotteswort, und Redlichkeit, Recht und Gericht, handhaben
vor jedermann.?
Das Fräulein kam aus edlem Böhmerland!
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 345 -
„Du bringst zur Welt drei Söhne kühn:
Die Meerfrau tanzet auf der Flur!
Dein junges Leben verderben sie:
So thu ich deinen Willen."
Soll mirs um sie nicht beßer ergahn:
Die Meerftau tanzet auf der Flur!
Sag mir, welch Schicksal werden sie sahn?
So kannst du thun meinen Willen.
„Der eine wird König von Dänemark seyn,
Die Meerfrau tanzet auf der Flur!
Der andre tragen die Goldkrone fein:
So kann ich thun deinen Willen."
„Der dritte wird werden so weis ein Mann;
Die Meerstau tanzet auf der Flur!
Für ihn mußt du dein junges Leben lan:
Nun hab ich gethan deinen Willen."
Die Königin zog über ihr Haupt das Kleid,
Die Meerfrau tanzet auf der Flur!
Sie ging in den Saal vor dem König ein:
Denn sie hat gethan ihren Willen.
Hört, allerliebster Herr? mein:
Die Meerstau tanzet auf der Flur!
Gebt mir doch diese Meerftau fein:
Weil sie gethan meinen Willen.
„Dieser Meerstau Leib nicht geb ich dir.
Die Meerftau tanzet auf der Flur!
Sie verräth meine sieben Schiffern mir:"
Da thut sie nicht meinen Willen.
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Wie die Erde wird schwarz die Königin,
Die Meerfrau tanzet auf der Flur!
Sie fallt wie todt vor den König hin:
Weil sie thut seinen Willen.
- 347 -
IV.
( Tod.
Kinigin Dagmar liegt in Ribe krank, zu Nkngsted *) wird
man sie erwarten;
Me Frauen, die in Dänemark sind, die laßt sie zu sich laden.
In Ringsted ruht Königin Dagmar i
„Hr holt mir vier, Ihr holt mir fünf, Ihr holt mir wei-
se Leut:
Hr holt mir auch klein Christel, und Herr Carls Schwester frei.«
„Hr holt mir junge, Ihr mir alte, Zhr holt mir die Gelehrten:
Ur holt mir auch klein Christel gut, die werth ist aller Ehre.«
Mn Christel in die Thüre trat, sie schimmert' so roth von Gold,
Ge konnte das Licht auf dem Leuchter nicht sehn, weil ihre
Augen so thränenvoll.
Klein Christel in die Thüre trat in Zucht und gutem Sinn:
Gand auf und zog sie an die Brust Dagmar, die Königin.
„Kannst du lesen und kannst du schreiben, und kannst du lösen
meine Pein,
Co sollst du tragen Scharlacheistokh, und reiten den Zelter mein.«
Kann ich lesen und kann ich schreiben, das will ich so gern
Euch beweisen.
Das will in Wahrheit sagen: Eure Pein ist harter als Eisen.
Klein Christel faßte drauf das Buch, und schaute hinein und
sprach:
So helf Euch Gott im Himmelreich, Eure Pein ist Härter
als Stahl.
*) Begrüvnißort Her rönigl. Familie.
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348
Sie nahm das Buch in ihre Hand, so sorglich thät sie darin lesen:
Hilf nun Christ im Himmelreich, daß Ihr fristet Euer Leben.
Die nahm die Schrift und das heilige Puch, sie las darin
wieder und wieder^
Das will ich Euch in Wahrheit sagen: die Augen gingen ihr über.
Sie führten sie hinaus, sie führten sie hinein, sie litt je lan-
ger je mehr:
„Dieweil es nicht bester werden mag, sendet Botschaft nach
meinem Herrn."
„Will Gott es haben, daß es muß geschehn, und der Dd
steht mir bevor:
Sendet eilig Botschaft nach Skanderburg, meinen Herren fia-
•. der Ihr dort."
Das war der eine Reuterbub, der säumte nicht länger mehr:
Er hob den Sattel vom Balken herab, legt' ihn auf sein Mi-
stes Pferd.
Das war der andre Reuterbub, der schwang sich auf sein roth Pferd:
Und hastiger that er reiten, als ein Falk durch die Luft dringt daher.
Der König stand auf des Saales Brück, und schaute hinaus
in die Weite:
„Dort seh ich meinen Reuterbub so sorgelich herreiten."
„Dort sch ich meinen Reuterbub, so sorgelich kommt er daher:
Nun rache Gott Vater im Himmelreich, wie mag eS mit Da-
gemar stehn!
Eintrat der kleine Bube, stellte sich vor die Tafel sofort:
Er war klug im Reden, könn;' fügen viel gut seine Wort.
Königin Dagmar hat mich gesendet, sie will reden mit Eich
so gern.
Sie.verlanget also stark und viel, daß sie weinet, nach ihrem
Herrn."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
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Der König schlug das Tischbrett zusammen', daß all die Wür-
fel sungen:
stab, o Gott im Himmelreich, daß Dagmar stirbt so junge.
Der König zog von Skanderburg, hundert Diener folgten ihm
da nach,
lind als er kam an Gridstädts Drück, Dagmars Bub nur bei
ihm war.
Wer ritt über die Nandbyl Heid, folgten fünfzehn Diener sein,
W er kam über die Riber Brück, da war der Herr allein. —
SDa war groß Jammer in der Frauen-Stube, die Frauen
weinten alle so sehr:
Unigin Dagmar starb in klein Christels Arm, als der König
die Straße ritt her.
Das war der König von Dänemark, der trat zur Thüre hin,
LaS aber war klein Christel die gute, die streckte die Hände nach ihm.
„Hirt, Herr und gnädiger König mein, seyd nicht in Sorg
und Leiden,
M Ihr gewonnen habt einen Sohn, geschnitten aus Dag-
mars Seite."
Ich bitt Euch alle, Jungfrauen und Maid', ich bitt' all' und
jede hier:
Thut ein Gebär für Dagmars Seele, daß sie darf reden mit mir.
Zch bitt Mich, Frauen und freundliche Weib, so viele als sind hier:
Zhr thdt ein Christen Gebär für mich, daß ich darf reden mit ihr.
Sie fielen auf die bloßen Knie, so viel als waren drinnen,
Sie hörten des Königs Klag und Gebät, daß er sie lebendig
mögt finden.
Und die Königin richtet' von der Bahre sich auf, ihre Augen
waren blutig rorh:
„Ach Waldemar, mein edler Herr, warum macht Ihr mir diese Noth?"
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11
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 35o -
„ Kein Mensch darf mich ja fürchten, keine Sünd' auch Hai
ich gethan,
Ais daß ich die seidnenErmel klein am Sonntag geschnüret mir an?
„Die erste Bitte, die ich thu' an Euch, so gern Zhr gewähren sollt!
Allen friedlosen Männern den Frieden gebt, und die Gefangn«
aus den Eisen laßt loö.“
„Die zweite Bitte, die ich thu' an Euch, die kommt Euch
selbst zu Frommen:
Gedenket nicht an Berngerd sobald, sie ist eine bitt're Blum«.
„Die dritte Bitte, und der größte Wunsch, den Ihr sollt Ä
gut bewahren:
Laßt unser liebstes jüngstes Kind sobald in den Krieg nicht fahren."
„Und geht Ihr selber in den Tod, laßt ihn die Krone m
Dänemark tragen;
Berngerd will Euch einen andern gebären, der gedenkt ihn >«
verrathen. “
„Klein Christel nehmt zu Euerm Weib, eine Jungfrau reich
und schön;
Da kommt Ihr mir in meinen Sinn, wenn es wird anders ergeh»?
Diese Bitten, die Ihr gethan an mich, die gewähr ich Euch
mit Freud,
Doch nimmer nehm ich klein Christel oder auf der Welt '»«
Dienerin zum Weib.
„Und wollt Ihr nicht nehmen klein Christel, nicht auf Erd«»
eine Dienerin,
So werdet Ihr fahren nach Portugall zu einer bittern Blume hin?
„Hart ich nicht meine Ecmel am Somttag geschnürt, und di«
Streifen daran gemacht,
So hätt ich nicht gesündigt damit, und hätt nicht so schlimm
eine Nacht."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
- 353 -
Aber bringt sie 'ne feine Tochter zur Welt,
Soll sie mir geben die Hälft' von dem Geld."
Der König ging zu ruhen im De»,
Nicht lange er da wachen thät.
Das erste, was er im Traume sah:
3hm däucht', Dagmar die stände vor ihm da.
„Herr, nun habt Ihr die bittre Blume genommen,
Von der ich Euch geweißagt zu kleinem Frommen: “
"Zieht Ihr im Jahr aus in den Krieg,
Läßet Berngecd nicht bleiben hier. “
„Laßt Ihr Euch mehr von ihrem Schmeicheln betrügen.
Weinet das Kind, das liegt in der Wiegen:"
«Ich rath Euch, daß ihr sie nehmt mit hin,
Ihr sollts selbst- erkennen, zu Eüerm Gewinn."
Der Herr läßt entbieten über all das Land
Zur Kricgsfahrt jeden zehnten Mann:
„Meine liebe Fraue, Ihr seyd das werth,
Daß Ihr versuchet mit uns diese Fahrt."
Der erste Pfeil, der im Krieg geschoßen ward.
Mitten in Berngerds Herze traf.
Da sah man keine Augen fließen,
Und für Berngerd trauern und Thränen vergießen.
Und nun liegt Berngerd in schwarzer Erd:
Der Dauer behalt im Hof seine Ochsen werth;
Nun liegt Berngerd in schwarzem Grund:
Die dän'schen Männer lieben ihren König aus Herzensgrund.
Nun liegt Becngerd in ew'ger Unruh,
Und der Bauer behalt beides Roß und Kuh.
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354
Böser Ruf wird von Berngerd vernommen,
Sie war so manchem zu kleinem Frommen.
Viel beßer ist ein kurzes Leben in Ehren, l
Als eines jeden Unlust und Klage zu hören;
Viel beßer ifls der Tugend anhangen,
Als das Gold der Welt mit Sport erlangen.
Weh da ward Berngerd;
87-
Klage König Waldemar II.
Leonora die Kön'gin in Kindes Noth
Setzt zu ihr jung Leben, und leider den Tod.
Ach! ach! ach!
Sie kani nach Dänemark von Portugal!,
Nun geht sie ein in Gottes Freudensaal.
Mit den Seelen im Engel-Chor sie sich freut:
In der Erde Sanct Benedicts ruht ihr Leib.
Ihr Herr hielt Hof auf Kallundborg,
Er gedacht' die Zeit sollt löschen seine Sorg.
Neun Monde kaum vergangen sind.
Zu kühlen sein Herz er Lust empfind.
Ein Monden vor Weihnacht war gefallen ein Schnee,
Der die wilden Thier' zwang aus den Höhlen zu gehn.
Da sagte der König am Morgen früh:
„Jagdklepper und Schweißfuchs sattelt mir."
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355
Seinen Bogen der König, und Köcher und Pfeil,
Nach alter Sitte, warf er um den Leib.
Und stieg so schnell aufs Jagdpferd sein.
Wie hüpfb.pom Nest ein Vögelein.
Gen Rosnes König Waldemar ritt zur Jagd,
Die wilden- Thier' er zu fällen gedacht'.
Jagdvolk und fünf Diener folgten ihm.
Führten Garn und Hunde mit sich dahin.
Aus dem Dickicht des Gartens, gen Bunekier quer.
Das erste Rudel ging durch den Wald daher.
Sie sperrten den Weg und klatschten viel.
Und Reh und Haas kamen zu dem Spiel.
Und als sie kamen zur Rylders Höh,
Wie schnell sprang auf ein junges Reh!
Stahlbogen spannt Eskild, legt auf den Pfeil,
Und meint das Reh werd ihm zu Theil.
Zu des Königs Füßen springt das Reh,
Nachfolgt der Pfeil, thut dem König weh.
Vom Roß der König fällt alsbald,
Nicht lang drauf spricht er: gute Nacht!
Der Wald all hört, wie er ruft au weh!
Das Jagdvolk bei der Leiche weint so sehr.
Aus Meeres Grund steigen die Fischlein alsbald.
Wie das Trauer Gebot zu ihnen schallt.
Auch der Felsen am Süden Strand hört das Schrei'n,
Und taucht vor Leid ins Waßer ein.
Der schwarze Stein klagt in Norden so sehr:
Dolche Farbe trug er nimmer vorher.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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356
Wie sein Vater König Waldemar das vernahm,
Wie ein Pfeil in seinem Herz es stack.
Seine Finger knackten, so grimm war er,
Diß die Zähn' zusammen vor großer Schwer'.
„Gedenket, sprach er, der Lyöe-Zagd,
Hier ist gefallen all Dänemarks Macht."
„Wie der Sturm das reife Korn abbricht.
So Dänemarks Freud und Lust hier liegt."
„O Dänemark, erkennst du deine Noth,
So mußt du weinen das klare Blut."
„Fürwahr, wir können sagen zu aller Zeit:
Hier erjagte sich Dänemark kleine Beut."
„Und Rosnes fortan soll finden der Wind,
Daß sich nicht bergen mag Reh und Hind."
„Wo in Rosnes tausend Bäum gewesen sind,
Sollen sie abgewelkt seyn vor bösem Wind."
„Wo in Rosnes sonst Eich und Buche stund,
Da soll garstiger Hundslauch sprießen zur Stund."
„Wie Rosnes gab sonst fröhlichen Schein,
Soll fürder ein Dorn zu finden kaum seyn."
Mit dem Leichnam die Klage gen Ringsted ging,
Sankt Benedicts Kirche den Leib empfing.
Ach! ach! ach!
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Seine jüngste Schwester dazu sagt',
Trug Gold an ihrem Kleide:
Und war sie erwachsen in dieser Nacht,
Ihr kommt nicht zusammen beide.
- 359 -
An des Kaisers Hof diente Herr Axel werth,
Vergüldet waren seine Sporen;
An seiner Seite trug er sein Schwert,
Lebte nach ritterlichem Orden.
Herr Axel ruht' im Bette süß,
Wies ziemlich einem Herrn mag scheinen.
Doch Nächtens hat er nicht Ruh' in sich.
Vor seinen starken Traumen.
Herr Axel schlief im hohen Saal,
Ruht' auf zarten Seidedecken,
konnt nicht ruhen in der Nacht zumal:
Von ftimr'süßen Braut Träum' ihn erschrecken.
Ihm träumte da, daß Valdborg schön
Stand gekleidet in Sammet mit Ehre,
Und bei ihr saß Hangen des Königs Sohn,
Von ihr Zusage begehrte.
Am Morgen früh, da der Tag ward hell,
Und der Lerchen Stimm erschallte,
Srieg aus dem Bett Herr Axel so schnell.
Und kleidete sich gar balde.
Er sattelte hastig sein Rößlein gut,
Ihn lüstet' in den Wald zu reiten:
Die Träum' wollt' er schlagen aus seinem Muth,
Den Vogelfang hören mit Freuden.
Und als nun Axel dahin kam,
Und im Rosenwald rhät reiten.
Da traf er einen Pilgrim an,
Wohl zu denselben Zeiten.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 361 —
Gold trägt sie an der weißen Hand,
Mit Perlen durchflochten ihr Haar;
Wo sie gehet, heißt sie jedermann
Herr Axels Braut, fürwahr.
Sie nennen sie Axels Verlobte schön.
Doch ihre Verwandten all sinnen,
Sie zu geben Haagen des Königs Sohn;
Wollen Lust damit gewinnen.
Das war Herr Axel Tordson,
Der wickelte sich in sein Kleid,
So, ging er in den Saal so schön
Vor dem römischen Kaiser ein.
„Heil Euch, frommer Kaiser Heinrich«
Den Zucht und Tugend geleiten:
Bei Euch um Urlaub bitten will,
Zn mein Vaterland zu reiten."
„Mein Vater und meine Mutter sind todt.
Mein Gut steht in Gefahren:
Doch mehr um die süße Braut zwinget mich Noth,
Die will ihre Treu nicht bewahren."
Urlaub den sollst du haben so gern.
Den will ich dir selber verleihen;
Wenn steht zurücke dein Begehrn,
Dein Platz soll offen bleiben.
Herr Axel ritt aus des Kaisers Hof fort,
Ihm folgten so herrliche Schaaren,
Und alle die waren am Hofe dort.
Die hießen ihn alle wohlfahren.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Das stand so an der Monat fünf.
Und wohl der Monat- neun;
Elf Grafen Söhn die kamen zu ihr.
Und alle um sie zu frei'».
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best.
„Ein Unglück groß den Much mir bricht,
Das har sich gegen mich erhoben:
Ich kann schön Waldborg gewinnen nicht,
Sie thät sich mit Axel verloben."
Wie geht mein Herr so sorglich dahin,
Wornach steht sein Begehren?
Welch Unglück ist ihm begegnet schlimm?
Das wollt mir nicht verhehlen.
6rirrim Nr. L 79
Tauf-Geschwister sind beide fürwahr
Nach solchem Klosterrechte,
Dabei könne» wir erfahren klar:
Zu nah ist ihr Geschlechte.
Uud da sprach die stolze Waldborg,
Zm Nosenwalde zur Stund:
Selten seufzt ein frohes Herz vor Sorg,
Aber oft lacht ein sorgvoller Mund.
Außen vor Mariä Kirchhof darauf
Stiegen die Ritter von den Pferden;
Dann gingen sie in die Kirche hinauf.
Freunde und Ritter zugleich, die werthen.
Sie ruhten mitten im Kirchengang,
Wo der Bischof und die Geistlichen waren;
Daß beiden war im Herzen bang.
Daß konnte man wohl gewahren.
Der Erzbischof in der Kirche stand.
Mit silbernem Stab in den Händen,
Seine Ordensbrüder allzunial,
Die ihre Lieb sollten wenden.
Und mit dem Buch in seiner Hand,
Sich der schwarze Bruder Smk einfindet:
Daß Axel und Waldborg sich verwandt.
Aus der Ahnentafel vd verkündet.
„Nahe Geschwisterkinder sind sie fürwahr.
Aus hohem adlichem Blute beide:
Ihre Verwandschaft sieht im vierten Grad,
Der Priester soll sie scheiden. “ •
Eine Frau hielt beide zur Taufe dar.
Als sie empfingen der Taufe Gaben,
Herr Asbiörn beider Parhe war;
Sie dürfen einander nicht haben."
— 369 —
» Sie sind verwandt durch Geburt und Blut,
Von adlichem Gildschem Geschlechte,
Dann sind Tauf-Geschwister gut.
Dürfen sich nicht lieben mit Rechte. “
Sie führten sie zum Altare dann,
Gaben ein Handtuch beiden in die Hände:
Sie waren nicht rräg, sie zerschnitten das Band,
Weil der Geselle der Jungfrau Verwandter.
Mitten entzwei das Handtuch geschnitten ward.
Daß jedes ein Stück mußt' behalte»;
Keiner lebt auf der Welk so stark,
Daß er über sein Glück dürft walten.
„Das Handtuch ist geschnitten entzwei.
Damit habt Ihr uns geschieden;
So lang wir leben ists vorbei,
Ihr habt gebrochen unsre Liebe."
Von den Fingern zogen sie ihr die güldnen Ring,
Und das Goldband von ihrer Hand;
Der Ritter seine Gaben wieder empfing:
Gelöst war der Liebe Band.
V
Herr Axel warf M Gold auf den Altar,
Sanct Oluf zur Ehre zu reiche»;
So lang« als er leben mag,
Will er Waldborg treu verbleiben.
Hangen der Königs'Sohn erzürnch dabei
Unter der rothen Seide so sehr:
„Kannst du sie nicht laßen insgeheim.
Ist sie gewißlich Iungstau nicht mehr."
24
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Sprach Erlaub der Bischof, der da stand,
Der weiseste vor den andern allen:
Der scheint mir ein unerfahrener Mann,
Der nicht kennet der Liebe Gewalten.
Groß Feuer löscht aus des Waßers Fiuht,
Darzu den brennenden Brand,
Darüber geht der Liebe Glüht,
Die niemand dämpfen kann.
Und daß sie niemand löschen kann,,
Brennt die Sonnenhitze schwer:
Ein Harrer Weh ist der Liebe Band,
Das zerbricht gar nimmermehr.
Herr Are! zu dem Königs Sohn spricht.
Der stand in Seide roth:
„Von dieser Schuld befrei ich mich,
Und wär ich morgen todt.°
Der Königs Sohn tritt auf den Stein so breit,
Zorn durch das Herz ihm fahrt:
Morgen sollt Ihr schwören mir einen Eid,
Und das ohn' alle Gefährd.
Morgen sollst du schwören mir.
Bei Schwert und heiliger Schrift sagen:
Ob Waldborg Iungftau ist vor dir,
Oder ob du bei ihr geschlafen.
„Soll ich das Zeugnis legen ab.
Das kann ich thun viel gut;
Im Feld ich noch bestehen mag,
So lang noch stisch mein Muth." —
372
Da kommen die elf Ritter herbei,
Von Pelz ihre Kleider schön:
„Wir schwören mit Herrn Axel heut,
Wie es auch möge ergehn."
Wie der Regen fallt strömend, so Thränen rinnen
Ueber die Wangen dem Jungfräulein:
Ach', wie soll ich nun Freunde finden.
Elendig fürwahr muß ich seyn.
Daß mir mein Vater und Mutter todt,
Vor Gott ich darum klage:
Der Gott, der hilft aus aller Noth,
Weiß warum ich all daS trage.
Frau Julli ruht unterm Marmorstein,
Herr Immer in schwarzer Erden:
Ach! könnten die noch im Leben seyn.
Meine Freunds müßten hold mir werden.
Und wie sie da saß in Jammer und Weh,
Und in der höchsten Sorge,
Da kam Herr Haagen und ließ sich sehn.
Geritten zu der Bürge.
Und hastig trat er hin zu ihr.
Sprach zu der kummermüden:
„Heute schwör' ich einen Eid mit dir:
Ich thät mich selber entbieten."
„Tretet her, meine Söhn, sieben an der Zahl,
Ihr sollt zu dem Zeugnis hergehen;
Die Söhne Herr Tarls aus Sönderthgl
Die sollen hier bei uns stehen."
Die Gedanken, die Euch kommen um mich,
Die läßet schnell wieder fortgehen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
„Hör du, Waldborg, Jnngsräulein traut:
Warum fitzst du so betrübt daneben?
Dieweil du bist eines Königs Braut,
Muß dein Herz in Freude leben."
Die Königin bat ihre Zungfraulein
Zu wirken das Gold, das gute;
Still stand Waldborg, ein Fräulein so sein,
Ihr Herz vor Sorge blutet.
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Vor ihm fiel nieder manch stacker Held
Er machte dir Sättel leere.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Er schlug die Herrn von Oppeland,
Die ritten auf hohen Pferden;
König Ammons Sohn fiel von seiner Hand,
Grafen und Herzogen werthe.
Die Pfeile flogen in so dichter Schaar,
Wie wenn Dauern das Heu aufschlagen;
Hangen der KönigsrSohn verwundet ward.
Mußt gar bald de» Tod davon tragen.
Und als Haagen der Königssohn
Vom Roß mußt' niederfallen,
Herr Axel, der edle Herre schön,
Da drang er ein auf alle.
Herr Axel Tordson, hör du an:
Rächst du meinen Tod mit Muth,
So gewinnst du das Nordische Reich und Land,
Und unsre Jungfrau gut.
„Recht will ich rächen deinen Tod,
Der Ruf soll weit ausziehen:
Ich schon' mich nicht bei Kampfes Noth,
Und nimmermehr will ich fliehen."
Herr Axel rennt' in die Schaar,
So zornig war sein Muth:
Jeden, der ihm entgegen war.
Vor seine Füß' er niederschlug.
Da fielen die starken Männer zur Erd,
Wie das Korn, das die Dauern abschneiden:
Und Axel, der edle Herre werth,
Tröstet' sich männlich in seinen Leiden.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
„ Den Sieg haben Ne gewonnen frei.
All Nordenland zu Ehren;
Mancher Bauer hat gelaßen seinen Leib,
Und so mancher edler Herre. “
Als sie nun warfen die schwarze Erd
Ueber schön Waldborgs Arm,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Sie nahm Gold und nahm das große Halsband,
Und nahm die Armring' breite.
Die gab sie Herr Haagen mir Mund und Hand,
Der mit ihr schwor die Eide.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
382 —
Nun gehet Waldborg in das Kloster ein,
Sie duldet so vielen Zwang:
Keine Meße versäumt die Jungfrau fein,
Und keinen Frühgesang.
Mein Glück das wendet so oft sich um!
k. Marsk Stig.
Erstes Lied.
Marsk Stig der fährt aus zu Land, Ruhm und Ehr' ist seine
Beut;
Daheim sitzt Herr König Erick, lockt sein herzliebstes Weib.
Aber die Fraue sitzet in Seeland, so manchmal sie da
sorget!
Der König schreibet Herr Marft Stig zu, er sollte sein Haupt-
mann feytt,
Zur Stund, da er auf der Kriegsfahrt war, misbraucht er sein
herzliebstes Weib.
Der König sendet Herr Warft Stig ein Gebot, er sollt' in
den Krieg ausführen;
Selbst er, der König, wollt bleiben daheim, und seine Haus-
frau bewahren.
Da kam herein der kleine Bub, von Pelz da war sein Kleid:,
„Herr, es halt des Königs Diener klein draußen vor dem Ho-
fe frei.“
Aufstand der junge Marsk Stig, kleidet' sich vor dem Bette sein,
So ging er zu reden in den Hof hinaus mit des Königs Bube klein.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
JjUffte:
383 —
,Hört Ihr, junger Herr Marsk Stig, ohne falsch zu Euch
, spricht mein Mund:
Zhr sollt fahren nach des Königs Hos, sollt folgen mir zur Stund."
Hör du, liebster kleiner Dub, was ich da sage zu dir:
Mißt du von des Königs heimlichem Rath, das sollst du nicht
bergen vor mir.
„Nichts weiß ich von des Königs Rath, daß Ihr es könntet hören,
Nutzer Ihr sollt fahren in den Krieg, und des Königs Ban,
ner führen."
Herr Marsk Stig in die Thüre trat, ihm wars im Herzen
so gram:
„Fürwahr, o stolze Frau Ingeborg, mein Traum will nun
gehen heran."
„Ich träumte, daß mein gutes Roß lief zur wilden Stute dort:
Da ward ich todt geschlagen, mein Pferd das lief mir fort."
0 schweiget still, mein edler Herr, von dieser Rede laßt ab.
Der reiche Christ im Himmelreich, wohl Euch bewahren mag.
Das war der junge Herr Marsk Stig, der ritt ein zu des Kö-
nigs Hof,
Und haußen stand der dänische König, in Pelz gehüllet wohl.
„Hör du, junger Herr Marsk Stig, ich mach', daß du dich
mußt rühren:
D» sollst ausführen jetzt in den Krieg, und meinen Banner
führen."
Soll ich ausführen jetzt in den Krieg, und wagen für Euch
meinen Leib,
Bewacht mir die schöne Frau Ingeborg, sie ist so schön ein Weib.
Da sprach der junge König, lacht' unter dem Scharlach sein:
„Zhr soll es nicht seyn mehr zum Schaden, als war sie die
Schwester mein.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
•— 384
Biel wohl will ich Frau Ingeborg hüten, viel wohl haben «uf
u, sie Acht,
Ihr soll es nicht seyn mehr zum Schaden, als wart Ihr selber da.
Das war der junge Herr Warst Stig, der aus zu Lande zog;
Zurück blieb die schöne Frau Ingeborg in Angst und großer Noth.
Da aber der König Herr Erick den Sattel auss Roß legen läßt:
„Wir wollen zu Land ausreiten zu der schönen Frau Zngborg
als Gäst. “
„Heil Euch, Fraue Zngeborg, und wollt Ihr werden mir hold,
So näht mir ein Hemd von Seide, bestickts mit vielem Gold."
Und näh ich, Herre, Euch ein Hemd, und zier'es aus mit Gold,
Hört das der junge Herr Warst Stig, er wird mir nimmer-
mehr hold.
„Hört Ihr stolze Frau Ingeborg, Ihr seyd ein Weib so schön:
Mögt Ihr wohl werden die Allerliebste mein, weil wir Warst Stig
im Lande nicht sehn?" ;
Da aber sprach die Frau Zngeborg, sie war so schön ein Weid:
Eh' ich sollt Herr Warst Stig betrügen, eh laß ich mei- >
nen Leib. ,
„ Hört Ihr, stolze Frau Ingeborg, und wollt Ihr werden die
Liebste mein.
So soll jeder Finger an Eurer Hand Gold tragen so roth und fein." ><
SJ
„Warst Stig hat mir Goldring' gegeben, und Ketten um mei-
nen Hals:
Fürwahr, o König Herr Erick, ich werd ihm nimmer falsch."
„Das habt Ihr dem jungen Herr Warst Stig gelobt, als er
zu Land ausgesahren: ^
Als ob ich Eure Schwester wär, . wolltet Ihr mich hüten tu>d
bewahren. “
Das war der schönen Frau Jngrborg ihr allergrößtes Leid:
Leides stüh und spar, alle Zeit und Stund, König Erick zu
ihr hinreit't.
Las war der Herre König Erick, der ihr noch viel schlimmers
anthat:
Zar Stunde da Warst Stig im Kriege war, an seiner Herz-
liebsten übt' er Gewalt.
war der junge Herr Warst Srig, der kam aus dem Krieg
heim gefahren;
Die ihm entgegen gingen, so stark die Mähren waren.
M er gekommen zu Lande heim, in seine Burg ritt er sofort:
Nicht wollte die stolze Frau Ingeborg ihm geben ein einziges Wort.
Dar war der junge Herr Warst Stig, der eintrat in die Thür:
wollte die stolze Frau Ingeborg aufstehen da vor ihm.
stand der junge Warst Stig und gedachte da bei sich:
Warum will meine schöne Hausfrau nicht beßer achten auf mich.
La sprach die schöne Inzeborg, Thränen rollten über die
Wangen der Frau:
«Seyd willkommen, Herr Warst Stig, mein liebster Herre auch."
«Höret, junger Herr Warst Stig, was ich klage vsrEuch so sehre:
kinig Erick hat mir Gewalt angethan, und mich gekränkt an
meiner Ehre."
„Zur Zeit, da Ihr fuhrt aus zu Land, eines Ritters Frau ich war:
Sion bin ich KSn'gin von Dänemark, das frommt gar wenig
fürwahr."
,Zm Zeit da Ihr fuhrt aus zu Land, war ich ein Ritters Weib:
ülim bin ich Königin von Dänemark; das schändet meinen jun,
gen Leib."
Des war der junge Herr Warst Stig, der zog sein Meßer heraus:
das mir ein andrer gesagt, das hätt' gekostet sein Haupt.
-L
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 386 -
Ich will nimmer schlafen einen Schlaf in Euerm weißen Arm,
Eh' ich erschlagen König Erick, uns befreit von diesem Harm.
Ich will nimmer schlafen einen Schlaf, Frau Jngborg, an Eu-
rer Seil',
Eh' ich erschlagen den verfluchten Ehbrecher, der mir angethau
dies Leid.
Lange stand der junge Herr Marsk Stig, bei sich er da gedacht:
Soll ich rächen an dem König dies Unrecht, ich send ihm »im
mir 'ne Botschaft.
Marsk Stig läßt wassnen seine guten Hofmann, in Eisen und
Panzer Ring;
So reitet er gen Skanderborg, fordert den König vor Gericht.
Das war die dänische Königin gut, die sah aus dem Fenster
so weite:
Dort hält der junge Herr Marsk Stig, und wohin will der reiten?
Und dorther reitet der junge Herr Marsk Stig, vom Söndeu
Fluß reit't er herauf,
Zeder Gesell den er mit sich hat, der gleicht einer Taube grau.
Das war der junge Herr Marsk Stig, der trat in die Thüre
zur Hand,
Das war die dänische Königin so klug, die spottet' ihn, bas war
ihm Schand.
„Sey Willkomm, Duß van Huß, sey du willkommen hier,
Wirst du König von Dänemark im Zahr, bring's wenig Ehre dir."
Und ich nicht heiße Duß van Huß, wie Zhr in Spott mir sagt,
Zch kenne wohl Peter Haddingsön, der in Euerm Arme lag.
Soll ich für all meine Sorg und Noth keinen andern Rath
empfangen,
Am Landgericht klag' ich vor manchem Mann, wie mir zur
Hand ist gegangen.
Erst klag ich mein groß Elend, was das Recht ergeben will;
?ah ich da keinen andern Rath, brauchen wir ein ander Spiel.
Aber die Fraue sitzet in Seeland, so manchmal sie da sorget!
Zweites Lieb.
Warst Stig wacht' auf um Mitternacht, zu seiner Liebsten thät
er reden:
Und mir hat geträumt so wunderlich, Gott rathe, wie es soll
werden.
>
Mein edler Herr, der junge Herr Marsk Stig/
«Ich träumte, daß mein großes Schiff war worden ein klei-
ner Kahn,
Mer und Steuer sammt allem war fort, wir konnten ans
Land nicht heran."
„Ich träumte, daß meine Hunde klein waren worden wilde
Schwein,
Und sie hatten verwüstet mein Wurzgärtlein, und gewühlt in
den Kräutern mein."
„Und ich träumte von meinen guten Hofmann, wir ritten über
'ne Brücke breit,
Wein Roß das schlug mich unter sich, lief zur wilden Stute weit."
Da sprach die stolze Frau Ingeborg, sie redet' zu ihrem Herrn also:
Das weiß Gott allein im Himmelreich, wie das Schicksal gehen soll.
Hegt und ruhet, mein edler Herr, und habt darauf nicht Acht,
Das deutet unsre Bauern und gute Mann, wie sie Schatzung
uns heim gebracht.
„Und das ist weder Dauer noch Bürger, und wie du sagen magst,
j Dar ist gewißlich König Erick, der mich bestehn will am Landesrag."
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- m -
Herr Warst Srig läßt waffnen sieben hundert Mann, in Hal-
les Eisen alle gekleid't,
Und wo er den König treffen durst, gen Viborgs Stadt er rcit’t.
Zuvorderst reitet der junge Herr Warft Skig, so getrost in
seinem Much;
Darnach reiten, an der Brust das glänzend: Gold, all feine
Hosmänner gut.
Das war der junge Herr sparst Stig, der eintrat in die Thür;
Das waren Ritter und.Rittersmann, sie standen auf vor ihm.
So ging er zum Land Gericht, seine Noch klagt er zur Hand,
Das verdroß beides Bauer und Bürger zugleich, und jeden
edel» Mann.
„Und mir ist geschehen so groß ein Leid, das mag ich klagen
trauriglich: ...
Meiner Hausfrau ist Gewalt angethan, so groß ein Schimpf
für Mich."
Aufstand HerrKönig Trick so schnell, und bot ihm die weiße Hand:
Seyd Willkomm, junger Herr Marsk Srig, daheim aus frem-
dem Land.
Darauf der junge Herr Warft Stig, so zornig im Herzen, spricht:
„ So schlecht verlor ich meine Müh, als ich in den Krieg ausritt.«
»,2ch war ausgefahren in den Krieg , zu wagen für das Reich
meinen Leib:
Daheim aber saß König Trick, nothzüchtigte mein schönes Weib."
Da sprach der junge König Trick, er lacht'unterem Scharlach sein:
Frau Zngeborgs Ja und Willen war gleich so gut als mein.
Und der junge Herr Warft Stig war wenig froh, und diese
Wort er sprach':
„ Es pflegt ein alter Spruch zu seyn: Spott und Schande fol-
get nach, “
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
- 38g -
„Ahr habt genothzüchtigt meine liebe HM-'ftaü, uns gebracht
in dieses Leid:
Gedenkt daran, junger König Erick, damit habt Ihr verloren
Euern Leib."
PrrMarskStig äuS dem Gericht geht fbif; seinenHut er ziehet ab:
„Nehm's in den Sinn jeder ehrliche Mann, ich hab dem Kö-
nig widersagt."
Pr, du junger Herr Warst Stig, laß fahren solche Ned:
Zch geb dir beides Burg und Festen, beides Gold und grü-
ne Erd.
„Mich kümmern nicht deine Burgen und Festen, die kommen
in den Sinn mir nicht:
Zch wollt' die That wär ungerhan an der Fraue tugendlich."
W von den besten Schlößern hier, in Dänemarks gutem Reich,
Die geb ich dir zur Sühne, die magst du behalten gleich.
Nicht aber reite du, Warst Stig, so stark, ich kann mich
ja wohl wahren;
lind nullt du gar nicht werden mein Freund, ich komme drum
in kleine Gefahren.
„Nicht reit' ich über das Feld so stark, Zhr könntet ja werden
meines Gleichen:
wd habt Zhr das nicht ehr gehört, daß die Macht der Kunst
muß weichen?"
Nicht bin ich stark, und auch nicht so streng, ich kann Euch
den Weg nicht versagen:
Mir find't doch zuweil' einen Windhund so keck, der einen
Hirsch allein kann jagen."
„Nicht führ ich Schlachtschwerter so viele, die Euch verhindern
den Paß:
sin kleiner Haufen kann doch wohl umwerfen eine groß« Last."
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— 3go —
So reitet der junge Herr Märst Stig zu Frau Ingeborgs Kam,
merlein fort:
Seyd Willkomm, mein edler Herre, jvon Eurer Mannheit hab
ich gehört.
Fürchtet nicht den König oder all seine Macht, er ist so feig
ein Mann,
Ihn mag nicht leiden weder Gelehrter noch Lai' in seinem gan-
zen Land.
Ich hab' wohl einen Schwester Sohn, der dienet ihm so nah,
Der gibt uns vom König Botschaft geheim, wenn er allein
seyn mag.
Wenn Ihr die Kröt' erschlagen habt, der zu schlafen und trin-
ken mag lüsten:
Für Euch wird König Erick in Norwegen biederb mit Schiffen
und Männern sich rüsten.
Ziehet gen Hielm, bauet dort ein Schloß, das keiner gewin,
nen kann,
Jütland und Seeland liegen im Kreis, so nah andre kleine
Länder daran.
So lang Ihr lebet, Ihr bleibt ein Herr, meine Sorge zum
Tod mich treibt:
So gern ich sterbe und von hinnen scheid', wenn Ihr gerachet
mein Leid.
Gar nimmer war ich freudig oder froh, seit mir Gleppning
angethan diese Schand;
Christ segne Euch, Märst Stig, in aller Fahrt, und geh Euch
wohl zur Hand!
Christ segne unsre Tochter, das junge Blut, um sie trag ich
großes Leid':
So gewißlich im Jahr lieg ich alsLeich, die Edelinge fahren so weit
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 391 —
Um eine ehrliche Sach', ein ehrliches Wert, darf ein Mann
sich schämen mit nichte»,
Es wacht doch auf, es bleibt nicht fort, wenn Gott will weis,
lich richten.
Leidet, Männer klein, was Gott will fügen, er will Euch
nimmer betrügen,
Puden wir uns nicht ehr, mit einander zu reden, finden wir uns
im Himmelreich wieder.
Mein edler Herr, der junge Herr Marsk Stig!
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Drittes Lied.
La sind so manche in Dänemark, die all wollen Herren seyn,
Und die reiten sich nach Ribers Stadt, laßen Kleider sich schnei
den fein.
Und nun steht das Reich in Leide!
Die laßen sich schneiden Kleider aufs neu, daß sie grauen Mön-
chen gleichen;
Eie thun das nicht aus anderm Grund, als sie gedenken ihren
Herrn zu betrügen.
Sie hüten ihn oft, sie hüten ihn stets, sie hüten ihn zu allen Zeiten,
Allermeist in der kranken Stunde; er sollte gen Zinderup reiten.
Das betrieb die Fraue Zngeborg, Herr Marsk Stig schönes Weib;
Eie sann mit Ranild «inen trügerischen Rath, der koste König
Erick seinen Leib.
Ranild war ihrer.Schwester Sohn, dem König Erick so nah er dient;
Er sagt ihm da von Hirsch und Reh', wo die im Walde sind,
„Ich will Euch weisen Hirsch und Reh, wo sie spielen in dem Wald;
Hr reitet mit Docken und Hunden zu ihnen hinaus gar bald."
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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-■ 392 —
König S'i'icf sprach zu dem kleinen Bub: leg den Sattel auf
mein grau Pferd:
„Wir woll'n reiten nach Nord-Jütlands Gericht, und sch'n wie'i
den Landen ergeht."
Er bat all seine guten Hofmann, in Viborg um Herberg zu fragen,
Er gedachte gar.nicht an den großen Betrug, den Nanild im
Sinne zu wagen.
So ritt Ranild einen heimliches Steg, der König konnt« nicht wißen;
Das will ich Euch in Wahrheit sagen, er that« mit großen Listen.
Und nach dem Hirsch, und nach der Hiude, nach dem raschen
Reh ging die Jagd;
Da jagten sie den Tag so lang, bis kam die dunkle Nacht.
Da sprach der König Erick, ihm war im Herzen so weh:
,,Nun sind wir ohir* allen Schutz, Gott und Sankt Gertraud bcisteh!"
Und als. er sich ein wenig da in dem dunkeln Dusch Umsicht,
Findet er in der Nahe so klein rin Haus,. da brennt beider
Feuer und Licht.
Er ging sich in das Haus hinein, und wollt'da versuchen sein Glück:
Da fand er eine Jungfrau so schön, als man eine mit den
Augen erblickt.
So freudiglich zog er sie in den Arm, und liebkost' ihr so viel:
»Hört Ihr das, meine schöne Jungfrau, ich schlafe heut Nacht
bei Euch hier."
Darauf die schöne Jungfrau so herzlich that lachen und sagen:
Jetzt erst Red', edler König Erick, ob Ihr bei Frau Zngevorg
geschlafen.
Redet erst beides vor Gott und Mann, vor so mancher Maid
rugendvoll;
Ihr habt Ehr und Glimpf abgeschnitten; das will doch werder
Euer Tod.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 393 ~
„Wißt Ihr das, meine schöne Zungftau, so wißt Ihr auch
noch mehr:
Sagt mir wie lang ich leben mag, ich geb Euch Lohn und Ehr. “
2a sprach die schöne Iungftau, wenn Ihr Treu' meinen Wer,
ten gewährt:
Kagt an bei dem kleinen Hacken, wo hänget Euer Schwert.
Wellt Ihr wißen eine gewiße Zahl, an Enerm Gürtel nur zählt:
Hütet Euch vor grauen Mönchskappen, die bergen so rasche Held.
Das war Herr König Erick, der nach der Jungfrau griff:
Eie war fort mitten aus seinerHand: so schnell verwandelt' sie sich.
So lang die Jungfrau mit ihm gered't, da hät er Feuer und Licht;
So schnell war sie gekommen von ihm: er stand in Gebü-
schen dicht.
Das war Ranild, den der König fragt, und der die Antwort
ihm gab:
„Dieweil nicht klar der Mond uns scheint, reiten w,r fort au«
dem dicken Wald."
„Hier liegt eine Stadt, die Finderup heißt, die lieget zu allernächst ;
Men wir hin am Abend zu ruhen; das ist uns das allerbest."
„Dahin wollen wir reiten und harre«, bis daß der Mond aufgeht:
zürwahr, Herr König Erick, niemand dort Schaden Euch that."
So ritten sie hin gen Finderups Stadt, baten um ein Haus
zur Hand;
2a waren sie bis spät in den Abend: Feuer und Licht war ab-
gebrannt.
Ae zogen ihre Roß in Finderups Scheune, und niemand er-
kannte sie dort:
Das kam nicht in des Königes Sinn, ihm werd's schlimm er-
gehn an dem Ort.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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- 394 ^
Da sprach der Herr König Trick in also großer Unruh:
Rar.'ild, dieweil ich dir traue, schließ wohl die Thüre zu.
Schließ zn, dieweil ich traue dir, mit einer Slang der Scheu-
ne Thor:
Gedenk an den jungen Herrn Marsk Stig, gedenk an seine Werl
„Ich setze davor Stamm .und Stanz, und darzu einen Balke» dick:
Nicht ist der Mann geboren vom Weib, der's mit den Händen
wegrückt. “
„ Marsk Stig mein Schwager ist schnell im Sinn, und wunder-
lich spricht sein Mund:
Fürwahr, mein edler König, an seiner Tafel sitzt er zur Stund."
„Der Kibitz will sich schützen an jeder Stätt, die in der Marl
mag seyn:
Er kann nicht, wo er bauen will, schüfen den Hügel klein."
Das war kein andrer Stamm oder Slang vor b(V Thür gestellte groß,
Das will ich Euch in Wahrheit sagen, zwei Strohhalmen m
ren's blos.
Das war kein anderer Balken dick, den vor der Thür gera-
tet er ließ,
Das war 'ne Strohgarbe leicht und weich, die der Wind al<-
bald wegblies.
Sie hatten nicht sobald in die Scheun' sich gelegt, so ging dn
Ruf davon aus,
Go kam der stolzen Frau JngeborgBot wohl zu des Bauern Haus.
Da kamen die Mönche mit Kappen grau in den Hof geritten herzu;
Sie harrten nicht gar lange, wußten, wo der König hielt Ruh.
Sie stießen an die Thür, das war ohne Scherz, Schlacht-SchMi
und Spieß nur Draus:
Du steh auf, Herre König Erick, und geh zu uns heraus.
Da sprach der jungt Herr Ranild, und also hub er an:
Hierinnen ist König Erick nicht, Ihr dürft nicht glauben daran.
»ad über seinen Herrn mit Hast beides Heu und Stroh er warf:
Erzeigte so deutlich an die Stäkt, wo Herr König Erick lag.
Sie löschten die Wachslichter überall au-, die bei dem König
sollten brennen;
Ada saßen die kleinen Buben still, ihre Augen ringsumher rennen.
Hir du, Ranild Ionson, mein Bub, und willt du wehren mei-
nen Leib,
So geb ich dir meine Schwester so schön, sie wird dein eigen Weib.
Er hieb so sehr in den breiten Tisch, so sehr in den harten Balk',
Und er hieb rechts und er hieb links: er wehrt^ihn wie ein Schalk.
Und in das Brustbein stachen sie ihm, das Herz war am mei-
sten ihr Ziel:
M sechszehn und vierzig tödtlichen Wunden so jämmerlich er hinfiel.
Ae stießen auf ihn mit Schwert und Spieß, keine Frist gaben
sie ihm mehr,
Da sie hatten erschlagen den edlen Herrn, sucht' jeglicher nach
seinem Pferd.
Ei geschah in der Sanct Ceciliä Nacht, so heilig waren die Zeiten;
Der Herr war erschlagen, Frau Ingborg doch nicht geschieden
von ihren Leiden.
„Wer will nun reiten nach Viborgs Stadl, und des Herren
Leich hintragen?
Und wer will reiten gen Skanderborg und der Kön'gin die Zei-
tung sagen?"
Mer will reiten nach Viborgs Stadt und geleiten den Herrn
über die Heide:
Das war da ein kleiner Bub, der sollte zur Königin reiten.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
fit
— ZZ'> —
Das machte da ein kleiner Bub, daß es nicht langer währt:
Er zog den Sattel vom grauen Roß, legt' ihn auf sein wei-
ßes Pferd.
„Heil Euch, mein gnädige Königin, gekleidet in Scharlachen roth:
Erschlagen ist König Erick, in Zindernp liegt er todt."
Und ob die neuen Mähren nicht sind gut, sollst du doch dafür haben
Beides Kleider und Kost in. unsrer Burg, so lang ich darüb«
mag rathen.
„Sie stießen ihm in die weiße Brust und heraus an der lin-
ken Seit«:
Hütet viel wohl den jungen Herrn, all Dänemark tragt dar,
um Leide."
,, Hütet wohl Euer Reich und Land, Euer Haus das hütet wohl,
Ueber alles hütet den jungen Herrn, der Dänemark verstehn soll."
Nun steht das Reich in Leide!
Viertes Lied.
Die waren wohl sieben und siebenzig, die sich auf der Heide traf«»:
„Was soll'n wir beginnen für eine Sach, der Herr ist todt ge-
schlagen ? "
Aber wir sind getrieben aus Dänemark.
„Der Herr ist erschlagen und liegt als Leich, nvir ha den gebre-
chen das Friedenshand,
Wir können im Reich nicht bauen oder wohnen, wir sind ver-
trieben aus dein Land."
.Und wir wollen reiten gen Skanderborg als Gast zu der K§-
nigin dort,
Wir hören nun, wie es der Frau ergeht, eh wir aus dem Land
reisen fort."
- 397 —
,,©ic pflegt zu spotten und zu treiben Schimpf, nun muß sie
Las laßen bleiben.
Am ist das Feuer in des Spötters Haus; Mit Recht mag sie
das leiden."
lind Warst Stig setzte sich auf sein Roß, achtete das so geringe,
Uno so ritt er gen Skanderborg, und ließ stiK Roß hinspringen.
Las war die dänische Kön'gin gut, schaut' aus dem Fen,
fter so weit:
Dorther kommt der junge Herr Warst Stig mit viel Männern
in Eisen gekleid't.
Wommen Warst Stig, Herr König selbstgemacht, den rechten
Lohn will ich dir gewähren:
!,bt der junge König Erick im Jahr, du pickst wohl nach den
Vogelbeeren?
zJch bin nicht ein selbstgemachter König, und wenn du es auch sagst:
Lchl war's der Drost, Herr Loumann, der jüngst in deinen
Armen lag."
#®o klein achtest du König Ericks Tod, so klein achtest du
dein Leiden,
Lmn du hast den Drost, Herr Loumann, daß er schlaf an dri,
ner Seite. “
tob Schand sahen all die Verräther schlecht, so meinen lieben
Herrn erschlugen,
D» und die deinigen allzumal, die auf mich diese Schande trugen.
2» sprach der Herr Christopher so schnell, nicht weichlich war
sein Sinn:
ftr meines lieben Vaters Tod, ist nicht hier eine ringe Sühn?
Darnach der kleine Herr Erick Ericsson, so klein er war, thät sagen:
Tmißlich sollst du aus Dänemark fliehen, wenn ich die Krone
werd tragen
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 399
Laßt aufbauen «in Haus bei Hielm, und laßt das bauen mit Macht,
So fürchtet Ihr nicht Pfeil und Schuß, und nicht der Wurf,
spieße Kraft.
Nun hab ich getragen meine Sorg insgeheim in Wintern neun,
nicht mehr:
Mein Herz das ist in Qual gelegt, habt gute Nacht, mein Herre.
Herr Marsk Stig zog sie in seinen Arm: „Gott woll uns bei-
den Glück gewähren!"
„Mir däucht, das müßt mir frommen zumeist, ich preiße die
nordischen Cchaaren. “
Herr Marsk Stig fuhr nach Hielm so bald, dort lhät einziehen
der Herr:
Das will ich Euch in Wahrheit sagen, er bleicht' manche Wan-
ge so sehr.
Marsk Stig baut' ein Haus bei Hielm, er baut' es so bald
mit Macht:
Das sag ich Euch auf meine Treu, in drei Tagen und in ei-
ner Nacht.
Marsk Stig ließ bauen ein neues Haus mit Mauern und ho,
hen Zinnen:
Davor lagen beide Deutsche und Dänen, die konnten's ihm nicht
abgewinnen.
Der Dauer in die Mark ausgeht, dort holet er sein Korn:
„Hilf uns, Gott Vater im Himmelreich, der Helm hat bekom-
men ein Horn!"
„Gott gnade uns armen Dauern grau, daß Gleppning die
Herrschaft empfangen!
Daß er auf der Welt ungeboren wär, da wär's uns beßer ergangen."
„Die große Eiche, die steht im Wald, wenn die im Sturm stürzt ein,
Do schlagt sie nieder beides Hasei und Dirk, und andre Reiser klein."
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
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„ Was Könige und Hofmanner versehn, das ergehet über die Armen:
Go» gnade uns, geringen Bauern, und woll' sich über uns er-
barme» ! “
Aber wir £0 grrriröm aus Dänemark!
II. fc-a'üf* Gtigs Töchter.
Ekses Lied.
Warst St'g hä- zwei Töchter schön,
Beiden muß es so schlimm ergehn.
Die ältste faßte die jüngste an der Handr
Und sie fuhren so weit um die Erde!
Die ältste faßte die jüngste an der Hand,
So singen sie in Schwedenreichs Land.
König Byrge vom Gericht heim kam:
König Byrge vom Gericht heim kam.
Da traten ihn Warst Stig« Töchter an.
„Was für Weibervolk mögt Zhr seyn?»
„WaS für Weibervolk mögt Zhr seyn?
Was steht ihr hier so spät allein?"
Töchter von Warst Stig sind beide wir:
Töchter von Warst Stig sind beide wir.
Um Eure Gnade bitten wir so gerne hier.
„Wacht fort Euch schnell aus meiner Burg:"
„Wacht fort Euch schnell aus meiner Burg:
Eu'r Vater meinen lieben Mutterbruder erschlug."
Wir haben nicht Schuld an Erichs Tod:
Wir haben nicht Schuld an Erichs Tod,
Wir fahre» so weit nach unserm Brot.
Die ältste faßte die jüngste an der Hand:
Lebte Warst Stig noch und wär im Land,
Cs hatt so schlimm sich nicht gewandt.
Und wär Frau Zngeborg nicht todt:
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Die ältste faßte die jüngste an der Hand;
So gingen sie in Norwegens Land.
König Erich vom Gericht heim kam:
König Erich vom Gericht heim kam,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
.
— 402 —'
Und wär stau Ingeborg nicht todt)
Wir hatten nicht gelitten den Jammer und die Noth.
König Erich sprach ein Wort mit Fug :
König Erich sprach ein Wort mit Fug:
„Euern Vater den hab ich gekannt so gut.
Er war ein Mann von Mund und Hand:"
„ Er war ein Mann von Mund und Hand,
Wie nur einer zu finden in diesem Land."
König Erich schlug über sie das Schatlachkleid:
König Erich schlug über sie das Scharlachkieid,
Führt' ein zur Frauenstube sie beid'.
Er bat sie zu sorgen und zu weinen nicht:
Er bat sie zu sorgen und zu weinen nicht.
Er wollt üben an ihnen Vaters Pflicht.
Die ältste Schwester das Geweb einschlägt:
Die ältste Schwester das Geweb einschlägt,
Die jüngste es zu Ende webt.
In die erste Borte webt sie ein:
In die erste Borte webt sie ein,
Die Jungfrau Maria und das Christkindlein.
In die andere Borte webt sie zumal:
In die andere Borte webt sie zumal,
Nordlands Kön'gin und ihre Jungfrauen all.
Sie webt den Hirsch und sie webt die Hindin dann:
Sie webt den Hirsch und sie webt die Hindin dann,
Sie webt sich selbst mit bleicher Wang.
Sie webt mit ihren Fingern geschwind:
Sie webt mit ihren Fingern geschwind,
Gottes heil'ge Engel, die all im Himmel sind.
Die jüngste das Geweb abnahm:
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
„ Wär das nicht um mein schönes Haar,
Zum Tanze ging ich mit fürwahr. "
„ War das nicht um meine Rosenwang,
Zum Tanz im Kreis thät ich den Gang."
Und in den Tanz trat Ranild Lang,
Ein Lied begann, und da vorsang.
Mit List er sang, so leicht er sprang.
Und nach ihm jeder Ritter sang.
Auf da stand die Spindel Sko frei.
Und Ranild Lange gab sie ihre Treu.
Im Haar hät sie ein Seidengeflecht:
Sie trat den Tanz vor allen so recht.
Und sie tanzten in das Schloß hinein.
Mit gezogenem Schwert unterm Scharlachkleid.
Nimmer sah ich einen Rittertanz,
Das Schloß das ward gewonnen'.
So gewinnen bas Schloß mit dem Rosenkranz.
Vor dem König Erich dem jungen, mit dem so waren ft!
Zweites Lied.
Ranild sein gut Roß satteln laßt:
Das ist mir oft vorher gesagt!
„Zum reichen Algrev will ich als Gast."
Din ich auch verlaßen von den Freunden und Am
wandten mein!
Wie Ranild in den Burghof geritten kam,
Stand Algrev in Pelz gehüllet daran.
„Hier steht Ihr, Algrev, gewickelt ins Kleid:
Laßt folgen mir klein Christel, die Maid."
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Wie du verdient, abscheiden;
Und all die Straf, die du dulden sollst,
Um meinen Vater mußt du leiden.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Sie führten Ranild aus Roeskild heraus.
Seine Hände khät er ringen;
Alien Frauen, die waren in der Stadt,
Um ihn die Thränen rinnen;
Er bot ihn allen tausend gute Nacht,
Sie riefen: fahr wohl von hinnen.
Und über die Stadt, wo er sah die Pfähl,
Nanild sie hingeleitcn:
„Herr Christ, behüt jeden tapfern Gesell
Vor solchen höchsten Leiden!
Wär ich auf Hielm geblieben im Jahr,
Das konnten sie mir nicht bereiten."
„Und hatt' ich nun einen vieltreuen Freund,
Der wollte mein Bote werden
Hin zu klein Christel, die sorget so sehr:
Sie wolle sich halten in Ehren;
0 Christ, fegn' meine Kinder so klein
Und meine Herzliebste auf Erden!"
„Ich bitt Euch all,Ihr Christen Leut,
Die versammelt auf der Heide: '
Lest ein^Paternoster für meine Seel,
Die Gottes Zürnen ableite,
Däß ich mag fahren am Abend hin.
Zu des Himmelreichs Ruh und Freude."
— 4 io —
9°-
König Byrge und seine Brüder.
Frau Zngeborg hatte Brüder drei,
Die ließen ihr Leben für Schwedens Reich.
Um eine unwahre Red die Herren wurden getöbtet!
Die Herren wollten nach Schweden reiten,
Frau Ingborg bat sie, daheim zu bleiben.
Frau Zngborg stand in Helsingsburg Pfort:
Meine lieben Brüder, reitet nicht fort.
Da sprachen die Brüder beide zugleich:
„Uns verlangt so sehr nach unsrer Väter Reich."
„Wir blieben so lange bei Euch zurück:
Unser Herz ist fast in uns erstickt."
Fünf Tage noch bei mir verweilt.
Dieweil erzähl ich meine starken Träum'.
Zch träumt', Eure Mäntel wären von Blei:
Meine edlen Brüder, Zhr wart darein.
Und die waren gespannt rings um Euern Hals,
So gewiß bedeutets Euch große Falsch.
Die Herren hörten nicht Frau Zngeborgs Rath,
Sie ritten nach Schweden denselben Tag.
Und als sie kamen auf den weißen Sand,
Stießen sie auf Bronk, den untreuen Mann.
„Seyd willkommen, Zhr Brüder, beide mir,
Mit meiner Frauen Gnade trinkt Weihnacht hier."
Nach der Nykiöbings Gaße die Herrn gehen fort,
Begegnen einem falschen Rathe dort.
— 4”
„ Eure Panzer in unsrer Stadt ablegt.
In das Schloß mit neuen Hostleidern geht."
Die Herren in die Thür einaehn:
Der König thät vor ihnen aufstehn.
Zhr Brüder beide, willkommen mir:
Wollt Zhr Weihnacht trinken mit unsrer Gnade hier?
Die Herrn nahmen Waßer, gingen zur Tafel sofort,
Und redeten so manchmal ein ernsthaft Wort.
Willkommen, beid' liebes Brüder mein:
Mag ich herrschen über das Land allein?
„Unser lieber Bruder mag er wohl seyn.
Doch mag er nicht regieren im Land allein."
Sie aßen und tranken eine kleine Frist,
So erdachte Bronk eine andre List.
Was wollt Zhr thun, Zhr guten Herrst:
Wollt Ihr trinken und tanzen gern?
Und sie tanzten hinaus, und sie tanzten herein.
Und Bronk schenkt' ihnen den klaren Wein.
Die Herrn standen auf dem Boden und sangen;
Aber Bronk und der König in den Rath sind gangen.
Herzog Waldemar spricht zum Bruder sein:
„Erick, wir trinken allzuviel Wein."
„Hüten wir uns wohl vor Bronkes Schwänken,
Er weiß so manche Schalkes Ränke."
Herzog Erick schlug auf mit der rechten Hand:
„Sollen wir uns fürchten in der Väter Land?"
„Wir sind hergekommen auf Treu und Geleit,
Wir wißen hier nichts von irgend 'nem Streit. "
,
- 4*2 “*■
Sie tranken und tanzten den Tag zu End:
Lichter und Fackeln wurden aufgebrrnnk.
Die Herren zu Dette sollten gehn,
Ruhen auf Seide und blauen Polstern schön.
So wurden sie geführt ins Gefängniß hinein.
Der König ging mit unrer'm Scharlach sein.
Sie wußten nicht anders, es war in Scherz zugangen,
Dis er schlug all die Thüren zusammen.
Herzog Erick wehrte sich wie ein Mann,
So lang als Schwert und Dettstoll' herum sprang.
Die Bettstoll'n konnten nicht länger mehr halten.
Da mußten sie nackt ins Gefängniß wandern.
Die Herrn die leiden Noth und Drangsal schwer,
Frost und Kält und Hunger so sehr.
„Wir geben dir, Bronk, das Gold so roth.
Gib du uns Waßer und das trockene Drot. “
Ihr empfangt hier nichts in Schwedens Land,
Weder Drot noch ein'n kalten Waßertrank.
r-Wir trauen so wohl unsers lieben Bruders Weib:
Sie laßt nicht verhungern unsern Leib."
„Der frommen Kön'gin so wohl wir trau'n:
Sie gibt uns Stroh, daß wir schlafen darauf."
„Wir sind so gedrückt von Hunger leiden.
Unser Herz muß bersten in unserm Leibe."
Bronk ärgern diese Worte sehr.
Er wirft die Schlüße! in das salzige Meer.
Großer Jammer da anzuhören war:
Sie aßen ab die Schultern einander, fürwahr.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 4i4 -
Manche Hofleut in des Königs Reiche,
Konnten sich darum nicht wohl vergleichen.
Der eine dem andern gewißlich weicht.
Zuweis verderben sie alle zugleich.
Falschheit und Betrug glückt nicht in die Länge,
Zuletzt will's seinen Herrn verdrängen.
Sich stützen auf Gott und Rechtschaffenheit,
Gibt Glück, Ruh und Frieden lange Zeit.
Um eine unwahre Red die Herren wurden getödttt!
9r-
Gutes Ende.
Hör, du guter junger Gesell, im Schachbret spiel mit mir;
„Ich habe ja kein rothes Gold, das ich könnt setzen dir."
Zn Freud so leben beide zusammen'.
Seh du mir nur dein gut Hüllein, wie sehr es grau schon iß:
Ich setz dafür meine Perlenschnur, die nimm, wenn du sie kriegß.
Der erste Goldwürfel da über das Schachbret rann:
Der junge Gesell verloren hat, so schnell die Jungfrau gewann.
Hör, du guter junger Gesell, im Schachbret spiel mit mir:
„Zch habe ja kein rothes Gold, das ich könnt sehen dir."
Setz du auf dein Röckelein, wie sehr es grau schon ist:
Zch setz .dafür meine Krone von Gold, die nimm, wenn dn
sie kriegst.
Der zweite Goldwürfel da über das Schachbret rann:
Der junge Gesell verloren hät, so schnell die Zungfrau gewann.
- 41.5 -
iUL
Hör, du guter junger Gesell, 4ch Schachbret spiel mit mir:
! „Ich habe ja kein rothes Gold, das ich könnt setzen dir."
i Setz du auf deine Strümpfe, darzu die Schuhe dein:
j Ich setz dafür die Ehre, darzu die Treue mein.
Der dritte Goldwürfel da über das Schachbret rann:
Die Jungfrau schlecht verloren hat, der junge Gefell aber gewann.
Hörst du, kleiner Roßbube', geschwind eil weg von mir:
Meine silbergefaßten Meßer, die will ich geben dir.
„Deine silbergefaßten Meßer, die nehm ich, wenn ich kann;
Aber ich will haben die Jungfrau, die ich mit Goldwürfeln
gewann."
Hörst du, kleiner Noßbube, geschwind eil weg von mir:
Seidengenähte Hemder, die will ich geben dir.
„Deine seidengenähten Hemder, die nehm ich, wenn ich kann:
Aber ich will haben die Jungfrau, die ich mit Goldwürfeln
gewann."
Hörst du, kleiner Roßbube, geschwind eil weg von mir:
Weißes Roß und Sattel, das will ich geben dir.
Weißes Roß und Sattel, das nehm ich, wenn ich kann:
Aber ich will haben die Jungfrau, die ich mit Goldwürfeln
gewann.
Hörst du, kleiner Roßbube, geschwind eil weg von mir:
Mein Schloß und meine Burgen, die will ich geben dir.
„Dein Schloß und deine Durgen, die nehm ich, wenn ich kann:
Aber ich will haben die Jungfrau, die ich mit Goldwürfeln
gewann."
Die Jungfrau steht in der Stube, die Haare kämmt sie sich:
Herr Gott beßre mich arme Magd, solch' eine Lieb' fah' ich!
G I->688iseli68 8t39t89i'cliiv I^/191'd^i'g, 868t. 340 Qi-imm l^i". I. 79
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— 4*9 —
der Vorrede sind diese kieder aus allgemeinen Gesichtspmic-
tm betrachtet worden: ich habe meine Meinung von ibrem
Ursprung, von ihrem Alter, und von dem Verhältniß geäu-
ßert, in welchem sie zu einheimischer sowohl, als fremder Dich-
tung stehen. Auch das Zntereße ist genannt, welches sie für
altdeutsche Poesie haben, dadurch, daß der älteste und merk-
würdigste Theil derselben, die Heldenlieder, in den Sagen--Cy-
!lus des Nibelungen Lieds und des Heldenbuchs eingreift. Die
besondere Ausführung dieser Bemerkungen, namentlich die Er-
läuterung dieser Verwandschaft der nordischen und altdeutschen
Nationaldichtung in einer Sage, insoweit sie hier sich zeigt,
schien dort nicht an ihrem rechten Platz zu seyn. Sie durste
nicht auf den stoßen, welchen die freie Lust an der Poesie zu
diesen Liedern bringt: doch auf den, welchem die Geschichte
derselben ein eigenes Studium bildet. Da aber eben dieses
Studium Anlaß der Uebersetzung war, so wollte ich nicht mit
Stillschweigen übergehen, was ich durch die Betrachtung des
Einzelnen, vorzüglich durch die Zusammenstellung der verwand-
ten Sagen, zu einer solchen Erläuterung beitragen konnte, und
lieber es in einem besondern Anhang mittheilen; das wenige,
was zur Verständlichkeit beim Lesen durchaus erforderlich, ist
gleich an der Stelle in Noten bemerkt, und so wird niemand
gegen seinen Witten hierher geführt werden. — Eine Erklä-
rung der Heldenlieder ist demnach die Hauptsache, doch wird
27 *
420
ii’cttt auch zu den meisten Liedern der andern Abtheilung An-
merkungen finden. Theils darum, weil sie Intereße für sich
haben, und das ausführen, was in der Vorrede gesagt wor-
den; theils, weil das Original dazu auffordert, indem fast über
jedem Lied eine kleine Einleitung steht, in welcher zwar oft nur
der bloss Inhalt angegeben, oder eine moralische Anmerkung
gemacht, zuweilen aber einige historische Nachweisungen enthal-
ten sind. Während diese nicht sollten verlohren gehen, waren
sie auch wieder zu berichtigen und zu ergänzen, so daß ich den-
noch bei weitem für den größten Theil derselben einstehen muß.
Um indeßen kenntlich zu machen, was aus dem Original ent-
nommen, so ist es, wie auch bei den Heldenliedern, durch ein
Zeichen — „) unterschieden worden.
Ich füge noch eine Bemerkung hinzu, die das Ganze in
den richtigen Gesichtspunkt stellen soll. Man wird durchgehend»
eine Neigung finden, aus den poetischen Denkmälern aller Völ-
ker, so weit es möglich ist, zusammen zu stellen, was eine ge-
wisse Aehnlichkeit hat. Manchmal wird sie überraschend seyn,
manchmal vielleicht wird sie erzwungen scheinen; sie ist aber im-
mer nur aufgestellt, ohne daß ein Grund dafür angegeben wä-
re. Damit man indeß nicht vermuthe, es sey an einen zu selt-
samen dabei gedacht, oder im schlimmern Fall an gar keinen,
so soll hier kürzlich bemerkt werden, was damit gemeint ist.
Es scheint nämlich, daß es sich mit der Poesie eben so ver-
halte wie mir der Philosophie der Volker, und daß dasjenige,
was Görres in seiner Mvthengeschichte, deren Resultate wir
mit zu den größten rechnen, die die Zeit gewonnen, von dieser
dargerhan, auch von jener gelten werde. Das Göttliche, der
Geist der Poesie ist bei allen Völkern derselbe und kenne nur
eine Quelle; darum zeigt sich überall ein Gleiches, eine in-
nerliche Uebereinstimmung, eine geheime Verwandschaft, deren
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 421 ---
Stammbaum verloren gegangen, die aber auf ein gemeinsames
Haupt hindeutet; endlich eine analoge Entwickelung; verschie-
den aber sind die äußeren Bedingungen und Eimvirkungen. Dar-
um finden wir neben jenem Einklang auch wieder eine Ver-
schiedenheit in der äußeren Gestaltung, abhängig von dem Him-
mel, worunter die Pflanze gestanden, und die in großen Mas-
sen nachzuweisen ist, wie im Einzelnen bis ins Unendliche.
Wir können kein beßeres Ebenbild geben als Gottes, den Men-
schen, dem überall dasselbe Herz in der Brust schlagt, deßen
Gestalt, Farbe, Sprache und Lebenslust aber der Natur Unter-
than ist, und gehorcht, wie sie verschieden in den Weltgegen-
den herrscht; so wie auch bei der Familienähnlichkeit der Na-
tionen in jedem Einzelnen eine eigne Individualität hervortritt.
Das ist der eine Satz, der andere scheint ihm fast entgegen zu
stehen. Bei dieser freien unabhängigen und geWgen Verwand-
schaft der Poesie der Völker, existirt noch eine andere, die man
die weltliche oder bürgerliche nennen könnte. Es ist nämlich
nicht zu läugnen, daß die Dichtungen schon in bestimmter Ge-
stalt einem Volk von dem andern hinüber gereicht worden, und
auf diese Art oft auf weitem Weg hergekommen sind; sie ha-
ben sich zwar meist dem Gesetz des neuen Reichs gefügt, aber
immer noch deutlich die Spuren ihrer Herkunft an sich getra-
gen. Soll das vorhin gegebene Bild fortgesetzt werden, so sind
(Kirn Ganzen die Völkerwanderungen, im Einzelnen aber Ehen
von den Individuen verschiedener Nationen geschloßen. Die
Ausführung beider Behauptungen ist die 'Aufgabe der Geschich-
te der Poesie, wenn sie etwas Ganzes und Würdiges seyn soll:
dichter gelieferten Zusammenstellungen sind eine einzelne kleine
Vorarbeit dazu. Gegen den, welchem der Grund, warum man-
ches in Verbindung gebracht worden, bei leichter Ansicht zu ge-
ring oder gar nichtig vorkommt, will ich nur bemerken, daß
u
\ U
-1
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 422 ---
wir durch eine größere Uebersicht erst den rechten Tact gewin-
nen. und auf manches Gewicht legen müßen, was sonst unbe-
deutend erscheint.
Heldenlieder.
I. Die drei Lieder von dem Verrath der Frau Gri,
mild an ihren Brüdern sind vorangestellt, weil wir doch
in ihnen den glänzendsten Punct der Sage finden. Sie stim-
men sämmtlich in der Grundlage überein, und weichen, nach
Arr lebendiger Volkslieder, im Einzelnen wieder ab. Was so-
glerch amfällt, der Schauplatz ist ein ganz anderer, als in den
bisher bekannten Sagen, nämlich die Insel Hven, welche zwi-
schen Kopenhagen und Kronenburg im Sund (Oeresund) liegt.
Es ist nicht etwa eine willkürliche Verpflanzung dahin, „ Ve-
del konnte noch auf der Insel Graben und Grundmauern sehen,
wo die vier Burgen. Nörborg, Sönderborg,^Tarls-
'Uufyfrf'ttüfrJ höy und ammer gelegen, ja was entscheidend, die Hvenische
Chronik erzählt wiederum von den Liedern etwas abweichend:
Folqvard habe der Frau Grimild Kämpfer todt geschlagen, als
sie vor ihm ausgesagt, daß sein Bruder auf der Nörborg von
andern Kämpfern erschlagen worden: darüber habe er sich so
sehr betrübt, daß er von dem Blut der Erschlagenen getrunken,
und so gestorben sey. Darauf sey sie zur Nörborg gezogen,
und als sie bemerkt, daß Held Hogen Ueörrmacht über Wr-
borgs Kämpfer erhalten, habe sie den Vertrag mit ihm ge-
schloßen, daß insofern ihn ihre Kämpfer einmal zur Erde schlü-
gen. er nicht mehr aufstehn dürfe, aber sich wehren, so gut
er könne. Darnach sey die listige Frau hingegangen und habe
Erbsen streuen laßen auf naße Häute in die Thüre, drei Käm-
pfer zugleich hätten den Heiden angerennt, und ihn in die Knie
- 423 -
geschlagen, davon er seine Todeswunde empfangen. Doch ha-
be er vorher die Kämpfer noch todt geschlagen, und dann auf
der Sönderborg, nach Grimilds Gutdünken, mit der Jungfrau
Hvenild einen Sohn erzeugt, damit das mächtige und edle
Heldengeschlecht nicht ganz untergehe. Dieser Held Hogens
Sohn, Namens Ranke, habe seines Vaters und Vatersbru-
ders Tod an Grimild gerächt. Denn er habe sie milgeführt
nach Hammershoy, ihr den Schatz des Ni ding (auch Nög,
ling genannt), zu zeigen, wozu ihm sein Vater den Schlüße!
himerlaßen. Und da er mit ihr in den Berg gekommen, sey
er selber herausgelaufen, habe die Thüre hinter sich verschloßen,
und sie sey darin geblieben und Hungers gestorben." Man
steht auch in dieser Recension die Uebereinstimmung mit den
Liedern, und auch die Abweichung und das Verweilen bei einem
andern Zug der Sage: die Brüder streiten getrennt, und Fol-
qrard scheint sich an dem Blut todt zu trinken'; das Streuen
der Erbsen auf naße Häute wird hier ausführlicher erklärt, als
in dem einen Lied: ' eben so Rankes Rache, dem der Vater
die Schlüße! zum Schatz hinterlaßen.
Worauf man zuerst geräth, das ist eine Vergleichung die-
ser Lieder mit der nordischen und deutschen Sage, und hier
jcigt sich der merkwürdige Umstand, daß sie mit der erstem
gar nicht, dagegen auffallend mit der letztem übereinstimmen.
Es träumt der Helden Mutter im Nibelungen Lied (6o5i.
Hagen. Ausgabe) auch von der bevorstehenden Gefahr, nur daß
es dort Vögel sind, nicht Fohlen wie hier, die sie hat umkom-
men sehen. Hogens Unterredung mit den Meerweibern, die
ihm prophezeien, kommt dort in der vier und zrvanzigsten Aben-
theure (6145 ff.) vor, nur daß der Held friedlich von ihnen „ . .,
scheidet. Dann folgt dort die Erzählung von dem Tode des .......
Uhrmanns. Der Held schlägt ihm auch das Haupt ab, und
wirst es in den Grund (6a63.): und das heiße Blut des Ge-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 424
tödteten riecht (6278. Lied l. 3. V. 14.). Es zerbricht ihm
hernach beim Ueberfahren das Ruder, das er aber mit dm
Schiidfeßel wieder bindet (6270 — 72.). Grimilde laßt bort
ebenfalls im Saal die Waffen verbieten (7001.); in dm
Kampf wird dort auf Folkers Fiedelbogen angespielt, und cha-
gen rath zwei Kämpfern Blut zu trinken (8554-), hier aber
löscht er selbst so seinen heißen Durst. — Diese große Ueber-
einstimmung haben die Lieder mit dem Nibelungen Lied, wäh-
rend auf der ankern Seile wiederum größere Motive, die die
ganze Sage beherrschen, wie der Nibelungen Hort, und Sieg-
frieds Ermordung, nur ganz flüchtig, und nur in einem davon
angedeutet sind. Hogen sagt im zweiten Lied, daß er den Kö-
nig Siegfred erschlagen, damit unstreitig der Siegfried ms
Niederlanden gemeint ist, wiewohl in einem folgenden Lied
ein Held, Sivard snaren Svend, auftritt, welches der
- >cZ'tt ■ Sigurdur Svein der Nifiunga Saga und mithin auch wieder
der deutsche Siegfried ist, so daß er unter doppeltem Namen
vorkommt. König Ottelin ist wahrscheinlich Etzel, der auch
Ethele genannt worden. Das Nibelungen Lied enthält nichts
von seinem Tod, den Hogen hier auf sich nimmt; nur in der
Klage wird erwähnt, daß man nicht tviße ob er erschlagen wor-
den ('V. 4240.). Zn dem ersten Lied wird Grimmer und
Germer, in dem dritten Gynther und Ger los genannt,
die das Schiff, vom Land abstoßen. Sie sind eigentlich nach
allen Sagen die Geschwister der Grimild, und wenn sie spricht,
diese wären angekommen, so müßten sie es seyn; allein das
Lied hat ihrer vergehen, und sie werden nicht weiter erwähnt.
Grimmer mag entstellt seyn für Gynther, wie ihn das
dritte Lied richtig und übereinstimmend mir Gynthar des
Nibel. Lieds nennt (in der Wrltma und Wolsunga S. heißt er
Gunnar): Germer und Gerlof ist gleichfall - eine Person,
der Gernot des Nibel. Lieds (Gernoz in der Wilkina S.
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Aus einer Vergleichung dieser Lieder mit der ursprünglich
Mischen Dichtung, mit der Wolsunga, Nvrnagestur Saga
end mit der Edda ergibt sich merktvürdiger Weise wenig, ja
fest gar kerne Aehnlickkeit: was sie gerade aus dem Cyklus her-
aus heben, die Weissagung des Meerweibes, und die Rache der
Grimild an ihren Brüdern, kommt dorr gar nicht vor. Denn
eicht Gudruna (so heißt dort Grimild) sondern Atle ists,
welcher Hogne, Gunnar und Gukhormur (ein Volker
wird dort nirgends genannt) einlädt, und sie verräth, um den
Schatz zu gewinnen, sie ist ihnen vielmehr günstig; nicht daran
gedenkend, SigurdurS Mord zu rächen, sendet sie ihnen anfangs
Warnungen zu, da sie aber diese nicht beachtet haben, und ver-
lachen sind, reicht sie dem Gunnar eine Harfe in die Höhle,
m die nagenden Schlangen zu besänftigen, und übt für sie die
grausamste Rache an Atle, der unwißrnd die Herzen seiner von
ihr getödteten Kinder ißt, und aus ihren Schädeln, zu Gold-
Skalen geformt, trinkt, und endlich von ihr mir Hilfe Nif-
lungs, Hognes Sohn, ermordet wird. In der nordischen Sa,
ge waltet die finstre Macht des Fluches, den Andvar über Faff-
ners Gold ausgesprochen, und Andvars Ring gleicht dem Un-
heil und Reichthum bringenden Carfunkel in der indischen My-
!he (Polier. I 691); in dem deutschen Nibelungen Lied mehr
der menschliche Schmerz, die Rache des Mords; in diesen Lie
dem werden beide Motive nur einmal ganz entfernt angedeutet.
Daß Hogen Bruder der Grimilde ist, in der Wolsunga-Saga
wie in den Liedern, kann nicht einmal als eine besondere Ueber-
einstimmung gelten, da er in der Niflunga-Saga gleichfalls ihr
Stiefbruder ist, von einem Alferzeugt; wie ihm auch das Ni-
belungen Lied ein wilde Gestalt gibt, und im Walter von Agui,
mien er der siacheliche (SpinoCus 1417.) genannt wird.
Betrachtet man in iesen Liedern die Entfernung von der
Mischen Sage, die große Uebereinstimmung mit der deutschen
- 4*8 -
und nimmt man dazu, was Ln der Folge wird bewiesen werden,
die fast noch größere der übrigen aus dem Cyklus, ferner dm
merkwürdigen Umstand, daß ein anderes Lied, Dieterichs Kampf
mit dem Lindwurm, mit einer Erzählung im Wolfhieterich (Heb
denbuch) verwandt ist, von dem bisher noch keine Spur in der
nordischen Poesie sich gefunden, so könnte man leicht darauf
kommen, sie für eine bloft Uebersetzung deutscher Originalren aus-
zugeben. Diese Meinung scheint noch dadurch unterstützt zu
werden, daß sich das Lied von dem alten Hildebrand, wie er
mir seinem Sohn kämpft, in einer offenbaren Uebersetzung fin-
det: (Kämpe Vifer S. 63. Es weicht nur in einzelnen Aus-
drücken von der Recension in Eschenburgs Denkmälern S. 489.
ab, und ist daher in der Uebersetzung übergangen worden.)
Dennoch aber halte ich diese Lieder für achte dänische Originale,
und zwar aus folgenden Gründen. Erstlich zeigt sich in ihnen
nichts, was einer Uebersetzung eigen zu seyn pflegt, keinelfremd-
arüge Wendung, kein unvollkommener Reim, der durch Über-
tragung Ln die Originalsprache vollkommen würde; im Sylben,
maas stimmen sie vielmehr, wie in allen Eigenthümlichkeiten des
Ausdrucks, mit den andern Liedern überein. Das Lied von dem
alten Hildebrand beweißt durch seinen Gegensatz gerad für diese
Meinung: da ist ein ganz anderes Sylbenmaas, verschlungener
Reim, aber nicht immer durchgeführt; und dann tragt es auch
den Charakter an sich, den die altdeutschen Gedichte^von späterer
Bearbeitung, wie Etzels Hofhaltung, Dieterich von Bern und
Sigenot, Ecken Ausfahrt, haben. Die Erzählung ist in diesen
ausführlicher, runder, ohne Hane Uebergange, während in den
dänischen Heldenliedern alles gedrängt, rhapsodisch, und gänzlich
ohne jene Milde dargestellt wird. Zweitens ist schon vorhin er-
wähnt, daß iese Lieder auch wieder Eigenthümlichkeiten haben,
w durch sie sich von der deutschen Sage unterscheiden; auch bei
den folgenden wird dieses gezeigt werden. Ein dritter Grund
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aufgegangen durch Jütland bis zu den dänischen Inseln, und
sie erscheint in diesen Liedern; die nordische aber gehört dm
tiefern Scandinavien, Schweden und Norwegen zu, wo ja auch
der Hauptstamm seinen Sitz gehabt zu haben scheint. So be-
trachtet, hat man ein Recht, wenn man diesen Liedern emen
deutschen Ursprung zuschreibt, und es gilt durchaus der Schluß,
daß wir dieselben, dem Inhalt nach, nur abweichend in der
Form, insoweit es eine andre Sprache mit sich bringt, besetzen
haben. Uebrigens ist dieses Resultat für alle folgenden Lieder
aus diesem Cyklus allgemein gültig, die Beweise werden noch
bei jedem geführt werden. —
Red, saa er det ikke af Vejen at erindre, at endogsaa de
celdfte aF vor© Kjscmpeviser i den forste Part ere lütter sam-
menflikkede Digte, gjorte ester det Tydfke med nogle danske
]Navne msngede hist og her. Den hele Kram af alt
Jette Kjserlingetöy, hvoriblandt dog forekommar en Del
Artigheder og adskilligt til Sprogets Oplysning, er altlaimnen
sammensat i Christendommen. De aridste ere af samme Slagj
Vers og Rimbaaud som Heldenbuch. Saasnart den Tone og
Melodie forandres, er det nyere Arbejde. “ Wichtig können
wir das Gesagte nicht nennen, es ist die Anficht, welche gewöhnlich
die modernen Geschichtschreiber von solchen Volksgesängen haben. Sie
find ihnen von Natur feind, weil sie kein rechtes historisches Factum
daraus abnehmen können, und ihre innere Bedeutung und Natur
nicht einmal ahnen. Ihre Entstehung zu erklären, wird daher immer
ein Zufall zu Hilfe genommen, wie hier, daß die Dänen, die an die
Höfe der fränkischen Kaiser gekommen, sie gebort und mit zurückge-
bracht, welcher doch gänzlich ohne Beweis ist. Der vermeintliche Zu-
sammenhang dieser Lieder mit dem Heldenbuch ist aus der oberster
licken Kenntniß entstanden, welche solche Historiker meist von den al-
ten poetischen Denkmählern haben: hätte Gram das Heldenbuch wirk-
lich gelesen, und die Sagen darin mit den Liedern verglichen, so
würde er gefunden haben, daß sie nur in einer einzigen Enähluug
übereinstimmen, in Dietrichs Kampf mit dem Lindwurm, auch wieder
sehr. abweichend; sonst aber gar nicht. Ich zweifle, daß Gram die Ge-
sänge der sämundinischen Edda oder die Wolsunga Saga gekannt,
sonst hätte er nicht so geradezu behaupten können, diese Sagen seyen
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Ion. ifoq. p. 53. Düschings Erdbeschreibung VI. 48. 49 ff
allein diese Verwechslung fände sich schon sehr ^rüh, ' denn eine
Silbermünze aus dem elften Jahrhundert mit der Kirchr tfttr
Tanten hat die Umschrift: Sauna Troja, uiib eine kupferne aus
dem fünfzehnten: IVIonera nova Trojae minoris, auch verglei-
che man die folgenden Stellen aus dem Zredegar und dem Le-
ben des heil. Anno; sodann aber fcbt sie immer einen andern
Grund voraus, wodurch sie sich erhalten konnte (dies gilt auch
von dem vorigen Fall); dieser Grund aber ist hier gleichwich-
tig, und wird sich aus den: folgenden ergeben. Der Namen
nämlich leidet keinen Zweifel, es fragt sich nur, ob dieses Tro-,.
ja in Bezug stehe mit dem alten asiatischen, und hier begegnet
uns ein allgemein verbreiteter Glauben, welcher die Franken
von den Trojanern abstammen laßt. Jn^dem Walther von
Aquitanien, als der dritte Franke Wernhardus gegen den Wal-
ther auftritt, heißt es:
723. quamlibet ex longa peneratus Ilirpe nepotum
o vir clare! tuus "cogxiatus et arcb amator
Pindare, cjui quondam, iusfu^ confundere so e du 9,
in medios telurn torsilH prinuis Achivos.
Der Dichter läßt ihn also von jenem Lycier Pandarus, Lycaons
Sohnj, abstammen, der für Troja kämpfte, dem Apollo selbst
dm Dogen geschenkt (11. ß. 824.), und der den Diomedes an
der Schulter verwundete (*. 9.5.), daß er aber den ersten Pfeil
»bgcschoßen, davon sagt Homer nichts. (Troja finden wir noch
sonst in altdeutschen Gedichten: die rauch Elß wird vom Bech-
lmg in Troy angetroffen, Wolfd. Str. 629.; dort sieht der
Jungbrunnen, Srr. 353., und Wolfdiererich wird dann Herr von
Troy genannt, Srr. 642. 70,. 769. Zn dem Gedicht von
Salomon und Morolf, in weichem mancherlei Anklänge von ei-
nem deutschen Volkslied sind,'heißt es vom König David:
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D. 2L08. Der vor der alden Troie
erdachte das Seittenspil so vin.
und V. 4062:
da sprach ein alter Surian:
ich Han vor Throe dicke das beste gedan.
Ob der Fluß Tr eya, in welchem Alsrikur das Schwert Naglh.«
ring härten kann, welchen er Ln neun Königreichen gesucht,
Wilk. S. c. 40. hierher gehöre, muß dahin gestellt bleiben.) Zu
diesem Zeugniß kommen die der Historiker. Prosper Aqub
tanus (Continuator des Eusebius, st. um 463.) erwähnt
unter der Negierung des Kaisers Gratianus: Priamus qui>
dam regnat in Francia, quantum altius colligere potuimus,
c.IV. Deutlicher drückt Fredegar Scholasticus (st. 658.)
die Sage aus: de Francorum regibus B. Hieronymus,*)
qui jam olim fuerat, scripsit. Quod prius Virgilii poctae
narrat historia, Priamum prim um habuisse regem, cum
Troia fraude Vlixis caperetur: exincle fuisse egressos. Post
ea Frigam habuisse regem bifaria divifione partem eo
rum Macedoniam suisse aggressam, alios cum Friga vo
catos Frigos Aham pervagantes in lktore Danubii flumi
nis et maris oceani consedisse* Denuo bifaria divisionr
Europam media ex ipfis pars cum Francione eorum
rege ingressa fuit, qui Europam pervagantes cum uxori
bus et liberis Rheni riparn occuparunt: nec procul a
Rheno civitatem ad instar Trojae nomiiiis aedificare
conati sunt; coeptum quidem, sed imperfectum Opus re
mansit. Residua eorum pars, quae super littore Danubii
Wenn Fredegar den Hieronymus eitirt, bei dem sich nichts von den
fränkischen Königen findet, so ist damit, wir Schilter zu Königsho-
vens Elsaß. Chronik S. 472. 47z. erläutert, der Prosper Aquitanus
gemeint, indem der Kirchenvater den Eusebius aus dem griechischen
ins lateinische übersetzte, welche.Uebersetzung dann Prosper Aquitan
continuirte, so daß alle drei demselben Buch eitirt werden.
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IC?
- 435 -
remanferat, electum a se Turrhot nomine regem, per
quem vocati sunt Turchi, et per Fran* io mm hi alii vo-
cati sunt Franci, multis post teinporitous cum ducibus exter-
nas dominationes semper negante* Hist Franc, epit. c. 2.
Mit dem Fredegar stimmt überein Amvinus (st. ,008.) in
der historis Francor in der Zuschrift an den Abt Abbon, in
der Vorrede c. 10 und zu Anfang des ersten Buchs; er sagt
auch, daß etliche Autoren dasselbe angäben. Ein gleiches ent-
hält eine alte handschriftliche französische Chronik: Melanges
tires d’une gr. bibliotheque, V. 272. Die Gesta Francor.
(der Verf. derselben lebte um 720.) haben folgende Stelle,
c. I. 2.: alii autem de principibus ejus Priamus et Ante-
nor cum aliis viris de exercitu Troianorum XII. millia
fugerunt cum navibus, qui introeuntes ripas Tanais flu-
minis per Moeotidas paludes nauigaverunt et pervenerunt
ad terminos Hnitimos Pannoniarum — Uli quoque egresli
a Sicambria venerunt in exiremis partibus Rheni fluini-
nis in germaniam oppidis, illicque inhabitaverunt. Wie
geneigt man gewesen an die Trojaner sich anzuknüpfen, beweist
eine Stelle bei Paul Warne fr ied (st. vor 800.): hoc tem-
pore apud Gallias in Francorum regnum Anchis Arnulphi
silius, qui de nomine Anchisae quondam Trojani
creditur appellatus, sub nomine majoris domus gerebat
principatum; und noch mehr das Epitaphium der Rothais,
Tochter des Königs PLpin:
äst abavus Aiichise potens, qui ducit ab illo
Trojano Anchisa longo polt tempore nomen.
Thom. Aquinas a S. Joseph, de orig. gent. Franc,
p. 43. Chifflet. Vindic« hisp. p. 429. 463. Idem in
Lampad. ad Vindic. p. 5 — Sigebertus Gemblacen-
sir (zweite Hälfte des Ll. Jahrh.) sagt: Valentinianur GO"
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- 436 -
rum virtute delcctatus, eos qui prius vocati erant Tro*
jani, deindc Antenoridae, poßea etiam Sicambri Fran-
co s attica (?) lingua appellavit, quod latina lingua inter-
pretatur: seroces — undecunque ergo denominati tunt
Franci: quantum altius colligere potuerunt hißoriographi,
hie Priamus regnabat super eos tempore prioris Valen-
tiniani. Nam cx ipso regis nomine recollentes nobilita-
lern iOius Priami, sub quo eversa est Troja, inde gloria*
bantur gentis suae m3nasse primordia. Das letztere hat
wahrscheinlich deu Prosper Aquttan. zur Quelle. — Endlich in
dem Loblied auf den heil. Anno (etwa aus dem Ende des
vi* Jahrh.) ist die Sage ganz deutlich enthalten:
XXII. V. 343.
Cesar bigonde n-ahin Cäsar begonnte nahen
Ln den bnin ahiu magin zu den seinen alten Magen
cen F r a 11 k i 11, din edilisl j ZU den F r anten, den edelen;
iri bt'idcre vorderin Ihrer beider vorderen
^narnin von Troie dor altin, tarnen von Troie der alten,
du die Griechin diu burcli civaltin: La die Griechen die Burg zerfältten.
du ubir diu hori beide La über die Heere beide
gor brr urteil b iisesints, Gott sein Urtheil so erfcheinte,
Jaz die Troieri kum intrunnin, daß die Troieri kaum entrannen
di« Criecbin ui gitorstiu heim vin- die Griechen nicht durften heim wem
dm. den.
XXIII. V. 3qO.
Franko gesaz mit den bni Franko gesaß mit den seinen
vili verre nidir bi Rini, viel ferne nieden beim Rheine,
da worlnin b dii mir vrowedin da wirkten sie dort mit Freuden
eini 1 ü z z e 1 e Troie: eine kleine Troie:
den ba cli hizin b Sante, den Rack hießen sie Sa rite
na demi wazzere in iri lante, nach dem Waßer in ihrem Lande
den Rin bavirin b vnre diz ineri; den Rhein hatten sie für da-Meer;
dannin wuhba sint vreinkischi dannen wuchsen seit fränkische
beri. Heer.
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Und früher V. 96. werden die trojanischen Franken
genannt. Man bemerke den Ausdruck: Troja die alte,
welcher mir der vorhin citirten Stelle aus dem Morolf überein-
kommt, und volksmäßig gewesen zu seyn scheint. — Dies sind die
Stellen, welche ausdrücklich von der trojanischen Abkunft der
Franken reden; man kann damit Ln Verbindung bringen ande-
re Sagen von griechischer Abkunft. Ott'fried sagt in den
Evangelien L. I. c. i. V. 174:
Las ih, ioli in ala war,
in einen buachon , ih weiz war,
sie in iibbu ioh in ahtu
sm alexanderes Uahtu.
Tber worolti so gitlirewita,
mit suertu sie al gUirewita,
vntar seinen hanton
mit filu harten banton.
Joh, fand in theru rediüu,
thaz von Macedoniu
tlier liut in giwurli
gisceidin er -würd.
Las ick>, ja in alle wahr,
in einem Buche, ich weiß wy,
sie (dieFranken) in sieben jaruach<'
gewesen Alexanders Schlachten.
Der Welt so gedräuete,
mit Schwertern sie all gestreuete
unter feinen Handen
^nir viel harten Banden.
^zg., fand in diesen Reden,
daß von Makedonien
dies Volk in Würden
geschieden er führte.
Etwas ähnliches kommt ebenfalls in dem Loblied auf den
heil. Anno vor. Es wird erwähnt, daß nachdem Alexander zn
Pabilonien gestorben, vier seiner Männer sich in das Reich ge-
theilt, die übrigen seyen in der Irre gefahren; ein Theil aber
sey auf Schiffen herab zur Elbe gekommen (23. 334. 35.).
Merkwürdig aber ist, was damit übereinstimmend Witechind
sagt im isten Buch der Gesta Saxon: er habe in seiner Ju-
gend jemand behaupten gehört, die Sachsen kamen von den
Griechen her, und wären Ueberbleibsel des nach Alexanders
Tod in alle Welt zerstreuten makedonischen Heers. Auch wird
in dem pros. Roman von Alexander dem Großen, nach Hart-
liebs von München Ucbersetzung (5. 88a. ed. iSiH) gesagt,
daß nach dem Tode Alexanders PtolomauS mit den Griechen
durch Rußland, Littauen und Preußen nach Sachsen gezogen
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
438
und sich daselbst niederaelaßen. Ich will hier nicht in meinen
Vortheil ziehen, was TacitUs (de mor, German, c. i)
anführt, daß die Germanen g andren, Ulyßes sey nach langen
Irrfahrten nach Deutschland gekommen, weil er nur vergleü
chungsweise könnre genannt seyn.
Es versteht sich, daß man bei den svätern Historikern die
Sage wiederfindet Vincentivs Bellovacensis Ln dm
Ipeculum hiftoriale und Martinus Polonus in seiner
Chronik, beide aus dem i j. Jahrh., erzählen sie. Sodann
Lupolt von Hebenburg: cts juribus jegni et hnperii
Romanor. (Sehardii o ie tio de porefta e imperiali et ec*
cleiiastica r. v.) und Königshoven in der elfaß. Chro,
nik 0.4. §. i. beide aus dem 14. Jahrh, und auf den Ech
bius (d. h. Prosper Äquiran.) sich berufend. Auch Anniut
Virerbensis aus dem täten Jahrh, in seinem Comment,
amiquitatum L. XVII. tol. rät. führt an, daß Francus, ein
Nachkomme oes Hecrors, über die Celten geherrscht. Er stützt
sich auf den Berosus (der aber falsch und von ihm erdichtet
seyn soll, der ächte lebte um 276. vor Christus) und auf den
Vincentius Hellov. Hernr. Valesius in not. ad excerp*
ta Peires . p. 75 erwähnt der Sage als allgemein bei guten
Schriftstellern.
Es feylr auch nicht an Versuchen das Ganze als eine Vw
fälschung darzustellen. Wendelinus in praefatad LL. Salic,
glaubt, daß in den gefhs Francor. zuerst die Fabel sey erdich-
tet worden. Schiller, der am gelehrtesten darüber spricht in
der äten Anmerkung zu Königshovens Chronik, kann sich nicht
anders helfen, als daß er den Freoegar geradezu beschuldigt
(S. 470.) er habe den Gregorius Turonensis verfälscht,
weicher L. II. c. 9. ebenfalls von den Franken sagt: tradunt
enim multi, eosdem de Panonia fuUTe digreslos. Et pri*
Znurn quidem littora Rheni amnis incoluisse: dehine tram*
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 43g —-
acto Rheno, Thoringiam fransmeaffe: ibique'iuxta pagos c:jc~,
Tel civitates, reges crinitos (ablief)«) super se creavifse,
de prima et ut ita dicarn nobiliori suorum fainilia; ohne K' . ; ■ ;V?
jedoch der trojanischen Abkunft zu erwähnen. Eccard (com-
mentarii de reb. Franciae Orient. T. 3^) meint, daß die ~
Sage entstanden, weil ein stänkischer König Priamus geheißen.
Suhm (om Odin. S. 79.) hält nach Schönings Vorgang
(om Norskes Oprindels« S. 264.) die Fabel keiner Betrachtung
«erth, und glaubt, daß sie durch den Dares Phrygius auf-
gekommen.
Uebersehen wir alle Stellen aber, welche auf diese Sage
hindeuten, so werden diese Meinungen sämmtlich widerlegt;
denn es ist offenbar, daß sie aus einem Volksglauben entstan-
den, nicht durch Verfälschung der Geschichtschreiber. Noch deut-
licher wird dies, wenn wir bemerken, wie bei andern Völkern
ein gleicher geherrscht. Lucanus sagt von den Avernern, ei-
nem keltischen Volk, Pharsalia I. 427:
pir V***
ljry'.a>~a 4m «5u* 5 "'
fr-
Die Hinweisungen auf Asiatische Abkunft in den nordischen Sar 'H'
gen sind allgemein und gehören nicht hierher. Merkwürdig aber , ^
ist, daß in der Vorrede der jüngern Edda, da wo sie die
genealogischen Tabellen enthält, die wahrscheinlich auf Tradition
beruhen, Othin von Priamus König von Troja hergeleitet
wird: in der achten Fabel (bei Resen) heißt es sogar: Asgar-
Jt£sfc\s*r t)
dur that er Troja, Asgard- das ist Troja. Nach dem
kangfedgatal sind gleichfalls die trojanischen Helden die Vor-
fahren der nordischen. Daß die Sage von den Brittaniern, die
stch bekanntlich von Brutus herleiteten, herübergekommen nach
Ecandinavien, wie Thorlacius (om Thor og Hans Ham-
mer. Skandinavisk Museum Hl. S. 11.) behauptet, müßte
— ausi. Latio se fingere Fratres
sanguine ab Iliaco populi.
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Den Todten hatte er in den Rachen genommen, und wirst
ihn gleich seinen zwei Jungen vor, die ihn alsbald verschlin-
gen. Der alte Wurm ist sehr müd und schlaft ein; da macht
sich Etgard aus seinen Klauen los, sucht und findet in der
Höhle eine Rüstung und ein gutes Schwert. Die Jungen sind
indeß auch eingeschlafen. Etgard führt einen Streich nach dem
Herzen des Drachen, daß ihm das Schwert aus der Hand
springt, dann zieht er ein Schild zu sich. Viel Blut fließt
aus der Wunde. Er geht aus der Höhle, der Drache folgt
ihm, und bläst Gift auf ihn; fällt aber endlich todt nieder.
Darauf geht der Held in die Höhle zurück, erschlägt auch die
beiden Jungen und nimmt das Gold und Silber des Drachen.
Im Wolfdicterich (Heldenbuch) dagegen findet sich offenbar die-
selbe Sage, aus dem wir sie hier, um sie unmittelbar mit dem
Lied vergleichen zu können, und weil nichts die Verschiedenheit
in der Manier deutlicher darthun kann, nach der Ausgabe von
1509. mit berichtigter Orthographie hersetzen.
Str. »707. Do reit't Wolfdiekerrche
do in dem wilden Than,
er suchte endeliche
do den Wurm schadesan:
do in dem Walde grüne
reit't er einer Meilen weit,
do hört der Ritter kühne,
do an derselben Zeit,
So ferr in dem Gefilde
gar einen großen Sturm;
den facht ein Leo wilde
und ein ungefüger Wurm.
Nun fuhrt er an scim Schilde
ein Leo, von Golde roth,
darum der Degen nrilde
dem Leo sein Hilfe bot.
man möcht ihn auf dem Schilde
mit Handen geschöpfet Han.
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Zhm ward do in dem Sturms
der Schläge viel gethan,
er was ein wilder Wurme,
das Feuer ab ihm en braun.
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Güte was ihm theure,
gar schnell was sein Gang
sein Athem ungeheure
ihm also sehre stank.
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Do wählet er nach der Schwere
unter den Todten überall,
und welcher der nun wäre,
den ihn'n fügt zu eim Ball;
er wählet unter ihn'n gemeine
bis er kam an die Statt,
do er den Fürsten reine
Wolfdieterich hat gelat.
Der Jungen warent viele,
das^öllt Ihr mich verstau,
do wurdent härte Spiele
mit ihm gefangen an.
Sie wurfent ihn in dem Steine
je einer dem andern dar,
bis daß dem Fürsten reine
sin Kraft verschwände gar.
Do sie dem Fürsten reine
um hättent gehaltet wohl,
do griethent sie gemeine
entschlafen in dem Hohl:
raufen waidliche
der alte Wurm begann;
noch lag Wolsdieteriche
als ein unverschnittner Mann.
1745. Also was ihm verschwunden
do beide Kraft und Macht,
als wir es hie hant funden,
bis gen der Mittennacht,
do gedacht der Fürste hehre
do an des Leo Leib:
do tranrte er um sehre,
und um das schöne Weib.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
do schlug der Ritter klare
dem Wurm ein Wunderr weit.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Der Grat was ihr gar harke
und aus der Maßen schmal,
ein Schneid recht als ein Bart«
über den Ruck zu Thal;
ihr Klauen grauenlichen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
der Hamasch der sey dein;
und all mein Künigreiche
sollen dein eigen seyn.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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V. 221. da kam er auf ein Heide
pey einer steinen want;
die nacht kvm ym zu leide
schlaffen er do gant.
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du hast ge.'iden not:
ohn' got vnd auch dein hilffe,
so wer ich leider todt."
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24g. des leid wolffdieterich note,
doch nam es pald ein ent;
die würm lagen dvte,
er sneid in aus behend
den fünf haubcen die zungen;
in den pergk er sich hub,
vrtneis gebein, de« ftumen,
er vnter die erden grüb.
Zlehnlichkeit damit hat eine frühere Abentheupe des Otnlt
(Wolfd. Str. 902 — 920 ), welcher zu dem Kamps eines Lind-
wurms und Elephanten kommt, und lehterm aus gleichem Grund
beisteht: weil er rochgolden in seinem Schilde gemahlt stehe.
Otnil schlägt dem Wurm drei Wunden, der entflieht, und führt
den Elephanten mit sich. Aber er geräth unter eine Zauberlin-
de, wo er einschlafen muß (und wo er schon einmal entschlafen
war, sein treuer Hund und Roß ihn durch Bellen und Treten
aufzuwecken suchte, als der Lindwurm, kam, und wo eine wil-
de Frau ihn noch errettete, 838—46.). Da kommt der Lind-
wurm wieder, Bracke und Elephant bemühen sich idren Herrn
zu erwecken, und stoßen ihn hart an, aber der Zauberschlaf
hat ihn bezwungen. Der Elephant kämpft nun für ihn, wird
aber zerrißxn. Umsonst scharrt und schreit auch das Roß, der
Schlafende wird von dem Lindwurm verschlungen.
Eigenthümlich und ausgezeichnet ist in dieser Aeußerung
der Sage die Situation des Helden, der am Abend, als er
auf der Heide angelangt, sich niederlegt und einschläft, den
am Morgen, als der Drache naht, das treue Roß austvecken
will, der aber vor großer Müde nicht erwacht, daß es für ihn
mm kämpfen muß. Merkwürdig aber findet sich etwas Aehnli-
chrs in dem königlichen Buch des Ferdust, im Schahnameh,
schon im zehnten Jahrhundert aus Tradition und persischen
Chroniken zusammengesetzt. Cai Caus, König von Iran, ist
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ausgezogen gegen den König von Mazenderan, ihm sein Land
zu nehmen, wird aber von Div Sefid (dem weißen Riesen)
sammt seinen Leuten durch Zauberei mir Blindheit geschlagen,
und von zwölstausend Divs bewacht. Er sendet in dieser Noth
den einzigen noch sehenden Boren an Nu st an ab, daß er sich
aufmache, ihn zu befreien. Zwei Wege führen zu ihm nach
Mazenderan, einer von sechs Monden, den er eben eingeschla-
gen hatte, ei» anderer von vierzehen Tagen, voll Abgründe,
Ungeheuer, Löwen, Drache und Zauberer. Nustan besteht den
letzter» in sieben Abenrheuern. Zn der zweiten, als er zur
zweiten Rast gekommen, bereitet er sich zum schlafen. Ra-
te sch, sein Roß, läßt er frei in das Feld, und befiehlt ihui
nicht eher durch Wiehern ihn zu wecken, bis der Feind
wirklich zeige. Um Mitternacht naht ein furchtbarer Drache,
^ Rakesch springt sogleich zu seinem Meister, wiehert, stampft
,mit den Füßen und weckt ihn auf. Zn demselben Augenblick
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aber verbirgt sich der Drache, Nustan schaut rechts und links
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ffttJrift steh, kann aber nichts sehen, und legt sich wieder zu schbi
'/1 stn. Der Drache kommt zum zweitenmal, und Rakesch, wir
zuvor, weckt seinen Herrn. Dieser wirst wieder allenthalben
l/L&-r /Sv* f*** die Augen hin, so gut cs die Dunkelheit der Nacht gestatt«,
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(XJtJ[vri4' ifiiJhm* es heftig seiner Furcht und Feigheit halben, und dreht
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kann aber keinen Feind entdecke»; denn der Drache ist wieder
verschwunden. Deswegen wird er sehr erzürnt gegen das Pferd,
fft*" ihm, wo es noch einmal ohne Noth seine Ruhe störe, wolle
‘ er ihm das Haupt abhauen und zu Fuß nach Mazenderan ge-
hen. Nach diesen Reden entschlaft er, und der Drache kommt
zum drittenmal. Das Pferd fürchtet sich vor der Drohung,
und wagt cs nicht seinem Herrn sich zu nähern. Jedoch, all
sich der Drache nun bereitet, diesen anzufallen, überwindet die
Liebe zu seinem Meister die Furcht, es wiehert mit aller Macht
und weckt ihn auf. Zutu dritkenmale aber hat der Drache fei,
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ne Gewalt sich zu verbergen. Nustan, wie er ihn erblickt, be.'
denkt, wie leicht er fälschlich sein treues Roß hätte umbringen
kki'.nen, besteigt es und erlegt das Ungeheuer. Oufdy orien-
tal coli. vol. 2. p. 45 — 55. (Sonst finden wir die Sage
von treuen Pferden, die ihrem Herrn Lm Kampf beistehen, noch
mehr. So beißt Falke, als es den Thidrikur in Gefahr sieht,
den Zaum entzwei, springt mit seinen Vorderfüßen dem Ecke
auf den Rücken, und tritt ihn zur Erde. Wilkina Saga.
Cap. 41. S. 104. Eben so reißt es sich darnach von einet?;
Olivenbaum, an welchen es gebunden war, los, und schlage
einen Elephanten, welcher den Thidrikur festhält, nieder. Cap.4Z.
S. 109. Otgers Roß sieht seinem Herrn auch bei, Olger
Danske, S. i§3.) Eigenthümlich ist auch in dieser Erzäh- izt
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lung die Art, wie Wolstierench den Wurm tödtet, indem er,
von ihm verschlungen, sich herausschneidet.
Eine Anspielung auf die Sage finden wir Ln Ecken Aus- fXU/ht tW.j-Mo.
fahrt. Die Königinnen versprechen dem Eck, wenn er gegen
Dieterich ausziehen wolle, eine köstliche Rüstung (Nach der
Ausgabe von 1491. Strophe 16 und 17. in dem Dresd. Mj.
Irr. 17. 18.):
Seyd du dan in dem willen bist,
so gib ich dir zu drser ftist,
t\>e allerbesten brinne,
vnd die kein aug ny überfach;
daryn ein grosser streit geschach
von eines künges kynne.
er was von Sarnparten oteneyt.
der nam darin sein ende:
ayn wurm der fand jn schlaffes zeyt
vor einer sternes m'Nde;
er trug jn Ln ^ hvlen berg
vnnd let jn für die Lungen,
die fugen durch das werk.
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(ftr. 67. Cz&.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
her Eck die brynn ist so lobelich,
vnd die erstrayt wolffdieterich
so gar on alle schände. —
Die drei Königinnen nämlich, die den Eck wappnen, hatten
den Panzer gekauft, wie auch an dem Schluß des Dresd. Ms.
von Wolfdietench erzählt wird.
Darin weicht unser Lied hauptsächlich ab, daß der Leu
nicht umkommt, sondern nur das Roß den Zungen vorgewor-
fen wird, und daß er dann den Held herausgräbt und ihn fort-
trägt. Merkwürdig ist nun und auffallend, wie in einem aus
griechischen und morgenländischen Sagen zusammengesellten Ge-
dicht, in dem Apollonius von Tyrland, eine ähnliche Erzählung
vorkommt, wo auch der Held, wie Wolfdieterich, so gewaltig
von dem Feuer des Drachen leidet. Nach der Gothaischen
Handschrift:
10J07. do fach er ein dracken
sich zu dem Panthier machen;
die tier fluhen alle gar.
to3io. der kracke was schwartzvar,
er ließ fewr auß dem giel,
daö es auff das tier viel.
das panthier schre mit grymme
ain klägliche stymme,
das es in den wald schal;
das wilt stoch über al.
es hetre sich vil nahent «vergeben^
»van es gftng jm an das Leven,
sach Äppol nius,
10320. zu iy>» sprach er alsuß:
„soll ich n°q verderben lan
das edel tier »^lgera.i ?
ich w-lt ee mit jm fjgen dot,
ee das ichs ties in dle^x not."
als ain sireytmüder ma».
zu seinem roß det « war
dv was es zezerret gar ;
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
der edel man von tyrland
nam das schwert zu der haut,
vnd liess an den kracken:
fein sieg mochten kracken,
das schwere schnaid des kracken
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— 472 —
jo36o. do Want er sein hende:
,.nun pin ich eilende,
seyt ich das. roß hab verlorn."
Apollonius klagt, daß er nicht anderm Rath gefolgt:
lojtjö. dp rede er nye so schir gesprach,
das panthier er pey im fach.
es legte sich auff die eroen
und winckre dem vil werden,
daß er auf es säße:
»0400. zam was sein geläße;
es kroch auf allen seinen vieren dar,
deß nam der edel kunig war.
deß tier ist hoch vnd groß,
an lauffe ains orses genoß;
sein Haupt ist krumpp, sein har gra,
es hat als ein kraiffe cla.
der edel vnd der gute
gedacht in seinem mute:
ich hab für das tier gestritten,
104:0. nun will es mich mit guten sitten
leicht durch das waßer tragen;
ich muste es zu mare sagen,
solle mir die abentewk geschehen,
ob man mich solt in wirden sehen,
er saß jm auff den rucke,
er sprach: „got geb mir gelucke!"
das tier liess das wassex auf:
vnmaßen snell was sein lauf.
gar schire es ainen fürt vant;
»0420. veß stewte sich der weygant,
es lttff für sich di slichte,
durch das waßer di richte;
darnach, do es abend was,
es legte sich nider <mff ein gras
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sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 473 —
pey einem knien prunnelein:
da wollen sy die nacht sein,
des andern tages, gar fru,
das panthier gieng im aber zu:
er saß darauff, es liess sur sich,
10430. amen snellcn roß geleich.
sust lief eS an den vierden tag,
das es eßens nicht pflag,
dan des »achtes, so er slieff.
zulest es aus dem walde liess
auff ainen perg, der was ploß;
do fach er eine stat groß,
das panthier legt sich auff die knie
als es spräch: ich muß hie
von dir schaiden, werder man,
10440. du solt mich vrlaub haben lan.
er saß ab ihm, es stund auf:
zu dem walde was sein lauf.
Solche Treue eines Löwen für Erlösung finden wir auch in ei-
ner spateren Abentheure des Wolfdieterichs. Er hört den Lö-
wen schreien im Kampf mit einer Vipper, weil er von dem
Feuer, das das kleine Thier ausspeit, getroffen ist. Der.Held
hilft ihm und tödtet den Wurm. Dafür neigt ihm der Löwe
sein Haupt und will ihm immer beistehen. (1862 — 68.) Die
Kaiserin heilt seine Wunden, und er wird dann im Kampf für
Wolfdieterich erschlagen. (1916.) Das Reiten auf einem Leu
kommt auch in einem persischen Gedicht vor. In Neh Man-
zer (ou les neuf loges, conte traduit du persan par Les-
csllier. a Genes 1808.) wird erzählt, daß Schirazade (Löwen-
svhn), als er auf einer Jagd die alte Löwin, die ihn vis in
sein drittes Jahr erzogen, wieder erblickt, er von seinem Pferd
abgestiegen, sich auf ihren Rücken gesetzt und in den Wald von
ihr getragen worden.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
47*
Auch in dem altfranzösischen Roman von dem Riesen Mor-
gan! wird (nach der Bibi. univ. des romans 1777. Nov. p» 78.)
erzählt, daß Rinalt einen Drachen und Löwen im Kampfe fin-
bet, und dem edlen Thier hilft, das ihm dann immer nachfolgt.
. Daß der Kampf beider Thiere aber eine gewöhnliche Vorstellung
H ' war, ergibt sich daraus, daß ihn Hugdieterich, als Jungfrau
verkleidet, auf ein Tuch stickte. (Wolfdiet. Str. 67.)
Uebrigens spricht dieses Lied am deutlichsten für die Be-
hauptung, daß sie sämmtlich der deutschen Sage zugehören, da
wir in den nordischen Sagen noch keine Spur von Oktnit und
Wolfdieterich gefunden, der sich mehr nach dem Süden hinneigt.
Freilich ist dem Ottnit der Namen des Königs Siegfred gege-
ben (auch in dem Vlllten Lied wird seiner Ermordung von
'dem Lindwurm wieder gedacht), unter welchem eigentlich der
Schlangentödter verstanden wird, indem das Schwert Adelring,
das hier Dietrich findet, nach dem Vien Lied offenbar dem Si-
gurd zugeschrieben wird, wie auch in dem letzten Lied noch ein
König Siegfred Horn vorkommt, so ist es doch nur eine blose
Uebertragung des Namens.
HI. Kampf zwischen Langbein dem Riesen und
Vidrich Verlands Sohn. Wir stellen die Erzählung der
Wilkina-Saga, aus dem Originaltext übersetzt, dagegen. Cap.
170 —177.
Nun sprach König Thidrikur, als er sah zu seinen beiden
Händen: große Macht ist hier zusammenkommen in meiner Hal-
lt von diesen theuern Helden: und was für ein Mann mögtt
der seyn, der so kühn wäre, daß er meinte zu richten seinen
Kampf hiergegen? und hier sitzen auf einer Bank dreizehen
Männer: und wenn die kommen mit ihren Waffen und auf ih-
- 475 -
ren Roßen, das dünkt mir daß sie reiten sollen in Frieden
durch alle Welt, so daß niemand mag ihnen gleich seyn, und
niemand mag haben die Kühnheit dazu, drß er weisen möge ei-
ne Spießesspitze gegen sie; und wenn etliche wären solcher Män-
ner, die kühn wären oder übermüthig und unverständig, daß sie
nicht fürchteten unsre große Tapferkeit, und Much, und unsre
scharfen Schwerter, und die harren Helme, und die unbiegsamen
Schilde, und die starken Panzer, und die fortspringenden Roße,
welche die Männer erschlagen gleich wie Löwen, da möglen sie
sich verurtheilen schnell zum Tod (171.). Herbrandur, dm wei-
sen Bannersührer des Königs, verdroßen diese Worte, und er
sprach: „Hör auf, Herr, und rede nicht davon länger, eh du
wahrhaftig weißt das, was du sprichst; du bist ein Kind, und
gewißlich, du sprichst aus Uebermuth und Unverstand, wenn du
denkst, daß niemand gleich sey deinen Männern. Ich kann dir
sagen von einem Land, das ist geheißen Berrangaland, darüber
herrscht ein König, der heißt Zsungur, er ist der Männer stärk-
ster und unerschrockenster zum Kampf, wie wir gehört haben.
Er hat elf Söhne, und sind die gleich wie ihr Vater; er hat
einen Bannerführer, der heißt Sigurdur Sveinn, der ist ein
kühner Mann sosehr in allen Dingen, daß kein Mann mehr
gefunden wird, der mit ihm kämpfen kann. All sein Leib ist
so Han, wie Horn, und gering ein Waffen verschneidet ihn, und
so stark ist er, daß er, mein ich, mag binden jeden von uns,
der käme zum Kampf mit ihm, und greifen mit der Hand. Er
hat kein schlechteres Schwert, als das der König hat: das
Schwert heißt Gramur; und ein Roß hat er, das Grant heißt,
es ist ein Bruder von Falka, Skemming und Rispa, und das
beste von allen diesen. Gramur ist auch das beste Schwert-,
wohl kann das Helme und Schilde zerschlagen, oder Männer-
glieder entzweischneiden; und darnach sind alle seine anderen
Waffen; und das däucht mir, wenn du zum Kampf kommst mit
t ff
,
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diesem Manne, von dem«ch dir nun geredet habe, daß, ehe dk
kommst heim, du das Kgst, wenn es anders geschieht, daß du
kamst nimmer vorher -n solche Mannesgefahr, als du hier sollst
kommen; und das sollt du mir bestätigen, wenn du kommst
und so jeder andere deiner Männer." (172.) König Thidri-
kur sprach aus großem Muth: wenn es so ist, wie du sagst
von diesem capfern König und seinen Söhnen, und dem uner-
schrockenen Banncrführcr, den du gelobt so viel, so sollt du nun
auf der Stelle fahren von dieser Tafel, und dich waffnen, wie
du auf das beste vermagst, und auf dein Roß steigen, und mein
Banner ergreifen; und ich weiß nichts, was mich verhindere
und meine elf Stallbrüder, dir zu folgen: und fahr und reit
voran nach Bertangaland. Und ehr als ich schlafe einen Schlaf
hier in meinem Reich zu Bern, da soll ich wißen, ob sie oder
wir mehr Tapferkeit und Muth haben; und einer von uns soll
siegen und überkommenden andern, eh wir uns scheiden. (173.)
Herbrandur stieg nun zu seinen Waffen, und bekleidete sich aus
das schönste; und nun setzte er sich auf sein Roß mit aller rit,
terlicher Rüstung, und mit seinen besten Waffen, und er hatte
nun in seinen Handen das Banner des Königs Thidrikur, und
ritt nun mitten in den Königshof, und rief mit lauter Stimme:
„wenn ich soll sagen den Weg nach Bertangaland vor dir, du
reicher König Thidrikur, so bin ich nun ganz fertig; und laßt
nun Euch nicht länger erwarten." Thidrikur war nun ganz
fertig und alle seine Männer, und stiegen sie nun auf ihre Ros-
se, alle wohlgerüstet, ,.^-ebrandur ritt nun aus Bern mit dem
Banner des Königs Thidrikur zuvorderst vor allen diesen, und
. nach ihm zunächst König Thidrikur, und einer nach dem andern.
Nun ritten sie ihren Weg, wie vorher erzählt, mit dem Rath
des Königs selbst, seiner edelsten Ritter und besten Kämpfer.
Sie fuhren nun lange Wege und durch ungeheuere Wälder, bei-
des bewohnt und unbewohnt, wohin nimmer König Thidrikur
vorher gekommen war, oder einer seiner Männer. (174.) Nun
kamen sie zu einem großen Wald und dahin lag ihr Weg in
diesem Wald. Nun zog HerbranLur sein Roß zurück gegen den
König und sprach: „Herr, sagte er, hier liegt vor uns der
Bercangawald, und in diesem Wald ist ein Riese, der heißt
Ekgeir, er ist ein Sohn des Königs Rordian, und ein Bruder
der Riesen, welche Wildifer, unser Stallbruder, erschlug bei dem
König Osantrix: das waren Aventrod und Widvlfur mit der
Stange. Der Riese Etgeir ist hier, das Land des Königs
Isungur zu bewahren,*) der gedenkt, daß sein Land und sein
Reich sicher waren, so er hier sey; und wenn du willt komme»
nach Dertangaland, da ist kein anderer Weg, als hier fort zu
reiten um diesen Wald, und kein Wahn ist, daß du kommest
anderes Wegs. Und dieser Riese ist so stark, daß ich weiß kei-
nen seines gleichen. Nun reite jeder von Euch in den Wald,
welcher will, und nicht sey der Wahn, daß ich komme voran,
wie bisher ich gekommen, wo nicht wir alle reiten zusammen;
da mag ich wohl seyn, wo Ihr seyd. Nun habe ich Euch ge-
sagt die Gefährlichkeiten, die dort sind, und kommt nun Euch
dieses nicht unerwartet; und mögt Ihr nun so rathschlagen, daß
Ihr nun wißt, was vor ist, und mögen wir nun reiten fort
alle zusammen. Vidga sprach: dieweil es so ist, wie du gesagt,
Herbrandur, da soll der König und alle Zhr still halten Eure
Roße, und ich will reiten in den Wald, und suchen mit dem
Riesen einige Widerrede; und es kann seyn, wenn ich ihn bit-
te, daß ich sahe Erlaubniß für uns alle fortzureiten; mir ist
gesagt, daß wir mögen haben Verwandschaft mit einander: kann
til landvarnar Isungi Kongi. So ist in der Gautrak« und
Rolfs Saga Stsrvirtr Landwedrmann'. (landvamarmadr) de« Kö-
nigs Haralld: Cap. z. 7. und Erich des König« Fode: Saxo Grara-
mat. L. V. p. 8‘. Auch in charrauds und Bose Saga kämmt die
Benennung Cap. 7. vor.
478
auch das seyn, daß er uns bas läßt genießen. Aber wenn er
nicht will erlauben uns. fortzureiten, da trägt mein Roß mich
nicht langsamer zu Euch zurück, als fort, und thun wir da all-
sammt was gerathen zuvor, was König Thidrikur sieht, daß es
am besten mag gehen. Der König und alle die Stallbrüder
sprachen, daß er solle rathen. — 176. Vidga ritt nun fort in
den Wald; er sah vor sich hin, wo lag ein Mann und schlief
Der Mann war sehr groß, seine Beine waren dick, er hatte
einen starken Rücken, dick und lang, und in Mitten seiner Au-
gen war wohl eine Elle; und so war all sein anderer Wuchs
Und nicht fehlte ihm Grimmigkeit und andere Bosheit, und so
blies er stark im Schlaf, daß alle Zweige in den Bäumen da
in der Nähe zerrißen wurden und zurückgebeugt davon. Nun
stieg Vioga von seinem Roß und band es an einen Olivenbaum
und ging zum Riesen, und zog sein Schwert Mimmungur, und
stieß an den Riesen mit seinem linken Fuß und rief ihn an und
sprach: „steh aus, Riese, und wehr dich, ein Mann ist nun
hier kommen, der bereit ist dir dein Leben zu nehmen: nicht
sollte so allzeit schlafen, der gesetzt ist, das Land zu hüten, von
einem reichen Hauptmann. “ Nun erwachte der Riese, und blick-
te gegen ihn, und sah, daß da war gekommen ein Mann; und
gar nicht fürchtete Etgeir der Riese diesen Mann, und sprach
zu ihm: nicht schlaf ich allzeit, vielmehr wach' ich, wann es
Noth thut; und das dünkt mir, daß ich thue, was mir ange-
nehmer bäucht, wachen oder schlafen, vor deinen Sachen. Oder
warum weckst du mich? oder was für ein Mann bist du? ich
gebe dir den Rach, daß du hütest dein, und fahrst fort deiner
Wege, und läßest ab mit deinen übermüthigen Reden, dieweil
mir das zuviel däucht, meine Deine zu strecken deiner Sachen
halber, und aufustehen zu dem einen, dich zu erschlagen. Und
schlief nun der st-ese zum andernmal nicht weniger fest, als zu-
vor er schlief. Nun stieß Vidga seinen Fuß zum andernmal auf
479
ihn, so daß entzwei ginge,« zwei Rippen in ihm, und nun sprang
der Riese auf und war zornig viel, und faßte seine Eisenstange
und drang auf Vidga ein. Und als dieser sah die Stange wie
sie fiel, da sprang er darunter weg, und der Riese schlug in
die Erde, so daß die Stange stand fest zwischen zwei Felsen.
Nun hörte König Thidrikur es krachen, als die Stange kam
nieder; da sprach Herbrandur: da mögen wir nun hören Vid-
ga's Todesschlag, und reiten wir nun fort aufs schnellste, und
wenn nicht so gethan wird, so ist das unser Tod. Nun nahm
der Riese seinen Spieß, und schoß ihn auf Vidga , aber Vidga
lief gegen ihn, und flog der Spieß über ihn und so in die Er-
de, daß nichts stand außen davon. Nun hieb Vidga dem Rie-
sen in die Lenden und soviel von den Hüften ab, daß kein Roß
trug mehr. Und da hieb er ihm beim andern Hieb viel Fleisch
ab, und einen auf den andern, bis der Riese fiel und hatte
tief« und große Wunden; und darum, daß er hatte da kein
Waffen, wußt er, daß er nicht siegen würde in diesem Kampf,
und ließ er w» sich fallen zur Erde, dieweil er dachte, daß
Vidga mögte kommen unter ihn; und erschlüg er ihn also.
Aber Vidga lief zurück in Mitten seiner Füße, da er sich be-
reitete zu fallen; und so behielt Vidga sein Leben für diesmal.
Diesen starken Schall hörten nun die Stallbrüder Vidgas, und
da sprachen etliche: „seyn mag auch, daß Vidga den Sieg erhal-
ten, und der Riese ist nun gefallen." Nun sprach Vidga zum
Riesen: „nun will ich abhauen dein Haupt, oder womit misst
du lösen dich?" Der Riese sprach: „guter Herr, erschlag mich
nicht, ich will mich lösen mit so viel Gold und Silber, daß du
nicht mehr gesehen hast;" da sprach Vidga: „so sollst du nun
folgen mir dahin." Da stand der Riese auf, viel müd vom blu-
ttn, und gingen sie dahin in den Wald, wo lag ein großer
Stein, und geschlagen darum ein Eisenring. Da sprach der
Riese: „heb du auf diesen Stein, da magst du finden große
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
>— 48°
Reichthümer." Vidga hub aus allen Kräften, und der Stein
ward nicht bewegt dadurch. Da sprach Vidga: „wenn du willst
haben dein Leben, so heb diesen Stein weg." Nun faßte der
Riese, genörhiget, den Stein, und hub ihn mit einer Hand
auf, und unter selbigem Stein war eine Thüre, und faßte der
Riese die Thüre, und machte sie auf, und war darunter ein
Erdhaus. Nun sprach der Niese: nimm nun, guter Gesell,
den Reichthum, von dem ich dir sagte, und mag nun nicht die-
ser Siein dich -abhalten. Nun gedachte Vidga, wenn er gehe
in das Haus, daß der Niese mögte niederlaßen die Thüre, und
den Stein darüber legen, und wußte er, daß er dann käme nim-
mermehr heraus. Nun sprach er zum Riesen: „geh nun in
das Haus und zeig mir diese Reichthümer." Nun stieg der
Riese herab in das Erdhaus, da faßte Vidga sein Schwert mit
beiden Händen, und hieb den Niesen in den Hals, so daß das
Haupt abflog; und siel da so der Riese. (177.) Nun faßte
Vidga seine Zunge und schnitt sie aus dem Haupt, und wusch
sich in dem Blut eines Riesen, und ging zu seinem Roß, und
machte es ganz blutig; und die Niesenzunge band er an den
Schweif seines Roßes, darum, daß er das wollte haben zum
Wahrzeichen, daß er nicht lüge. Und nun sprang er auf sein
Roß, und ritt aufs schnellste, als er vermochte, zu seinen Stall-
brüdern. Nun hob er sein Schwert auf, so hoch er konnte,
und ri;f so stark er konnte, und sprach: „fort, gute Freunde,
Riese hat mich todwund geschlagen; und ebenso wird es Euch
ergehen, wenn nun nicht jeder läuft, so gut er kann." Und
da fle hörten diese Worte Vidgas, da erschracken nun alte, und
lief nun jeder, wie er konnte, nur nicht König Thidrikur; er
zog sein Roß gegen Vidga, und ritt muthiglich, und zog sein
Schwert, und sprach: „guter Stallbruder, laß uns nun aufs
schnellste zurückreiten, und gedenken, was wir gesagt, daß wir
nicht fliehen wollten da, wo wir sähen gewiß den Tod vor uns;
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- 48i
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und es hat keine Noth, wenn wir beide zusammen sind." Nun,
da sie zusammentraffen, sagte Vidga dem König Thidrikur al-
les, was geschehen war, und der König Tbtdrikur getacine,
Vidga habe rühmlich gehandelt, wie er gewohnt war. Und nun
als dieses fanden König Gunnar und die andern, welche ihm
gefolgt, daß König Thidrikur und Vidga waren weder näher
bei ihnen, noch ein Mann nun fuhr hinter ihnen, der ihnen
Schaden anthun wollte; da fanden sic, daß Vidga hakte ge-
scherzt da und gespottet schimpflich; und zogen nun zurück zum
König Thidrikur und Vidga; und bauchte ihnen schlimm mit
ihrer Fahrt. Nun sprach Vidga zum Könnig Gunnar und allen
den Stallbrüdern-, „gute Freunde, das bitte ich Euch, daß dar-
um, daß ich Euch nicht Wahrheit sagte, Ihr mich nicht an-
klagt, oder mir zürnt dieser Sache halber, das Ihr das habt
leide» müßen; denn ich weiß, daß in Euerm Haufen sind viele
nicht schlimmere Gesellen oder schwächere Männer, als ich bin;
und das will ich Euch büßen, weil ich böses gethan, mit Gold
und theuern Dingen." Nun sprachen sie fast allesammm wir
mögen dir gerne das vergeben, wie du es willst annehmen: und
wolle Gott, daß wir nimmer erfahren solche Schande; und nicht
deiner Sachen halber, vielmehr haben wir selbst dazu gethan.
Nun ritten sie allesammt und sahen, wie lang die Stange war
gegangen in die Erde, die der Riese geworfen, und die Sieile,
wo der Spieß war in die Erde gegangen : und war all versan-
kt». Und zunächst gingen sie dahin, wo das Erdhaus war und
der Riese gefallen, und nahmen da unmäßige Reichthümer in
Gold und geschmolzenem Silber, und kostbare Dinge; und da
waren nun gekommen alle die Schätze des Königs Zsungur
und die Schätze, die Elgeir der Riese hatte mit sich aus Dä-
nemark.
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IV. Unmittelbar an diese Erzählung schließt sich in der
Wilkina Saga das folgende Lied, die Hel den fahrt, so daß
wir am besten in der Uebersetzung fortfahren, und die Anmer-
kungen über beide Lieder zugleich machen. Cap. ,78 —182.
Nun war das eines Tags, daß der König Zsungur und
alle feine Söhne saßen auf seiner Burg, und rvaren alle lustig;
und nun kam zu ihnen Sigurdur Sveinn, und sprach zu Zsun-
gur, dem König: ..Herr, sagte er, ich sah eine Mähre, die
mir bäuchte nicht klein. Ich sah ein Zelt, das war aufgerichtet
auf dem Plan vor deiner Burg, und das Zelt war so gethan,
wie ich niemals vorher es gesehen. Mitten auf dem Zelt stand
eine Stange, und oben am Ende dieser Stange war ein großer
Goldknopf, und vor diesem Zelt war ein Vorzelt mit rothen
Steinen, und darauf auch eine Stange mit einem Goldknopf;
und hinter diesem ein drtttes Zelt, grün, daraus eine Stange
und ein dritter Goldknopf, und zu rechter Hand ein Zelt von
güldenem Geweb, und darauf auch eine güldene Stange mit
einem Goldknopf, und zur linken Hand ein weißes Zelt, und
darauf so eine Stange, die war ganz gülden hinauf zu dem
Knopf; und das mein ich, daß kein Mann sollte gesehen haben
ein schöneres Zelt. Vor dem Zelt hingen dreizehen Schilde,
und das Schild war bezeichnet mit einem Roß und einem Bär;
und hab ich da gesehen das Roß und das Schild des Heinijs
Und das Schild, das zunächst, war bezeichnet mit einem gülde-
nen Habicht und zwei Vögeln, die vor ihm fliegen; und das
Zeichen pflegt ein jeder meiner Verwandten zu haben: das war
das Schild des Zarls Hornbog-s Das dritte Schild war eben-
so bezeichnet mit einem Habicht von Gold und zwei Vögel flie-
ge» vor ihm, gleich dem vorhergehenden; und war das Schild
Omlnngs, Sohn des Zarls Hornboga. Und das vierte Schild
war bezeichnet mit Zange und Hammer und Ambos. und nicht
war gering das Schild; das war das Schild des Pidga. Das
© Hess
- 485 -
fünfte Schild war bezeichnet mit einem Leu von Gold; das
war das Schild des Königs Thidrikur, und der Leu hatte eine
Heer-Krone auf dem Haupt. Aus dem sechsten Schild war ein
Aar mir einer Krone; das war das Schild des Königs Gun-
nar. Auf dem siebenten Schild war ei» Aar, nicht gekrönt;
(da hat er gesehen das Schild des Hogiza). Nun war so das
achte, daß es war bezeichnet entweder mit einem Goidschein oder
mit einer Flamme; (da sagte er von dem Schild Herbrands).
Nun war das neunte Schild, das war bezeichnet mit einem
Leu, aber nicht gekrönt, (nun ist gesagt von dem Schild Fa-
sellds). Nun war das zehnte Schild, und war darin ein Dra-
che gezeichnet; (da ist gesagt von dem Schild Sintrams: er
empfing dies Zeichen, dieweil er war erlöst aus des Drachen
Munde). Nun war das elfte Schild, das war bezeichnet mit
einer Stadt, die war gemacht nach Bern; das war das Schild
Hildibrands; und das geht also zu, daß er Bern im Schild hat,
daß er nimmer kommt in solche Lebensgefahr, daß er möge dar-
um vergehen, er sey ein Mann von Thidrikur, Könige von
Bern. Das zwölfte Schild war bezeichnet mit einem Wild-
schwein; (das ist gesagt von dem Schild VÜdisers, und ist nach
seiner Natur gemacht). Nun war nach diesem das dreizehnte
Schild, das war ein Mann und ein Elephant; (das ist gesagt
von dein Schild Thefteiss des Dänen; darum, weil Sigurdur
der alte aus Griechenland auf einem Elephanten ritt, a!S er
mit Thettleif kämpfte). Darum däucht eö mir gewiß, sagte
Sigurdur, daß in unser.Land gekommen find unbekannte Käm-
pfer, woher sie kommen, und welches Geschäft sie haben. Und
nun biet' ich mich an, König, mit Euerm Rath, zu ihnen zu
teilen, zu wißen, wer sie sind, die so dreist haben ihre Zelte
aufgeschlagen, und so nahe gestellt, und so stolz sich unterstan-
den, ohne Euer» Nach, in Euer Land zu kommen." 9hm
sprach der König: ich will sinden zu diesen Männern einen
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
Kämpfer allem, um ihnen das Wort zu bringen: wenn sie woll-
ten ihr Leben behalten, daß sie mir sendeten Abgabe und Scha-
tzung. so wie unsre Gesetze verordnen. Nun mag der Kämpfer
nachspüren, wer sie sind, oder woher sie kommen, oder wo sie
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kommt Ihr? was Zhr gethan, ist nimmer gethan worden vor-
her, zu entbieten König Zsungur und seine Männer zum Kampf:
habt Zhr nicht von ihm sagen gehört, was er vermag für sich ?
und das dünkt mir, daß er es nicht absagt zu kämpfen mit
Euch, was für Männer Ihr auch seyd." Da sprach VLdga:
wie es ist, ob du kennst einige dieser Männer, oder nicht, die
hierhergekommen, ich will es nicht bergen vor dir. Ueber diese
- Männer herrscht Thidrikur König von Bern, und ist hier auch
ein anderer König, der heißt Gunnar von NLslungaland; und
noch sind mehr tapfere Gesellen da, obgleich wir diese nur nen-
nen. Aber was meinst du: mögen König Zsungur und Sigur-
dur gewißlich kämpfen, oder mögen sie es verweigern? Nun
! sprach SLgurdur: „das däucht mich, daß der König Zsungur
und Sigurdur SveLnn mögen nicht fliehen unversucht vor Euch,
hier in ihrem Lande, wenn auch hierher sind gekommen Thi-
drikur König von Bern oder seine Männer. Wie das auch
geht, da mögt Zhr nicht brechen wollen das Gesetz, und ent
ziehen dem König die Schatzung: und Zhr mögt ihm wohl die
Schatzung senden aus Ziemlichkeit von Euch und mit Eurer Zu-
stimmung; welches ihm zur Ehre gereicht, und Euch keinen Scha-
den bringt. Nun sprach der König Thidrikur: darum, daß du
ausgerichtet sein Geschäft mit vieler List Und Courtoisie, so will
ich ihm senden eine Sendung, die ihm geziemt zu empfangen.
Nun sagte König Thidrikur zu seinen Männern: wa§ sollen
wir senden ihm, das ihm geziemt zu empfangen? Nun senden
wir ihm ein Roß und ein Schild; und laßt uns werfen die
Würfel, welcher von unsern Männern ihm sein Roß und Schild
senden soll;" und sie thaten also. Nun wurden die Würfel ge-
werfen, und der Würfel kam auf Aumlung, Sohn des Jarl
Hornbog^ Nun ward genommen sein Roß und sein Schild,
und sendete es König Thidrikur dem König Zsungur, und nun
ritt Sigurdur fort seinen Weg. (180.) Nun däuchte es Amm
HMMtf
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lung gar schlimm, daß er habe gelaßen das Roß, und daß es
beßer gewesen, er habe gelaßen viel von seinem Gut daheim;
und wollte nun reiten nach Sigurdur, und wollte das Würfeln
nicht gelten laßen; und.ging zu seinem Vater und bat ihn, zu
Leihen sein Roß und wollte er nehmen sein Roß von dem, der
damit fortgeritten. Aber der Zarl wollte nickt, daß er ihm
nachreite, und wollte ihm sein Roß nicht leihen, und wollte es
laßen so geschehen seyn. Nun ging Aumlungur zum Vidga und
bat, ihm sein Roß zu leihen. Nun sprach Vidga: „mich daucht,
daß du nicht sähst dein Roß von diesem Gesell, so er derjenige
ist, der er mir dünkt zu seyn; und wenn du nicht sähst dein Roß,
und Läßest mein Roß, was soll ich da haben?" Nun sprach
Aumlungur: wenn ich laße dein Roß, so sollst du haben all
mein Rerch, und das sind zwölf der stärksten Burgen in Wim
land, die mir mein Barer gab, und du sollst sein Erbe wer-
den, so als ich nun bin, wenn ich dir dein Roß nicht wieder
gebe: aber wenn ich dir dein Roß wiedergebe, da hab ich das
meinige, wie vorher, und eins von beiden will ich sahen: mein
Roß oder den Tod. Nun sprach Vidga: „auf dieses sollst dn
sahen mein Roß, darum daß du wagst das meiste aus dieser
Fahrt." Nun stieg Aumlungur auf den Rücken Skemmings,
und ritt nun so sehr er konnte, bis daß er ihn einholte: und
das war nah an der Burg des Königs, und da war ein Lin-
denbaum. Und nun rief Aumlungur den Mann an, und bat
ihn sein zu harren; und er that also. Nun sprach Aumlungur:
„steig von dem Rücken des Rotzes, das du retcest, denn nim-
mer will ich es laßen, und ich habe weit heim zu reiten."
Nun sprach Sigurdur: - was für ein Mann bist du, der so
kühnlich Macht wegen dieses Rotzes, auf Hetzen Rücken ich sitze;
und nicht daucht es mir, daß du es magst sahen, es sey nun
dein ooer nicht.' Nun sprach Aumlungur: steig v m Roß,
und wenn du thust nicht ago, so magst du dein Leben vertieren,
und so das Roß. Nun gedacht Sigurdur, daß dieser Matt«
mögte seyn der Sohn des Jarl Hornboge, der war sein Ver-
wanvrer, und da sprach er: „ich sehe deutlich, daß du willst
kämpfen mit mir dieses Roßes wegen, und kann seyn, daß du
getroffen einen Mann, der mit dir kämpfen will in kurzer Wei-
le , wenn gleich du nicht kämpfest nun; und den Rath sage ich,
daß wir versuchen andere unserer Tugenden derweil, das ist,
daß du mußt laßen das Roß, das du verlangst, oder du mußt
laßen das» worauf du sitzest. Nun leg an deinen Spießschast
und reit gegen mich, und ich mag mich halten fest dagegen;
und mit dem, daß du mich von meinem Roß stößest, da habe
du dein Roß, und genieße es wohl; wenn ich aber deinem Ritt
stehe, da mag ich versuchen zu reiten mit meinem Spießschast:
und wir hörten mit diesem Spiel nicht eher auf, bis einer von
uns sein Roß verloren." Und dies gefiel Anmlung wohl, und
wollte es so geschehen laßen. (181.) Nun ritt Aumlungur ge-
gen Sigurdur, und gab Skemming die Sporn, und stieß mit
seine!« Spießschaft mitten aus das Schild Sigurdurs so stark,
daß das Roß Sigurdurs fiel auf die hintern Füße; aber selbst
saß er unbeweglich in dem Sattel, und ging entzwei der Spieß-
schast in der Mitte; und da sprach Sigurdur: hier war männ-
lich geritten von einem jungen Mann, und das kann seyn, daß
du Verwandten da hast in deinem Geschlecht, die wohl mögen
Kundschaft haben solcher Ritterschaft; steig nun ab von deinem
Roß und güne^es stark, uitd rüste es dir aufs beste, und so
selber dich; und steig dann auf, und halte gegen mich, so wie
ich hielt gegen dich, und beoenke, daß tu das alles wirst be-
dürfen , wenn du nicht sollst laßen dein Roß. Nun that Aum-
lungur also und machte sich bald fertig, und nun gab Sigur-
dur seinem Roß die Sporen, und stieß seinen dicken Spreßschaft
mitten a.s Aumlungurs schönes Schild, so harr und stark, daß
er mit selbigem Spießschaft Aumlungur weit rückwärts von sei-
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item Roß stieß. Nun faßte Sigurdur in den Zaum Skem-
mings, und sprach nun: du guter Gesell, nun hast du nicht
dein Roß darum du rittest zurück, und hast gelaßen das andere,
das, wie ich glaube, dich mag vieles gekostet haben, wenn es
so ist, wte es mich daucht, daß du wirst geiaßen haben Skem-
ming, das Roß Vidqas; und das dünkt Mir, daß du ihm wirst
viel dagegen gesetzt haben, el> er dir es geliehen, und wirst du
haben Undank von ihm, weil du es gelaßen; und war es dir
bester gewesen, daß du warst ruhig gewesen dieses Mal. Nun
sprach Aumlungur: „so mögen denken die Männer, die keine
muchige Männer sind, aber es mag auch wieder gut werden
unser Vorhaben, wenn gleich es jetzt nicht hat guten Schein."
Nun sprach Sigurdur: was willst du nun zugeben, daß du dein
Roß erhältst, dosten du jetzt verlustig bist? Da sprach Aum-
lungur: , dafür will ich dir geben, alle Dinge, die ich vermag,
wenn es mir soll nicht gereichen zur Schande oder meinem Ge-
schlecht." Nun sprach Sigurdur: eh wir uns versucht, da
fragt ich, welches wäre dein Namen, oder welches wäre dein Ge-
schlecht, und du warst so stolz', daß du nicht wolltest sagen dein
Geschlecht; aber du sollst nun beides sagen, wenn du willst sa-
hen deine beiden Noße. Da sprach Aumlungur: „wenn ich ver-
barg vor dir mein Geschlecht und Namen, da ich mein Roß hat-
te, da werden das sagen meine Srallbrüder, daß ich es aus
Fürcht gesagt; nun mag ich gewiß nicht zurückgewinnen mein
Roß, oder anderes, wenn gleich all mein Vermögen daran läge
und mein Reich, sollte ich darum Schande oder Nachrede ha-
ben.^ *) Nun sprach Sigurdur: ich will nun nicht dich fra-
*) So weigert sich auch Molfdieterich beim Kampf seinen Namen zu
nennen, weils Zagheit wäre. Str. 590. Und der rothe Ritter (Etgard)
in der BlomsturwallarSaga will niemand seinen Namen nennen, als
dem, der rhu besiegt; selbst die Königstochter weist er mit ihrer Fra-
ge ab.
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gen dieses Mal, um schimpflicher Sachen, vielmehr mit Freund-
schaft, wenn es so ist, wie es mir haucht, daß du bist der
Sohn des Jarls Hornbog^, meines Verwandten; da will ich
dir anthun lieber Ehre als Unehre: und nun will ich dir sagen
meinen Namen vorher, daß ich heiße Sigurdur Sveinm Nun
sprach Aumlungur: „darum, daß du vorher gesagt hast deinen
Namen, und zwang dich kerne Noch dazu, da will ich nicht
sagen dir meinen Namen, wd nicht du verheißest bei Got*
tes Zeugniß, daß mir soll nimmer Schand daraus werden."
Nun sprach Sigurdur: das will ich gewiß verheißen dir. Da
sprach Aumlungur: „mein Namen ist Aumlungur, ich bin der
Sohn des Jarl Hornboga, wie du gedacht; und mag seyn
unsere Verwandtschaft." Nun sprach Sigurdur: nun thatst du
wohl, daß du nicht langer verborgen, daß du bist mein Ver-
wandter; und ich will es so einrichten, daß es dir soll seyn
rühmlich und nicht unrühmlich. Nun sprang Sigurdur vom
Rücken des Pferds und sprach: geh, guter Verwandter, und
nimm da dein Roß und beide zwei, und reit heim zu dem
Zelt, und das sollst du sagen, daß du es nur mit Gewalt
nahmst; und eh du von dannen fährst, da sollst du binden mich
an diese Linde, und sollst mit fort haben meinen Spieß, mein
Roß und Schild; und so that er. Und nun ritt Äum-
lungur zurück mit seinen beiden Roßen, und als er kam vor
das Zclt, da ritt er schnell und hochgemuth. (182) Nun
stand Thidrikur der König und Vldga außen vor dem Zelt, und
sahen Aumlungur reiten. Nun sprach Vidga: da reitet Aum-
lungur unser Stallbruder, und hat gewonnen sein Roß; und
mag ich das vermuthen, wenn das Sigurdur Sveinn war,
wie ich denke, daß Aumlungur ihn mag höflich gebeten haben
um das Roß, und ihm gesagt zuvor von ihrer Verwandschaft,
und ihn zuvor, angeredet demüthig; und nimmer hätte er sonst
sein Roß zurück erhalten. Nun sprach der König Thidrikur:
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'fas
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'Cavff oCajJ**”?
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„nicht baucht mir, er nahm dieses Noß oder anderes von Si-
gurdur ohne Lehen Willen; oder es kann seyn, daß das war
ein anderer Mann, bei dem er das vermögt, was er wollte."
Nun ritt Aumlungur zum Zelt, und sein Barer und seine
4g i —
er kam zu diesem Baum, und sah da hernach liegen Bande
NUN heim, und gedacht nun, daß das sey alles wahr, wie
Aumlungur sagte; und sagte so seinen Stallbrüdern.
Die Uebereinstimmung der Lieder mit der Wilkina Saga
fallt in die 'Augen, und aus der reineren und vollständigeren
Erzählung derselben erklärt sich nun manches in ihnen. So
wird es erst deutlich, warum beide um ihre Pferde miteinan-
der kämpfen: Birtingstand ist offenbar eine Verwechslung
mit Bertangaland, womit Bretagne gemeint ist. Si-
vard der hurtige Gesell (Snaren Svend) ist Sigur-
dur Sveinn, der Schlangentödter (wie auch Suhm nord.
Fabelzeit II. 291. bemerkt). Der junge Held, der mit Sr-
vard kämpft, wird im Original Herr Hum vle genannt; „dann
wird auch der Namen Hu mm er lumm er angeführt, wie der
richtigere Amelung," den ich vorgezogen. Vidrich Ver-
lands Sohn (,,Villandssön") ist in der Wilkin. S. Vid-
ga, Sohn des Velents, der von den Waringern Wolun,
dar genannt wird (d. h. von den Normännern,' wie in dem
eddaischen Lied, Volundsr-^uida), und der Witt ich Wie-
lands Sohn, der in dem großen Rosengarten den Niesen
Asprian besiegt, in dem kleinen aber dem Laurin die Rosen
zertritt, und der in dem Nibelungen Lied (V. ^628.) erwähnt
wird, als der, welcher den Nödung todt geschlagen (wie die
Wilkina Saga, Cap. Z09. enthalt). Was von ihm gesagt wird,
und was er selbst sagt, daß sein Vater ein Schmied gewesen,
seine Mutter aber eine Königstochter, Namens Bodlild,
trifft mir der Wilkina Saga zusammen (bis auf den Namen
der Murrer, der nicht vorkommt', aber, wie ich vermuthe, in
der handschriftlichen Volundar-quida der lämundrschen Edda,
indem ihn Peringskiöld daraus in der Stammtafel scheint hin-
zugefügt zu haben). Velent, der Warer Vrdgas, lernt erst
zerrißen, und da liegen Spießschaste zerschroten. Vidga ritt
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bei dem MLmLr, wo ihn Sigurdur der Schlanaentödter m;
treibt, und dann bei zwei Zwergen im Berg Kallova (Ballo-
va) künstliche Schmiedearbeit. Er kommt dann zu dem König
Nrdungur von Jütland (Thiod genannt), wo er mancherlei
Schicksale erlebt, und deßen Tochter er aus Rache, weil ihm
der König die Gelenke der Füße hat einschneiden laßen, baß er
lahm ist, mir Gewalt gewinnt. Dann fliegt er in einer Fs-
derham fort, und nach drei Jahren holt er sie ab nach See-
land, mir dem Vidga, den sie geboren. Das Schwert Mim-
mung hat Velent geschmiedet, und gibt es dem Vidga, als
er zum König Thidrikur zieht, wie auch das Roß Skem-
ming (in dem Dresdner Ms. des Rosengarten, Str. 227.
228., ist Scheming Dieterichs Roß und Falke Wittichs; Die-
terich will sich zu einem Tausch verstehen, wenn Wittich den
Aspricm bekämpfen will). Vidga ist der rapserste und treuste
Geselle des Thidrikur, und in dem Zweikampf mit dem König
Jsungur, der sich Ln der Wiikina Saga gleich an das Lied
schließt, erlöst er durch seine Tapferkeit die meisten seiner Ge-
sellen , die gebunden waren und besiegt von Jsungurs Söhnen.
Uebrigens Kat sich die Sage auch auf dem dänischen Bo-
den einheimisch gemacht, denn „einige meinen, daß Vidrich
Villands Sohn der richtige Namen sey, und daß er in der be-
deutenden Herrschaft in Skaanen geboren sey, die noch Vil-
lands-Herrschaft heiße, und daß er auf der Seite der Insel
Syllesborg, bei der Sisebeck Mühle, wo die großen Steine
^noch auf diesen Tag ständen, begraben liege. Auch führt der
Herr von Villaud in seinem Wappen einen Hammer zu Vi-
&tr Andenken. Die Vraringsborg halt man für das Schloß,
das wirren auf Samsö bei der Tranbergs Kirche liegt, wovon
mau noch Mauern und Grundfesten sieht," und welches im
Jahr 1286. von Warst Stig und seinen Gesellen zerstört wur-
de. Gleicherweise wird von dem Riesen Langbein, wie Ccgeir
x. rifr.
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Jltu/
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in dem Lied benannt ist, in der Vorrede zu den Kämpe-Vifer
§.8. angegeben: „eine Meile von Noskild sey ein Birkenwald,
und darin nicht allein des Riesen Langbein großes Grab, son-
dern auch eine Höhle in einem Berg, worin sein Haus gewe-
sen, und dabei eine Höhle, die sein Backofen heiße. Im Jahr
i558. habe der Rector acad. M. Basmus Brokmand an eini-
gen Orten die Erde auswerfen laßen, in seinem Grab aber
nichts gefunden als ein Aschenkrug und ein Stück von einem
verrosteten Scbwert."
Zu den Eigenthümlichkeiten, die das Lied von der Wilkina
Saga trennen, gehöre es, daß der gebundene Sivard, wie er
den Vrdrik kommen sieht, die Eiche mit ausreißt, und sie am
Gürtel tragend fortlauft; wahrend er dort nur seine Bande
zerbricht. Ebenso wird in der Saga Zins Bogsweigers (Nor,
diska Kämpe Dcner) von An erzählt, daß er, an einen Baum
gebunden, ihn mit der Wurzel herausgerißen, und damit fort,
gelaufen. Auch Sigenot raust einen Baum aus, und rennt
damit Dieterich an, Dierr. u. Hildeb. Str. 72.; wie die Riesin
Ruh in Ecken Ausfahrt Str. 212. 214. und im Wolfdieterich
Str. 809. Achilles reißt Bäume sammt der Wurzel aus,
Trojan. Krieg 16845. Gleichfalls in dem mongolischen Gedicht
Bokdo Gäffärchan kommt die Sage von dem Saan Tuschimäll
vor (Bergmanns nomadische Streifereien IV. 272.) und in der
indischen Mythe (Polier II. 122.). — Dahin gehört auch das
Aufrichten des Leichnams: so richtet Gram die Leichen zweier
Räuber an Stangen auf, damit zu schrecken: Saxo G. L. I.
p. 8. in gleicher Absicht Amleth seine erschlagenen Gesellen.
82x0 G. L. IV. p. 58 59. wie auch Freidlef Suhm Fabel).
I. 800. Olger,. belagert, stellt die Gerödreten auf, bindet
Schnüre daran und bewegt sie damit. Olger Danste S. 98
u. 78. (Auch in deutschen Gedichten kommt die Sage vor,
wie in Eschenbachs Pranse S. 5ia n. 104a. und von dem
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Cid wird sie erzählt. Herder 242 — 245.) — Ferner der
Spott, den er mit seinen Gesellen treibt; in der Wilkina Sa-
ga bitter er sie gleich um Verzeihung, sie anfangs nur belogen
zu haben. Endlich auch, daß unter den Helden, die in dem
Lied ausgezählt werden, nicht blos aus dem deutschen Gedicht
bekannte sondern auch einheimische sind, die an andern Orten
wieder vorkommen, wie Guucelin, Wolf von Bern.
Merkwürdig aber unter jenen ist der Mönch Bruder Dlsung,
offenbar -Plsan, Bruoer des alten Hildebrands, der im Ro-
sengarren so gewaltig kämpft. Von diesem Mönch muß ein be-
sonderes audänisches Lied existier haben, denn in der Anmerkung
zu dem Lied von dem streitbaren Mönch (No. 80.) heißt es:
„es kann seyn, daß dieses nach Anleitung des alten Lieds von
dem Mönch Bruder Al sing gedichtet worden, der vielleicht
von dem Eiland Als (Alsen in der Ostsee) gekommen, da al-
le Alsinger genannt werden, die dorr geboren." Jenes Lied
wär in diese Abtheilung gestellt worden, wenn deutlich aus
Syvs Worten hervorginge, daß es eine Bearbeitung des alten.
An sich ist kein Grund vorhanden, das zu glauben, da es kei-
ne innerliche Aehnlrchkeit mit den Sagen von dem Zlsan in
den deutschen Gedichten hat: was übereinstimmt, der Charak-
ter des Mönchs, der mir seinen Brüdern und dem Abt so derb
scherzt, und etwa, daß er gegen 12 Feinde kämpft, das kommt
auch anderwärts vor, wie unten wird gezeigt werden. Ueber-
dieß erinnert es an diesen Sagen-Cyklus auch nicht durch ei-
nen Namen oder irgend eine andere kleine Abhängigkeit, was
sonst nicht leicht fehlt. Syvs Bemerkung scheint nichts weiter zu
sagen, als daß das neuere Lied in derselben Manier gedichtet
sei, von einem ähnlichen Mönch rede, und ist so ganz rich-
tig. — Aus einem ähnlichen Grund ist das Lied von Senilds
Rache (S. zweite Abth., N. 62.) nicht mit der Rache der
Grimilde in Verbindung gebracht worden, wiewohl die Sage
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in beiden Aehnlichkeit hat; und die wahrsagenden Nachtigal-
len (zweite Abth., N. 7.) nicht mit dem Heidcnbuch.
Die Sitte der Wappenschau scheint sehr alt, so wie das
Ausstellen der Schildzeichen. Das sagt Suhm (nord. Fabel-
zeit IL 44-)/ und daß die Schildzeichen in dem Norden nicht
mit dem Geschlecht verbunden gewesen; wogegen aber streitet,
was hier von Hornboge und seinem Sohn Aumlung vorkommt,
die ein Wappen haben, welches das ganze Geschlecht führt;
wie auch Hogne einen Aar hat, gleich dem Gunnar seinem
Bruder, nur nicht gekrönt. Es mag wohl beides statt gefun-
den haben, daß man nach einem Familienzeichen, und nach ei-
ner ausgezeichneten That das Schild bemahlte. Hildebrand,
der junge, erhält von Wolfdieterich ein Schild mit drei Wöl-
fen: als Erka ihre zwei Söhne Erpur und Onvin (Wilkina
Saga C. 297.) ausrüstet, gibt sie jedem ein Schild, blos roth
bemahlt, und eine goldne Bannerstange darin: und sie sind
noch mit keinem Vogel oder Thier bezeichnet, weil sie wegen
ihrer großen Zugend noch nicht konnten zu Rittern geschlagen
werden. Zndeß erhält doch Thetcr, der von gleichem Alter, «in
Schild mir einem roth und goldnen Löwen, dem Zeichen des
Thidrikurs von Bern, seines Bruders. Allebrand führt auch
seines Vaters Wappen, Wiik. S. c Z75. Einige Schildzei-
chen der Norweger hat (nach Suhni) Dolmer gesammelt in
Hirdskraa, p. 252., wo jedoch kein älteres vorkommt, als das
von Oluf Tryggwafon. (Ansang des utctt Jahrhunderts.)
Sigurdur hatte (nach der Wolsunga S. c. 3i.) in einem ver-
goldeten Feld einen Drachen, von oben schwarzbraun, von un-
ken hellroth, seinen Sieg über Foffner damit anzudeuten. Ham-
leth und Hildiger ließen ihre Thaten in das Schild eingraben
(Suhm II. 119. 206.). Noch ist zu bemerken, daß in der
Wilkina Saga an einem andern Ort (Cap. 33.) Vidgas Schild
wieder beschrieben wird, gerad wie hier, nur mit dem Zusatz,
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oben drauf geseßen, und nur ihr Liebster sey zu ihr hinaufge-
stiegen, indem er die gesammelten Knochen eines Huhns als
Leilersproßen eingesteckt; (Wvlfdieterich wird auch in. einen Gra-
ben gezaubert, um weichen vier glatte durchsichtige Glasber,
ge liegen, die ihn drei Tage gegangen halten. Dresd. Ms.
Strophe 289. In dem Heldenbuch ist blos BeliankS Burg
und Graben mit Glas überzogen. Wolfd. Str. 1171.) Si«
vardS Fohle sodann erinnert an Sigurdurs Roß Grane, das
allein durch die Flammen geht; das Seide Auswaschen an
das Haarwaschen der beiden Frauen, welches dort Ursache zum
Zank gibt, indem Brynhilldur oben stehen, und das von Gu-
druna getrübte Waßer nicht empfangen will. Weiter wird auch
Drynhildur in der Wolsunga Saga krank, und erstarrt, und
will nicht reden, in dem Nibelungen Lied weint ste nur heftig.
Drynhildur hat hier einen Verlobungsring, da sonst überall
Sigurdurs Frau den Ring hat, den er von jener empfangen,
als Zeichen ihrer genoßenen Gunst, welches auch viel richtiger
ist. Solche zum deutlichen Verständniß gehörigen Dinge ver-
nachläßigt oder verwirrt das einzelne Lied, wenn ihm der Zu-
sammenhang mit dem Ganzen nicht gegenwärtig ist, öfter; da-
für wird es mit einzelnen schönen Zügen wieder ausgestattet.
Diese sind, welche wir nun als Eigenthümlichkeiten des
Lieds erwähnen, daß Sivard, nach guter Stallbrüder Art, dem
Nielus die Bryniid überläßt, welches eine nicht sehr ungewöhn-
liche Sitte im Norden gewesen zu seyn scheint, indem Snxo
Gram. (Üb. I. p. 6 ) erzählt, daß Gram seine Frau dem Beße
seinem Gefährten zur Belohnung überlaßen; daß Brynild Si- pj$g
vards Herzblut verlangt, und sein Haupt in ihren Händen ha- n. (■.
den will; daß Nietus selbst ihn tödtet, und daß der Getreue
mit seinem eignen Schwert, das er hinleiht, ermordet wird
(denn ein anderes kann ihn nicht verschneiden, weil sein Hais
so hark wie Stahl, damit sein Hornlrib und seine Verwund-
c4*‘ ,
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— 498 —'
barkeit auf eine Art angedeutet wird); endlich daß er 'seinen
Mörder warnt vor den blutigen Thränen : daß beide umkom-
men, ist vielen Liedern gemein, und soll hier beschließen: in
der nordischen Sage verbrennt sich Brynhildur, Günther lebt,
in dem Nibelungen Lied leben beide fort.
VI. Die königliche Hirtin. Die Wolsunga-Saga
und vorzüglich die Ragnar Lodbrok Saga erzählen von der A s-
lauga, einer Tochter Sigurdurs und Brynhildurs. Heimer
trägt das Kind in einer Harfe fort und kommt auf die Span-
garheide zu einem Bauer Ake und deßen Frau Grima, welche
ihn ermorden. Aslauga wird von ihnen erzogen und hütet die
Ziegen, bis der König Ragnar Lodbrok sie findet und zu seiner
Gemahlin macht. Diese Sage enthält das Lied, bas aber we-
niger bedeutsam und überhaupt flacher geworden ist. Die Na-
men sind noch kenntlich: Sigurdur, Kragalild (diminutiv
von Krake), Negnfred (Ragnar); nur Aslauga ist in
Schwanhild verwandelt, wie die Tochter Sigurdurs mit Gu-
druna heißt. Die Kampe-Viser (S. 668.) haben noch eine
andere Recension, worin die Fabel einigermaßen abweicht: Herr
Carl sitzt an seiner Tafel und spricht zu seinen Dienern, sie
sollten ihm eine schöne Zungfrau holen. Ein alter Gesell rei-
tet aus und findet die Kragelild bei der Heerde. Er führt sie
zu Herr Carl, der sie nach ihrer Abkunft fragt, sie. sagt die
Bauern hätten ihren Vater todt geschlagen und in Höhle zu
den Würmern geworfen, ihre Mutter aber aus dem Land ge-
führt. Sie nennt sich Adelbrun, aber merkwürdig ihre Mut-
ter Dryniel, welches offenbar Brynhildur ist, und mit der
alten Sage übereinkommt. Kraka hat ein Haar, schön wie
Seide und bis zur Erde reichend, in welches eingehüllt sie
einmal vor den» König erscheint; daran erinnert das Lied, »venn
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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es heißt: ihr Haar sey wie von Gold gesponnen. *)
deutsche Sage übngens weiß von der Aslauga nichts.
— Dir
Vis. Sivard der hurtige Gesell. Bisher sind die-
jenigen Lieder betrachtet, deren Uebereinstimmung mit der deut-
schen, oder wie zuletzt, mit der nordischen nachgewiesen werden
konnte, so daß über ihren Zusammenhang und ihre Verwand-
schaft damit kein Zweifel mehr blieb; es folgen nun Die andern,
zu denen feine Parallelstellen in der großen Sage vorhanden,
die aber nichts desto weniger ächt sind. Wenn man erwägt,
wie leicht an einen kleinen unwesentlichen Umstand der Sage
das Lied sich mit seinem schimmernden fliegenden Sommer an-
hangen konnte, das überhaupt mehr die Darstellung eines ein,
zelnen Zugs, einer poetischen Situation, als oes bestimmten
Inhalts liebt, so wird man es natürlich finden, daß in vielen
ein eigenes Detail, eine seltsame Verknüpfung erscheint, die
sonst fremd ist, die wir aber immer zu der Sage rechnen dür-
fen. Denn alles, was sie sich in rrgend einer Region zugeeig-
net, und was Lebendig in ihr gewoben, muß ihr verblewen;
wie aus manichfachen Wolken, die der Berg anzieht, die ein-
zelnen Tropfen hinabsinken, und drinnen den Born bilden, der
frisch aus grüner Erde quillt; die Geschichte der Poesie hat
dann damit zu thun, die ursprüngliche Sage aufzusuchen, und
ihre manichfachen Verwandlungen zu erforschen. Wie sich in
den vorigen Liedern immer auch Eigenthümlichkeiten fanden, so
wende man diesen im Einzelnen erscheinenden Gegensatz auch
*) Das Gleichttiß, welches in den dänischen Liedern häufiger und Volks-
mäßig vorkommt (z. B. zweite Abtb. «8. V. 10.), scheint auch irr
Deutschland gegolten zu haben, indem es Conrad von Würzburg öf-
ter im Trojan. Krieg (3020. 10036. 194is. t-792.) braucht, und
der Dichter des Reinfrieds von BraunjHweig (£. ioi- Hannöv. HL.)
Ha *
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
— 500 —
aus da« Ganze an, und sehe in jenen die Uebereinstimmung,
in diesen das Eigenthümliche. Es sind dock die bekannten Hel-
den, die auftreten, die Dichtung ist in dem Geist der andern,
und so darf fle auch daneben stehn. —
Dieses Lied, wie Sivard sich todt reitet, widerspricht ge-
radezu dem vorigen, und es ist keine Frage, daß darin der
Namen ver anseht und unrichtig ist. Es kommt in Sigurds
Leben nichts vor, was Aehnlichkeit damit hatte, denn wenn
in der Nornagestur Saga erzählt wird, Sigurds Roß Grane
habe so sehr gesprungen, daß der Drustgürtel entzwei gegangen,
und die Ringe herabgefallen seyen; so begründet das weiter kei-
ne Uebereinstimmung; auch kommt dies Springen der Pferde
noch anderwärts vor, wie von Vidga in der Wilkina Saga
(Cap. 37.) gesagt wird, er habe seinem Roß Skemming die
fatu.frSporn gegeben, und über den Fluß gesetzt, wie ein fliegender
CtLiAAlwiL'.
Pfeil; und die Spuren von den Tritten des Pferds seyen noch
auf beiden Seiten zu sehn. Da indeßen das Lied seinem Geist
nach recht gut in diese Abtheilung gehört, und der Namen Si-
vards wenigstens andeutet, daß man es gern mit der großen
Sage verband, so hat es hier einen Platz erhalten.
VHI. Von dem Lied Orms, des jungen Gesellen,
enthalten die .Kämpe-Viser zwei Recensionen, S. «4 und 102.,
mit einigen Abweichungen, die keine doppelte Uebersetzung nö-
thig machen, und die beide hier benutzt sind. Der Riese heißt
in der einen Bermeriis, ich habe aber den andern Namen,
als den richtigern, vorgezogen. Dieser Orm ist der Sohn des
den der Lindwurm erschlug, und es müßte demnach
ein Sohn Ottnits seyn, allein dieser hat keinen Sohn gehabt,
und die Sagen weroen hier offenbar verwechselt. Ob damit aber
Sigurdur Orm i Anga (Schlang im Auge), weicher nach
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ver Ragnar Lodbrok Saga ein Sohn dieses Helden, und der
Aslauga, der Tochter Sigurdurs, des Schlangentödters, und
der Brynhildur, gemeint sey, wird nicht bestimmt zu entschei«
den seyn.
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worunter die altdeutschen, Hogen, Gonther, Gernafl,
Mönch Al sing, Hoiqvard der Spieleinann, deßen
Sohn Sonne aber in der deutschen Sage unbekannt ist. Von
Riesen, die Menschenfleisch eßen, erzählen die Sagen fast al-
ler Völker, es wird daher an einem Beispiel aus der Saga
af Sorla Srerka (Cap. 3. Nordiska Kampa^Daker) genung
seyn, von dem Riesen Skrymnir, dem sein Weib .Menschen-
fleisch zubereitet.
fl
XII. Das Lied von Vidrik Verlands Sohn stimmt
wiederum überein mit dem vorigen von Wolf von Bern. „Der
König Dlackmann erinnert an die Blakmänner, welche Alf
Sigards Sohn nach Saxo Grarnmaticus (ed. Steph. p. 127.)
überwand," und welche Seeräuber getvesen zu seyn scheinen
(nach Suhm II. 293.); diese Blackmänner aber an die Bla-
männer (Blaumänner), welch« in den nordischen Sagen vor-
kommen, wie in der Saga af Sorla Sterka, in dem Olger
Danske (S. 159.), wo offenbar Aethiopier damit gemeint find,
indem Aerhiopien Dlaland genannt wird. Auch in der Heims-
kringla, c. 1., wird unter Dlaland Aerhiopien verstanden. Sehr
merkwürdig ist aber dieses Anknüpfen der alten Sage an Afri-
ka, indem wir es gleichfalls in der Dlomsturvallesaga finden,
wo die Blamänner auch auftreten. Erwähnt muß es hier auch
werden, daß die beiden Helden Hildebrant und Herebrant, wrl-
che RtHo-' (ancient engleifh metrical romancecs III. 274.)
aus einem altfranzösischen Gedicht anführt, Afrikaner sind, weil
es möglich ist, daß sie in den altdeutschen Cyklus gehören. —
Einen rothen Seidenfaden zum Schutz um den Helm binden,
kommt auch in dem Elskovs Viser Lied »8. V. 44. vor.
XIII. Mimmering der ©egen (MimmeringTand.).
Saxo Grainmat. (Lib. III. p. 69. 40>) erzählt von einem
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Waldgeist Mimring, welcher ein köstliches Scbwert und einen
Armring mit geheimen Kräften besitzt. Hocherus will dieses
Schwert haben, weil Balder dadurch allein kann verwundet
werden. Mirnring aber wohnt in einer unwegsamen Einöde,
wohin Menschen schwer gelangen; zudem herrscht auf dem größ-
ten Theil des Wegs eine ungewöbnliche Kalte. Hother muß
daher mit Rennthieren fahren. Als er angelangt, richtet er
seine Wohnung so ein, daß sie den Schatten von Mimerings
Höhle aufnimmt, ohne diese wieder zu veschalten und zu ver-
dunkeln, damit der Waldgeist nicht durch ungewöhnliche Fin-
sterniß vertrieben werde. Der Tag geht Hokher auf die Jagd,
bei Nacht lauert er, bis er den Mimring einmal mit seinem
Spieß trifft, ihn bindet und zwingt, ihm das Schwert und
den Armring zu geben.
XIV. Wir beschließen diesen Cyklus am besten mit der
Hochzeit, wo die Helden, nach allen Abentheuern, in un-
verwüstlichem Leben lebend, zusammen kommen, und ein Riesen-
sest feiern, wobei alles recht mit dem großen Maaß gemeßen
wird, und welches durch diese halb scherzhafte Wendung eines
ernstlichen Streits einen fast märchenhaften Anstrich bekommen
hat, so wie sich die spätere Zeit in dem christlichen kleinen
Mimmering erblicken läßt.
„Bei Levestegaard in Skaanen wohnten die Dlaaer man-
ches Jahr, eh das Land das Christenthum annahm; Herr
Jver Dlaa lebte in Schweden im Jahr 1240. Ein Jver
Blaa war zu Korbülle, das darnach Ulfeldsholm hieß, dann
Ellenskord und nun Holkenhavn," aus der Insel Fünen.
- 5o5 -
Balladen und Mährchen.
San et Oluf. „In den nordischen Chroniken findet
sich nichts von dieser Sage. Harald, der Halbbruder Olufs,
war erst fünfzehn Jahr alt, als dieser im Jahr 1028 erschla-
gen ward." Ich habe auch nichts in der Olaf Helges Saga
der Heimskringla auffinden können, das mit diesem Lied über- _ ,
Vtl4A\ <T. J*-'
einstimmte, wiewohl andere Erzählungen nicht weniger seine «L
Frömmigkeit beweisen. So sitzt er einstmalen an einem Sonn-^^g.^/^-
tag in tiefen Gedanken, und schneidet mit einem Meßer, das ^L,
Der \ jH
er in den Händen hat, Späne von einem Stück Holz.
Diener spricht zu ihm: ,.H«rr, morgen ist Mondtag." Da
sieht der König den Diener an, erinnert sich was er gethan, -
und fordert ein Licht. Dann sucht er alle Späne zusammenge-
legt sie auf seine Hand, zündet sie an, und läßt sie darauf ver-
brennen (Heimskr. Cap. 20?.). Es folgt in den Kämpe-Viser
auf dieses ein anderes Lied ohngefähr deßelben Inhalts, worin
Oluf Zwerge und ein altes Weib zu Schanden macht, welches
aber übergangen worden, weil es an poetischem Werth diesem
durchaus nicht an.die Seite zu setzen.
a. Der Ritter Aage und die Jungfrau Else.
Dieses Lied ward zuerst in Sandvigs Levninger af Middel-
alderens Digtekunst, förste Hüfte. 1780. aus einem Codex in
Folio der Suhmischen Bibliothek, welchen Langebek stüher be.
seßen, abgedruckt. Nach des Herausgebers Vermuthung gehört
es in das 16. Jahrh. Oehlenschläger benutzte es darauf in sei-
nem Trauerspiel Axel og Valdborrig, und dies veranlaßte Rah-
beck es als die zweite Probe von dem neu herauszugebenden
Kämpe Visebog wieder abdrucken zu laßen (Aage og Else, en
gammel Ballade, udqivet af Professor og Nidder af Dannc-
brog K. L. Rahbek; som Pröve No. 2. paa de» ny Skikkelse
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
t Mt
l
— 506 —
hvori 2lbrasiamson, Nverup, og Rahbek agte at udgive den saa
kawre Kjempe-Visebog. Kiöbenhavn ;8lO. 8.). Dazu ist ei-
ne Einleitung gegeben, die Varianten von Ohlenschläger und
eine Melodie von demselben. Zn der Einleitung wird bemerkt,
daß sich ein ähnliches Lied bei Percy finde: sweet Williams
Ghost (HI. 126. Der Herder, Stimmen der Völker S. 278.).
Einer andern Ballade gleiches Inhalts gedenkt das Monthjy
Magazine 1796. Sept. ,, the sutfoik miraele, or a relation
of a young man, who a montb alter his death appeared
to his sweetheart, and carried her on horseback bebind
him lor forty milles in two hours, and was never Seen
after but in hi grave. Dorr wird es als das vermuthliche
Original von Bürgers Leonore angeführt, allein man weiß, daß
Bürger das Volksued im Sinne hatte, von dem er wenige
Zeilen hürre, und das vollsianorg nun im Wuüderhorn 1l. S. 19.
steht. So har jedes der drei Völker diese Sage in seinem Volkö-
gesang, ats ein Zeugniß seiner Verwandschaft, da ein Entleh-
nen offenbar nicht statt gefunden. Noch eines zweiten dänischen
Volksliedes gedenkt Rahbeck, wovon er sich aber nur noch foh
gender Zeilen besinnen kann, die auch Ohlenschläger in dem
Trauerspiel Palnatoke anführt:
Maanen skinner,
Dödmand griner,
Vorde du ikke räd?
Mond scheinet,
todte Mann greinet,
wird dir nicht angst?
Wir erinnern uns einiger Verse aus einem deutschen Volkslied,
welches ähnlicherweise anfängt:
der Mond scheint,
die Sonne greint.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm
— 507 —
Das dänische Lied unterscheidet sich von den andern der Kämpe-
Viser, daß es fließender und runder ist. Ohienschlägcr, dessen
Recension in der Uebersetzung befolgt worden, hat die zehnte
Strophe nicht, die also hier stehen mag:
Der schwarze Hahn nun krähet,
ich muß zur Erde gehn,
des Himmelspfort aufstehet
ich muß von hinnen gehn.
3. Tod aus der Liebsten Mund. Nibolt spricht von
einem Land. worin man unsterblich sey, dieses geht wahrschein-
lich auf Odäins Akur (Aber, Land, der Unsterblichen), wovon
in dem 1. Cap. der Hervararsaga enthalten ist, daß jeder, der
dahin komme, weder siech^noch alt werde, und niemals sterbe.
Das Land liegt in GlWi'valler in dem Niesengebiet Jotunhei,
mar. Bartholin (antiquit. danicae p. 587.) bemerkt, daß im
mitternächtlichen Island, in dem Viertel Vaudlothing in der
Herrschaft Hedinsfi^d ein Ort sey, der auch Udänsakr heiße, und
von dem eine gleiche Sage unter den Einwohnern sey. — Die
Nennung des Namens bei dem Kämpfenden bringt Tod, wie
bei dem Nachtwandler.
5. Mariboe-Quelle. Hier ist der Volksglauben, daß,
wenn man alle Knochen des Getödteten sorgfältig sammle, er
wieder lebendig werden könne, schön dargestellt. Auch in Deutsch-
land ist er verbreitet und jenes wunderbare Kindermährchen vom
Machandel Baum (S. Tröst Einsamkeit von A. v. Arnim)
beruht darauf. — Die Stadt Mariboe liegt auf der Znsel
Laaland in der Ostsee, und das Kloster dabei ist »416. und 17.
gestiftet worden.
's, cum vr
vsf
w L-
.4/. nt.
yft.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 508 —
7. Die wahrsagenden Nachtigallen. Das Orig,
nal, eine andere Recension und die Melodie findet fich in Bra-
gur. In der einen sind vier Verse, die in einem Lied der
Kämpe-Viler wieder vorkommen, in N. 14. wo nämlich klein
Christel die Geschenke des Königs herzählt; beide sind hier be-
nutzt. Dieses Lied existirt auch schwedisch: Kjarlelss - vvife
Gefie >799. und hebt an: klot war lilla Lisa — Wir fin-
den dieselbe Sage im Wolfdieterich (Str. ,<->80 96.); er kommt
in dem Wald zu einer Frau, die in Nöthen liegt, und der
der wilde Lindwurm den Herrn gerödtet hat. Er bittet sie da«
Hemd zu zerreißen und ihm die Augen zu verbinden, so wolle
er ihr beisiehen. Aber schamhaft sendet sie ihn fort, ihr einen
Trunk Waßer zu holen; wie er ihn im Helm bringt, liegt sie
todt da und das Kind das sie geboren.
L
8. Herr Oluf u. 33. Elfenhöh. Die Elfen,Jung-
frauen bieten alles auf, den Knaben zu verführen, daß er ein
Wort mit ihnen rede, denn dann, scheint es, ist er in .ihrer
hi iu j*** ^""Gewalt. Merkwürdig ist wie der elfenartige Oberon auch alles
anwendet, den Hüon zum Reden zu bringen, und wie er bös
p* - ist, daß dieser so lange still schweigt (Huon de Bourdeaux.
Franz. Volksbuch S. 29. 3o. ). Von diesen Tänzen der Elfen
tUMs
^ erzählt man noch jetzt im Norden. Wenn man morgens durch
Wald und Wiesen im thauigen Grase gestreiftes sieht, so sagt
man: da haben die Elfe» getanzt. Wer in Mitternacht in ih-
ren Kreis gerath, dem werden sie sichtbar, und den können sie
dann necken. Sie sitzen oft in kleinen Steinen, die zirkelhvhl
gerundet sind und Älfquarnar (Eifmühlen) heißen. Ihre
Stimme soll leise seyn, wie die Luft. Arndt« Reise durch Schwe-
den i> . S. 16. >7. Auch die Kreise, die in den W esen, ein hel-
lere- cLkün haben, werden Älfdans genannt, und man glaubt,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
daß die Elfen da tanjen. Olai Magni Hist. L. ITI. c. 10. Zn
Deutschland glaubt man auch an solche Elfentanze zur Feier
der ersten Mainacht, und neigt in dem Grase rund getretene
Kreise. Voß in den Anmerk zum aten Band seiner lyr. Ge-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 5lO ~r
234 — 41.) die Sage aus dem Sapo eingerückt worden, konnte
uichr verwiesen werden, weil er alles mir seinem matten Styl
breit gemacht und dann wiederum manches übergangen hat,
was hier nicht fehlen darf. Denn außerdem, daß das bedeuten»
de historische Interesse zu befriedigen war, sollte auch das ein-
fache naive Volkslied mit der kunstreichen geschmückten Erzäh-
lung des Saxo verglichen werden können, und jedem Gelegen-
heit gegeben, zu betrachten, wie eins und dasselbe, das, was
wir in beiden lieben, sich so verschieden äußern, und so gerad
entgegengesetzte Farben tragen kann: wie nach Lust zu urtheilen,
wem der Vorzug gebühre. Ich gebe ihn unbedingt dem Lied,
ungeachtet Saxos Erzählung ausgezeichnet ist, darum etwa, weil
ein leises Wort in der Stille (der Nacht, des Waldes) aus-
gesprochen, eben so laut und vernehmlich zu uns dringt, und
nur rührender, als die Rede, die ein kunstgeübter Redner der
geräuschvollen Menge zuruft. — Zu bemerken ist, daß alle Re-
den beim Saxo Gesänge sind, freilich, wie immer bei ihm, in
antiken Sylbenmaaßen.
Alf und Algcr, Söhne des Königs Sigar, begegnen
auf ihrer Seefahrt den Söhnen des Fürsten Ha mund, H el-
vi n, Hagbarth und Ham und, mit hundert Schiffen. C'S
beginnt ein heftiger Kampf, den erst die Finsterniß endigt. Am
andern Morgen sind beide Theile gleich unfähig den Kampf zu
erneuern und schließen Frieden. Zu derselben Zeit wirbt um
Sygne Sigars Tochter Hildigsleus ein Deutscher von ed-
ler Abkunft zwar, aber von feigem Gemüth. Hagbanh zieht
mit Sigars Söhnen nach Dänemark, erlangt ohne ihr Wißen
ein Gespräch mit Sygne, uild sie verspricht ihm heimliche Ge-
währung ihrer Gunst. Darnach singt sie ein L«ed zum Lobe
Hake'S (eines andern Bruders des Hagbarth), aber alle die
es anhören verstehen, daß Hagbarth damit gemeint sey. Hil-
digsleuö, ausgebracht über diese Hintansetzung, reizt den Bol-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 5rr -
wis durch glänzende Geschenke, die Freundschaft zwischen SL-
gars und Hamunds Kindern in Feindschaft zu verwandeln.
Denn Sigav) schon alt, ließ sich von zwei Räthen leiten, wo-
von Bolwis der eine. Dieser sucht nun stets Feindschaft zu stif-
ten unter ihnen, der andere sie wieder zu versöhnen. Bolwis
gewinnt endlich Alf und Arger, indem er ihnen vorstellt, Ha-
^nunds Söhne würden doch nicht treu bleiben, daß sie den Frie-
den brechen, und Helvin und Hamund, entfernt von Hagbarrh,
in einem Kampf erschlagen. Aber Hagbarth kommt noch mit
voller Macht an, und seine Brüder rächend, tödtet er oeide:
Hildigsleus an schimpflicher Stelle verwundet, entflicht.
Nun zog Hagbarrh Frauenkleidung an; als habe er Si-
gars Tochter nicht beleidigt durch den Tod der Brüder, ging
er allein, die Erfüllung ihres Versprechens zu fordern, und
größer war sein Vertrauen auf ihre Treue, als seine Furcht
wegen vollbrachter That. Als Grund seiner Reise gab er vor,
er sey eine Schildjungsrau des Hake', und von chm an Sigar
gesendet. Zn der Nacht wurde ihm ein Bett unter den Jung-
frauen gegeben, und als die Mägde ihm die Füße wuschen,
fragten sie ihn, warum seine Beine so rauh und seine Hände
so gar nicht weiß und zart waren. Er antwortete: bald über
das Meer, bald durch die Lander und Wälder geht mein Zug,
und meine Brust von Eisenringen umsch-oßen, Wurfspieße zu
empfangen gewohnt, kann nicht zart seyn wie Eure, die nur
ein leichtes Tuch bedeckt. Nicht den Spinnrocken oder den Be-
cher trug meine Hand, aber blutige Pfeile. Sygne half ihm
und sagte, daß eine durch Kriegsarbeit und Rudern abgehärtete
Hand nicht zart und weichlich seyn könne. Dann, um ihn mehr
zu ehren, ward ihm seine Schlafstelle in ihrem Bert gegeben.
Da nun, in dem Genuß gemeinschaftlicher Lust, fragte Hag-
barch die Sygne: wenn ich der Gefangne deines Varers werde,
und einem traurigen Tod übergeben, wirst du, unerngedenk un-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 6l2 —
sres Bündnißes, deine Liebe einem andern zuwenden? so mir
jenes Schicksal begegnet, hoff ich nicht, daß er verzeiht, lüftend,
seine Söhne zu rächen; denn ich habe deine Brüder getödtet,
und halte dich nun, ohne sein Wißen und gegen seinen Willen,
in gemeinsamer Lust umfangen. Sage, Herzliebste, was wirst
du dann thun, wann ich dich nicht mehr wie sonst umarme?
Sygne antwortete: glaube nicht, lieber Herr, daß ich leben
mögt«, wenn das Verderben über dich gekommen, oder meine
Zeit verlängeren, wenn ein trauriger Tod dich in den Grabhü-
gel geführt. Welcher Tod dich wegnimmt, durch Krankheit, !
Schwert', in Meeres Abgrund, oder auf dem Felde, ich gelobe
einen gleichen zu sterben, daß, wie ein Drautbett, ein Tod uns
vereinige. Deines Todes Pein werd auch ich fühlen, und den
nicht verlaßen, den ich meiner Liebe werth geachtet, der zuerst
meines Mundes Küße genoßen, und meinen blühenden Leib.
Keine Verheißung soll gewißer seyn, wenn je eines Weibes
^ Wort treu war.
. /j Diese Worte entzündeten Hagbarth, daß ihm ihr Verspre-
leJl, chen mehr Wollust gab, als sein gewagtes Beginnen Furcht.
Von den Mägden verrathen, fielen ihn Sivards Männer an,
er vertheidigte sich lange, und schlug manchen nieder. Endlich
ward er ergriffen und vor das Gericht geführt. BilwiS,
Bruder des Bolwis, rieth, lieber sich seines tapfern Arms zu
bedienen, als grausam mit ihm umzugehn. Bolwis aber sagte,
das sey ein böser Rath, der den König, der Rache üben wolle,
vergeßen heiße, daß Hagbarth ihn des Trostes seiner beiden
Söhne beraubt, und die Schmach einer geschändeten Tochter
über ihn gebracht. Diesem Ausspruch stimmten die meisten bei,
und Hagbarth wurde verurtheilt gehängt zu werden. Da trat
die Königin hervor, reichte ihm ein Trinkhorn, hieß ihn seinen
Durst löschen, und sagte ihm schwere Worte: nun, unsinniger
Hagbarth, dem das ganze Gericht den Tod zuspricht, reich bei
) Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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nein Mund das Trinkhorn, trink , deine Furcht zu verscheuchen!,
im letzten Augenblick mit küdnen Livpen aus dem Todesbecher!
Bald wirft du zu den unterirdischen WoKnnngen gelangen, und
in das ausgeschleßene Reich des strengen Gottes einaebn. Der
(womit unstreitig der berühmte Erzbischof von Roeskild, Saxos
Zeugenosse gemeint ist) erzähit, er habe daselbst einen Balken
gesehen, den ein Bauer heraus gepflügt. D. Olaus Worin
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Das viel in Acht zu hatten:
Zumeist wenn sie wellen haben ihr Spiel
Mir jungen Gesellen und Knaben.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 5,6 -
Signild meine Tochter ins Unalück kam.
Ließ sich von Hag bord locken;
Darum gab ich ibn den Raben zur Speis
Die mußten seine Augen aushacken.
Und als er kam bei den Galgen zu stehn.
Gab er sich nicht zufrieden
Dis sie aufhängten seinen Mantel blau
Meine Tochter damit zu prüfen.
Sie versprach unter andern Liebes Wort'
Zn der Nacht, als sie waren beisammen,
Sie wollt nicht länger leben aus der Erd,
Sollt er sein Leben verlieren.
S. Bidrag til den banste Digtekunsts Historie ved Nyerup og
Rahbeck I 2g.
Die Reimchronik, welche die Kämpe-Viser eröffnet, kan»
auch titirt werden. S. u. spricht Sigar:
Havbur betrog meine Tochter so schön,
Darum mußt' er bekleiden Galgen und Feld:
Sie sich in der Kammer aufbrennte.
Und die deutsche Reimchronik von Dänemark, welche nach
einem Pergamentcvdex des 16. Zahrh. unter dem Titel: kleine
Chronike der Könige von Dännemark. Altona 1790. 8. cdirt
wurde, enthalt folgendes von Siger Sivolds Sohn, S. 22:
Aus Norwegischem Stamms Hagbordt
Mit meiner Tochter Eigne hurdt.
Deshalb ich ließ erhenken ihn,
Im Strang sie selbst ließ richten hin.
Das Volkslied, nachdem es in den Elskovs Vilser schon abge-
druckt war, erschien einzeln im Jahr ,665. s. I. unter dem Ti-
tel: Signe og Habors Vise, auch liegt ein fliegendes Blatt
) Es lieft in der dritten Strophe: vi faldt ig^jennem en Skye:
wir fielen gegen eine Wolke. Die Tragiea lesen vi kuläe, welches
durch: folgten ist übersetzt worden, weil'in den Kämpe-V. fulde
häufig für f tilgte vorkommt, z. B. S. 49. V. 24. S. 57. $. 22,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
vor mir, Kopenhagen 5- a. aber ganz neu, worin eS mit dem
Lied von Axel und Valdborg abgedruckt ist. aber auf 65 Skr.
abgekürzt. *) Schwedisch: Signe og Habor. trykt >685.
und: Ln luftig dock myket omkelig bistorisk Wisa om
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 5*8 -
Nr. 74. vor; wir wollen außerdem blos das St. Görgen Hemd
Wolroiererichs im Heidenbuch erwähnen. „Man erzählt auch
noch letzt von Kindern, die mit Siegeshüten oder Helmen oder
Hemden geboren werde», wodurch sie vor andern glücklich sind.
Don Carls muthiger That ist ein Sprüchworl entstanden:
„„das ist ein Bescheid Carls des Hauprmanns. Ramsöe
(wie auch Saxo den Ort -.ennr) mag die Burg an der See
seyn, vielleicht ist es auch Ravnsöe in Iylland, wie in einer
Handschrift gemnden tmrö.“ Ramsöe ist eine kleine Insel vor
dem Haven von Kierteminde auf Fünen. Düsching Erdbeschr.
I. sog.
16. Hellelild im Kämmerlein. Eine schwedische Re-
tention dieses Lieds nach e nein fliegenden Dlarr (Ln tkion iii-
ücniist Xis, Utgik^-en as tiilla Lilla, so IN 1‘lagar oiwer
£n i-rodars li|ida JVledtert) übersetzt, findet sich in Kosegar«
te-s Blumen. (Berlin iflor.) Dort ist die Geschichte anders
gewendet. Der Liebste der Jungfrau gehr mit ihr im Wald
spaziren, und will da schlafen. Sie ruft aber, sie höre die
Roß? ihres Vaters. Hitdebrand erschlägt ihre fünf Brüder und
ihren Barer, da ruft sie ihn an und nennt seinen Namen, als-
bald wird er erstochen (wie in dem 3ten Lied von Ribolt und
Goldburg.) Ihr Bruder schleift sie an ihrem goldenen Haar
so«, wirft sie in eine Schlangenhöle, und verkauft sie endlich
für eine neue Glocke, die im Thurm zu Dalby hängt. Die
Klocke klingt und sie stirbt.
19. Tiefe der Nordsee. Ein Lied mit ähnlichen nai-
ven Antworten und überaus zierlich sinder sich in den scoiüh
Songs. London 1794. I. 28- — 36 eine Ucbersetzung in
Me^er's Spielen des Witzes und der Phantasie, Berlin 179Z.
— 5*9 —
S. i43 —46- Auch erinnern wir uns dabei einer schönen spa-
nischen Romanze aus dem Romane«™ de Ambe« es i555.
p 298. de la blanca nin», welche aber «inen tragischen 2lus-
gang hat. Der Liebhaber, weil er sich sicher glaubt, har seine
Rüstung abgelegt bei der Gräfin. Aber der Graf kommt un-
erwartet und fragt, was sie treibe, die Tochter eines Verrä-
thers? „Herr, ich kämme meine Haare, kämme sie mit gro-
ßen Schmerzen, weil Ihr mich allein gelaßen, auf die Berge
seyd gegangen." Diese Worte, kleine Dirne, sind nicht ohn'
Drrrätherei; saget, weßen ist das Roß, das ich hör da unten
wiehern? — „Herr, es ist von meinem Vater, der es hat
für Euch geschickt." — Aber weßen sind die Waffen, die dort
stehen in der Halle? — „Herr, sie sind von meinem Bruder,
und er hat sie uns geschickt." — Aber weßen ist die Lanze,
die ich dorren stehen sah? — „ Nehmt sie, Graf, ja, nehmet
sie, stoßt mich nieder mit der Lanze, diesen Tod, 0 guter Graf,
hab ich längst an Euch verdienet."
22. Herr Ion. Dieses Lied existirt in einigem vom
dänischen abweichend, auch schwedisch: Herr Laves Vise. trykt
Ar 1748. und auch: Gefle 1801. (Zch verdanke diese Notiz,
wie noch einige andere von schwedischen Volksliedern der Güte
des Herrn Prof. Nyerup.)
2.?. Liebe im Sonnenschein. „Das Singen der
Priester vor dem Braurbetk soll noch in Schweden gebräuchlich
seyn, und war in meiner Kindheit auch hier zu Land Sitte.
Per. Syv." ________
26. Fahr über den Strom. „Herrn Esbern Snare
und sein Bruder Bischof Axel oder Absalon waren von Isländi-
scher Abkunft, wie M. Drynolf weitläufug bewiesen."
üMMm
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— *>20 —'
27. T c>rd von M-e^-k-e-s-b urg. Dieses Lied enthält of-
fenbar dieselbe Fabel, welche in Tfiryms Q.uida der sämundini-
schen Edda vorkommt. Eine Übersetzung davon würde hier
überflüßig seyn, ha sie in Gräters nordischen Blumen (S. 9 ) ff.)
nah liegt, und hinlänglich, den Inhalt davon anzugeben: Thor
erwacht, und sinder seinen Hammer nicht. L 0 k e leiht von der
Frigga das Federkleid. damit fliegt er in das Riesenland zu
dem König Thrym. Dieser hat den Hammer gesrolen und acht
Meilen unter die Erde versteckt; er will ihn nicht wiedergeben,
bis er Freya zur Gemahlin erhält. Mit dieser Antwort fliegt
Loke zurück, aber Freya erzürnt, wie ihr der Antrag geschieht.
Da gibt Heimdall den Rath, den Thor als Braut zu ver-
kleiden und hinzuführen. Die Felsen krachen und die Erde
bre.nt wie Thor hinfährt. Thrym empfängt die Braut wohl
und das Mahl beginnt. Der Niesenkönig verwundert sich, daß
die Braut so gierig ißt, aber Loke als Dienerin verkleidet sagt,
sie habe in acht Nächten nichts gegeßcn vor Sehnsucht nach
ihm; und als Thrym sie küßen will und vor ihren wilden
Augen zurückfährt, sagt der listige: sie habe in acht Nächten
nicht geschlafen vor Sehnsucht. Die Niesenschwester kommt
und verlangt Ringe zum Geschenk von der Braut. Da läßt
Thrym, die Braut zu heiligen, den Hainmer bringen und auf
ihren Schoos legen. Thor ergreift ihn freudig, erschlägt damit
erst den Thrym. dann seine Schwester und das ganze Riesen-
geschlecht. : — Eine Aehmichkeit hat diese Sage mit einer Er-
zählung der Samsonfagrasaga, einer der schönsten und n:ähr,
chenyaftesten. Sigurdur ein Sohn des Rresenkönigs Goth-
mund u r und einer Jungfrau aus dem Lande der Smameyar
(kleinen Mädchen) verlangt, wiewohl schon sehr alt, die Toch-
ter deü Jarls Ässer von Rußland, Namens Hrafenborg
zur Ehe: und niemand wagt, sie ihm abzuschlagen. Schon ist
alles zur Hochzeit bereit, da kommt Q.uintalin und der Zwerg
Fische im Waßer von der Gewalt der Musik bewegt, wie in
jener griechischen Mythe vom Orpheus, »nd in der indischen
von Chrisnen, deßen Flötenspiel Götter, Menschen und alle
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
§22 —•
Thiere auf der Erde, in den Lüsten und im Waßer zusammen-
rief. ( Polier. I. 43g.)
34. Königs Sohn aus Engelland. „Da Herr
Bugge in dem Lieh genannt wird, so mag sich die Begeben-
heit ohngefahr im Jahr i35o zugetragen kaben. Eduard HI.
war dazumal eben zur Regierung gekommen, und nahm des
Grafen Wah-lms Tocluer von Holland Philippina zur Gemah,
lin. Was. sich auf dieser Fahrt zugetragen, davon weiß man
zwar nichts gewiß, allein es ist doch noch die Sage in dem
Geoächtniß mancher Männer, die bei Boubierg wohne», daß
vorzeiten eine fürstliche Person aus England Schiffbruch gelit-
ten, und zum Andenken die Starby Kirche (in Ostgochland,
wo die Bobergs Herrschaft liegt) mit einer goldnen Tafel und
einem neuen Thurm schmückte."
36. Die sieben Schwäger. Die Sühne, welche
verlangt wird,, die rechte Hand und den linken Fuß, fordert auch
Laurin im kleinen Rosengarten (Heldenbuch l5og. V. 648.
Dresd. Ms- Str. 82.) und der Fährmann Ruprecht (23. 959.).
In der Wilkina Saga heißt Gramleif seine Leute von dem Vid-
ga, der über die Brücke reiten will, ein gleiches Pfand neh-
men (Cap. 35. p. 82.). So haut auch Geoffroy de Mayener
dem häßlichen, der ihm den Weg hat versperren wollen, und
den er zur Erde geworfen, die rechte Hand und den linken Fuß
ab. L’bifioire de Giglan et de Geoil’roy de Mayence. Pa-
ris L a. 4. cbap. 17.
38. Brautwerbung. In diesem Lied erscheint merk-
würdiger Weise die Hervararsage, eine der herrlichsten und viel-
leicht der ältesten Dichtungen des Nordens. Nach ihrer Erzäh-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
- 5-Z -
lung (Cap. 4.) sitzen an einem Weihnachts-Abend die Söhne
Andgrimurs (alle Berserker d. h. solche, die in blosem
Hemd oder «leid ohne Panzer zum Streit gehn, weichen zu-
weilen eine wilde Kamvfwuth ankommt, der kein Gegner wi-
derstehn kann, und die sie, wenn kein Feind vor ihnen steht,
antreibt, Wälder und Fersen zu zerschlagen) auf Bolm zusam-
men, und verpflichten sich, wie es Sitte war, zu einem Un-
ternehmen. Hrorvardur gelobt die wegen ihrer Schönheit
berühmte Hngibiorgt»>. Tochter des Königs Zngv>a von tfap/tU
Vgrsoku nt zu heirarhen. Er zieht mit allen seinen Brüdern
hin, geht vor den König und fordert seine Tochter. Der Kö-
nig, der die starken Männer kennt und fürchtet, bedenkt sich;
da tritt einer seiner Heiden, der ihm sein Reich beschützt,
Hialmar der muthvolie (Kinn ftußfuili) hervor, und ver-
langt für sich Ingibiorgn, die er durch seine Thaten verdient
habe; und sein Bruder Qddur der weitgewanderte (nin-r-
widsorli) steht ihm bei. Der König will in dieser schweren
Sache nicht entscheiden: „beide seyen so stark und wohlgeboren,
daß er keinem seine Tochter verweigern wolle, und sie selbst
möge wählen. ^ Zngibiorgy, wählt den Hialmar, den Hior-
vardur alsbald zum Zweikampf auf Samsöe herausfordert. And-
grymurs Söhne ziehen darnach heim, und sagen ihrem Vater,
wie ihr Geschäft abgelaufen. Er spricht, nimmer habe er einen
Kampf gefürchtet, als diesen, und wie sie dazu abfahren, ge-
leitet er sie, und wünscht ihnen Glück, und sagt sie bedürften
guter Waffen (c. 5.). Als sie auf Samsoe angelangt, kom-
men sie zu den zwei Schiffen der zwei Brüder, die aber schon
ausgestiegen sind. Zm Berserksgang gehen sechs auf jedem
Schiff dahin und kehren auf dem andern zurück, und töd-
ten alle guten Gesellen, die das Schiff vertheidigen. Dar-
auf steigen sie ans Land. und der Berserksgang schwindet von
ihnen (da find sie so ohnmächtig wie Kranke). Oddur und
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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Hialmar kommen zurück und setzen was die Berserker gethan,
da spricht Hialmar das erste furchtsame Wort. das man je von
ihm gehört. Daraus beginnt der Zweikampf. Hialmar kämpft
gegen Angantyr den ältesten Bruder des HiorvardurS, kopfs-
- 625 -
Fliegt ihm nach
Aar nicht minder:
Dem Aar geb ich
Eine Speise;
!&)■' auch mag «r von meinem
Blute saugen."
Er befiehlt dem Oddur, ihm seinen Ring von der Hand zu
ziehen, und der Zngibiorgh zu bringen: dann stirbt er und
Angantyr auch. Oddur bringt den Ring der Königstochter,
die sich selbst röoket.
Man wird die Uebereinstimmung des Lieds im Ganzen
wie in einzelnen Zügen nicht verkennen. Angelfyr stellt so-
wohl den Hiorvardur vor, der um die Königstochter wirbt,
als den Angantyr, der mit dem andern Freier in den Zwei-
kampf gehl, in welchem beide umkommen. Helmerkamp ist
offenbar Hialmac, Wulf von Odderskier der Vater,,
der mit ihm redet, eh er stirbt, Oddur; das Lied macht er-
ster» unpaßend zu einem Bruder des andern Freiers, da mm
auch der Vorwurf, Angelfyr sey mit seinem ganzen Geschlecht
ein Trold (womit der Berserker angedeutet ist) auch auf ihn
fallen müßte.
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42. Die blutigen Traume. „Zn einem Geschlechts-
buch findet man: Herr Niels Maar von Tolstrupgaard
in Nörager, Kirchsprengel von Sonderherred (in Zütland)
und Herr Jens af Merup jagten sowohl an heiligen als
an Werktagen. Zu Pfingsten setzten sie einem Haasen nach,
der verschwand: die Hunde bißen darauf einander todt, und
die Ritter erschlugen einander. Das steht ausgehauen an der
Westseite der Nörager Kirche auf Flintstein."
«Zw Zahr 141». in der Pfingstnachl waren fünf Män-
ner ausgegangen zu jagen, und als es zum Frühgesaug läute-
m
te, gingen sie zur Kirche , aber drei wurden mit Hunden und
Garn in Stein verwandelt “
— 527 —
54. Zu rechter Zeit. Wie,hier Jngerlild dem Lov,
mann neun Jahre, so verspricht Rymenild dem Horn sieben
Jahre auf ihn zu warten (23. ?35. 36.), der eben so wie je,
ner zur rechten Zeit noch wieder kommt.
55. Stolz Elsebeth. „Zwei von diesem Geschlecht
der Lange lebten unrer Waldemar!, (zweite Hälfte des 12. Jahrh.)
und kämpften mit eigenen Schiffen und Leuten gegen des Reichs
Feinde."
56. Held Vonved. Die letzte Strophe in diesem Lied
lautet folgendermaßen:
So reit't er aus zu Land, er fteit
So schön sich eine Lilien-Maid:
Ihr Vater hieß König Siegfred,
Den der häßliche Lindwurm töd't.
Damit wär es an die Fabel der Nibelungen angeknüpft (wie
auch in der 59sten Strophe Vidrtch genannt wird, welches Ver-
lands Sohn seyn könnte). Wie aber die ganze Strophe ein
falscher Zusatz ist, indem er den Sinn und die Bedeutung des
Lieds zerstört, und darum weggelaßen worden, so findet sich
auch in jenem Cyklus nichts, was mit der Sage im Lied über-
einstimmte. In dem Villen Lied werden die Söhne des Kö-
nigs Eßemer genannt und Vonveds Waler heißt auch Eßmer;
ob das in Verbindung zu bringen, wird sich nicht ausma-
chen laßen.
Das Räthsel, Strophe 40—50, besteht mit geringer
Veränderung als besonderes Gedicht schwedisch, unter dem Ti»
ttl: Swän Swane wit. Geile 1800.
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62. S tolz Senild. Dieses Lied, welches eine Ehriem-
Hilden-Rache beschreibt enthalt den Ausdruck, Senild habe
nicht gelacht in acht Jahren, der sich merkwürdigerweise auch
in dem Roman von Mar und Beaflor nach der suldaischen
Hanvschrift findet.
68. Das Bergmännlein. Zm Original ein Trold,
welches aber eine allgemeine Bezeichnung ist.für Zauberer, Geist
und Ungeheuer ; Riesen selbst werden Trolde genannt (wie z. B.
in der Alf Konge Saga Kap. 5., eben so heißt Burmann,
in dem Lied Olgers des Danen, ein Trold). Hier sind die
Trolde offenbar kleine Berggeister, die gerne necken, und diese
werden in der Regel darunter verstanden. Zm Helsingerland
sind die Berge voll von ihnen. Sie wohnen in kristallenen und
goldenen Häusern. Man sah sie einst nächtlich, als an einem
heil. Fest in der Zohannisnacht die Berge sich geöffnet. Sie
ranzten und tranken, und es schien, als winkten sie dem Zu-
schauer zu sich hin, aber sein Pferd schnob, gvie er es auch
lenkte, und ging durch. Zm Guldberge sind Viele, sie haben
da das Gold und Silber hinabgezogen, bas die Leute in dem
großen Rußenkrieg vergruben. Arndts Reise durch Schweden,
HI. S. 8. 9. Merkwürdig ist in diesem Lied die Entzaube-
rung durch (dreimaliges) Umarmen, die auch in einem schotti-
schen Lied vorkommt, wo ein König eine Riesin auf gleiche Art
zu einer schönen Lady verwandelt (S oti. H. 143 —148.) und
in Gawains Hochzeit bei Percy (ill 22.23.). Wir finde»
dieselbe Zdce in der allgemein verbreiteren Volkssage von der
Drachcnjuugfrau, die nur durch einen (nach manchen Erzäh-
lungen durch dreifachen) Kuß aus den Mund ihre jungfräuliche
Gepalt wieder erhält, we.che schon Monrevilla anführt (die
Zungsrau aus Lancho, Znjet Cos. S. 2».); ferner in einem
Lied der Kainper V., wo umgekehrt ein Drachenrilter von ei
zieht er heim und vermählt sich mit Jngegerde. So weit gehr
das Lied; in dem Gedicht wird noch ferner erzählt, wie Höret
seinen Sohn rächt, Carl in der Schlacht fällt und Grmnur
(§) 1-16881861168 8t33t89i'eliiv 1^31'b^i'g, 668t. 340 Qfimm KIf. l_ 79
mans enthält nach dem dänischen Volksbuch folgendes: Kaiser
Carl, bei deßen Heer Olger der Däne, als Geiser seines
Vaters Göttrik sich befindet, liegt vor Rom, das der Heid-
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Frieden schließt. Biörner in der Vorrede zu den Kämpa D«>
rer erwäbnt auch eines alten schwedischen Volksliedes von Carl
und Gcimur.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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— 5Zr --
Nische Sultan Cäsubal erobert hat. Bei dem letztem ist Kö-
nig Carvel, dem er seine Tochter, Jungfrau Gloriant, und
als Morgengabe Frankreich versprochen har. Zwischen Carvel
und Olger har ein Zweikampf statt, Olger hat schon gesiegt,
als der Sohn des Sultans Dannemund verrälherisch mit
fünfhundert Männern aus einem Hinterhalt hervorbricht, und
ihn gefangen zum Sultan bringt, der ihn der Gloriant anver-
traut. Carvel, über diese Treulosigkeit aufgebracht, stellt sich
freiwillig bei dem Kaiser als Geisel für Olger. Der Sultan
heißt nun die Gloriant ihre Liebe von Carvel abwenden, und
den Sultan Durmann von Aegypten, der eben angekommen,
heirathen. Sie will nicht, und Burmann verläumdet sie bei
ihrem Vater, als wolle sie mit Olger zum Kaiser entfliehen
und ihren Glauben abschwören. Der Sultan mißhandelt die
Gloriant; sie sagt aber, Burmann habe falsch gesprochen, das
solle ihm einer im Kampf beweisen. Sie geht zu Olger und
klagt ihm ihre Noch, der will gern für sie streiten. Sie füyrt
ihn vor den Sultan, der verlangt aber Bürgschaft. Olger sagt,
Carvel solle für ihn entstehn, schreibt eu ihm zu nach des Kai-
sers Hof, und dieser kommt und stellt siel, für ihn. Er gibt
auch dem Olger sein Pferd, seine Rüi.ung und das Schwert
Kartone. Burmann hat das Roß Bel fort, das Zo Fuß
in einem Sprung springt: der Kampf ist heftig, endlich aber
besiegt Olger den Burmann und tödter ihn.
Manches im Lied wird sich daraus erklären. warum z. B.
Olger ein Gefangener ist, wiewohl es in der Einleitung der
Geschichte wieder abweicht.
80. Der streitbare Mönch. Man kann es nicht
unterlaßen, bei diesem Lied an den Mönch Bruder Jlsan zu
gedenken, welcher im Rosengarten gewaltig rümpft, der hei sei-
ner siegreichen Rückkehr der Brüderschaft mit so derbem Humor,
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die Rosenkränze auf die Platte drückt, daß das Blut ihnen
übers Angesicht läuft, und der diejenigen, die nicht für ihn
büßen wollen, mit den Bärten zusammen geknüpft aufhängt.
Es ist in diesem streitbaren Mönch derselbe Charakter, allein
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gürtet, so sollst du dich nicht wehren, aber wird dir der ge-
nommen, so magst du es thun. Willem nimmt seinen Gold-
ring, schlingt den in seinen Gürtel, und reitet auf einem Esel
fort. Da er wieder heim fahren will, begegnet er zwölf Räu-
bern, die nehmen ihm Wein und Brot, schlage» ihn oben-
drein, und gehen dann fort. Willem ruft: Ihr seyd alle mit-
einander dumme Gesellen: da sitzt ein Goldring an meinem
Hosengürtel, der ist beßer denn 20 Nobel. Da kehren sie um,
und wollen ihm den Gürte! nehmen und den Ring abziehen.
Er hat gar nichts sich zu wehren, da reißt er dem Esel einen
Hüftknochen heraus, und schlagt damit drei Räuber, daß die
andern in den Wald laufen. Willem setzt dem Esel den Kno-
chen wieder ein, fällt auf die Knie, bittet Gott mit weinen-
den Thränen, und der Hüftknochen wächst wieder fest, wo er
geseßen. Darnach legt er sein Gut wieder auf den Esel und
reitet ins Kloster heim, da hatten sich alle Mönche vor ihm
versteckt. Alle die er findet, die streicht er mit Ruthen, dar-
nach findet er den Abt, der ihm auch nicht entgeht. Willem
spricht: ich sehe, daß Ihr keine Liebe zu Gott habt, darum
will ich nicht länger bei Euch seyn, und geht fort. Zn den»
deutschen Gedicht von dem Mönchslebcn des Wilhelm von Oran-
se, das den Ulrich von dem Turlin zum Verfaßer hat, wird
dieses Wunder von dem Esel erzählt; nach der Cassel. Hand-
schrift S. 229. Fast dieselbe Erzählung, hier sind einige Züge
mehr, findet sich auch in dem Cjhronicon Monasierii Novali-
cenfis bei Muratori SS. 11R. FF. II. 2., wo dem Walther
von Aquitanien (aus dem latein. Gedicht von ihm, aus dem
Nibel. Lied, der Wilkina S. und dem Rosengarten als Walter
von Spanien und Waskastein bekannt), die That zugeschrie-
ben ist.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
82. Herr Dlog. Saro Grammaticus Xllll.
p. a5o.) ergabst, in erwas abweichend von dem Lied, daß, als
der König Erich Edmund zu Nipen (im Hvidding Amtsge-
richt in Sckleßwig) Landgericht gehalten, ein edier Jürländer
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- 5^5 -
und es sollen noch die Spuren von den Hufen des Rotzes dar-
in gesehen werden. "
85. Königin Dagmar. 86. Königin Bern,
gerb. König Waldemar, von welchem diese Lieder reden, ist
Waldemar II. oder der siegreiche, König der Dänen und
Slaven, Herr von Nordalbingien, der in der ersten Hälfte des
>3. Jahrh, regierte. Die Geschichte nennt ihn einen der heft
denmüthigsien Männer. Unter ihm fiel das rothe Panier mit
dem weißen Kreuz, das Danebrog, vom Himmel, als er ge-
gen die Heiden in Liesiand kämpfte. Keinem König vor und
nach ihm eröffnete sich eine so glänzende Aussicht: er hatte alle
. südlichen und südöstliche» Küstenländer der Ostsee sich unrerwor-
fen, von Holstein bis nach Estland. Aber späterhin verließ
ihn das Glück, und er verlor fast alle seine Eroberungen wie-
der. — Was hier von ihm erzählt wird, scheint mit der Ge-
schichte übereinzustimmen. Noch als Herzog von Schleswig,
nachdem er unter seinem Bruder Canut schon Holstein, Ham-
burg und Lübeck erobert, vermählte er sich mit Jngeborg,
Herzogs Otto von Braunschweig Tochter; allein im Jahr i2oZ,
wo er zur Regierung gelangte, muß schon Dagmar, Tochter
des Königs Prezemislav Ottokar von Böhmen, seine Gemah-
lin gewesen seyn, indem er mit böhmischer Hilfe, die sie aus-
gewirkt, dem vertriebenen Prinzen Erich von Schweden zu sei-
ner Krone verhalf. Geschichtlich ist auch ihre Bitte für den
Gefangenen Bischof Waldemar, weil er von königlichem Ge-
blüt, und daß er auf ihre und des Papstes Verwendung im
Jahr i2v6 nach vierzehnjährigem Gefängniß losgelaßen wurde.
Die Königin starb im Jahr 1212 („in Ribe am 24. Mai
i2i3, und lieg: in Ringsied begraben zur linken Seite Wal-
demars"); ihr rechter Namen war Margaretha, Dagmar
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
— 536 —
wurde sie genannt nach Hvitfeld (DanmarkiS Nigis Krönike),
wegen ihrer Frömmigkeit und Freundlichkeit; nach einem Chron.
in excerpt. Th ßartholini, wegen ihrer Schönheit.
Darnach ( r 21 d.) vermählte sich Waldemar mit Berengaria,
auf dänisch gemeiniglich Beengierd genannt, Tochter des
Königs Sanctius von Portugal! und Ferdinands von Flandern
Schwester. Sie war in Dänemark allgemein verhaßt, weil sie
ihre Gewalt über den König zu Bösem gebrauchte. Eben auf
jenem Zug nach Liefland (121g.), als Waldemar bei seiner
Landung eine große Menge Heiden erblickte, bereit ihn zu em-
pfangen, und erschrocken umkehren wollte, ermunterte ihn der
Bischof Peter von Aarhuus zur Schlacht und versprach ihm
Sieg, wenn er seinen Unterthanen fortan nicht so schwere Scha-
tzung auflegen, und sich nicht von der Königin Beengierd wol-
le regieren laßen. Sie starb in demselben Jahr. Es soll Sit-
te in Dänmark geworden seyn, ein böses Weib Beengierd zu
nennen.
Von dem Tode der Königin existirt auch ein schwedisches
Volkslied, gedruckt 1753, und nach einem fliegenden Blatt
ohne Jahrszahl (Ln tnyked skjon doch ynkalig Wisa orn en
Konung i Danemarck sotn borfmiste fin kjareste wan og
Drottnhig uti en £wär Barnsang meden konungen war
bort i Krig) ebenfalls von .Kosegarten in den Blumen über-
setzt. Die Königin heißt Anna, und wiewohl es im ganzen
mit dem dänischen übereinstimmt, so ist es doch kürzer und bei
weitem nicht so schön, indem es einer Menge einzelner Züge
entbehrt. — Es gibt auch ein dänisches Volksbuch, Dron-
ning Dagmars Historie; da ich es aber noch nicht erhal-
ten, und Nyerup in der Abhandlung von den Volksbüchern eS
nicht erwähnt, so kann ich nur vermuthen, daß es mit diesen
Liedern übereinstimmt. Dagegen liegt das Lied von der Meer-
frau und dem Tod der Dagmar als fliegendes Blatt, Kopenh.
— 537 —
s. a., ab« neu, vor mir. — Wenn die sterbende Königin für
ihren jüngsten Sohn bittet, den Berngerds Sohn verrathen
wolle, so bezieht sich dieses darauf, daß Waldemar wirklich im
Zahr 12Z2 den Sohn der Berengaria, Erick in Lund zum Kö-
nig krönen ließ, und Kund den altern Prinzen von Dagmar
überging.
87. Klage König Waldemar II. Das Lied stimmt
völlig mit der Geschichte überein. „Dieses ist eins von Herrn
Laur. Koks Liedern," (so wie die Grabschrift auf der Königin
Elisabeth Tod, Kampe-V. S. 578. „nach Cor. Scepperi lat.
Versen übersetzt") „auf den unglücklichen Tod des jungen Kö-
nigs Waldemar III. auf der Nosnes oder Revsnes Jagd am
28. November 1281." Doch ist Kok keineswegs der Verfaßer
dieser Lieder, sondern Syv hat sie nur als Beitrag zu den Käm-
pe-Viser von ihm gesammelt erhalten. S. Didrag til den danske
Digtekunsts Historie «ed Rahbek og Nyerup, HI. io5.
88. Axel und Waldborg. Von diesem Lied ist eben
eine besondere Ausgabe erschienen, zugleich als Ankündigung
und Probe einer neuen Bearbeitung der Kampe-Viser, unter
dem Titel: Axel Thordsen og skiön Valborg, en norsk Balla-
de, med Anmärkninger af R. Nyerup; som Pröve paa den ny
Skikkelse hvori Abrahamson, Rahbek, og Nyerup agte at ud-
give den saa kalbte Kjempevisebog. Kiöbenhavn 1809. 8. Zn
der Einleitung ist manches schätzbare zur Erläuterung des Lieds
gesammelt, wie auch die Volksmelodie mitgetheilt. Die Aus-
führlichkeit dieser Abhandlung, wie sie einem Programm wohl
geziemt, durfte hier, dem einmal befolgten Plan nach, ohne
Jnconsequenz nicht übertragen, und nur zu einem vollständigen
Auszug benutzt werden.
Unter allen Liedern der Kämpe-Viser ist keins, das Zahr-
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
war. Zeugniß« späterer Dichter, weiche gelegentlich, in Hoch-
zeitsgedichten darauf angespielt, werden angeführt. Mehrmals
hat es Stoff zu einen» Trauerspiel gegeben, zuletzt noch Oehlen-
schlager.
Was die geschichtliche Wahrbeit des Lieds betrifft, so schwei-
gen alle Chroniken von dieser Begebenheit. Zn Norwegen tragt
sie sich zu, das bleibt gewiß, aber an welcher Stätte, darüber
laßt sich nichts bestimmen. Die VvtkSsage »reist von einer Land-
schaft in die andere. Oedman in seiner Bahus-Läns Be-
schreibung (>74r>.) redet S. 25». von der Schlacht zwischen
König Hagen in Norwegen und König Amunds Söhnen in
Urvland, und sagt dann S. 269: Dragsmarks Kirche wurde
ausgebaut im Papstthum vom König Haakan Haakansson in
Norwegen, welcher «ie Arel Lboresson schön Walborg liebte,
und ließ ihr zu Ehren, nn Zahr 1254, alle gehauenen und po-
lirten Marmvrsteine aus den Kirchthüren und Fenstern von
Drontheim dahin führen. Derselbe König ließ auch dort ein
Augustiner Kloster S. Maria zu Ehren ausbauen, darin auch
schön Waldborg begraben liegt. Darnach folgt Ströms Be-
schreibung von Söndmör (Vogtei in Norwegen) 2 Th. Sorö
1766. wo er an zwei Stellen dieser Begebenheit erwaync. Da
wo er von der Syndelve Gemeinde im Kirchsprengel Norddal
redet, heißt es S. 28Z. von der Burg Houe: sie hat den Na-
men von so vielen Hcidengrabern, die inan daselbst liegen sieht,
wie kleine Höhen. An derselben Stelle soll, nach oer Einwoh-
ner Aussage, die Feldschlacht sich ereignet haben, worin der be-
kannte Axel Thordsen fiel zugleich mir Hagen des Königs E ohn,
und wovon das Lied von schön Waloborg sagt. Auoere wol-
len, sie habe sich bei der Burg Devold in Romsdalen zugetra-
gen, andre dagegen (wie Ocdmann in chorograpbk isaauiienfi
p. 251.) zu Dahns-Lehn, so daß nichts mit Gewißheit kann
bestimmt werden. Merkwürdiger ist was StrSm berichtet bei
der Gidske Burg in Borgunds Gemeinde: schön Waldborgs
Grab ist eine bekannte Stätte, die man findet auf dem Gidske«
Kirchhof dicht an der linken Seite des Chors, und oben darauf
liegt ein weißer Marmorstein, wie ein Sargbret geformt, einen
Faden lang, und kaum eine Elle breit: oben auf des Steines
Länge ist eine Linie mit Runenbuchsiaben, aber fast ganz aus-
gelöscht (bei Ström sind die Charaktere abgedruckt, aber durch-
aus unlesbar). Zu jedem Ende des Leichensteins steht ein plat-
ter Marmor anderthalb Ellen aus der Erde hervor. Der, wel-
cher zu Häupten steht, hat aus der äußern Seite einen Zirkel
oder Ring, der eine Hand einschließt mit drei aufgerichteten
Fingern. Aus Neugierde ist das Grab aufgeworfen worden vor
einiger Zeit, da sich, dem Bericht nach, ein ziemlich großer
von sechs viereckigen Steine» zusammengesetzter Sarg gesunden,
bei deßen Oeffnung aber sich nichts merkwürdiges gezeigt; das
Grab hat so viel ich weiß, beständig schön Waldborgs Grab
geheißen, nach der dem Volk allbekannten Geschichte, die in dem
Lied schön Waldvorg und Axel Thordsen beschrieben wird. —
Schöning in seiner Reise durch einen Theil von Norwegen
redet wiederum von mehreren Orten, wo diese Begebenheit soll
geschehen seyn. In dem gedruckten zweiten Heft bei der Be-
schreibung von Nomsdal heißt es S. 122. von der Burg Slet
ta: hier (auf dem Sletta Berg) sieht man drei zirkelrunde von
Steinen gesetzte Kreise, jeden von zwei Ellen im Durchschnitt.
Davon gehen allerlei Sagen, daß es Kampfplätze gewesen. Das
ist nicht ungereimt, man fügt auch hinzu, daß der berühmte
Held Axel Tvrdson einer von denen gewesen, die da gekämpft.
S. 126. wird bei der Burg Venja von Valborgs Hügel gere-
det; hier, sagt man, soll schön Valdborgs Behausung gestanden
haben. In dem ungedruckten Theil, wo er von dem, bei der
Burg Elnebue in GudbranoSdal sich befindenden Bautasteine:
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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(pyramidenförmig aufgerichtete Gedächtnißsteine), und de» run-
den Plätzen, die rings mit mäßig großen Feldsteinen, eingeschlos-
sen, innen aber mit kleinern Steinen belegt sind , heißt es: die
bei der Burg wohnenden Bauern berichten nach alter Sage,
daß auf dieser Stelle die Schlacht zwischen König Hagen, und
dem bekannten Axel Tordson sey geliefert worden , und König
Hagen, der gefallen, unter dem größten Dautastein liege; an-
dere dagegen sagen, Thordson sey darunter begraben. —
Dieses sind die mannichfachen Sagen von dem Ort wo sich
die Geschichte soll zugetragen haben. Hat man die Absicht aus
ihnen diejenige herauszufinden, welche faktische kritische Wahr-
heit enthalt, so wird man, da sie fast alle mit gleichem Recht
auf Glaubwürdigkeit sich geradezu entgegenstehn, schwerlich zu
einem andern Resultat gelangen, als daß nichts auszumachen
und überhaupt die Wahrheit der ganzen Erzählung zu bezwei-
feln stehe; welches auch hier gezogen ist. Glaubt man indeßen
die Wahrheit einer Volksdichtung sey ihre innere Lebendigkeit,
die nur aus einer einmal wirklich geschehenen That hervorblühen
könne (wie dies schon mehrmals ausgesprochen worden), so ist
es in dieser Ansicht nothwendig, daß, was Äußerlichkeiten be-
trifft, sie stets beweglich sey, um, wo cs ihr gefällt zu wohnen,
sich in ein anderes Leben einfiechten zu können und zu Haus zu
seyn: wie der König in dem ganzen Reich seine Häuser hat,
und überall daheim ist. So war es angenehm, als Bestätigung,
diese verschiedenen Sagen gesammelt zu finden, und sie aufstel-
len zu können; die Zweifel aber an der Wahrheit, die jeder
Sammler gleich gehegt, sind ausgelaßen, weil sie ohnehin jedem
der strenge historische Meldung im Volkslied sucht, in die Au-
gen springen müßen. —
Ueber die Zeit, wann sich die Geschichte zugetragen (heißt
es ferner) läßt sich eben so wenig etwas bestimmtes sagen, als
über ihren Schauplatz, doch mag sie in das fünfzehnte Zahr- -
w
■ 54r
hundert fallen. Meiner Meinung nach gehört sie in viel frü-
here Zeit, in das dreizehnte Jahrhundert, denn Hogen scheint
doch Hakon V. Sohn gewesen zu seyn, der dazumal regierte.
Davon -hängt auch das Alter des Lieds ab. Die Frage nach
dem Versaßer scheint auch überflüßig, da ein Volkslied sich
selbst dichtet.
Andreas Söstensön Vedel machte in der zweiten Auflage
seiner hundert Lieder (Christiania 16K4.) dieses Lied zuerst be-
kannt, darnach findet es sich in allen Ausgaben der Kämpe«
Viser, wo Peter Syv die kurze Anmerkung dazu gegeben.
Auch hat man es häufig in einzelnen Abdrücken aus dem 17.
und 18. Jahrhundert.
Aus FantS specimen academicum de historia patriae
vetußa in traditionibus vulgi resiclua. Upsaliae 1791. er-
hellt, daß das Lied auch schwedisch existirt. Eine Ausgabe da-
von ist zu Linköving gedruckt.
89. Marsk Stig. Marsk Stigs Töchter. Ra«
nild. König Erick (Glipping genannt, weil er mit den
Augen wimperte, nach andern, „weil er glepfker (glubsk?)
gewesen d. h. rasend, unsinnig) ward am Lasten Nov. 1286.
in der Nacht von Verschworenen in Finderup vor Wiburg über-
fallen, und starb an sechs und sunszig Wunden. Sein ärgster
Feind war der Marsk (Marschall) Stig. Als der Sohn
des Königs, Erick Menved zur Regierung kam, verurtheil-
te er die Thäler (alle die im vierten Lied genannt werden)
zum Tod, allein diese entflohen zum König Erich dem
Priesterfeinde, der sie in Schutz nahm, und ihnen das
Schloß Kongelle einräumte. Dadurch entstand ein neunzehnjäh-
riger Krieg zwischen Dänemark und Norwegen: die Verbannten
plündertet» Samsö, zerstörten die Drakingsburg, und andre
-HW - - - ,
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Schlößer und Städte. So erzählt die Geschichte von der Er«
mordung des Königs; als das Haupt der Verschworenen aber
wird der Graf Halland angegeben, auch wird gesagt, daß
während er im Feld gegen die Schweden gelegen, Erick allzu
vertraut mit seiner Gemahlin Umgang gepflogen. Das ist in
dem Lied auf den Marschall Stig angewendet, indeß fragt «ich
noch, ob das Lied nicht wahrhaftiger ist, mit welchem auch Geb,
hardi übereinstimmt. ,.Marsk Stig zog im Zahr 1293 nach
Helm, das er stark befestigt hatte, fünf Zahr darnach starb er,
und ward zu Helnes (Helgenes, im Stift AaryuuS in Jüt-
land begraben." —
Nanild gab sich nach Marsk Stigs Tod in ein Kloster
der grauen Brüder, und ward von den mächtigsten Männern
in dem geistlichen Stand, die seine Verwandten waren, ge-
schützt. Aber König Erick erhielt vom Papst die Erlaubnis, in
das Kloster einzubrechen und Nanild zu fangen, weiches er
(1294.) that und wo Nanild durch seinen eignen Hund verra-
then ward. Er wurde auf den Pfahl gelegt, doch die Geist-
lichen, die mit ihm verwandt, nahmen ihn herab, führten die
Leiche in Proceßion in die Stadt und begruben ihn.
(Ein späteres Lied nach demselben Sylbenmaaß und mit
denselben Reimen, das die dänischen Handelsstädte aufzählt,
S. Kämpe V. S. 384.)
Von Marsk Stigs Töcktern erwähnt die Geschichte nichts.
„Erick Memved harte nach Marsk Stigs Tod Hielm verwüsten
laßen," und vielleicht die beiden Töchter gefangen genommen;
denn in einem andern Lied (Kämpe-Vner S. 260. es ist nicht
übersetzt worden, weil ein anderes von der Königin Daginar
fast beßelben Inhalts ist) kommt vor, wie die junge Gemah-
lin Erick Menveds Zngedorg sich zur Morgengabe ausbittet,
daß der König die beiden Töchter Marsk Sngs aus dein Ge-
finguiß loslaße. Das erste Lied scheint damit zu beginnen, daß
- 543 —
sie eben aus dem Gefängniß kommen und fortriehen, Hilfe zu
suchen. „Die Lieder von Marsk Stig sind allzeit viel herum
gegangen." Die List durch einen Tanz eine Burg zu gewin-
nen, die Ranild gebraucht, kommt auch in dem zweiten Lied der
Eistovs - Viser vor.
90. König Dyrge und seine Brüder. König
Dirger lebte lange Zeit mit seinen Brüdern, den Herzogen
Waldemar und Erich in Uneinigkeit. Der Krieg wurde
mit wechselndem Glück geführt, die Herzogen erhielten von dem
norwegischen König Hagen Unterstützung, Birger aber von Erick
Menved, der seine Schwester Zngeborg, Dirger dagegen
Ericks Schwester Sophia zur Gemahlin hatte. Es wurden
mehrere Vergleiche geschloßen, der Marschall Torkild Canutsen,
der Vormund der Prinzen gewesen, ward unschuldig geopfert;
aber auf beiden Seiten war nicht Treue noch Glauben. Zu-
letzt war das Reich unter die drei Brüder vertheilt worden.
König Birger dachte auf Rache, er lud die beiden Brüder
freundlich zu sich ein, und Waldemar überredete noch Erick, der,
gewarnt, nicht mitziehen wollte, daß keine Falschheit dabei.
Der König emfing sie liebreich, und bewirthete sie; als sie aber
berauscht eingeschlafen, wurden sie auf Johann Bronks
Rach überfallen. Erick wehrte sich muthig und empfing viele
Wunden; ihre Diener halte man am Abend schon unter man-
cherlei Vorwand entfernt, daß niemand ihnen zu Hilfe kommen
konnte. So wurden sie halbnackt ins Gefängniß geworfen, in
Banden und Ketten gelegt. Wie dieses geschehen, eilte Dirger
nach Stockholm, und wollte sich der Stadt bemächtigen, aber
die Einwohner trieben ihn bald heraus, und er mußte zurück-
kehren. Da ließ der König das Gefängniß mit starken Schlös-
sern und Riegeln verwahren, und verbot bei Lebensstrafe nichts
zu öffnen, bis er wieder gekommen. Dann aber nahm er die
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
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Schlüße! zu sich, warf sie in den Strom, wo er am tiefsten,
und floh nach Steckeburg. Gleich nach seiner Entweichung wur-
de das Schloß belagert, eh man es aber erobern konnte, waren
die Herzoge schon Hungers gestorben. Erick hatte nur drei,
Waldemar aber elf Tage gelebt ohne Eßen und Trinken. Das
geschah im Zahr 1317. Wie aber die Geschichte niemals ihr ,
Recht vergißt, so blieb auch diese Grausamkeit nicht unbestraft:
Bronk im Zahr t3i8. auf dem Reichstag verurtheilt, ward
auf das Rad gelegt auf einem Berg nahe bei Stockholm, der
von ihm seitdem der Bronkberg hieß. König Birger mußte
nach Dänemark fliehen, wo ihm das Amt Holbeck zum Unter-
halt verliehen wurde, und starb im Jahr rZso. vor Gram, als
er hörte, daß sein Sohn Magnus gegen allen Vertrag voir
dem Reichstag verurrheilt, war enthauptet worden. Birger liegt
fn Ringstedt begraben bei den dänischen Königen. So erzählt
die Geschichte. (Holbergs dänische Reickshistorie. Geb-
hardi allgemeine Geschichte der Königreiche Dänmark und
Norwegen. Rühs Geschichte von Schweden.)
Eine schwedische Recension dieses Lieds existier miter fol-
gendem Titel: 8ans§rdig voll historisk Eerattelse uti en
ganska 01x1 Wisa, huru so 1x1 Konung Birger Ar 13x7 lato
twenne lina Broder uti Fangelset swaka ihjal. Til trycket
ingifwen es Erik L. Fablberg, afskedad Gardes - Soldat.
Gefle 1801. Der Herausgeber hat blos einige Verse zur Ein-
leitung und zum Beschluß hinzugefügt.
91. Gutes Ende. Dieses Lied findet sich auch schrve
hjsch: Gangerpiltens Wisa. Gefle 1801.
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Nachschrift.
Eine in der Vorrede geäußerte Hoffnung hat sich indessen
erfüllt. Die noch ungedruckten Lieder der Edda Sämundar,
außer der schon erwähnten Blomsturwalla - Saga, befinden sich jetzt
abschriftlich in meinen Händen. Beides verdanke ich der freund-
schaftlichen Güt« des Herrn Grafen von Hammerstein, und
seinem lebendigen Zntercße für die Wißenschast. Daß es mir
ohne ihn kaum möglich gewesen, zu diesen Schätzen zu gelangen,
sage ich um jo lieber, als auch diejenigen, welche für diese Zeug-
niße einer frühen Bildung Neigung und Jntereße haben er-
fahren, an wen sie ihren Dank für die Mittheilung derselben
zuerst richten müßen. Gemeinschaftlich mit meinem Bruder wer-
de ich diese Edda mit einer deutschen Uebersetzung herausge-
ben: das Nähere wird eine besondere Ankündigung enthalten.
Es sind diese Lieder einzelne Theile jenes großen Nativnalepos,
das einmal unter allen Völkern germanischer Abkunft scheint le-
bendig gewesen zu seyn, in einer sehr frühen Gestaltung aufbe-
wahrt. Wem die Poesie etwas mehr ist, als eine von seiner
Zeit und seinen Dichtern ihm eingelernte Weise, die an sich vor,
trefflich seyn kann; wer alles dazu rechnet, was einmal in des
Lebens Herrlichkeit sich aufgeschloßen, der wird diese Dichtungen
gewiß anerkennen. Denn auch das ist das Wesen der Poesie,
daß sie aus dunkeln Zeiten, aus der nur wenige schweigende
Ruinen stehen, über welche der Blick der Gegenwart unachtsam
hingeht, und von welcher die Geschichte kaum etwas spricht.
Gestalten in dem hellsten, lebendigsten Glanz hervortreten läßt,
in deren Tugend, Muth und Schönheit wir sehen, daß auch
damals Großes und Mächtiges gewesen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 79
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