© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Staatsarchiv Marburg
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FREIHERRN JOS. TON LASSRERG
ZU MERSBURG AM BODENSEE.
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VORREDE.
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rie liier mitgetlieilten beitrage zur lateinischen
poesie des mittelalters hoffe ich sollen willkommen sein
und vielleicht geeignet, unhaltbare gesichtspuncte zu
verrücken, unter welchen diese gewöhnlich ins äuge
gefafst wird. Man ist bereit gewesen sie gering zu
schätzen, ohne sie vorher erst einmal vollständig ken-
nen zu lernen. Sie hat fast nur duldung erlangen kön-
nen, je näher der classischen dichtkunst sie zu treten
schien, und gerade das müste an ihr herausgestellt wer-
den , was sie von jener zumeist entfernte und auf be-
sondere wege brachte. Wo zwei elemente sich binden,
zieht uns der daraus hervorgehende Schmelz an, nicht
das entschiedne Übergewicht des einen, in welchem
blofs eine unbehagliche allgemeine trübung zurück ge-
blieben ist. Der Ursprung der römansprachen aus dem
bedürfnis des Volks, sich natürlich und ohne fessel aus-
zudrücken, rechtfertigt und erklärt zugleich den aller
neueren poesie, die sich der alten entgegensetzte, und
sie endlich überwand. Sicher hat der vulgarstil für
uns gröfsern reiz als der gelehrte, weil jener naiv und
eigen sein kann, dieser künstlich und fremd bleibt; an
absoluten Vorzügen liegt es dabei nicht. Wie wenige
lesen Petrarclias lateinische biiclier und wie viele seine
italienischen gedickte. Dem latein des mittelalters, bei
aller Verderbnis, darf oft noch wenn eine ungelenke
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und schwerfällige doch nicht ganz unterdrückte natiir-
lichkeit zugestanden werden; als im sechzehnten jalir-
liundert tiefere bekanntschaft mit den classikern anfieng
und der geschmack sich reinigte, wurden die edelsten
kräfte in erleichterter und gehobner nachahmung der
lateinischen poesie vergeudet. damals schüttelten alle
gelehrten aus ihrem ermel fliefsende liexameter, wel-
chen nichts abgieng als nationalität und die feinheit des
nachbildens, dessen anforderungen durch fortgesetzte be-
trachtung der classischen werke beständig gesteigert wer-
den. solche verse vermochten nie das volk zu erquicken,
nur der bildung jener zeit genug zu thun, während sich
die fort oder zurückschreitende der folgenden bald wie-
der von ihnen abwandte. Was hätte nicht die poetische
eingebung eines EobanusHessus, Petrus Lotichius, Nicode-
mus Frischlin und vieler anderer auferbauen mögen, wenn
sie der muttersprache zu statten gekommen wäre, diese
dichter zogen das Scheinleben einer vollendeteren, un-
nachahmlichen form dem wahren vor, das sich auf ver-
wildertem aber fruchtbarem boden des Vaterlandes selb-
ständig und schöpferisch erzeugt hätte. Seit, nach
überlangem ringen, unsere spräche sich wieder los
machte, ist die hervorbringung lateinischer gedichte bil-
lig in enge schranken gewichen, und mehr ein prob-
stück erworbner gelelirsamkeit, oder spielende lust an
dem sträuben und nachgeben einer fremden zunge als
freier trieb wirksamer poesie: sie tragen nicht aus was
sie erstreben und laufen gefahr aufs schnellste verges-
sen zu werden.
Mit den einflüssen der lateinischen spräche kreuzen
und begegnen sich durch das ganze millelalter die ge-
scliicke der einheimischen, das steigende bedürfnis ver-
feinerter ausdrucksweise war halb geneigt und halb ge-
drungen sich des fremden mittels zu bedienen. Poesie
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gibt die grundlage her zu dein gedeihen aller literatur,
vermag sie aber nicht allein und ohne hinzutretende
geistige kraft der prosa aufzubringen. Nachdem das
christentlium die noch aus heidnischer Wurzel entspros-
sene dichtung des achten und neunten Jahrhunderts *)
verabsäumt oder ausgerottet hatte, muste die deutsche
poesie eine zeitlang still stehn, einer pflanze nicht un-
gleich, der das herz ausgebrochen ist, und erst im
zwölften und dreizehnten begann ihr stiel auszuschla-
gen : diesem fröhlichen wachsthum war dennoch abzu-
welken beschieden, weil ihm keine schützende prosa
zur seite trat. Als im sechzehnten jahrhundert die
deutsche prosa sich ermannte , fehlte die macht der
poesie, und der neuversuchten unvollbürtigen poesie
des siebzehnten war die prosa abgestorben. Endlich
im achtzehnten gelang die Vereinigung beider, und fort-
an konnte nichts mehr die blute und frucht unsrer
literatur aulhalten.
Den samen lateinischer diclitkunst trugen Italiener
nach Gallien lind Britannien, erst von da wurde er
Deutschland zugeführt. Dracontius , Sidonius Apollina-
ris , Venantius Bortunatus, in etwas weiterem abstand
Aldhelm und Beda reihen sich an die letzten Zöglinge
der aussterbenden römischen poesie, namentlich an Au-
*) die alliteration ist, über Sachsen hinaus, für Hochdeutsch-
land erwiesen, und wer an der menge althochdeutscher, vorotfrie-
discher gedichte zweifeln will, sehe das von Reginbert im j. 821
aufgestellte Verzeichnis der bücher zu Sindleozesouwa (später Rei-
chenau) , worunter: ‘in vigesimo primo libello continentur XII car-
mina theodiscae linguae (theodisca lingua) formata
xJler ct&Ü
in vige-
simo secundo libello habentur . . . carmina diversa ad docendam
theodiscam linguain.’ Neugart episcop. constant. p. 536. 547. 550.
in ihrer mufse schrieben die mönche nach mündlicher Überliefe-
rung deutsche lieder auf, gewis aus mehr als einer absicht, viel-
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sonius und Claudian, man dürfte einzelne wie Boetliius
noch hierher oder schon dorthin zählen, am richtig-
sten hebt die mittellateinische poesie mit den christli-
chen dichtem an, und alle heidnischen fallen der rö-
mischen zu. Wer den werth der ältesten christlichen
poeten in das was sie, fast ohne eignes verdienst, er-
erbt oder unverlernt haben, setzen will, mag es thun •
mir scheint er mehr von dem stof abzuhängen, und da
wo der oft liebliche Fortunatus das fränkische königs-
geschlecht oder auslrasische gegenden besingt, gewinnt
er gleich an leben, wie Claudians ungemeine eleganz
durch den leblosen inhalt seiner gedichte gedrückt, die
nicht geringere des Ausotiius in seiner anmutigen Mo-
sella höher gefärbt wird. Für Deutschland * *) fangen
die lateinischen dichter erst seit Hrabanus Maurus an,
und in den schulen zu Fulda, Mainz, Sanctgallen, Con-
stanz, Strafsburg, Tüll, Prüm, Trier, Corvei, Tegern-
see, Freisingen und einigen andern empfieng die kunst
weitere pflege, kaum möchte es einer an feinem talent
dem Walafrid Strabo zuvor gethan haben, dessen hor-
tulus weiche verse von innigem gefiihl darbietet, volks-
mäfsige anklänge scheinen ihm jedoch fremd.
Dafs diese auch später noch nicht verschollen waren
leicht auch zum anbau deutscher grammatik, nach Carl des grofsen
beispiel (Eginhart cap. 29 inchoavit et grammaticam patrii ser-
monis.) Wenn ihrer schon eine einzige abtei über ein duzend
verwahrte, wie viel niufs sicli anderwärts des aufgezeichneten,
und gar im munde des volks unaufgeschrieben, damals gefunden
haben?
*) hier abgesehn von Vandalen, Gothen und Langobarden des
5. 6. 7 jh.; lateinische gedichte der africanischen Vandalen unter
Thrasamund und Hilderic von Tuccianus, Etemundis und andern
hat Meyers anthologie n° 545. 546. 547; von dem goth. könig
Sisebutus (a. 650) n° 388.
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und die manche neben ihren geistlichen dichtungen
adern der einheimischen sage, welche in der gesamten
nation so üppig gewuchert hatte, zu hegen strebten,
bewährt unsere, mit besondrer Vorliebe auf das zehnte,
einigermafsen auch das eilfle jahrhundert gerichtete
Sammlung; es macht freude dem verkannten wieder
einige gunst zu bereiten, denn schwerlich steht irgend
eine zeit übel berüchtigter in der geschichte unsrer lite-
ratur, sie gilt sogar für die epoclie des äufsersten Ver-
falls aller kunst und Wissenschaft. Wer mag sich aber
einbilden, dafs unter den sächsischen und fränkischen
königen, als das deutsche reich auf dem gipfel seiner
macht, und in Widukind, Thietmar, Wippo , Richer,
Hermann und Lambert ernster sinn für vaterländische
geschichte wach war, die lateinische diclitkunst sollte
ungepflegt geblieben sein ? damals war die geistlichkeit
rühriger, und welterfahrner als nachher, wie hätte sie
die poesie unversucht gelassen? Wenn auch die deut-
sche spräche selbst in diesen Jahrhunderten, und aus
Ursachen deren entwicklnng nicht weiter hierher ge-
hört, keiner Fortbildung theilhaft wurde; bei dem Volke
muslen noch ältere lieder leben, sagen in menge und
fülle dauern, deren einflufs auf mönchische nachdich-
tung nun nicht länger wird dürfen verkannt werden.
Die drei gröfseren gedichte Waltharius, Rudlieb und
ecbasis captivi, so ungleich sie sind, gehören zusam-
men und tragen die eigenthümlichkeit ihrer zeit in vol-
lem mafse an sich ; sie ergänzen unsere Vorstellung von
dem dichterischen vermögen des zehnten Jahrhunderts,
die wir lange nur aus dem werke der sächsischen
Hrosuith *) entnehmen konnten. Allen dreien liegt ein-
*) oder Clamorvalidus, wie sie sich selbst übersetzt: Hrosuith
für Hröthsuith, ahd. Hruodsuind. die poesie der gandesheimer
X
li ei misch er stof unter, wie ihn die alemannische, hai-
rische und lothringische Überlieferung, vielleicht noch
in deutschen liedern, an liand reichte, welchen aufzu-
fassen die geistlichen des neunten jh. zu vornehm, ge-
lehrt und fromm waren, die klöster und schulen, we-
nigstens da wo deutsche zun ge berschte, hatten im
zehnten jh. mehr heiterkeit und frohen mut gewonnen.
Hrabans und Walafrids *) dichtungen sind noch etwas
antiker, allein streng und trocken ; die des zehnten jh.
vergüten neuansetzende rolieit hin und wieder durch
einen hauch von frische und natur, der jenen abgeht. Tn
ihrer bedeutsamen eigentliümlichkeit wird zumal die
von Rudlieb, so lückenhaft sie hervortreten mufs, über-
raschen ; vollständig erhalten würde sie gröfseres auf-
sehn machen als was es nur sonst in mittellateinischer
poesie gibt. Zwischen Waltharius und der ecbasis be-
steht zufällig sogar örtliche berührung, insofern beide
ihre handlung nach dem Wasgau und vermutlich ganz
nonne ist milder und scheuer als die der mönche, aber nicht un-
gebildet : von weltlicher sage verräth sie gar nichts mehr, lieb-
lingsausdrücke des zehnten jh. wie quo für ut, fore für esse, po-
tis est, tuum veile, vestrum complevi veile jocundum, sibi für
illi, satagis tollere, satagis ponere, certabant se subdere, factor
für deus, gaza, plasma, protoplastus, sciolus, occiduus, eous,
congaudere, glomerare, bacchica munera, Camena, homullus, po-
pellus, im versschluls eandem, eundem, mulierem, hujus, horum,
im fünften fufs bedeutungsloses namque oder denique, infinitive
praet. wie disposuit petiisse, jussit vixisse, posset rexisse für po-
tuisset regere, und anderes mehr hat sie besonders mit Waltharius
gemein, einige ausgesuchte alterthümliche formen, wie die prono-
minalen mis und tis, debrius für ebrius sind ihr eigen. Eine neue
ausgabe wäre erwünscht.
*) Walafrids werk ist gut, aber unbequem, bei Canisius ed.
Basnage 11. 2,184-264 herausgegeben; man sollte es mit den mehr
zerstreuten gedichten Hrabans einmal besonders zusammensteilen.
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derselben gegend legen. Das zog vielleicht mehr den
herausgeber an, als es andern merkwürdig scheinen
wird. Die gemeinschaft der drei gedichte bewährt sich
aber auch sonst. In jedem weissagen schwere träume
den endlichen ausgang: Haganons (Waith. 621), der
mutter (Rudi. 16, 89) und des wolfs (ecb. 230) und wie
Nib. 13. 14 zeigen bilder von thieren die künftigen ge-
schicke an. Zwar geschieht dasselbe schon in manchen
älteren, so wie jüngeren sagen, doch ist jene einstim-
mung zu beachten. Förmliche 'gebete "werden ausge-
sprochen Waltli. 1161. Rudi. 10, 71. ecb. 795. Dafs
zwei der gedichte fisclinamen verzeichnen, und das dritte
nah daran war, es auch zu thun, ist s. 327 wahrge-
nommen, wenigstens verstehn beide beiden, Walther
und Rudlieb, sich auf den fischfang. In Rudlieb und
der ecbasis wird durch ineinanderfiigung von erzählung
und begebenheit die darstellung einigemal verwickelt
und in häufiger wechselrede beinahe dramatisch *); die
des Waltharius ist ungleich einfacher gehalten.
Dieser einfachlieit einer dennoch reichen fabel wegen
wird man kaum anstehn, der schönen und fesselnden
gleichmäfsigkeit des Waltharius den ersten rang unter
den drei dichtungen einzuräumen, es ist epische wärme
darin, deren kraft selbst ältere formgewaltigere werke
der Römer überbieten könnte, soviel vermag ein ech-
ter gehalt der volkspoesie sogar in Übersetzungen die
zur blofsen schulübung angestellt wurden. Weit gerin-
geren werth in anspruch nehmen darf die ecbasis, in
welche horazische verse eingeschaltet sind, wie der
sangallische dichter den Virgil nachahmt. Gar kein
*) auch die beigefügten namen der redenden (s. 295) gemah-
nen an den diaiog zwischen Vosacus und Rhenus bei Ernioldus
Migellus (Pertz 2, 517. 518.)
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XII
solches muster schwebt dem eigenthümlicheren Verfasser
des Rudlieb vor. hat mail sich einmal mit seiner selt-
samen, aber nicht ungewandten handhabung des lateins
vertraut gemacht, so wird dem naiven, behenden und
wirklich dichterischen vortrage der begebenheiten volles
recht widerfahren. Es ist kein gewöhnliches talent,
was sich hier allenthalben kund gibt und durch die Un-
bequemheit einer fremden spräche bricht; so viel feines
gefühl, solches geschick eine versclilungne sage zu er-
greifen , durchzuführen und auszustatten hätle man um
diese zeit nicht erwartet, sie ist, wenn ein förmliches
deutsches lied noch vorlag (was viel zweifelhafterschei-
nen wird als beim Wallharius) von dem dichter wirk-
lich in sich aufgenommen, verarbeitet und bereichert
worden, während im Wallharius eher eine Schwächung
der deutschen quelle angenommen werden mufs. Fro-
munds kühnere darstellung braucht ihre gleichnisse nicht
aus einem classiker zu borgen, sondern kann sie selbst
erfinden; sie verfällt dafür schon auf ausmahlungen,
die dem gang der fabel eintrag thun aber durch sich
gefallen. Willkommne einzelheiten dieses gedichts wer-
den noch lange auszubeuten und zu erläutern sein; ich
beschränke mich hier auf nachlese einiger bemerkun-
gen. Wie lebhaft sind die vergleiche des laufes oder
tanzes mit dem flug der schnellen schwalbe und dem
kreisen des falken (1, 51. 8, 49.) Von den vertrauten
und täglichen dienern des königs wird 3, 197 gesagt:
veluti glandes semper flaut regis ad aures, wie unter
dem waldbaum das geräusch der eichein bei jedem luft-
zug vernehmbar ist, schwebt um des königs obren der
dienenden liöflinge gefliisler *). Mein bescheidner freund,
*) ich wüste nicht dafs ohrringe in eichelform getragen wor-
den seien, woran sich sonst denken liefse.
© Hessisches Staatsarchiv
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der die idyllische Wahrheit vieler Schilderungen dieses
gedichts und dessen werth für aufklärung der silten und
gebrauche unseres alterthums (s. 229) vollkommen er-
kennt und bereits in das licht setzt, hat, wie sein eig-
nes verdienst um die bekauntmacliung und ergänzung
der bruchstücke , wol auch den gewinn zu gering an-
geschlagen (s. 201), der sich für die älteren mythen und
sagen aus ihnen ergibt. Was konnte dem forscher will-
kommner sein, als der aufschlufs aus so früher zeit
über die ansicht von der natur des zwerggeschlechts irn
siebzehnten fragment? die mensclien mistrauen den trüg-
lichen geschöpfen, die zwerge im gegentheil leiten ihr
langes leben und ihre gesundheit her von ihrer ein-
fachen kost und treulierzigkeit. beides stimmt noch
völlig zu der bis auf heute fortlebenden sage, die
zwerge verstehn sich auf die heilsamkeit der krauter,
und entweichen, ein gutes, stilles, friedliches volk, aus
ihrer heimat ‘vor den boshaften mensclien’ (mytliol.
s. 255), deren heimlicher blick sie belauscht und deren
neuerungen ihnen das land verleiden, auch die elbi-
sche Schönheit und pracht der zwergin (parva, nimis
pulchra, sed et auro vesteque compta) wird ganz wie
späterhin (myth. 253) vorgestellt. Das eingreifen der
hauptfabel von Rudlieb in die altdeutsche heldensage un-
terliegt keinem zweifei, läfst sich aber bei abgerissen-
lieit der einzelnen stücke und Unvollständigkeit unserer
sonstigen Überlieferungen, bis jetzt mindestens, nicht
mehr genügend nachweisen. Es ist nirgend hindeutung
auf eine vorgelegne schrift, aber die blofse sage kann
in eigennamen und umständen getreu gewesen sein.
Man erfährt schätzbare nachrichten über das öffent-
liche treiben zwischen königen bei friedensunterhand-
lungen, die hin und her gehenden gesandtschaften und
die gegenseitig gebotnen, zum tlieil aber unangenomm-
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xiv
neu geschenke, wobei besonders die rangverhältnisse
fein beobachtet werden. Ich hebe den vers hervor:
Obvius ad pontem venit is tibi nos dirimenlem, Pax ibi
firmatur (3, 22.) es war uralter brauch, dafs krieg-
führende herscher in der mitte des flusses, der ihre
reiche schied, gleichsam jeder noch auf seinem grund
stehend, für den friedensbund zusammentrafen und ihn
beredeten, das älteste zeugnis bietet Tacitus (hist. 5,
26): ‘petito colloquio scinditur Nabaliae fluminis pons,
in cujus abrupta progressi duces.’ dann beim frieden
zwischen Heinrich I und Carl dem einfältigen von Frank-
reich, annal. lobiens. ad a. 923 (Pertz 2, 210): ‘eodem
anno Karolus cuin Henrico rege Germanorum foedus
iniit, et ab ainore (ob amorem) Henrici lothariensi
regno cessit. juratum est utrimque ab episcopis et
comitibus in medio Reni fluminis apud Bonnam,’ vgl. Ba-
luze capitul. 2, 299. Später eine Zusammenkunft der
könige Friedrich und Ludwig im j. 1162 (Helmold 1,
90): ‘et misit caesar ad regem Franciae Ludovicum, ut
occurreret sibi apud Laonam, quae est in terra Bur-
gundionum, juxta Ararim fluvium, ad redintegrandum
unitatem ecclesiae .... Ludovicus rex Franciae, cujus
praecipue exspectabatur adventus, ubi intellexit caesarem
appropiare cum exercitu et armis multis, dubitavit oc-
currere ei. sed propter lidem sacramentorum venit ad
locum placiti constituto die, hoc est in decollatione Jo-
hannis baptistae et exhibuit se in pontis medio, ab hora
tertia usque ad lioram nonain quod rex Franciae acci-
piens pro online lavit manus suas in flumine, ob testimo-
nium quasi qui fidem pollicitam reddiderit, et digrediens
inde abiit ipso vespere Diviouem. veniens ergo noctu
caesar etc. So noch unserer tage bei dem tilsiter frieden
trafen sich Napoleon und Alexander von Rufsland auf dem
Memel in einem nachen, und die geschichte kennt meh-
——
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XV
rere übergaben von neuvermählten königstöcbtern auf
der miite des grenzflusses zweier gebiete, jedwedem tlieil
sollte die volle freilieit des entschlusses und die müg-
liclikeit des riickschritts gesichert sein. Nicht unähnlich
sind Zusammenkünfte benachbarter künige oder Zwei-
kämpfe beiderseitiger beiden auf insein. es genügt hier
an die drei künige Lothar, Ludwig und Karl auf der
Saoninsel Anille bei Ma$on im j. 842 zu erinnern.
Grofsmütig wählt der mächtigere künig von den
gleichsam zum tribut dargebrachten, umständlich doch
lebhaft geschilderten gaben des besiegten nur weniges,
kann aber der neigung nicht widerstehn sich ein
paar schneeweifser, schwarzfüfsiger baren, so wie die
schwätzende elster und den staar für seine tochter an-
zueignen (3, 207. 208, vgl. 3, 84 IT. 3, 136.) auch im
achten bruclistück werden mit Vorliebe gelehrige staaren
vorgeführt, die jenem zeitaltersehr beliagt haben müssen,
nicht weniger anmutig ist die ahrichtung der hären zu
aufrechtem eimertragen und belustigendem tanz mit sin-
genden spielweihern dargestellt; das scheint mir uralte
heidnische Vergnügung, wider welche die geisllichkeife
eiferte: ‘nullus presbyter .... turpia joca vel cum urso
vel tornatricihus ante se facere .| . . consenliat.’ (Regino
de ecd. discipl. 2, 213.) vom umführen des hären habe
ich bei andrer gelegenheit geredet (mylli. 455) und eine
stelle aus Vilkinasaga cap. 121. 122 ist zumal merk-
würdig. Die sage vom luchsstein findet sich nirgend so
ausführlich, wie liier, berichtet; man erklärt ihren Ur-
sprung aus einer falschen etymologie des Wortes lyn-
curium, worin Ivyl und ovqov erblickt wurde. Beck-
mann zu Marbod p. 50 hat sich nachzuweisen bemüht,
dafs wirklich der harn einiger thiere erhärte.
So gewandt die erzählung dieser öffentlichen ange-
Jegenlieiten verflochten ist, wird man doch die einfa-
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VIX
cliere von Rudlieb und dem rotlikopf, wie sie bei ver-
schiednen wirten mit dem alten und jungen weib her-
bergen, ungeachtet des Schadens, den eine beträchtliche
liicke stiftet, bewegter und ergreifender finden, von
einem stillen haushalt, der durch den tod eines geiz-
halses in volle befriedigung ausgeschlagen ist, wendet
sich das gedieht zu dem leichtfertigen einer jungen Stief-
mutter, die aber zuletzt in tiefster reue ihren fehltritt
büfst. im fünften fragment begegnen einige freie stel-
len, die sich aber im zehnten jh., wo ein grofser tlieil
der geistlichkeit von dem ehlichen leben sich nicht aus-
sclilofs, selbst ein münch verstauen durfte, die dreierlei
strajen, unter welchen die verbrecherin dem mildgesinn-
ten gericht selbst die wähl lafst (6, 45-63), sind ganz
im geiste der poesie des alten rechts, das sie in mehr
als einem betracht erläutern, und das ersäufen in einem
fafs wird eben auch im Unibos 168. 169 verhängt, die
asche des verbrannten leichnams der missethäterin soll
ins wasser gestreut werden, damit sie nicht als schaden-
frohe hexe wölken sammeln, regen hindern, hagel stif-
ten könne. Aber auch die ganze übrige dichtung ist
reich an einzelnen der erklärung wertlien und zum
theil noch bedürftigen zügen, aus welchen sich die
nicht einfärbige sondern lebensvolle sitte und denkungs-
art jener lange zu wenig gekannten tüchtigen zeit er-
kennen läfst. Und wer mag sie kurz ab rauh schelten,
wenn er hier liest, wie die liebende mutter nach dem
abreisenden solin durchs gitter ihre äugen weidet und
das gesinde auf die zäune steigt, um ihm länger nach zu
schauen (I, 52. 53)? Wie hübsch ist, bei der beschrei-
bung eines gastmahls, angebracht, dafs die kinder erd-
heeren im wald aufsuchen, in kleine gefafse oder in zu-
sammengebundnen bast (13, 85-87)? Solche erfreuende
einzelnheiten reicht uns Wallharius nicht, dem doch
' ' " I
XVII
keineswegs eigenthümliclie Vorzüge abgehn; todter und
unausgestatteler, bis auf ein paar umstände über die
königliche Hofhaltung, bleibt die darstellung des loth-
ringischen mönchs.
Im anhang werden kleinere, nicht in der erzählen-
den langzeile verfafste, schon mehr liedermäfsige, ge-
diclite mitgetheilt, deren bekanntmachung andere her-
ausgeber leicht gänzlich abgelehnt hätten, die von mir
aber gern übernommen worden ist, sie stehn in der
arbeit und im eindruck um eine stufe niedriger als
jene gröfseren, sind ihnen jedoch meistens gleichzeitig
und vervollständigen unsere anscliauung von dem poe-
tischen bereich jener fernen jahrhunderte. es scheint
wünschenswerth, dafs sie noch reichlicher aus hand-
schriften, in denen sie zerstreut verborgen liegen kön-
nen, hervorgesucht werden, ich halte sie für versuche,
aus der menge deutscher volksgesänge, die damals auf
offenen strafsen und wegscheiden erschollen, und niemals
niedergeschrieben den nachlebenden geschlechtern nicht
bekannt werden konnten, wenigstens einzelne, zur er-
heiterung der geistlichen weit, lateinisch zu behandeln.
Lauter höchst einfache, augenblicklich in die sinne
fallende, aber immer anziehende, einem gemischten
kreise der liörer behagliche Stoffe des manigfaltigsten
gehalts, tragisch, comisch, mythisch, aus der geschickte
oder der thierfabel entnommen, am liebsten aber
schwankhaft oder spöttisch, zuweilen auch wol mit an-
gehängter lehre und geistlicher vermahnung. Ein sol-
cher vortrag heifst bald cantilena, bald versus, bald ludus
oder jocus, rumor und fahula *), woraus die deutschen
*) ein ludicrum carmen de convivio caelitum, das ein Franke
des neunten jh. gedichtet haben mag, ist aus einer hs. des zehn-
ten von Endlicher codd, vindob. s. 296-298 mitgetheilt worden.
In des weit spätem Thomae Cantipratani bonum universale de apibus
b
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Gri
benennungen Jied, leich, man zu errathen sind; sie wur-
den dem yolk auf platzen und kreuzwegen, dem rei-
chen über seinem gastmahl vorgespielt und vorgesungen.
Zeugnisse dafür finden sich gesammelt in der Vorrede
zum zweiten band deutscher sagen *). Wenn im ein-
gang des TJnibos gesagt ist:
ad mensam magni principis
est rumor unius bovis,
praesentatur ut fabula
per verba jocularia,
so kann das nicht auf das lateinische lied selbst, wollte
man sich auch das festgelag eines geistlichen herrn da-
bei denken, bezogen werden, sondern nur auf ein in
verständlicher Volkssprache gesungnes, später lateinisch
nachgedichtetes, dann aber mögen einzelne solcher lie-
der lateinisch entsprungen sein, ohne deutsches Vorbild.
Läge uns ihrer eine gröfsere zahl vor, besonders der
deutschen , fast ganz verlornen , wie manches licht würde
daraus hervorgehn über die alten sagen, mythen und
märchen. es freute mich in den anmerkungen s. 344. 382
einige spuren ihres Zusammenhangs mit jüngeren Überlie-
ferungen, deren ausdauer, selbst in unscheinbaren zügen,
dadurch bestätigung empfängt, aufzuweisen. an sich
geringfügiges gewinnt schon werth nach solchen Ver-
gleichungen weit abstehender Zeiten.
Doch ich breche diese betraclitungen über den in-
halt der herausgegebnen gedichte ab, da es mir ange-
legner ist hier noch ihre form zu erwägen.
ed. Colvener, Duaci 162T p. 456. 457 ist gedacht des ‘cantus tur-
pissimus de beato Martino, plenus luxuriosis plausibus per diver-
sas terras Galliae et Teutoniae promulgatusdoch wol in latein.
*) Yen. Fortunatus ad Bertechramnum episcopum (burdega-
lensem) ed. mogunt. p. 89:
XIX
Den drei grösseren liegt der Hexameter zum grund,
welcher im Rudlieb und der ecbasis gewöhnlich auch
leoninisch wird. Das zwölfte und dreizehnte jh. ziehen
die elegische Verbindung des hexameters mit dem pentame-
ter vor, selbst für die blofse erzahlung, wie Isengrimus
und Reinardus*) zeigen, dafs auch der luparius beiderlei
verse hat, widerspricht vielleicht der annahme, Marbod
habe ihn verfafst (s. 307), dessen gröfseres gedieht rein
hexametrisch ist. Wenigstens scheinen die lateinischen
dichter in Deutschland um die zeit des zehnten jh. vor-
zugsweise dem hexameter zu huldigen, auch bei Abbo
findet er sich, Hrosuith hat elegisches mafs nur in ei-
nem ihrer gedichte, aber grade dem ausgezeichnetsten,
dem Gangolf. der ältere aquitanische Ermoldus Nigel-
lus wählte es, gleich dem noch früheren Venantius For-
tunatus für seine gewöhnlichen kürzeren gedichte, wäh-
rend dieser in der vita Martini den längeren flufs der
erzahlung hexametrisch aushält. Die verse des Waltlia-
, dünkt mich, sind geschickter gebildet 5 beide an-
nus,
dere dichter zwängte daneben auch der reim, doch hat
die ecbasis hin und wieder einige nicht unebne hexa-
meter. die Sprache des bairischen mönchs ist dafür zu
eigenthümlich und selbständig. Ich habe den fünffüfsler
Per loca, per populos, per compita cuncta videres
Currere versiculos, plebe favente, tuos.
*) ich kann nicht umhin vorläufig eine entdeckung Lachmanns
über den bisher unbekannten dichter des Reincirdus mitzutheilen.
die berliner bibliothek besitzt ein ms. der flores auctorum (Reinb.
s. LY1II) aus dem 14 jh. (ms. Diez, occid. 60), worin von fo!.
5a an excerpte aus Reinardus mit der rubrik:
Magr niuardus de ysengrino et reinardo.
wo lebte dieser magister Nivarclus? bis jetzt weigert die belgische
und nordfranzösische literargeschichte alle auskunft.
b *
u.&xc
ecb. 286 gelassen, weil er dem Verfasser entschlüpft
sein könnte, sonst wäre leicht zu bessern:
Hunc morem repetam, nunc ad mea prisca recurram.
Verletzungen der quantitat kommen vor. äve im
beginn des verses hatte vielleicht Waith. 1053 sollen
geduldet werden; ich wagte sogar Rudi. 4, 56 böves
(für boves) zu ergänzen, denn welches andere haus-
thier könnte zur tränke geführt werden, da schafe,
ziegen und scliweine genannt sind? auch mochte der dat.
böbus (freilich statt bovibus) verführen. 3, 199 offen-
bar böna für bona, sperä Waith. 1152 für sphaera,
sperulae Rudi. 3, 366 für sphaerulae läfst sich sonst
nachweisen *), ecb. 682 wird sperula scandiert = sphae-
rula: der Baier kürzt auch aenesis in enesis. dagegen
ecb. 70 septimä fehler für septimä. ganz hergebracht
im mittellatein ist die production der penultima in mu-
lieri, midierem, midieres Waltli. 324. 560. Rudi. 3,
387. 462. 487. 7, 34. 15, 14. Abbo 1, 182. Facetus 59.
Marbodus de gemm. 281. 518 und Hrosuith durchge-
hends. Entschuldigung verdient die Verlängerung kur-
zer vocale in der caesur bei Fromund und Malchus,
zumal des a der nominative: Rudi. 1, 28. 31. 46. 77.
138. 141. 2, 46. 84. 137. 158. 229. 247. 3, 1. 2. 8. 9.
78. 115. 175. 193. 194. 199. 311. 320. 325. 342. 344.
362. 369. 398. 454. 458. 470 und durch das ganze ge-
dieht, beinahe gleichoft in der eebasis: 37. 41. 105.
168. 221. 272. 390. 394. 428. 466. 470. 576. 627. 651.
696. 814. 818. 934. 947. 952. 986. 994. 1026. 1028.
1139. nirgends im Waltharius und bei Hrosuith, wol
aber nicht allein bei späteren, z. b. Saxo gramm. 35, 51
*) Prudentius in apotheosi:
Cujus ad arbitrium sphera mobilis atque rotunda.
und Walafrid p. 252: declivique spheram loco.
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XXI
und häufig Gollfried von Viterbo, sondern auch bei
älteren, wie z. b. Dracontius, ja hin und wieder schon
bei classikern, z. b. Statius Theb. 12, 303. Ovid ars
am. 1, 511. In ähnlichem fall erfolgt production des e
zumal der infinitive und vocative Rudi. 1, 5. 82. 85.
2, 15. 37. 50. 73. 131. 143. 150. 201. 204. 3, 4. 71.
252. 384. 560 u. s. w. etwas seltner in der ecb. 70.
99. 706. Die arsis des dritten fufses erlangt durch die
ruhe des einschnitts mehr gewicht und zieht so den
kurzen vocal in die länge. consonantisclien endungen
wie er, us, it, at geschieht selbst in der classischen
metrik nicht selten ein gleiches. Die zweisilbigen vers-
sclilüsse aureis, aureum (Waith. 335. 1059) sind in der
Ordnung, vgl. baltei Virg. Aen. 10, 495. Nicht aber die
kiirzungen des ablativischen ö der gerundien im dacty-
lus des fünften fufses, welche sich alle drei dichter ver-
stauen: recubando sequentes, tolerando laborem, lu-
dendo praeire (Waltli. 359. 425. 766); dando salutis,
properando revisunt, expandendo crusenna (Rudi. 2,
55. 78. 5, 119); ducendo fatigant (ecb. 1052); vgl. pur-
gando resolvit, imitando labores (Marbod. de gemin.
318. 503.) *) Correption der zweiten silbe des Wortes
ecclesia (eigentlich — vv) Rudi. 4, 106. 6, 107. ecb. 857
findet schon bei Venant. Fort. p. 77 statt, und wird
noch andre gewähr haben.
Der hauch H behauptet in deutschen eigennamen
die einheimische, consonantische schärfe und verschmilzt
meistentheils nicht mit dem vorausgehenden vocal, oder
einem M nach vocal: nomine Hlltgunt (Waith. 36);
’) im zweiten oder dritten fufs richtig: quae simulandö spem
(Rudi. 1, 58); rufus ridendö (6, 22); aber schon Walafrid im
fünften (p. 221):
More orbatorum placidum deflendö patronum.
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XXIT
datä Hägänoni(1350); m Hagano (1328); regnö Hilno-
rum (155); *) elapsüm Hagänonem (123); primüm Hä-
gäno (119); primatüm Herricus (35); pace quidem
Hüni (69); tandem Hagano (1421); M und H wirken
dann position. diesem brauch zufolge ist auch bei ei-
nem lat. wort scandiert: stantem lilnc (Waith. 406),
wie AB gewähren, C sucht zu ändern: staute hinc
atque inde. Rudi. 19, 13 verstattete ich mir die er-
gänzung: quam hoc (zweisilbig unelidiert), wer sie zu
kühn findet, mag lesen quam et hoc oder allenfalls
quam illud. Erm. Nigellus setzt aureä liöstiola (Pertz
2, 505.) Umgekehrt wird elidiert ecb. 1185 qui hos =
qu’os; Waith. 477 ire Haganona = ir’aganona jubebat
in der aufgenommnen lesart, es hätte auch mit B ge-
schrieben werden dürfen : ire Haganon audebat. Haga-
nonem imitetur (129) ist Haganon’imitetur. Dies schwan-
ken gab den metrikern neue freiheit **).
Der wortverstellungen im Rudlieb, die bei schnel-
lem lesen das Verständnis beeinträchtigen, ist s. 228 ge-
*) auch bei Walafrid öfter, z. b. de visionibus Wettini:
Atque magisteriö Hettonis traditur almi,
elidiert aber p. 236 in einem pentameter:
Praemia nos meritis veile Heribalde putes.
**) wir haben gesehn, dafs der einschnitt des hexameters kur-
zen vocal verlängern kann, im pentameter bewirkt er sogar, dafs
der auslautende vocal (oder M) von dem anlautenden vocal oder
H der andern vershälfte gesondert bleibt. Hrosuith hat pentame-
ter wie folgende:
et libat tumulo | oscula marmoreo.
raptus amore suae | indomitae dominae.
conjunx lasciva | affuerat subito,
und Ven. Fortunatus p. 38. 75. 164:
venit ad heredem | hoc opus atque locus,
cingit te totum | hinc honor, inde favor.
te petit illa sibi | , haec retinere cupit.
xxiji
daclit worden ; sie liegen aber im geschmack der zeit
und zeigen sich auch anderswo, z. b. wenn Ermoldus
sagt (Pertz 2, 502):
Ad hanc, Ebo, fideni gentem revocare studeto,
mufs construiert werden: hanc gentem ad fidem revocare»
Auch einzelne Wörter und besonders eigennamen durch
Zwischenschiebung zu trennen liebt Ermold:
Er modulata tibi conscripsit carmina moldus.
Pertz 2, 523,
No?t quoque francisco dicuntur nomine manni
das. 2, 501.
Engilm ipse pius placido tune tramite heim *)
das. 2, 504.
Abbo pflegt que niittenhin zu drängen: 1, 361 ocqueci-
dens; 2, 54 iuquesulas; 2, 187 inquesulam für occi-
densque, insulasque, insulamque. Dergleichen lafst
sich noch vieles sammeln und mag der überkünslliclien
wortuntereinanderwerfung altnordischer scalden an seite
gesetzt werden.
Das mittelalter hegt eine entschiedne Vorliebe nicht
blofs für liexameter, sondern auch für gereimte d. i.
leoninische, welche, obschon unrichtige doch allgemein
verständliche und gefüge benennung ich beibehalte, der
schlufs des verses hält reim mit der haupteaesur, also
meistentheils der ersten silbe des dritten fufses.
Dergleichen reime lassen sich nun bereits aus clas-
sisclien dichtem aufzeigen, aber nur spurweise, und
einigemal in absichtlicher formel, z. b. in Virgils phar-
maceutria 80 wo das auf liquescit reimende durescit je-
doch die erste und zweite silbe des dritten fufses füllt, bei
späteren dichtem häufiger, z. b. Claudian in Prob, et Olybr.
93. Flava cruentarum praetenditur umbra jubarum.
) also heim, zweisilbig.
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102. Saucia dividuis clarescunt nubila sulcis.
142. Sunt milii pubentes alto de semine fratres.
in des Ausonius Mosella sind die verse 273. 276. 279.
282. 286. 288. 304. 305. 321. leoninisch. nicht wenige
findet man bei Tertullian, Sedulius, Dracontius u. a.,
nur immer vereinzelt und nicht iin ganzen gedieht
durchgeführt. Überhaupt aber sind sie doppelter art,
indem sie entweder die caesursilbe allein oder auch die
vorausgehende zweite des zweiten fufses ergreifen, je-
nes in dividuis: sulcis, dieses in cruentarum: jubarum
erstere den stumpfen, letztere den klingenden rei-
men vergleichbar, jene finden sich häufiger und unge-
sucht schon bei classikern.
In Deutschland erscheinen leoninisclie verse gleich
mit dem beginn der lateinischen dichlkunst, und sind
die lieblingsform der münche vom neunten bis zum
fünfzehnten jahrliundert. dichter, welchen es gelang,
genauer in das Studium der classiker einzudringen, such-
ten sich zwar des fesselnden reims oft zu entledigen
und ihre hexameter ohne ihn zu bauen; selten aber
setzen sie das völlig durch und fast immer laufen leo-
ninische dazwischen, in ihnen ergeht sich die kloster-
poesie am behaglichsten und ihre feierlichkeit fordert
sie, daher inschriften für gräber und glocken , kleinere
Sprüche *) und memorabilien fast nur in ihnen verfafst
wurden. sie tönen auch nicht selten klangvoll und
prächtig. Von Hraban und Walafrid Strabo ha-
ben sich mehrere erhalten , doch in des letztgenannten
hortulus bilden sie weit die minderzalil (l. 3. 17, 31.
37. 43. 44. 47 u. s. w.); auch in dem längeren gedieht
de visionibus Wettini. Leonine des strafsburger Er-
*) es sei nur an die Umschrift auf den siegeln fränkischer und
schwäbischer könige als römischer kaiser erinnert:
Roma caput mundi regit orbis frena rotundi.
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XXV
kenbalds (Waith, s. 61) sind bei Königshofen s.491.492
zu lesen; vom vierten Eckehard wird ihrer ein ganzer
codex (n° 393) zu Sanctgallen aufbewahrt (Pertz 2, 54)>
aus welchem die rhythmi (richtiger versus) de sancto
Otmaro, welche er als knabe nach Notker Labeos dic-
taten gefertigt hatte, bei Pertz 2, 55-58 gedruckt stehn,
die casus sancti Galli heben hin und wieder andere im
zehnten jh. gedichtete aus (Pertz 2, 90. 91. 119. 122),
worunter auch einzelne unseres älteren Eckehards. darf
er für den liauptverfasser des Wallharius gelten, so ist
er ihnen in dieser gröfseren dichtung ziemlich ausge-
wiclien , doch schleichen sich manche ein (28. 64. 157.
158. 159. 163. 170. 185. 202. 206. 217. 220. 221. 224.
233. 236. 237. 2^0. 242. 243. 246. 250. 255. 260. 266
u. s. w.), soll man glauben aus nachlassigkeit oder zu
vermeintem schmuck? in Geralds prolog berschen die
leonine merklicher vor, und fast möchte man schliefsen,
dafs die Überarbeitung sie hernach zu tilgen gestrebt
hatte, wiewol auch der widmung sorgfältigerer aus-
druck sie könnte absichtlich gehäuft haben. Im Rud-
lieb sind fast alle verse leoniniscli *) , doch mit vielen
freiheiten für vocale und consonanten, denn auch ver-
schiedne vocale binden sich (4, 61. 66. 68. 83 u. s. w.)
und durch einzelne consonanten mehr oder weniger
wird nichts verschlagen; beispiele auf allen blättern.
Fast ebenso in der ecbasis, neben etwas strengerem
reim; die eingeschalteten horazischen verse macht ge-
wöhnlich schon der mangelnde kenntlich **), und ihn
herbeizuziehen müssen sie sich einigemal abändern las-
,v) der reim fehlt z. b. 4, 62. 73. 6, 4.
**) auch darum sind die s. 318 angezognen verse 593-95,
700. 721. 22 schwerlich des Verfassers. 723 ist nach Ovid met. 1,
11, verändert, wo es heifst:
Nec nova crescendo reparabat cornua Phoebe.
698 ist aus Virgils Aen. 12, 677.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
sen, anderemal bot der Römer selbst schon den stumpfen
reim, z. b. 119. 142. 155. 162. 186. 214; den leonin
ziert vorzugsweise der volle, klingende. Ungefähr wie
Malchus hält es Hrosuitli, auch bei ihr sind klingreime
weit seltner als bei Fromund *).
f Sa « m Trc-e«. ti,
'
*** *) für die, welche andere gleichzeitige und jüngere leonine
vergleichen mögen, schreibe ich noch beispiele her. Thietmars
von Merseburg (f 1018) prolog:
Non adscribatur mihi, si quid in hoc variatur
Libro vel desit, testis cum parvulus adsit etc.
eine urk. von 1051 bei Schaten 1, 543 hat auf die dreieinheit die-
sen vers:
ln deitate patris proli sit honor generalis,
In nutu nati decus vel sapientia patri,
In vi paraclisis virtus sit utriusque perhennis.
Die nomina volucrum, ferarum etc. (altd. bl. 1, 348) sind Ieoni-
nisch und vielleicht schon im 10 jh. entsprungen, denn bis ins 11
reichen die hss. (vgl. s. 322.) Von Catos lehren gibt es wol mehr
als eine leoninische bearbeitung, die ältere wird Marbod (opp. col.
1634) beigelegt, wozu neulich Endlicher (codd. vindob. 1, 173)
Supplemente herausgegeben hat; eine nicht viel jüngere mit lauter
klingenden reimen steht in einem linzer cod. des 12 jh. (Hoffm.
fundgr. 2, 105.) bei Marbod de gemmis berschen sonst reimlose
hexameter, doch mangelt es nicht an stumpfen reimen (7. 23. 32.
46. 49. 54 etc.), selbst nicht an klingenden (93. 123. 247. 419.
421.) Macer Floridus (ein dichter des zehnten jh., aber kein deut-
scher) hat wenige leonine (106. 110. 156. 193. 194. 195. 225.
226); desto häufiger werden sie in den spuriis Macri. Unter den
60 hexametern des 13 jh., welche eine Übersetzung von Wolframs
Wilhelm versuchen (Lachm. varr. XL1II. XLIV), erscheinen die
leonine nur mäfsig. Die Saxonia des eimbeker und goslarer ca-
nonicus Dietrich Lange (Meibom 1, 806-812), hat meist klingende
reime, deren einige hier folgen mögen, weil sie der verschiednen
jahrhunderte ungeachtet (Lange ist aus der zweiten hälfte des vier-
zehnten) an die darstellung im Rudlieb erinnern:
p. 806. Non est exosus popuius neque stans otiosus —
Multi barones de Graecis nobiliores —
Hi per tres stabant turmas, pariter properabant —
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
XXVII
Wie nun in der classischen poesie die liauptcaesur
ihre übliche stelle verlassen kann, so rücken mit ihr
auch die reime; es genüge hier die wichtigsten fälle an-
zugeben.
Seltner ist der reim schon auf die hebung des
zweiten fufses gelegt, ecb. 1221:
Laus dommo qui me salvarat deute lupr/io,
wo Fromund leicht geschrieben hatte:
Laus qui me domino salvarat deute lupino.
Häufiger auf die hepthemimeris , d. i. die hebung des
vierten, z. b. Waith. 1304:
Hic rex Guntharius coeptüm meditatur incpiüm.
ecb. 566. 833:
Accelerare palatinam quod conderet aulam.
Dum rapit hunc judaea manzIs bene conscia cujz/s.
Rudi. 1, 10. 70:
Seu bello seu vena/zi seu quolibet actu.
Ut non deseruisset st nolitve perire.
Hrosuith:
Francorum genlis dominos praenobilis almos.
Graeci blavotas volucres tune non bene notas,
Falcones, nisos, velut res (? volucres) non antea visos
Huc apportabant, ad terram dum properabant.
p. 807. Suntque philomelae (1. philomenae) jam Christi numine plenae,
Nam volucres tales sistunt Christi moniales —
Est et avis kivit, quae bellat quam cito vivit —
Non est in mundo volucer volitans ut hirundo —
p. 808. Agricultura dant centesies sua jura.
Zuletzt noch die weit älteren des Langobarden, der den
prolog zu Rothars gesetzen abfafste:
Est error spretus, quo langobarda juventus
Errabat. verum loquitur nunc pagina sensum
Edicti, rectis quod strinxit Rothar habenis.
Walcausus meritus, quem laudat scriba disertus,
Nostrorum reguin sunt hinc exordia legum.
iv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Bei so weit nach hinten geschobnem reim pflegt aber
auch wol einer zugleich die arsis des zweiten fufses
einzunehmen, so dafs sich dann drei Wörter im verse
binden, Waith, prol. p. 59; Rudi. 6, 3. 7, 11; ecb. 658:
Ludendzzzra magis est dornimzm quam sit rogitandzzw.
Poeniteötf vel euin rogitat mala quae faciebdh
Et verbzÜTz profert plenüm ceu pollinis ovz'z/zz.
Poma vehdt, miranda candt, sed amigdala pondtf*).
Abbo 1, 343 mit unreimendem schlufs:
Ergo cuz' regina polz componere quibo.
Minder schicklich legt sich der drei reime erster auf die
thesis des ersten fufses, ecb. 601:
Tarn cito se sociare toro nec jüngere disco,
oder auf die Senkungen des zweiten und vierten, ecb. 813:
Condolui tibz, non parcens mihz, congrua vexz.
Am ungünstigsten wirkt, wie mich dünkt, die theilung
des hexameters in zwei genaue hälften, wo reiche reime
den dritten fufs gerade wie den sechsten füllen, sogar
in den zweiten und fünften mitreichend, ecb. 232. 471:
Me circumvoYitabänt, deute sed asperildbänt.
Totus conticz/z^ grex, atque crucis silzzd lex.
gehören hierher auch, ohne reichen reim, und ganz
stumpf, aus Rudi. 1, 47. 9, 4?
Non abscondere quit se quin haue mox reperirrtf
Ex illa sit quem de fonte levaveris inquzk
Folgende beide sind unter einander ähnlich gebildet, je-
doch verschieden, deren hälften jede eigens für sich
reimen, Rudi. 6, 56. ecb. 158:
Piscibz/s ut citizzs vorer aut dir/s cocodrillz-s
Quid calidzz/zz gelidzzz/z, dominorzzm quid famulorum.
*) virgilianisclien versen vergleichbar wie:
Congrediör, fer sacra pater, et concipe foedus.
wo die zweite silbe von pater durch den eindruck der caesur pro-
duction erfährt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
XXIX
Da die caesur anstofsende vocale oder M und vocal vor
elision schützt (s. XXII) ; so wird aus gleichem gründ der
reim auf dem vocal oder dem M ruhen dürfen, wenn
schon vocal folgt, Hrosuith:
Exoptans vel summaftm attingere sa\tim.
doch Rudi. 3, 82 trift der abschnitt nicht hinter quin-
deni, sondern onagri, und inan scandiere:
Et bis quinden’ onagri tolidemque cameli,
weshalb hier nur einfacher reim.
Dem hexameler widersteht Zerschneidung in zwei
gleiche hälften; dem Pentameter ist sie wesentlich, indem
dritthalb füfse jeden seiner theile bilden. Seine caesur
bietet sich also dem reim noch natürlicher dar, als die
des hexameters, und in mittellateinischen, elegisches
mafs haltenden gedickten, z. b. dem Gangolf der Hrosuith
trift man ihn fast allenthalben; jüngere beispiele gewäh-
ren die Reinh. s. 416 ff. abgedruckten, ziemlich rohen
gedichte und der raparius (kinderm. 3, 241.) Doch ha-
ben ihn ältere pentameter, wie Hrabans und Fortunats
selten, ebenso w enig die späteren des 12 und 13 jli.,
z. b. im Reinardus. ln Deutschland mindestens hat sich
der leoninisclie reim vorzugsweise dem hexameter zu-
gewandt.
Aus den bisher gepflognen Untersuchungen steigt
nun die weitere und anziehendere frage hervor nach
dem Verhältnis dieser leoninischen verse zu der natio-
nalen weise unserer deutschen poesie selbst, die auch
ihrerseits auf die lateinische einflufs geäufsert haben
könnte ?
Durch Lachmanns erörterung der althochdeutschen
betonung und verskunst ist die bahn gelichtet worden,
auf welcher hier vorgeschritten werden mufs. er hat
aus beobachtung der mittelhochdeutschen gedichte ein
gesetz der hebungen und Senkungen entdeckt, das auch
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
XXX
I
■j^, ’jt» yy,
den altlioclideutsclien schon zum gründe liegt, und auf
dem accent, wie das metrum der classisclien dichter
auf der quantitat, beides unabhängig von reim und
alliteration, die jedoch hinzutreten können, beruht.
Dafs der deutsche vers blofs rhythmisch, nicht me-
trisch gebildet werde, erkannten bereits die sanctgaller
mönche. ihre Casus erzählen (Pertz 2, 91), wie, unge-
fähr im jahr 917, am tage der unschuldigen kinder,
nach altem gebrauch, bischof Salomon von den Schü-
lern scherzhaft zum meister gewählt wurde und die
knaben sich nun mit lateinischen Sprüchen bei ihm los-
kauften: ‘parvuli latine pro nosse, medii rithmice, cae-
teri vero metrice . . . illuin affantur.’ die jüngsten brach-
ten nichts als lateinische prosa vor, die mittlern be-
tonte verse (nach deutscher art), die erwachsnen me-
trisch gemessene, ein paar dieser letztem werden zur
probe angeführt, hexameter mit leoninischem’reim; man
sähe gern auch einen der rhythmischen, wahrschein-
lich ebenfalls gereimten, verse mitgetheilt. doch die
geistlichkeit schätzte nur das metrische dichten (vgl.
Waltharius s. 58) und liefs sich die rhythmische Übung
nebenher gefallen.
Es haben sich aber sonst solche lateinische rhytli-
men erhalten, namentlich das aus dem verlornen alt-
deutschen liede Ratperts getreu von dem vierten Ecke-
hard in latein übertragne gedieht, welches hier aus je-
ner sangaller lis. 393 pag. 247 eingerückt werden mag,
weil bei Pertz 2, 33 nur davon die zehn ersten zeilen
stehn *). Ratperts lebenszeit fällt in den ausgang des
neunten jh., die des Übersetzers in das erste drittel des
eilften (Waltharius s. 57.) die rubrik lautet so:
*) ich verdanke die genaue abschrift wiederum meinem freunde
Joseph von Lafsberg.
XXXI
Ratpertus monachus , Notkeri, quem in sequentiis mi-
ramur, condiscipulus, fecit carinen barbaricum populo
in laudem saucti Galli canendum. quod nos multo im-
pares homini, ut tarn dulcis melodia latine luderet, quam
proxiine potuimus, in latinum transtulimus. nun das
lied selbst.
1 Nunc incipiendum est mihi magnum gaudium.
Sanctiorem nullum quam sanctum unquam Gallum
Misit filium Hibernia, recepit patrein Sueuia.
Exultemus omnes, laudemus Christum pariles
Sanctos aduocantem et glorificantem.
2 Cursu pergunt recto cum agmine collecto,
Tria tranant maria, celeumant Christo gloria,
Columbanus, Gallus, Magnoaldus et Theodorus,
Chiliano socio, post functo sacerdotio,
Gallos peruagantur, Francis immorantur.
3 Renouant Luxouium in Christi caulas ouium,
Passi ni£cli£ uarias Brunhiidis et insidias,
Tristes spernunt Franciam, contendunt et inSueuiam,
Castro de Turegum adnauigant Tucconium,
Docent fidem gentem, Iouem linquunt ardentem.
4 Pucconio ingrato hinc excommunicato
Uadunt in directum, examen ut collectum,
Qu§runt aluearia temptantes loca uaria,
Arbonam per lacum aduolitant potamicum.
Colligit UuilJimarus illos Christo carus.
5 Pergit hinc Brigantium grex gentes baptizantium.
Columbanus amplum hic Christo sacrat templum,
Docet paruum clerum cantare deum uerum.
Latrones et duos occidunt fratres suos,
Fugit mox Italiam, terram procul aliam.
AienZ . vxsyl
HrutkrV’S 1,100.
2, 4 über den Worten Chiliano socio mit rother schrift: sic
in tentonico canitur.
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XXXTI
10
11
Gallus infirmalur, ab uia retardatur,
Cui mandat motus quod reslet Columbanus,
Missas numquam celebret se uiuum quoad sciret.
Repetit febricitans Arbonam, Christum supplicans
Egros alleuantem, faciat se ualentem.
Presbiter Christo carus dat lectum Uuillimarus,
Conualescens Gallus siluarnm fit mox auidus.
Dux fit Hiltibaldus? occurrit locus commodus,
Clamant damna demones^, retentant Gallum uepres,
Diaconus accurrit, lapsans illum distulit.
Gallus forte psalmum in ore tenet almum:
Requies hec est mea per sgculorum sgcula,
Semper hic liabitabo, deum meum inuocabo.
Hiltibalt percare iam noli me uetare,
Libet sic iacere, noli sustinere.
Instat tandem triduo uir domini ieiuuio,
Consecrando locum litabat uota precum,
Fit ambobus ardor, procumbit omnis arbor,
Regnat uis flammarum condensa per siluarum,
Eifert ursus truncos igni passim aduectos.
Panem Gallus bestie mirande dat modesti^,
Mox ut hunc uorauit, in fugam festinauit
Iussa siluis cedere , hic nullum post hac ledere.
Diacon iacebat soporans et uidebat,
Qua uirtute Gallus pollet dei famulus.
Hinc de loco dgmones abegit et serpentes,
Ducis sanat filiam, quam satan uexat rabidam,
Exit ore toruus colore tamquam coruus,
Offert Gallo dona pro mente uirgo sana,
Que dispersit sanctus, dedit et pauperibus.
7, 2 für siluarum am rand die correctur deserti.
8, 5 über sustinere: uel subleuare.
10, 3 es steht cedere.
XXXIII
12 Optant illum populns pontificem et clerus,
Quissacrandum proprium lohannem dat discipulum,
Hinc superno numine in montis stans cacumine
Spiritum abbatis locandum cum beatis
E conspectu terrg angelos uidet ferre.
13 Uotum mox inhibitum post patris litat obitum,
Gaudet pisce magno petroso capto stagno,
Trabern breuiorem dat prece longiorem,
Pergit liinc ad castrum ob Michalielis festum,
Egit missas more, Spiritus tonat ab ore.
14 E grotat in Castro electus deo nostro,
Post fletum, post geinituin defungens efflat spiritum,
Michahel fidelis locauit hunc in c§lis,
Accurrit episcopus flens ad magistri corpus.
Caligas eius induit claudus et exiliit.
15 Corpus est du datum , ut solet, ob lauatum,
Renes et sacratos mirantur uulneratos,
Capsam clausam pandunt catenam et offendunt,
Cruore perfusum liorrebant et cylicium,
Clamant, o felicem suimet carnificem.
16 Equis Eine indomitis sacratum corpus martyris
Pr§sul imponebat, infrenes et laxabat,
Currunt in directum ad cell§ patris tectum.
Sequitur cum clero Iobannes atque populo,
Kyrieleison clamant et delletum tumulant.
17 Iobannes noli flere, magistrum crede uiuere.
Uiuit, inquam, Gallus, beatior iam nullus,
Uiuit per miracula, dans scutum ad obstacula,
Iudex inter dextros sessurus in sinistros
In tremendo examine. gloria tibi domine.
Beim abdruck sind alle in der Handschrift über die
fünf ersten Strophen, wechselnd mit rotlier und schwar-
13, 2 petrose.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
XXXIV
zer dinte, gesetzten musicalisclien zeiclien weggeblieben,
aus welchen sich Wiederkehr der inelodie nach je fünf
Zeilen klar ergibt. *) auf den bau der einzelnen verse
selbst scheint dies strophische verhältnifs keinen ein-
flufs zu haben. In Otfrieds altdeutschem diclitwerke
berscht keine solche abtlieilung, es zerfällt, wie die
namenspiele der Widmungen ausweisen, gänzlich in
Strophen von zwei langzeilen.
Sonst aber ist zwischen den otfriedisclien langzeilen
und denen des Galluslieds unverkennbare ähnlichkeit,
jede hälfte zeigt die vier liebungen mit den ausgedriick-
ten oder auch fehlenden Senkungen, man vergleiche:
7, 3. düx fit Hiltibaldüs. occurrit locus cdmmodüs.
IV. 23, 39. antwurlita lindo. ther keisor e'winigo thd.
6, 2. cüi mandat mdtüs. quod restet Columbanüs.
5, 3. docet parvum clerüm. cantare deum verum.
V. 23, 20. allo tlilo scdni. wio wünnisam tliar warf.
II. 17, 2 luweraz girati. scal salzan wdroltdatf.
8, 5. libet sic jacere. ndli süstine're.
IV, 16, 2. übar einan klingdn. sld tho tlie'sen tlüngdn.
nur dafs im ganzen die zweite hälfte der ersten merk-
lich voriviegt, d. li. in dieser die Senkungen öfter man-
geln. soll ich es nach der silbenzahl ausdrücken, so
findet sich, dafs die zweite hälfte häufig aus acht und
sieben, seltner aus sechs silben besieht, die erste dage-
gen oft aus sechs und sieben, niemals aus acht. Die acht
silben verleihen der zweiten hälfte jambischen klang:
in Christi caulas ovium
silvarum fit inox avidus
*) nicht unmerkwürdig. sollte das anfschlufs zu bringen ver-
mögen über die noch dunkle Zerlegung mhd. erzählender gedichte
Wolframs und Hartmanns in abschnitte von dreifsig zeilen, deren
jeder zum behuf der recitation für sechs pentaden eingerichtet
wäre ?
XXXV
per seculoruni secula
quam satan vexat rabidam
in montis stans cacumine
defungens efflat spiritum *)
die sechs silben der ersten hälfte des verses trochäischen:
yadunt in directum
docent parvum clerum
regnat vis flammarum
infert ursus truncos
spiritum abbatis
gaudet pisce magno
oder auch der zweiten :
Francis immorantur
et glorificantem
illos Christo caros
wie bei 0. in erster hälfte: ilemes nu alld I. 6, 15.
in zweiter: ubar burgi sind IV. 7, 81.
thar man inan pindt IV. 7, 77.
allerdings scheint die sclilufszeile jeder Strophe sechs-
silbige hälften zu lieben
sanctos advocantem. et glorificantem.
Gallos pervagantur. Francis immorantur.
doch 3, 5 Jovem linquunt ardentem; 4, 5 colligit Wil-
limarus; 7, 5 lapsans illum distulit u. s. w. schwerlich
soll 9, 5 nach der lateinischen regel gelesen werden:
igni pass’ advectos, noch weniger 15, 3 caten’ et olFen-
dunt. synalöphe, nach Otfrieds weise, wäre zulässig:
in tremendo examine 17, 5.
Ein versuch läge nahe, Ratperts ganzes lied, dessen
*) vgl, O. 111. 18, 59: so er uns emmizigen duat.
111. 18, 68: thaz emmizigen fruma meid.
111. 18, 72: si thälitun er thes filu forn.
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xxxvt
ausdriicken der Übersetzer sichtbar auf dem fufse folgt,
herzustellen; an einigem sei es hier genug:
1, 4. frdwemes nu alld. lobunld Christ giliclid.
5. der die wihon ladut. joh harto michilliclidt.
4, 2. farant giliclio in rihti. sösd biano impi.
3. iro cliar io suochanto. ubar al ouh flioganto.
4, 5. samanut Wilmäri. sie Christe iilu tiuri.
5, 2. Columbanus wxtün. dar Christe wxhit chilichun.
5, 4. scacliara dar zuene. irslaliant pruoder sind.
5. fliuhit paldo in Walholant. ferro in anderaz lant.
7, 4. wiofant scadon dursa. haltant Gallon dorna.
8, 2. scal ih tär räwdn. fon dwon unz in ewon.
4. Hiltibalt liob man. ni churi mir firbiotan.
14, 4. der biscof snello liof. zi des meistres lfchi wiof.
5. sind hosün ana suanc. ein halzdr inti dana spranc.
15, 1. ward diu lih intnacliuldt. zi wasganne sd man tuot.
2. dio heiligun lancha. sehant se alld wunta.
4. jeliant sälxgon. sxnes selbes scarjon.
16, 5. kyrjeeleison singant. biweindtan bifelhant.
17, 1. Johannes ni churi weinen, den meistar wizzis lebdn.
2. lebet sagdn ih dir ein. saligoro nist nihein.
ich habe absichtlich der ersten hälfte in 8, 2. 15, 4 fünf
silben, in 17, 1 acht gestattet, was im lat. text nie ge-
schieht.
Richten wir nochmals den gedanken auf jenes in
der cantilena sancti Galli deutlicher als bei Otfried wahr-
nehmbare vorwiegen des zweiten lialbverses oder kür-
zen des ersten ; so scheint sich ein nicht unebner ver-
gleichungspunct zwischen der blofs betonten deutschen
langzeile und der antik gemessenen des liexameters lier-
vorzuthun. der hexameter legt die hauptcäsur, wie wir
sahen, noch weniger in seine mitte, sondern nach der
ersten silbe des dritten fufses, so dafs zwei ungleiche
tlieile entspringen, die sich wie 2i:3j verhalten. Die
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accentuierte langzeile, obschon in jeder liälfte gleichviel
liebungen einscliliefsend, pflegt nicht selten der ersten
hälfte sechs silben, der zweiten sieben, oder jener sie-
ben, dieser acht zu ertheilen, was etwa den Verhältnis-
sen 3 : 3| oder 3£ : 4 entspräche, die silbenzahl schwankt
zwischen 13 und 15; der liexameter, zu silben berech-
net, wird aber wenigstens 13 zählen müssen, meist 15
enthalten und bis zu 17 wachsen können, im totalein-
druck treten sich also beide versarten nahe, und es
geht gut an, otfriedische langzeilen, deren silben freier
laufen als das lat. Galluslied, in liexameter zu wandeln,
wie auch schon Lachmann gesagt hat. ich möchte so-
gar annelimen, dafs unsre vorfahren den liexameter be-
günstigten , weil seine hauptcäsur (nach wenigstens 5,
aber auch 6 und 7 silben) dem einsclinitt ihrer natio-
nalen langzeile, der gerade so den reim empfieng, aufser-
ordentlich gleicht. Insofern hatte der Verfasser des Wal-
tharius leichtes spiel mit dem deutschen lieldenlied, das
er nacliahmte. es gibt liexameter im Rudlieb die man,
wie sie sind, ohne alle änderung für betonte langzei-
len halten dürfte, z. b. 6, 76:
a modo non ddminäm. sed me dicant liömicidam
wenn auch in zweiter hälfte die liebungen anders fallen
als z. b. Ratpert 2, 4:
Chiliano socio, post füncto sacerddlio.
Rudi. 6, 88 mit getilgtem ‘ante’:
mäter et ut ddmina. sit efs nec üt noverca.
der trocliäische ausgang homicidam, ut noverca ver-
stöfst gegen die deutsche betonung. diese Unähnlichkeit
abgerechnet, liefse sich auch Waith. 16 umselzen in:
nämque marem genuit. quem Gunthari vdcitavit.
überhaupt vergleichen sich viele erste hälften der liexa-
meter, z. b. indolis egregiae; tempore quo validis; ho-
tibus insinuant; nomine Waltharium; und auf allen
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I
fall erhellt, wie unmittelbar der inlialt metrischer lang-
zeilen in die begrenzung blofs betonter aufgenommen
werden konnte.
Die ganze saclie gewinnt noch erhöhten reiz, wenn
wir auf den Zusammenhang der althochdeutschen ge-
reimten mit der älteren alliterierenden langzeile, andrer-
seits aber mit der gesamten mittelhochdeutschen vers-
kunst achten.
Dafs die ursprünglich auf blofsem accent beruhende
langzeile an sich weder mit dem reim des anlauts noch
des auslauts zu schaffen habe, wurde s. XXX gesagt, sie
kennt nur das leichtere band der belonung, wie der
liexameter das der quantitativen messung, nicht die
lästigere kette des reims. wesentlich und gemein ist
beiden aber die ruhe einer die zeile fast in zwei hälf-
ten theilenden liauptcäsur, auf welche gerade der spä-
ter entwickelte reim sich niederläfst, bis er allmälich
das Übergewicht erlangen und den grundsatz der quan-
tität wie des accent beeinträchtigen kann.
Auch über die hebungen und Senkungen alliterier-
ter verse hat sich die lachmannische forscliung schon
verbreitet, und möglichkeit des Übergangs alliterierter in
otfriedische langzeilen durch ein wirkliches beispiel
schlagend dargethan. 0. I. 18, 9
tliar ist lib ana töd. liolit ana finstri
stammt buchstäblich aus der alliterationspoesie, sei es
nun blofs im gedachtnis überliefert oder gradezu aus
Muspilli 16. 17 entlehnt. sogar der mangelnde reim
verkündet erborgung, wie in der ecbasis bei den hora-
zischen versen.
In dieser langzeile von acht hebungen und nirgend
anders haben wir den uralten, volksmäfsigen vers des
deutschen heldenliedes zu suchen, das, wie es scheint, bis
ins achte jli. seinen schmuck aus der alliteration, nach-
XXXIX
her aber aus dem reim entnahm. ein gedieht von
Walthari, wie es sangaller mönchen noch bekannt sein
konnte, nuifs in einer von beiden weisen erklungen
sein. Wer der äufseren Veränderung unseres epos von
da bis zum Schlüsse des zwölften jh., weil die quelle
versiegt ist, im geiste noch nachspüren will, hat zweier-
lei anzuschlagen , die minderung der langzeile um zwei
hebungen, und die Verlegung des reims aus der cäsur.
Dafs der silbenzahl und den hebungen allmäliclier
abbruch geschah, lafst sich begreifen aus der vorschrei-
tenden Schwächung und stümpfung der ableitungen und
flexionen. gesetzt, im munde der sänger wären alle
einzelnen ausdrücke und Wörter einer epischen zeile
treu durch den lauf der jahrhunderte fortgetragen wor-
den ; wie viel voller und mächtiger hätte sie im neun-
ten als im zwölften jh. tönen müssen, die tradition
mochte sich hin und wieder auf alterthümliche formen
erstrecken, das ganze konnte sie nicht vor einer gewis-
sen Verdichtung und Zusammenschrumpfung bewahren.
Der althochdeutsche vers weifs von keinem eigentlich
klingenden reim, nur von stumpfem; den klingenden
begründet eben, dafs bei langer penultima der accent
der letzten silbe geschwächt und der hebung unfähig
wird, eine menge zweisilbige reime, die bei Otfried
zwei hebungen trugen, gestatteten der mittelhochdeut-
schen dichtkunst blofs eine, ln den Nibelungen hat die
langzeile meistens nur sechs hebungen, für jeden theii
drei, im ersten wirkte der klingende einschnitt auf Un-
terdrückung einer hebung hin, beim zweiten forderte
sie dann die durch gesang oder recitation bedingte
gleichmäfsigkeit. nach silben berechnet (was viel un-
sicherer ist) würden sich gewöhnlich sieben für die
erste, fünf für die zweite halbzeile finden, also jene,
nicht diese vorherschen. dies alles setzt vielfache än~
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derungen voraus, und es nviiste ungemein schwierig
scheinen, epische langzeilen des dreizehnten jh. mit
sechs liebungen umzustellen in die des neunten mit acht
hebungen. Aber nicht zu übersehn sind die deutlichen
spuren vierter liebungen sowol im zweiten tlieil der
vierten zeile jeder Strophe (Lachm. zu Nib. 45, 4), als
zuweilen auch noch im ersten tlieil für alle zeilen (zu
Nib. 118, 2.) Regel der höfischen mhd. kunst war für
alle stumpfen reime der kurzzeile an den vier hebun-
gen festzuhalten, den klingenden aber nur drei zu ver-
leihen , so dafs der stumpfgereimte vers völlig dem ot-
friedischen, der klingende dem des Nibelungenliedes
entspricht: auf sieben zurückgeführt, wird die stumpfe
zeile gewöhnlich acht, die klingende sieben zählen. In
der nhd. poesie, schon seit Hans Sachs, hat zwar die
stumpfe zeile acht silben behalten , die klingende hin-
gegen neun angenommen, was sich noch allgemeiner so
ansdrücken lafst, die klingende zeile pflegt immer eine
silbe mehr als die stumpfe zu empfangen, z. b. in den
üblichen jamben jene eilf, diese zehn silben zu haben,
nach ahd. weise liiefse das der zeile, die jetzt klingend
ist, eine ganze hebung mehr zulegen als ihr gebührt;
aber die im mhd. gewöhnlich aufgehobne gleichlieit der he-
bungen für beiderlei reime wurde dadurch nhd. hergestellt,
daraus folgt klar, dafs sich die mhd. Ungleichheit der
hebungen lediglich historisch erklärt, d. i. die drei he-
bungen des klingenden reims müssen zurückgeleitet
werden auf vier ahd. hebungen *).
Mit diesem aufkommen klingender reime in der
*) den Übergang von der mhd. weise zur nlid. bilden deutlich
die reimzeilen auf zweisilbige werter mit kurzer penultima, welche
stumpfreimigen zeilen gleichgeaclitet werden d. h. bei neun silben
vier hebungen machen, nach silben berechnet sind die mhd. kurz-
zeilen dreifach, von sieben, acht und neun silben. indem sich die
fW
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XLl
mlid. poesie scheint mir nun auch die Verlegung des
innern reims aus der casurstelle unmittelbar in Zusam-
menhang. Das klingende, nicht mehr in beiden silben
vollhebige wort versagte sich dem reim auf den stumpfen
sclilufs der langzeile, und man war genölhigt für die-
sen ein band im schlufs der folgenden zeile zu suchen,
das lied von den Nibelungen und von Gudrun lassen
die erste und zweite, so wie dritte und vierte zeile
jedweder Strophe auf einander selbst reimen, statt wie
früher auf den einsclinitt. Diese neuerung durchzufüh-
ren mufs wieder genug in dem epos umgebildet haben,
es wird schwer zu bestimmen sein, in welcher zeit,
ob erst im zwölften oder schon im eilften jh. innere
reime aufhörten, schlufsreime anhuben? Vielleicht
dafs auch dabei ein analoges Verhältnis der mittel-
lat. dichlkunst darf erwogen werden : hexameter kom-
men zum Vorschein , die ihren innern cäsurreim in den
schlufs verrücken. so geschieht namentlich durch das
ganze gedieht von Pilatus*), dessen erste Strophe lautet:
i
kürze jener penultima allmälich aufhob, muste die spätere poesie
dahin streben, den siebensilbigen vers auch in einen neunsilbigen
zu verwandeln, ln den kurzzeilen altfranzösischer dichter er-
scheint längst und überall das nhd. Verhältnis, dem stumpfen vers
werden acht, dem klingenden neun silben gegeben; diese bemer-
kenswerthe abweichung von der gleichzeitigen mhd. regel beruht
darauf, dafs die romanischen dichter in die natur des klingenden
reims sich leichter fanden als die mhd. Ausnahmsweise laufen je-
doch fast bei allen mhd. dichtem (Conrad abgerechnet) schon kling- f'V/^
reimige verse mit vier hebungen unter,was den nhd. brauch vorbe-
reitet und erklärt.
*) Leyser hist. poet. med. aevi p.2125. Endlicher codd. vin-
dob. lat. 1, 162 und 277. da sich das mhd. gedieht des 12 jh.
(Mafsm. 147») auf ein lateinisches buch bezieht, so darf man wol
diese metrische bearbeitung dafür nehmen und wenigstens auch
dem 12 jh. beilegen.
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XL1I
Urbs fuit antiqua, veteres lianc conslituerunt,
Moganus atque Scia *), flumen rivusque dederunt
Nomen, et inde fuit primum Moguncia dicta
Nomine composito, non esl assertio ficta.
ferner in dem sogenannten Facetus**), welcher anhebt:
Cum nil utiiius humanae credo saluti
Quam moruni novisse modos et moribus uti.
Es lafst sich freilich nicht nacliweisen, dafs hier früher
der leoninische reim, wie sonst, auf der casur haftete;
doch die neigung zum reim der zeilenschliisse scheint
in der lateinischen und deutschen poesie zugleich vor-
zutreten. In den jüngeren epen , und spurweise schon
den Nibelungen fallt auch wieder ein innerer reim auf
den einschnitt, doch nicht um ihn mit dem sclilufs,
vielmehr dem einschnitt der folgenden zeile zu ver-
knüpfen , so dafs nunmehr die stumpfen reime von
klingenden gekreuzt werden, und alles gefühl der alten
langzeile schwindet.
Langer, eingeschnittner zeilen bedarf das epos, cä-
suren sind gleichsam seine beständigen alhemzüge; die
erzählung in kurzzeilen ist unepisch, und man kann
von ihr sagen, dafs sie nicht recht zu alhem komme***).
*) der bach Zi oder Zei. Fuchs besclir. von Mainz 1,
302. 310.
**) Wiggerts zweite» scherflein, Magdeb. 1836 s.6—27. der
Ursprung des werks ist noch unausgemittelf, es gibt verschiedne
bearheitungen (Endlicher codd. lat. vindob. 1, 159. 160.) Ein-
zelne Strophen bei Wiggert haben aufser dem schlufsreim noch
einen innern, z. b. 24:
Omnis homo quacunque domo qua lege fruatur,
Provideat qnando taceat vel qtiando loquatur
ebenso 133. 134; wogegen 136. 137 ohne schlufsreim und ge-
wöhnliche leonine sind.
***) man mufs unterscheiden, dafs lange zeilen sich in kurze
eilen auflösen und dafs gedichte ursprünglich in kurzen verfafst
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XL! II
Die langzeile der altfranzüsischen ep.en war doppelt,
entweder von zehn silben, mit dem einschnitt nach der
vierten, oder von zwölfen, mit dem einschnitt nach der
sechsten, der eigentliche reim hat sich ihr noch nicht
entwickelt, blofs ein streben nach ihm , die vocalische
assonanz. Aus dem zwölfsilbigen vers ist der neufran-
zösische gereimte alexandriner hervorgegangen, der in
zwei gleiche Stücke zerfallt, wie der pentameter, was
beide gegen den zehnsilbigen vers und den liexameler
in nachtheil stellt, doch bei klingendem ausgang lafst er
in der zweiten hälfte eine siebente silbe iiberfliefsen,
wir haben gesell n, dafs auch der ahd. vers zur kiir-
zung der ersten hälfte geneigte, weniger deutlich bei
Otfried , als Ratpert. die nibelungische Strophe thut es
zum mindesten entschieden in ihrer vierten zeile. Auch
des slavischen Volkslieds sei noch gedacht, es hat zehn
silben oder fünf hebungen in jeder zeile, den einschnitt
nach der zweiten hebung, also mit beträchtlichem Über-
gewicht der zweiten hälfte, ich gebe beispiele aus ser-
bischen liedern:
schta se bjeli | u gori zelenoj,
il se snieg |, il su labudovi?
mjesetz kara | zvijezdu danitzu,
dje si bila |, dje si dan gubila?
gewöhnlich kein reim, doch kann er zutreten, und er-
greift dann schlufs und casur, wie in der letzten an-
geführten zeile, oder in folgenden:
sind; denn sonst hätten wir in zwei stumpfen kurzzeilen der klage
jedesmal den alten epischen vers. in den langzeilen der edda
fühlt sich noch der auch aus der alliteration hervorgehende Zu-
sammenhang beider theile. weder die klage noch der Parzivnl
läfst sich in langzeilen darstellen, weil daun stumpfe mit acht und
klingende mit sechs hebungen neben einander liefen; wol aber
Otfried, der keine klingenden verse hat.
XLIV
da je vila | , na visclie bi bila.
na ramena | , ka’ sve na kamena.
Ivo prosi | , duschde se ponosi.
dieser nacli innen hin gelegte, die langzeile selbst nicht
verlassende slavisclie reim stimmt zu dem althochdeut-
schen wrie zu dem leoninisclien , weicht aber von den
romanischen endecasillabe ab, die in die folgende zeile
fort reimen , wie das lied von den Nibelungen.
Die kleineren gedickte des anhangs entfalten mehr-
fache metra, alle sind gereimt und in Strophen. Am
wenigsten einfach ist das lied auf Heinrich II, dem wahr-
scheinlich eine bestimmte melodie unterlag; jede seiner
Strophen endigt mit einem leoninisclien hexameter. He-
riger und Alverad haben sechszeilige Strophen von fünf,
die drei übrigen dichtungen vierzeilige von acht silben,
in jambischem schwung, wie es schon die milteilatei-
nische diclitkunst früherer Jahrhunderte liebte. Unter
vielen beispielen nenne ich den hymnus des Venan-
tius Fortunatus de Leontio episcopo (1, 16) und den
berühmten in honorem sanctae enteis (2, 7):
Agnoscat omne saeculum
Antislitem Leonlium,
Burdegalense praemium,
Dono superno redditum.
und Vexilla regis prodeunt,
Fulget crucis mysterium,
Qua carne carnis conditor
Suspensus est patibulo.
Die weise scheint besonders in Deutschland und na-
mentlich in lothringischem, niederländischem gebiet, lange
Zeiten hindurch, beliebt. Docen (misc. 2, 191) führt
aus trierischer gegend folgenden anfang eines liedes,
vermutlich des dreizehnten jh. an :
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XLY
Sol solis in stellifero
Stellas excedit radio,
Sed unica quam diligo
Milli placet et populo.
Hierher gehört nun auch das merkwürdige neulich von
Leo entdeckte berliner bruchstück des lateinischen Gre-
gorius *), der freilich der fabel nach von bedeutenderem
umfang gewesen sein mufs. es erstreckt sich über die
verse 741 -775 des hartmannischen gedichts und zer-
fällt, wie mich dünkt, wiederum in vierzeilige Strophen,
die ich folgendermafsen herstelle:
1.....................................
Sic loca venustissiina
Caede vastavit maxima.
2. Urbs nulla fuerat,
Quam non bellans vastaverat,
Una taut um remanserat,
Quae principalis fuerat.
3. Quae vix sola subsisteret,
Si non totam protegeret,
Qui solus regit omnia
Per seculorum secula.
4. Ut procedamus
Nunc bis finem faciamus;
Mente attendannis,
Sic ad puerum redeamus.
5. Ergo per omnia,
Dum transit stagna marina,
iKral.llnufW
*) blätter für lit. unterh. Leipzig 1837 18 dec. no. 352
p. 1431. 1432.
4, 2 im abdruck hujus finem.
4, 3 urentis acta damus. vielleicht auch: ventis attendarous,
auf die winde, die das kind über die see führten?
XL VI
Est conservatus,
Ut erat Jonas quarduanus.
6. In ceti ventre,
Sensu typice famulante
7...............gesta,
Quae post fient manifesta,
Nam defertur infantulus,
Conservatus divinitus,
8. Cum propria navicula,
Per marina pericula,
Veneratque ad insulam,
Quae continebat cellulam,
9. Quam vitae venerabilis
Cum multis sibi subditis
Piis ornatus moribus
Abbas rexit Gregorius.
10. Qui binis piscatoribus
Praeceperat attentius,
Ut praepararent
Se diluculo [et navigarent.]
Der strophische grundsatz scheint mir bestätigt zu wer-
den durch 3, 4, welche zeile ganz zu dem Schlüsse des
Unibos stimmt, dann durch den grofsen buchstaben der
lis. bei Ut 4, 1, womit ein neuer absatz begann. Was
nun aber am meisten auffällt, die jamben (wenn man
sie so nennen will) verrathen sich als Überarbeitung
älterer leoninischer verse, die unverkennbar durch-
blicken *):
4, 1. 2. ut procedamus, nunc bis finem faciamus,
*) hierdurch werden die vorhin s. XXXVH besprochnen berüh-
rungen des hexameters mit der Volksweise erläutert.
XLYII
4, 3. 4. mente attendamus, sic ad puerum redeamus
5, 2....................dum transit stagna marina
5, 3 est conservatus, ut erat Ionas . . . •
6, 1. 2. in ceti ventre, sensu typice famulanle
7, 1. 2............gesta, quae post fient manifesta
10, 3. 4. ut praepararent se diluculo navigarent,
wobei allerdings einigemal der prosodie gewalt ange-
tlian wird. Anfangs zwar wähnte ich, das fragment
könne nach dem deutschen gedieht, dessen reinliche,
der ersten bekanntmachung sclmell gefolgte, ausgabe
wir diesen augenblick erlangen, versucht sein, etwa wie
die begonnene Übersetzung von Wolframs Wilhelm,
allein das gegentheil hat weit mehr fiir sich, Hartmann,
wenn nicht alles triegt, hatte das lateinische gedieht vor
äugen, und seine dichterehre befährt dabei so wenig
etwas als bei den altfranzösichen texten , die er behan-
delte, so zu verschönen und zu erhöhen verstand er,
selbst in treuer nachfolge, die Stoffe, das aufgefundne
lat. fragment bietet gerade eine stelle, wo die erweite-
rung des umdichters wenig erscheinen kann. Darf die
hs. noch dem zwölften jh. zugesprochen werden, so
nmfs auch darum das lat. gedieht als älter vorangehen,
und ich wäre nicht entgegen, es gar schon dem eilften
jh. beizulegen. Der nunmehr gespannten aufmerksam-
keit glückt es vielleicht einen vollständigen codex des
lat. Gregorius ausfindig zu machen.
Trochäischen silbenfall wird man in mittellateini-
schen liedern von deutschen dichtem selten antreffen;
er scheint mehr in Italien, Frankreich und England zu
haus, und gewährt eigenthiimliche anmut. Ein altes
beispiel aus zehntem jh. gibt das carmen de convivio cae-
litum bei Endlicher, von dem ich einige stellen hersetze:
David cytharam percussit,
Et Maria tympana,
XLYIII
Iudilh choreas ducebat,
Et Iubal psalteria. —
Cumque omnes ire vellent,
Rex ait respiciens
Nunc per omnem nuptiarum
Frequenlate vos diem.
Unde gaudens laetabatur
Imperator Karolus
Cum francigenis poetis
Cum gallis *) bibentibus.
in diesem mafs ist bei Martianus Capelia die cantilena:
Scande coeli templa virgo
Digna tanto foedere,
Sed socer subire celsa
Poscit astra Jupiter.
Aucb die ‘versus de Aquilegia’ bei Endlicher s. 300-302,
der sie mit recht in langzeilen darstellt, wie es ebenso
im carmen coelitum und bei Martianus geschehn darf,
die erste mit A beginnende Strophe lautet:
Aquilegia gloriosa quondam urbs et inclita,
Bellicosa, triumphalis, Venetum metropolis,
Attila quam saevus olim funditus everterat
und so folgen andere Strophen durch alle buchstaben
des alphabets, genau wie in den beiden dichtungen des
neunten jh., welche ich altd. wald. 2. 31-34 aufge-
nommen hatte, das eine hebt an:
Aurora cum primo mane telram noctem dividens,
Sabbatum non illud fuit, sed Saturni dolium,
De fraterna rupta pace gaudet daemon impius.
das andere:
Audite omnes fines terrae errore cum tristitia,
Quäle scelus fuit factum Benevento civitas,
Lhuduicum comprenderunt sancto pio augusto.
*) hier sind noch Gallier den Franken entgegengestellt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
XL1X
das letzte gedieht ist einigemal bis zur Unverständlich-
keit roh, das zweite schon geglätteter, und doch nicht
ohne poetische kraft. Alle diese langzeilen haben fünf-
zehn silben, in der zweiten hälfte eine weniger als in
der ersten; reime brechen zufällig und unregelmäfsig
hervor, bisweilen in der mitte:
Laude pugna non est digna nec canatur melode.
Pater mater soror frater, quos amici fleverant.
Ihnen am nächsten reicht der Volkston spanischer ro-
manzen.
Ungleich lieblicher und formvollendeter sind die
jüngeren lateinischen dichtungen des zwölften und drei-
zehnten jh., für welche Waltherus Mapes das muster
gegeben zu haben scheint; in der gewöhnlichen weise
Strophen von vier dreizehnsilbigen zeilen, mit demsel-
ben klingenden reim, dem einschnitt nach der sieben-
ten silbe. so die bekannten lieder:
Tertio capitulo memoro tabernam
und Aestuans interius ira vehementi;
so auch in dem schönen carinen de Phyllide et Flora *):
Susurrabat modicum ventus tempestivus,
Locus erat viridi gramine festivus,
Et in ipso gramine defluebat rivus
Yivus atque garrulo murmure lascivus.
Eine andere weise durchflicht die reime oder legt sie
nach innen, hat auch abweichende silbenzahlung:
Yersa est in lucturn cithara Waltheri,
Non quia se ductum extra gregein cleri
Vel ejectus doleat, ut abjecti lugeat
Vilitatem morbi,
Sed quia considerat, quod ünis accelereat
Inprovisus orbi.
*) üoeen in Aretins beitr. 9, 302-309.
© Hessisches Staatsarchiv
In deutscher gegend zur zeit des dreizehnten jh. ver-
fafst ist folgendes lied mit ganz kurzen, frisch und leb-
haft klingenden zeilen, die in deutsche worte überge-
hen, wie auch sonst öfter geschieht:
Stetit puella
Rufa tunica,
Si quis eatn tetigit
Tunica crepuit. eia.
Stetit puella
Tanquam rosula,
Facie splenduit
Et os ejus floruit. eia.
Stetit puella
Bi einem boume,
Scripsit amorem
An einem loube.
hier bequemt sich die fremde spräche ganz der landes-
art und wirkt um so sicherer.
Nach diesen ausfülirungen oder andeutungen, denen
einhalt zu thun zeit ist, ergibt sich genugsam, was die
mittellateinische poesie erreicht und verfehlt hat, aber
auch, wie wenig vorbeigegangen werden kann sie genau
zu studieren, sie fliefst auf die heimische diclitkunst ein
und empfängt von dieser eindrücke, sie erhebt ihre stimme
da, wo jene zum schweigen gebracht ist, zu ihr hat sich
eine menge von stof geflüchtet, den jene erzeugte aber
kein mittel mehr hatte zu erhalten. Ziehen beide ne-
beneinander, so ist es lehrreich zu vergleichen, auf welche
weise sie sich bald hemmen bald unterstützen. Eine be-
deutende zahl lateinischer gedichte des zehnten, eilften und
zwölften jh. war vorhanden, die mit dem aussterben der
althochdeutschen und dem aufblülien der mittelhoch-
deutschen poesie vielfach Zusammenhängen.
Ist es für solche ansichten neuen boden zu begrün-
LI
den der ausgabe vorliegender denkmale des alterthums
einigermafsen gelungen, so darf man hoffen, dafs weitere
entdeckungen und forschungen das hier geleistete bald
iibertreffen, berichtigen und vollführen werden. Zu den
bedürfnissen gehört auch eine gänzliche Umarbeitung des
leysersclien Werks, das seine guten dienste getlian hat,
allein schon lange nicht mehr ausreicht; es könnte sehr
ansehnlich vervollständigt und dennoch zusammengezo-
gen werden. Für das mittellateinische Wörterbuch brin-
gen Rudlieb und die ecbasis einigen nicht unverächtlichen
Zuwachs; aus Waltliarius, der weniger darbietet, hätte
doch noch mehr sich zusammenstellen lassen, was zufällig
versäumt wurde. Weder in ihm, noch in den übrigen ist
alles schwierige erklärt, und zumal leidet die ecbasis an
unverständlichen stellen, die ergänzung der lücken im
Rudlieb kann bei erneuerter durclisicht immer weiter ge-
trieben werden; vorläufig schien es rathsam bei dem ver-
suchten es bewenden zu lassen. Um auch noch eine or-
thographische kleinigkeit zu berühren, so wäre ein leich-
tes gewesen sich in die gewohnlieit der heutigen philo-
logie zu fügen, und viele ae statt oe (caelum, maestus),
immer aber i, auch vor vocalen, statt j zu schreiben, dem
jetzt vorrückenden ae wird es schwer fallen die grenze
zu stecken und eine reaction des oe nicht ausbleiben.
was den consonanten j anlangt, so dringen wir im alt-
deutschen auf seine Unterscheidung, ohne welche sich die
nicht seltnen Übertritte des i in j (z. b. jetzt statt des äl-
teren ietzt) nicht deutlich machen liefsen, wie auch mit-
tellat. arjete für ariete vorkommt, wer allenthalben i
schreibt, sollte ebensowenig v von u scheiden und letz-
terem treu bleiben, vor sechzig, siebzig jahren schrie-
ben die philologen gern im anlaut vt, vnus, vllus, vter-
que, inlautend aber nauis, mutauit, prauum; die däni-
schen, wenn ich nicht irre, brauchen noch heute solche
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
inlautende v statt u. was frommt aber die Schreibung
ieiunus, triiugus oder gar ieivnus, wo gelesen werden
soll jejunus, trijugus ? die autoritat der handscbriften
und selbst der inscriptiouen entscheidet nichts für unsere
ausgaben der classiker, inscriptionen werden überall ca-
pitales V, biicher des fünften, sechsten jh. überall un-
ciales U für vocal wie consonant haben, und ursprüng-
lich sind beide ein und dasselbe Zeichen, wie es aber nützt
parui von parvi, voluere von volvere, deseruisse (Rudi. 1,
70) von deservisse (1, 5) zu sondern, wird auch iam-
bus von jam, Iulus von Julius u. s. w. vorteilhaft ge-
schieden. Gezweilelt habe ich wegen durchführung des
ae für e oder £; hätten überall sehr alte und gleich-
zeitige handschriften Vorgelegen, wie vorhin bei dem
Gallusliede, so wäre ihnen gefolgt worden, weniger
schien daran gelegen das beständige schwanken der spä-
teren copien zu achten. das blofse e fordern auch
nicht reime wie cilharae: ipse ecb. 939; laetitiae: osten-
dere Unib. 42; tempore: transfugae das. 48; diese dicht-
kunst nimmt es mit den vocalen im reim nicht genau,
es war also vorteilhafter die vocative, infinitive und
adverbia auf -e von den eigentlichen -ae gesondert zu
halten.
Was sonst diesem buche mangelt wird man leich-
ter entschuldigen, es ist stückweise, unter oft abge-
wandten gedanken, aus collectaneen ohne meine eignen
biiclier fertig geworden, die nothwendigen ausschnitte
des zweiten bogens erinnern mich an den 16 decem-
ber, den letzten von mir in Güttingen zugebrachten tag.
Cassel 4. april 1838.
Jacob Grimm.
WALTHARIUS.
Tertia pars orbis, fratres, Europa vocatur,
Moribus ac linguis varias et nomine gentes
Distinguens cultu, tum relligione sequestrans.
Inter quas gens Pannoniae residere probatur,
5 Quam tarnen et Hunos plerumque yocare solemus.
Hic populus fortis yirtute vigebat et armis,
Non circum positas soluin domitans regiones,
Littoris Oceani sed pertransiyerat oras,
Foedera supplicibus donans sternensque rebelles.
10 Ultra millenos fertur dominarier annos.
Attila rex quodam tulit illud tempore regnum,
Impiger antiquos sibimet renovare triumphos.
Qui sua castra movens mandavit visere Francos,
Quorum rex Gibicho solio pollebat in alto,
15 Prole recens orta gaudens, quam postea narro:
Namque marem genuit, quem Guntharium vocitavit.
Fama volans payidi regis transverberat aures,
Dicens bostilem cuneum transire per Histrum,
Vincentem numero Stellas atque amnis arenas.
20 Qui, non confidens armis et robore plebis,
Concilium cogit, quae sint facienda requirit.
Consensere omnes: foedus debere precari,
Et dextras, si forte darent, conjungere dextris,
Obsidibusque datis censum persolvere jussum;
25 Hoc melius fore, quam yitam simul ac regionem
Perdiderint, natosque suos pariterque maritas.
9 donat sternitque G. 11 Etcilo I, und immer so. 15 de te
recens A. 16 uocitarunt A. 18 hystrum B. ystrum C. 20
u et B. 23 Et si forte darent dextras I.
I *
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!
i
Nobilis lioc Hagano fuerat sub tempore tyro,
Indolis egregiae, veniens de germine Trojae;
Hunc, quia Guntliarius nondum pervenit ad aevum,
30 IJt sine matre queat vitam retinere tenellam,
Cum gaza ingenti decernunt mittere regi.
Nec mora; legati censum juvenemque ferentes
Deveniunt, pacemque rogant ac foedera firmant.
Tempore, quo validis steterat Burgundia sceptris,
35 Cujus primatum Herricus forte gerebat,
Filia huic tantum fuit unica nomine Hiltgunt,
Nobilitate quidem pollens ac stemmate formae.
Debuit haec lieres aula residere paterna,
Atque diu congesta frui, si forte liceret.
40 Jamque Ayares firma cum Francis pace peracta
Suspendunt a fine quidem regionis eorum.
Attila sed celeres mox huc deflectit liabenas,
Nec tardant reliqui satrapae vestigia adire.
Ibant aequati numero, sed et aginine longo;
45 Quadrupedum cursu tellus concussa geinebat,
Scutorum sonitu pavidus superintonat aetlier.
Ferrea silva rnicat totos rutilando per agros;
Haud aliter, primo quam pulsans aequora mane
Pülcher in extremis renitet sol partibus orbis.
50 Jamque Ararim Rodanumque amnes transiverat altos,
Atque ad praedandum cuneus dispergitur omnis.
I orte Cavillonis sedit Herricus, et ecce
Attollens oculos speculator vociferatur
‘Quaenam condenso consurgit pulvere nubes?
55 Vis inimica venit, portas jam claudite cunctas.’
Jam tum quid Franci fecissent ipse sciebat
30 nouellam 1. 34-39 hat 1 nach 51. 35 heriricus B. hen-
ricus I. 36 hildcund B. 37 formae C. 40 namque B. 42
jlluc flectit C. 44 aequali C. 52 cabillonis sedit heriricus B.
54 consurgunt B. C.
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WALTHARIUS.
Princeps, et cunctos coinpellat sic seniores
‘Si gens tarn fortis, cui nos similare nequimus,
Cessit Pannoniae, qua nos virtute putatis
60 Huic conferre manurn et patriarn defendere dulcem?
Est satius, pactum faciant censumque capessant.
Unica nata mihi est, quam tradere pro regione
Non dubito: tantum pergant qui foedera firme nt.’
Ibant legati totis gladiis spoliaü,
65 Ilostibus insinuant, quod regis jussio mandat,
Ut cessent vastare rogant. Quos Attila ductor,
ITt solitus fuerat, blande suscepit, et inquit
‘ Foedera plus cupio, quam proelia mittere vulgo.
Pace quidem Huni malunt regnare, sed armis
70 Inviti feriunt, quos cernunt esse rebelles.
Rex ad nos yeniens pacem det atque resumat.’
Exivit princeps, asporlans innumeralos
Thesauros, pactumque ferit, natamque reliuquit.
Pergit in exilium pulcherrima gemma parentum.
75Postquam complevit pactum, statuitque tributuni, \1
Attila in occiduas promoverat agmina partes.
Namque Aquitanorum tune Alphere regna tenebat
Quem sobolem sexus narrant habuisse virilis,
Nomine Waltharium, primaevo llore nitentem.
80 Nam jusjurandum Herricus et Alphere reges
Inter se dederant, pueros quod consociarent,
Cum primum tempus nubendi venerit illis.
Ilic ubi cognovit, gentes has esse domatas,
Coeperat ingenti cordis trepidare pavore.
85 Nec jam spes fuerat saevis defendier armis.
‘Quid Gesseinus’ ait, (si bella movere nequimus?
58 sirnulare C. 59 uos C. quam nos A. 62 mihi quam B. I.
63 firmaut B. 66 cessant B. 71 dextram det B. 1. 73 reli-
quit A. 1. 75 conqdetum A. 78 sexus sobolem I. 81 ut J.
6
WALTEIARIUS.
90
95
Exempla eil nobis Burgundia, Francia donant.
Non incusamur, si talibus aequiparamur.
Legatos initto, foedusque ferire jubebo,
Obsidis inque vicem dilectum porrigo natum,
Et jamnunc Hunis censum persolvo futurum.’
Sed quid plus remorer? dictum compleverat actis.
Tune Avares, gazis onerati denique multis,
Obsidibus sumptis Haganone, Hiltgunde puella,
Nec non Walthario redierunt pectore laeto.
Attila, Pannonias ingressus et urbe receptus,
Exulibus pueris magnam exhibuit pietatem,
Ac veluti proprios nutrire jubebat lieredes,
Virginis et curam reginae mandat habere.
100 Ast adolescentes propriis conspectibus ambos
Semper adesse jubet; sed et artibus imbuit illos,
Praesertimque jocis belli sub tempore habendis.
Qui simul ingenio crescentes mentis et aevo,
Robore vincebant fortes, animoque sophistas,
105 Donec jam cunctos superarent fortiter Hunos.
Militiae primos tune Attila fecerat illos,
Sed liaud immerito; quoniam, si quando moveret
Bella, per insignes isti micuere triumphos.
Idcircoque nimis princeps dilexerat ambos.
110 Virgo etiam captiva, deo praestante supremo,
Reginae yullum placavit, et auxit amorem,
Moribus eximiis operurnque industria abundans.
Postremum custos thesauris proyida cunctis
Efiicitur, modicumque deest, quin regnet et ipsa;
115 Nam, quiequid voluit, de rebus fecit et actis.
Interea Gibicbo defungitur, ipseque regno
Guntliarius successit, et ilico Pannoniarum
87 exemplum C. exempla in A. 91 Denique nunc J. 92
demoror I. 98 alumnos I. 99 fehlt C. 1. 109 illos A. 117
Guntliarius regno successit 1.
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WALTHARIUS.
Foedera dissolvit, censumque subire negayit.
Hoc ubi jam primum Hagano cognoverat exul,
120 Nocte fugam molitur, et ad dominum properavit.
Waltliarius tarnen ad pugnas praecesserat Hunos,
Et quocunque iret, mox prospera sunt comitata.
Ospirin elapsum Haganonem regia conjux
Attendens, domino suggessit talia dicta
125 ‘Provideat caveatque, precor, sollertia regis,
Ne yestri imperii labatur forte columna,
Hoc est, Waltliarius vester discedat amicus,
In quo magna potestatis yis extitit Hunis,
Nam vereor, ne fors fugiens Haganonem imitetur.
130 Idcircoque meam perpendite nunc rationem,
Cum primum yeniat, haec illi dicite verba
“Servitio in nostro magnos plerumque labores
Passus eras, ideoque scias, quod gratia nostra
Prae cunctis temet nimium dilexit amicis,
135 Quod volo plus factis te quam cognoscere dictis.
Elige de satrapis uuptam tibi Pannoniarum,
Et non pauperiem propriam perpendere eures.
Amplificabo quidem pariter te rure domique,
Nec quisquam, qui dat sponsam, post facta pudebit.”
140 Quod si completis, illum stabilire poteslis.’
Complacuit sermo regi, coepitque paran.
W altharius venit, cui princeps talia pandit,
Uxorem suadens sibi ducere. sed tarnen ipse,
Jam tum praemeditans, quod post compleverat actis,
145 Investiganli bis suggestibus obvius infit
‘Vestra quidem pietas est quod modici famulatus
Causam conspicitis. sed quod mea sergia mentis
123 in Ospirin das letzte i radiert A. 128 huins B. C.
135 Nunc volo I. 138 ualde te B. I. 141 parare C. 145 His
instigandi B. instiganti I. 147 seruia B.
8
W ALTHARIUS
r
Int ui ln fertis, nunquam meruisse valerem.
Sed precor ut servi capiatis verba fidelis:
150 Si nuptam accipiam domini praecepta secundum,
Vinciar in primis curis et amore puellae,
Atque a seryitio regis plerumque retardor.
Aedificare domos, cultumque intendere ruris
Cogor, et hoc oculis senioris adesse moratur,
155 Et solitam regno Hunorum impendere curam.
Namque voluptatem quisquis gustaverit, exin
Intolerabilius consueyit ferre labores.
Nil tarn dulce mihi, quam semper inesse fideli
Obsequio domini; quare, precor, absque jugali
160 Me yinclo permitte meam jam ducere vitam.
Si sero aut mediae noctis mihi tempore mandas,
Ad quaecunque jubes securus et ibo paratus.
In bellis nullae persuadent cedere curae,
Necnati aut conjuxretrahentque fugamquemovebimt.
165 Testor per propriam temet, pater optime, vitam,
Atque per inyictam nunc gentem Pannoniarum,
Ut non ulterius me cogas sumere taedas.’
His precibus victus suasus rex deserit omnes,
Sperans Waltharium fugiendo recedere nunquam.
170 Venerat interea satrapae certissima fama:
Quandam, quae nuper superata, resistere gentem,
Ac bellum Hunis confestim inferre paratam.
Tune ad Waltharium converlitur actio rerum;
Qui mox militiam percensuit ordine totam,
175 Et bellatorum confortat corda suorum,
Hortans praeteritos semper memorare triumphos,
Promitlensque istos solita virtute tyrannos
Sternere, et externis terrorem imponere terris.
150 vincior C. 152 curis B. 157 dolores I. 161 medio A. I.
167 alterius H. 169 uualtarius B. 178 impendere C.
WALTHARIUS.
9
Nec mora, consurgit sequiturque exercilus omnis.
180 Ecce locuin pugnae conspexerat, et numeratam
Per latos aciem campos digessit et agros,
Jamque infra jactum teli congressus uterque
Constiterat cuneus; tune undique clamor ad auras
Tollitur, horrendam confundunt classica vocem,
185 Continuoque hastae volitant hinc indeque densae.
Fraxinus et cornus ludum miscebat in uuum,
Fulminis inque modum cuspis yibrata micabat.
Ac, veluti Boreae sub tempore nix glomerata
Spargitur, liaud aliter saevas jecere sagittas.
190 Postremum, cunclis utroque ex agmine pilis
Absumptis, manus ad mucronem yertitur omnis,
Fulmineos promunt enses, clipeosque revolvunt,
Concurrunt acies demum, pugnamque restaurant.
Pectoribus partim rumpnntur pectora equorum,
195 Sternitur et quaedani pars duro umbone virorum.
Waltliarius tarnen in medio furit agmine belli,
Obvia quaeque metens armis, ac limite pergens.
Hunc ubi conspiciunt liostes tantas dare strages,
Ac si praesentern metuebant cernere mortem,
200 Et quemeunque locuin seu dextra sive sinistra
Waltliarius peteret, cuncti mox terga dederunt,
Et versis scutis laxisque feruntur habenis.
Tune imitata ducein gens maxirna Pannoniarum
Saevior insurgit caedemque audacior äuget,
205 Dejicit obstantes, fugientes proterit, usque
Dum caperet plenuin belli sub Sorte triumplium.
Turn super occisos ruit et spoliaverat omnes,
183 utique H. 181 Iiorrenda confundit cl. voce H. 193
concurrit A. 196 bello A. B. H.I. 200 dextram siue sinistram B. H.
203 hunc mirata D. pannoniorum D. 204 fehlt A. C. D. I. 205
deicit A. B. I. 206 capit et A. donec perciperet D.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
10
WALTHAR IUS.
Et tandem ductor recavo vocat agmina cornu.
Ac primus frontem festa cum fronde revinxit,
210 Victrici lauro cingens sua tempora vulgo 5
Post liunc signiferi, sequitur quos cetera pubes.
Jamque triumphali redierunt stemmate compti
Et patriam ingressi, propria se quisque locavit
Sede. sed ad solium mox Waltliarius properayit.
215 Ecce palatini decurrunt arce ministri,
Illius aspectu liilares, equitemque tenebant,
Donec yir sella descenderet inclitus alta.
Si bene res vergant? tum demum forte requirunt.
Ille aliquid inodicum narrans intraverat aulam;
220 Lassus enim fuerat, regisque cubile petebat.
Illic Hiltgundem solam offendit residentem;
Cui post amplexus atque oscula dulcia dixit
‘Ocius huc potum ferto, quia fessus anbelo.’
lila mero tallum complevit mox pretiosum,
225 Porrexitque viro, qui signans accipiebat,
Yirgineamque manum propria constrinxit. at illa
Astitit, et yullum reticens intendit herilem,
Walthariusque bibens yacuum vas porrigit olli,
Ambo etenim norant de se sponsalia facta.
230 Provocat et tali caram sermone puellam
cExilium pariter patimur jam tempore tanto,
Non ignorantes, quid nostri forte parentes
Inter se nostra de re fecere futura.
Quare diu tacito premimus haec ipsa palato?’
Virgo, per hironiam meditans haec dicere sponsum,
Paulum conticuit, sed postea talia reddit:
208 recavo ductor D. 216 equites C. 219. Qui tantum I.
224 calicem D. 227 conspexit D. 230 caram tali D. 231 patimur
pariter j. t. longo D. I. 232 ignoramus enim quod nostri quon-
dam H. 234 quam ne Ä. quid ne D. quam diu nos t. p. tune
p. I. 236 dixit D.
.
WALTHARIUS.
J1
6 Quid lingua simulas, quod ab imo pectore damnas
Oreque persuades, toto quod corde refutas?
Sit yeluti talem pudor iugens ducere nuplam.’
240 Vir sapiens contra respondit et intulit ista
‘Absit, quod memoras! dextrorsum porrige sensum.
Noris, me nihil um simulata mente locutum;
Nec quicquam nebulae yel falsi interfore crede.
Nullus adest, nobis exceptis namque duobus.
245 Si nossem temet mihi promptam impendere meutern,
Atque fidem votis servare per omnia cautis;
Pandere cuncta tibi cordis misteria veilem.’
virgo, viri genibus curvata, profatur
‘Ad quaecunque vocas me, domne, sequar studiose,
250 Nec quicquam placitis malim praeponere jussis.’
Ille dehinc ‘piget exilii me denique nostri,
Et patriae lines reminiscor saepe relictos:
ldcircoque fugam cupio celerare latentem;
Quod jam prae multis potuissem forte diebus,
255 Si non Hiltgundem solam remanere dolerem.’
Addidit has imo virguncula corde loquelas
‘Verum veile meum, solis bis aestuo rebus,
Praecipiat dominus, seu prospera sive sinistra,
Ejus amore pati toto sum pectore praesto.’
260 Waltliarius tandem sic virginis inquit in aurem
‘Publica custodem rebus te nempe potestas
Fecerat, idcirco memor haec mea verba notato:
Inprimis galeam regis tunicamque trilicem
Assero, loricam fabrorum insigne ferentem
237 quod ab C. 238 ore mihi fingis toto H. quod toto corde D.
240 respondens rettulit D. 242 nolis me nichilum D. 243 nebuli D.
fraudis vel falsi 1. 245 temet num promtam D. 246 vocis D.
249 at quocunque D. 250 mali D. 251 exitu (? exitii) D.
253 meditor 1. 255 liiltgundam D. 257 fehlt A. C. D. J. 260 in
aure D. 261 te rebus namque. 264 affero (V) A. aß'er H.
12
WALTHARIUS.
265 Diripe, bina dehinc mediocria scrinia tolle.
His armillarum tan tum da pannonicarum,
Donec vix unum releves ad pectoris imum.
lnde quater binum mihi fac de more coturnum,
Tantundemque tibi patrans imponito; vasis
270 Sic fors ad summum complentur scrinia labrum.
Insuper a fabris liamos clam posce retortos.
Nostra viatica sint pisces simul atque volucres,
Ipse ego piscator, sed et auceps esse coartor.
Haec intra ebdomadem caute per singula comple.
275 Audisti, quid habere vianti forte necesse est.
Nunc quo more fugam valeamus inire recludo:
Postquam septenos Phoebus remeaverit orbes,
Regi ac reginae, satrapis, ducibus, famulisque
Sumptu permagno convivia laeta parabo,
280 Atque omni ingenio potu sepelire studebo,
Donec nullus erit, qui sentiat, hic quod agendum est.
Tu tarnen interea mediocriler utere vino,
Atque sitim vix ad meusam restinguere cura;
Cum reliqui surgant, ad opuscula nota recurre.
285 Ast ubi jam cunctos superat violentia potus,
Tum simul occiduas properemus quaerere partes.’
Virgo mernor praecepta viri complevit, et ecce
Praefinita dies epularum venit, et ipse
Waltharius magnis instruxit sumptibus escas;
290 Luxuria in media residebat denique mensa.
Ingrediturque aulam velis rex undique septam,
Heros magnanimus solito quem corde salutans
Duxerat ad solium, quod compsit bissus et ostrum.
267 onus H. 268 deinde D. 269 tantundem quanti paternis A.
patrato D. 274 inter hebdomadamD. 276 Nec C. Hinc I. 277 febus D.
278. 279 regi ac reginae satrapis convivia laeta parabo D. 279
niagnifico I. 281 hoc quid A. hic quid C. hoc quod D. 1. 283 re-
stringere B. I. 292 more B. 1. 293 quemC. quem bissus compsit B. I.
WALTHARIUS.
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Consedit, laterique duces liinc indeque biuos
295 Assedisse jubet. reliquos locat ipse minister.
Centenos simul accubitus iniere sodales,
Diversasqne dapes libans conviva resudat;
His et sublatis aliae referuntur edendae,
Atque exquisitum fervebat migma per aurum.
300 Aurea bissino tantum staut gausape yasa,
Et pigmentatos crateres Bacchus adornat,
Illicit ad haustum species dulcedoque potus.
Wallharius cunctos ad yinum bortatur et escas.
Postquam epulis absumpta quies mensaeque remotae,
305 Heros jam dictus dominum laetanter adorsus
Inquit ‘in boc, rogito, clarescat gratia vestra,
Ut vos inprimis reliquos nunc laetificetis.’
Et simul in verbo nappain dedit arte peractam,
Ordine sculpturae referentem gesta priorum;
310 Quam rex accipiens baustu vacuayerat uno,
Confestimque jubet reliquos imitarier omnes.
Ocius accurrunt pincernae moxque recurrunt;
Pocula plena dabant et inania suscipiebant,
Hospitis ac regis certant bortatibus omnes.
315 Ebrietas feryens tota dominatur in aula,
Balbutit madido facundia fusa palato.
Heroas validos plantis titubare videres.
Taliter in seram produxit baccbica noclem
Munera Waltbarius, retrabitque redire volentes;
320 Donec yi potus pressi somnoque gravati
Passim porticibus sternuntur liumotenus omnes.
ff-k
296 inire D. 29T diversaque d. 1. convivia D. libat c. resudans I.
299 inignam D. fervet pincerna 1. 300 bissina B. 301 pigmen-
tatus A. B. D. pigmentatas C. H. crateras D. 302 illic D. 303
in escas D. 304 postque C. D. Pepulas D. ostquam epulis depulsa
fames sublataque mensa B. I. 305 dictis I. 306 regno C. clarescit 1.
307 tune B. 309 piorum A. B. C. 312 occius occurrunt D.
316 balbutiit A. C. 319 fehlt C. redire fehlt A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTIIARIUS.
Et licet ignicremis vellet dare moenia flammis,
Nullus, qui causam potuisset scire, remansit.
Inde dilectam vocat ad semet midierem,
325 Praecipiens causas citius deferre paratas.
Ipseque de stabulis yictorem duxit equorum,
Hunc ob virtutem vocitaverat ille leonem.
Stat sonipes, .ac fraena ferox spumantia mandit.
Hunc postquam faleris solito circumdedit, ecce,
330 Scrinia plena gazae lateri suspendit utrique,
Atque iteri longo modicella cibaria ponit,
Loraque virgineae mandat fluitantia dextrae.
Ipseque lorica vestitus, more gigantis,
lmposuit capiti rubras cum casside cristas,
335 Ingentesque ocreis suras complectitur aureis;
Et laevum femur ancipiti praecinxerat ense,
Atque alio dextrum, pro ritu Pannoniarum,
Is tarnen ex una tan tum dat yulnera parte.
Tune hastam dextra rapiens, clipeumque sinistra,
340 Coeperat invisa trepidus decedere terra.
Foemina duxit equum, nonnulla talenta gerentem;
In manibusque simul yirgam tenet ipsa colurnam,
In qua piscator hamum transponit in und am,
Ut cupiens pastum piscis deglutiat unciim.
345 Namque gravatus erat vir maximus undique telis,
Suspectamque liabuit cuncto sibi tempore pugnam.
Omni nocte quidem properabant currere, sed cum
Prima rubens terris ostendit lumina Phoebus,
ln silvis latitare Student et opaca requirunt,
350 Sollicitatque metus, vel per loca tuta fatigans;
324 tandem B. D. I. 325 ocius D. 327 duem ob C. quemque
ob D. ob uirtutem quem B. Ob quam I. 331 iteneri A. itineri I.
uteri B. 335 ingentes ocreisque D. suras ocreis I. 336 panno-
niorum D. 337 alium dextro I. 338 dat tantum C. ipse A.C. D. I.
341 dona gerentem D. nonnullum täte I. 345 Vualtarius erat C.
WALTHARIUS.
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In tantumque timor muliebria pectora pulsat,
Horreat nt cunctos aurae ventique susurros,
Formidans volucres, collisos siye racemos.
Hinc odium exilii, patriaeque amor incubat inde;
355 Vicis diffugiunt, speciosa novalia linquunt,
Montibus intonsis cursus ambage recurvos
Sectantes; tremulos variant per devia gressus.
Ast urbis populus, somno vinoque solutus,
Ad medium lucis siluit recubando sequentis.
360 Sed, postquam surgunt, ductorem quique requirunt,
Ut grates faciant ac festa laude falutent.
Attila nempe manu caput amplexatus utraque
Egreditur thalamo rex, Waithariumque dolendo
Advocat, ut proprium quereretur forte dolorem.
365 Respondent ipsi, se non potuisse, ministri,
Invenisse virum; sed princeps sperat eundem
Hactenus in somno tentum recubare quietum,
Occultumque locum sibi delegisse sopori.
Ospirin, Hiltgundem postquam cognovit abesse,
370 Nec juxta morem vestes deferre suetum,
Tristior immensis satrapae clamoribus inquit
^0 detestandas, quas heri sumpsimus escas!
0 vinuin, quod Pannonias destruxerat omnes!
Quod domino regi dudum jam praescia dixi,
375 Approbat iste dies, quem nos superare nequimus.
En hodie imperii nostri cecidisse columna
Noscitur, en robur procul ivit, et inclita virtus.
Waltbarius lux Pannoniae discesserat inde.
Hiltgundem quoque mi caram deduxit alumnam.’
354 exilum D. hie I. 355 vicos effugiunt D. vicus I. 358
sepultus C. 359 lucis pressi iacuere sopore 1. 364 queretur D.
369 spirin B. 369 respicit hiltgundem postque D. 370 suetas D.
373 Pannoniam hanc d... omnem I. 374 jam dudum C. 375 abstulit
istel). 377 hinc robur 1. 376 uestriA. 378 dux A. 379 mihi B.D,
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l
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WALTHARIUS.
380 Jam princeps nimia succenditur efferus ira,
Mutant laetitiam moerentia corda priorem.
Ex humeris trabeam discindit ad infima totam;
Et nunc liuc animum tristem, nunc dividit illuc.
Ac velut aeolicis turbatur arena procellis,
385 Sic intestinis rex fluctuat undique curis;
Et yarium pectus vario simul ore imitatus
Prodidit exterius quicquid tolerayerat intus.
Iraque sermonem permisit promere nullum.
Ipso quippe die potum fastidit et escam,
390 Nec placidam membris potuit dare cura quietem.
Namque ubi nox rebus jam dempserat atra colores,
Decidit in lectum, verum nec lumina clausit,
Nunc latus in dextrum fultus, nunc inque sinistrum,
Et veluti jaculo pectus transfixus acuto
395 Palpitat, atque caput huc et mox jactitat illuc,
Et modo subrectus fulcro consederat amens.
Nec juvat hoc, demum surgens discurrit in orbe,
Atque thorum veniens simul attigit atque reliquit.
Taliter insomnem consumpserat Attila noctem.
400 At profugi comites, per amica silentia euntes,
Suspectam properant post terga relinquere terram.
Vix tarnen erupit cras rex patribusque vocatis
Dixerat ‘o si quis mihi Waltharium fugientem
Afferat evinctum, ceu nequam forte liciscam!
405 Hunc ego mox auro vestirem saepe recocto,
Et ellure quidem stantem hinc inde onerarem,
381 mittant A.D. 385 fluitat B. (fiuitat rex) 386 imitatur C.
387 externe C. 388 sermonem dare non permiserat D. 390 placitam
m. poterat C. 391 jam rebus nox C. et cum nox terris depresserat D.
394 transfixum C. 395 iacitat A. 396 subreptus B. et mane sur-
rectus D. 397 hinc C. decurrit D. urbe A. urbem C. D. H. orbe
ist Vermutung, aus B keine var. angemerkt. 401 Exosam 1. 404
Afferret I. 406 stante hinc atque C.
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WALTHARIÜS.
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Atque viam penitus clausissem vivo talentis.’
Sed nullus fuit in tanta regione tyrannus,
Yel dux sive comes seu nriles sive minister,
410 Qui, quamvis cuperet proprias ostendere vires,
Ac virtute sua laudem captare perennem,
Ambiretque simul gazam infarcire crumenis,
Waltharium tarnen iratum praesumpserit armis1
Insequier, strictoque virum mucrone yidere.
415 Nota equidem virtus, experti sunt quoque, quantas
Incolumis dederit strages sine vulnere victor.
Nec potis est ullum rex persuadere virorum,
Qui promissa velit bac conditione talenta.
AValtbarius fugiens, ut dixi, noctibus ivit,
420 Atque die saltus arbustaque densa requirens,
Arte accersitas pariter capit arte volucres,
Nunc fallens yisco, nunc fisso denique ligno.
Ast ubi pervenit qua flumina curva fluebant,
Immittens hamum rapuit sub gurgite praedam,
425 Atque famis pestem pepulit tolerando laborem,
Namque fugae tolo se tempore virginis usu
Continuit vir Waltliarius, laudabilis beros.
Ecce quater denos sol circumllexerat orbes,
Ex quo pannonica, fuerat digressus ab urbe;
430 Ipso quippe die, numerum qui clauserat ist um,
Venerat ad Iluvium, jam vespere tum mediante,
Scilicet ad Rhenum, qua cursus tendit ad urbem
Nomine Wormatiam regali sede nitentem.
Illic pro naulo pisces dedit antea captos,
435 Et rnox transpositus gradilur properanter anbelus.
407 Molter p. 227 nainque uiam penitus uoui clausisse talentis,
doch uiuo steht A. B. ipse I. 409 vel comes I. 413 praesumpse-
rat I. 415 quantos C. 416 incolomes A. incolumis B. incolumes C.
in bellis I. 419 ibat C. 421 arcessitas B. Ipse accersitos partim 1.
422 nec — nec C 423 quo C. 431 Humen C. 432 qui cursum C.
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455
460
Orta dies postquam tenebras discusserat atras,
Portitor exsurgens praefatam venit in urbem,
Regalique coco, reliquorum quippe magistro,
Detulerat pisces , quos vir dedit ille viator.
IIos cum pigmentis condisset et apposuisset
Regi Gunthario, miratus fatur ab alto
‘ Istius ergo modi pisces mihi Francia nunquam
Ostendit, reor externis a finibus illos.
Die mihi quantocius, cujas homo detulit illos?5
Jpseque respondens narrat quod nauta dedisset.
Accersire hominem princeps praecepit eundem.
Qui, cum venisset, de re quaesitus eadem
Talia dicta dedij causamque ex ordine pandit
iVespere praeterito residebam litore Rheni,
Conspexique viatorem propere venientem,
Et veluti pugnae certum per membra paratum;
Aere etenim penitus fuerat, rex inclite, cinctus.
Gesserat et scutum gradiens hastamque coruscam.
Namque viro forti similis fuit et, licet ingens
Asportaret onus, gressum tarnen extnlit acrem.
Hunc incredibili formae decorata nitore
Assequitur, calcemque terit jam calce puella.
Ipsaque robustum rexit per lora cavallum,
Scrinia bina quidem dorso non parva ferentern,
Quae, dum cervicem sonipes discusserit altam,
Atque superba cupit glomerare volumina crurum,
Dant sonitum, ceu quis gemmis illiserit aurum.
Hic mihi praesentes dederat pro munere pisces.’
His Hagano auditis, ad mensam quippe resedit,
438 cocco A. quoco B. 440 dum B. I. 442 istiusce modi
nunquam m. F. pisces C. 444 quanto ocius cuias Iiuc C. quan-
titius B. 447 et cum A. I. 452 cunctus A. intulit I. 456 forma
d. puella C. 457 calce natore C. 458 caballum B. 460 discus-
serat C. 461 at B. furit gl. v. curru 1. 462 geminis ilüserat C.
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WALTHARIUS.
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465 Laetior in medium prompsit de pectore verbum:
‘Congaudete mihi, quaeso, quia talia noyi,
"Waltliarius collega meus remeavit ab Hunis.’
Vociferatur, et omnis ei mox aula reclamat.
Guntbarius princeps ex hac ratione Superbus,
470 ‘Congaudete mihi jubeo, quia talia yixi.
Gazam quam Gibicho regi transmisit eoo,
Hane nunc cunctipotens liuc in mea regna remisit.’
Haec ait, et mensam pede perculit exiliensque
Ducere equum jubet, et sella componere sculpta,
475 Atque omni de plebe viros secum duodenos,
Viribus insignes, animis plerumque probatos
Legerat, inter quos simul ire Haganona jubebat,
Qui memor antiquae fidei sociique prioris,
Nitilur a coeptis dominum transvertere rebus.
480 Rex tarnen e contra nihilominus instat et infit:
*Ne tardate viri, praecingite corpora ferro
Forlia, squamosus thorax jani terga recondat.
Hic tantum gazae Francis deducat ab oris?’
Instructi telis, nam jussio regis adurget,
485 Exibant portis, te Waltliarium cupientes
Cernere, et imbellem lucris fraudare putantes.
Sed tarnen omnimodis Hagano prohibere studebat.
At rex in Felix coeptis resipiscere non yult.
Interea vir magnanimus de flumine pergens
490 Venerat in sallum jam tum Vosagum vocitatum.
Nam nemus est ingens, spatiosum, lustra ferarum
Plurima liabens, suetum canibus resonare tubisque.
Sunt in secessu bini montesque propinqui,
466 mecum 1. 468 (G)undharius et omnis B. 469 uoci-
feratur B. 470 noui B. 4T2 nunc nonne A. 472 nunc mihi I*
473 pertulit C. 476 annis C. 477 haganon audebat B. haganona
ire 1. 479 acceptis A. 481 precingere B. I. 483 Francis gazae
deduxit C. 490 iam tune A. vosagus C.
2 *
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W A L TII ARTUS.
Inter quos, licet angustum, specus extat amoenum,
49.5 Non tellure cava factum sed vertice rupum.
Apta quidem statio latronibus illa crnentis;
Angulus liic yirides ac vescas gesserat herbas.
Hunc mox ut vidit juvenis 6 huc * inquit ‘eamus,
His juvat in castris fessum componere corpus.’
500 Nain postquain fugiens Avarum discesserat oris,
Non aliter somni requiem gustaverat idem,
Quam super innixus clypeo; yix clauserat orbes.
Bellica tum demum deponens pondera, dixit
Virginis in gremium fusus ‘circumspice caute,
505 Ililtgunt et, nebulain si tolli yideris atram,
Attactu blando me surgere commonitato;
Et licet ingentem conspexeris ire catervam
Ne subito excutias somno, mi cara, caveto.
Nam procul hinc acies potis es transmitiere puras.
510 Instantem cunctam circa explora regionem.’
Haec ait, atque oculos concluserat ipse latentes,
Jamque diu satis optata fruitur requiete.
Ast ubi Guntliarius vestigia in pulvere vidit,
Cornipedem rapidum saevis calcaribus urget;
515 Exultansque animis frustra, sic fatur ad auras:
‘Accelerate viri, jam nunc capietis eundem;
Nunquam hodie effugiet, furata talenta relinqitet.’
Inclitus at Hagano contra mox reddidit ista
‘Unum dico tibi, regum forlissime, tantum,
520 Si tociens tu Waltharium pugnasse videres,
Atque nova tociens , quociens ego, caede furentem ;
Nunquam tarn facilc spoliandum forte putares.
495 rupturn C. E. 498 litte mox B. 501 requiem somni C.
502 orbem C. E. 503 tune A. 508 mihi kara B; vielleicht:
somno me, cara; oder: somnum mihi, cara. 513 cundhariits
uesitgia puluere B. 516 eunteni B. 519.520 verschiebt C.
<MSS3
WALTHARIUS.
21
Vidi paunonicas acies, cum bella cierent,
Contra aquilonares sive australes regiones;
525 lllic Waltharius, propria yirtute coruscus,
Hostibus invisus, sociis mirandus obibat,
Quisquis ei congressus erat, mox tartara vidit.
0 rex et comites experto credite, quantus
In clipeuni surgat, quanta vi torqueat bastam.’
530 Sed dum Guntliarius male sana mente grayatus
Nequaquam llecii posset, castris propiabant.
Et procul aspiciens Hiltgunt de vertice montis
Pulvere sublato venientes sensit, et ipsum
Waltliarium placido tactu vigilare monebat.
435 Qui caput attollens scrutatur, si quis adiret?
Eminus illa refert quandam volitare pbalangem.
Ipse oculos tersos somni glaucomate purgans
Paulatim rigidos ferro vestiverat artus,
Atque gravem rursus parmam collegit et bastam,
540 Et saliens vacuas ferro transverberat auras:
Et celer ad pugnarn teils praelusit amararn.
Cominus ecce coruscantes mulier videt bastas,
Ac stupefacta nitnis ‘Hunos liic’ inquit ‘liabemus.’
In terramque cadens effatur talia tristis:
545 ‘Obsecro, mi senior, gladio mea colla secentur,
Ut, quae non merui pacto thalamo sociari,
Nullius ulterius patiar consorlia carnis.’
Tum juvenis ‘cruor innocuus me tinxerit?’ inquit
‘Aut quo forte modo gladius potis est inimicos
550 Sterilere, tarn fidae si nunc non parcit amicae?
Absit quod rogilas, menlis depone pavorem.
523 pannonias A. C. moverent A. an» rande. 521 aquilonales B.
525 coruscans C. 52T ei l’elilt B. 529 qua (quo) turbine B. surgit.
quantam A. 531 nee quicquam C. 534 iubebat A. 545 secede
A. C. E (recide ist Molters besserung). 548 dum — au uucuus
alle hss. 549 et B.
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22
WALTHARIUS.
Qui nie de yariis eduxit saepe periclis,
Hic valet liic liostes, credo, confundere nostros.’
Haec ait, atque oculos tollens effatur ad ipsain
555 ‘Non assunt Avares hic sed Franci nebulones
Cultores regionis,’ et en, galeam Haganonis
Aspicit, et noscens injunxit talia ridens
‘Et meus hic socius Hagano collega veternus.’
Hoc lieros dicto introitum stationis adibat,
560 Inferius stanti praedicens sic mulieri:
‘Hac coram porta verbum modo jacto superbum:
Hinc liullus rediens uxori dicere Francus
Praesumet, se impune gazae quid tollere tantae.’
Nec dum i>ermonem complevit, humotenus ecce
565 Corruit et veniam petiit, quia talia dixit.
Postquam surrexit contemplans cautius omnes
‘Horum quos yideo nulluni, Haganone remoto,
Suspicio 5 liamque ille meos per proelia mores
Jam didicit, tenet hic etiam sat callidus artem ;
570 Quam si forte volente deo intercepero solam,
Tune’ ait ‘ex pugna tibi, Hiltgund sponsa, reservor.’
Ast ubi Waltharium tali statione receptum
Conspexit Hagano, satrapae mox ista superbo
Suggerit ‘o senior, desiste lacessere bello
575 Hunchominem! pergant primum,qui cunctarequirant,
Et genus et patriain nomenque locumque relictum.
Vel, si forte petat pacem, sine sanguine praebens
Thesaurum, per responsum cognoscere liomonem
Possumus; et si Waltharius remoratur ibidem,
580 Est sapiens, forsan vestro concedet honori.’
Praecipit ire virum cognoinine rex Camelonem,
555 non sunt A. 557 gnoscens B. 558 est — vetustus
Molters correctur gegen alle hss. 563 aliquid C. nostrne C. E,
am rande tantae. 578 liumonem C. E. 580 nostro C. 581
Camalonem B. Kamelonem C.
WALTHARIUS.
23
Inclita metensi quem Francia miserat urbi
Praefectum, qui dona ferens deyenerat illo
Anteriore die , quam princeps noyerat ista.
585 Qui dans frena volat, rapidoque simillimus Euro
Transcurrit spatium campi, juvenique propinquat,
Ac sic obstantem compellat ‘die, homo, quisnam
Sis? aut unde venis, vel quonam pergere tendis?»
Heros magnanimus respondit talia dicens
590 ‘Sponte tua venias, an liuc te miserit ullus,
Scire yelim ? ’ Camelo tum reddidit ore superbo:
‘Noris Guntharium regem tellure potentem
Me misisse, tuas quaesitum pergere causas.’
His auscultatis suggesserat hoc adolescens
595 ‘Ignoro penitus, quid opus sit forte yiantis
Scrutari causas; sed promere non trepidamus.
Waltharius vocor, ex Aquitanis sum generatus.
A genitore meo modicus puer, obsidis ergo,
Sum datus ad Hunos; ibi vixi, nuneque recessi,
600 Concupiens patriam dulcemque reyisere gentem.’
Missus ad haec: ‘tibi jam dictus per me jubet heros,
Ut cum scriniolis equitem des atque puellam;
Quod si promptus agis, yitam concedet et artus.’
^Vallharius contra lidenter protulit ista
605 ‘Stultius effatum me non audisse sopliistam
Arbitror. en memoras, quid princeps nescio vel quis
Promittat, quod non retinet, nec fors retinebit.
An deus est, ut jure mihi concedere yitam
Possit? num manibus tetigit, mim carcere trusit ?
610 Vel post terga meas torsit per vincula palmas?
Attamen ausculta: si me certamine laxat,
582 mettensi B. 584 nouerit A. E 588 uenis quo A. B. E.
594 haec C. 596 dubitamus B. mit übergeschriebnem trepidamus.
603 arcem C. 605 sophistae Molters unnöthige änderung, alle hss.
sopliistam. ’ 608 concedere possit B. 609 uitam B.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
2-ij■u.'lcTj.
(Aspicio, ferralus adest, ad proelia venit)
Armillas centum de rubro quippe metallo
Factas transmittam, quo nomen regis honorem.’
615 Tali responso discesserat ille recepto.
Principibus narrat, quid protulit atque resumpsit.
Tune Hagano ad regem ‘porrectam suscipe gazam,
Hac potis es decorare, pater, te concomitantes;
Et modo de pugna palmam revocare memento.
620 Ignotus tibi Waltliarius, et maxima virlus.
Ut mihi praeterita portendit yisio nocte,
Non, si conserimus, nos prospera cuncta sequentur.
Visum quippe mihi te colluctarier urso,
Qui post conÜictus longos tibi mordicus iinutn
625 Crus cum poplite ad usque femur decerpserat omne,
Et mox auxilio subeuntem ac tela ferentem
Me petit, atque oculum cum dentibus eruit umini.’
His animadversis clamat rex ille superbus:
‘Ut video, genitorem imitaris Agacien ipse.
630 Hic quoque perpavidam gelido sub pectore mentem
Gesserat, et multis fastidiit proelia verbiß.’
Tune lieros magnam juste conceperat iram,
(Si tarnen in dominum licitum est irascier ullum.)
4Hic’ ait ‘in vestris consistant omnia telis.
635 Est in conspectu quem vultis. dimicet omnis.
Cominus astatis, nec jam timor impedit ullum;
Eventum videam, nec consors sim spoliorum.’
Dixerat, et collem petiit mox ipse propiuquum,
Descendensque ab eqiio consedit et aspicit illo.
640 Post liaec Guntliarius Cameloni praecipit ajens
‘Perge et thesaurum reddi mihi praecipe tot tun.
Quodsi cunctetur, scio tu vir forlis et audax,
625 poblite A. 626 et C. 628 iiis autent C. 629 haga-
thien A. liagalthien 13. agacien C. E. 631 fastidit A. B. 631
en ait B. 639 illos C. 610 calamoni B.
WALTHARIÜS.
25
Congredere, et bello devictum mox spoliato.’
Ibat metensis Camelo metropolitanus,
645 Yertice fulva micat cassis, de pectore thorax,
Et procul acclamans ‘heus audi’ dixit ‘amice!
Regi Francorum totum transmitte metallum,
Si vis ulterius vilam vel liabere salutem.’
Conticuit paulum verbo fortissimus lieros,
650 Opperiens propius liostem adventare ferocep».
Advolitans missus vocem repetiverat istam
‘Regi Francorum totum transmitte metallum!’
Tum juvenis constans responsum protulit istud
‘Quid quaeris? vel quid reddi, importune coarlas?
655 Nunquid Guntliario furabar talia regi?
Aut milii pro lucro quicquam donaverat ille,
Ut merito usuram me cogat solvere tantam?
Num pergens ego dampna tuli vestrae regioni,
Ut vel liinc juste videar spoiiarier a te?
660 Si tantam invidiam cunctis gens exhibet ista,
Ut calcare solum nulli concedat eunti,
Ecce viam mercor, regi transmitto ducentas
Armilias; pacem donet modo , bella remittens.’
Haec postquam Camelo percepit corde ferino
665 ‘Amplilicabis’ ait ‘donum, dum scrinia pandis.
Consummare etenim sermones nunc volo cunctos;
Aut quaesita dabis, aut vitam sanguine fundes?
Sic ait et triplicem clipeum collegit in ulnam,
Et crispans hastile micans vi nititur omni,
670 Ac jacit. at juvenis devitat cautior ictum.
Ilasta volans casso tellurem vulnere mordet.
Waltharius tandem ‘si sic placet’ inquit ‘agamus.’
650 superbum B. 652 fehlt A. 665 aut quid B. 659
videas C. 668 ac B. 671 mordit ß. 672 eamtis E, beige-
cliriebeu aber againus.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
26 WALTHARIÜS.
Et simul in dictis hastam transmisit. at illa
Per laevum latus umbonis transivit, et ecce
675 Palmam, qua Camelo mucronem educere coepit,
Confixit femori, transpungens terga cavalli.
Nec inora; dum vulnus sensit sonipes, furit atque
Excutiens dorsum sessorem sterilere temptat,
Et forsan faceret, ni lancea lixa teneret.
680 Interea parmam Camelo dimisit et liastam
Complexus laeva satagit divellere dextra.
Quod dum perspiciens currit celeberrimus lieros,
Et pede cornpresso capuloteuus ingerit ensem,
Quem simul educens liastam de yulnere traxit.
665 Tune equus et dominus liora cecidere sub una.
At dum forte nepos conspexerat hoc Camalonis,
Filius ipsius, Kimo cognomine, fralris,
Quem referunt quidamScaramundum nomine dictum ;
Ingemit et lacrimis compellat tristior onines
690 ‘Haec me prae cunctis heu respicit actio rerum.
Nunc aut commoriar vel carum ulciscar amicum.’
Namque angusta loci solum concurrere soli
Cogebant, nec quisquam alii succurrere quiviU
Advolat infelix Scaramundus jam moriturus,
093 Bina manu lato crispans haslilia ferro.
Qui dum Waltharium nullo terrore videret
Permotum fixumque loco consistere in ipso,
Sic ait infrendens et equinam vertice caudam
Concutiens ‘in quo fidis? vel quid tua spes est?
700 Non ego jam gazam vel rerum quidque tuarum
Appeto, sed vitam cognati quaero perempti.’
Ille deliinc ‘si convincar, quod proelia primus
682 cucnrit A. 683 comprenso B. 686 et B. 689 com-
pellit B. 690 hic C. 693 olli C. 699 quae B. E. 700 nec
rerum B.
WA LT HA RI US.
27
Temptariin, seu quo merui, quod talia possim
Jure pati; absque mora tua me transverberet basta/
705 Necdum sermonein concluserat, en Scaramundus
IJnum de binis hastile retorsit in illum,
Confestimque aliud, quoruin celeberrimus lieros
Unum de\itat, quatit ex umbone secundum.
Tune aciem gladii promens Scaramundus acuti,
710 Proruit in juvenem, cupiens praescindere frontem 5
Effrenique in equo propius devectus ad illum,
Non valuit capiti libratum infindere vulnus.
Sed capulum galeae impegit, dedit illa resullans
Tinnitus, ignemque simul transfudit ad auras.
715 Sed non cornipedem potuit girare superbum;
Donec Wallharius sub men tum cuspidis ictum
Fixerat, et sella moribundum sustulit alta.
Qui caput orantis proprio mucrone recidens,
Fecit cognatum pariter fluitare cruorem.
720 Hunc ubi Guntharius conspexit obire superbus,
Hortatur socios pugnam renovare furentes.
‘Aggrediamur eurn , nec respirare sinamus,
Donec deficiens lassescat, et iude revinctus
Thesauros reddet, luet et pro sanguine poenas/
725 Tertius en Werinhardus abit bellumque lacessit.
Quamlibet ex longa generatus stirpe nepotum,
0 vir clare! tuus cognatus et artis amator,
Pandare, qui quondam jussus confundere foedus
In medios telurn torsisti primus Achivos!
730 Hic spernens liaslam pliaretram gestavit et arcum.
Eininus emissis liaud aequo Marte sagittis
Waltbarium turbans. contra tarnen ille virilis
703 quirl A. E. quod C. 705 couipleverat B. hunc Sc. C.
709 libitum C. 713 illi A. 718 attollens B. doch öbergeschr.
orantis. 720 obisse B. 722 ne ß. 723 labescat C. 725
wurhardus A. wirrnhardus B. werhardus C. 727 arcis C. E.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
28
WALTHARIUS.
Conslitit, opponens clipei scptemplicis orbem,
Saepius eludens venientes providus ictus.
735 Nam modo dissiluit, parmain modo vergit in austrum,
Telaque discussit, liulluni tarnen attigit illum.
Postquam Pandarides se consumpsisse sagittas
Incassum videt, iratus mox exerit ensem,
Et demum advolilans lias jactilat ore loquelas
740 ‘0 si ventosos lusisti callide jactus,
Forsan vibrantis dextrae jam pei'cipis ictum.’
Illi Waltharius ridenti pectore adorsus
‘Jamque diu satis exspecto certamina justo
Pondere agi. festina. ln me mora non erit ulla.’
745 Dixerat, et toto connixus pectore ferrum
Conjicit. liasta volans pectus reseravit equinum;
Tollit se arrectum quadrupes et calcibus auras
Yerberat, effundensque equitem, cecidit super illum.
Accurrit juvenis et ei vi diripit ensem.
750 Casside discussa crines complectilur albos,
Mulliplicesque preces nectenti dixerat lieros
‘Talia non dudum jactabas dicta per auras.’
Ilaec ait, et truncum secta cervice reliquit.
Sed non dementem tria visa cadavera terrent
755 Gunlbarium, jubet ad mortem properare vicissim.
En a Saxonicis oris Ekevrid generatus
Quartus temptayit bellum, qui pro nece facta
Cujusdam primatis eo dilfugerat exul,
Quem spadix geslabat equus maculis variatus.
760 Hie ubi Waltharium promptum yidet esse duello
‘Die’ ait ‘an corpus vegelet tractabile lernet,
Sive per acrias fallas, maledicte, figuras?
742 olli ß. 745 corpore B. 752 ludum C. 756 ekiurid ß.
757 qua reus C. 759 uariatum E. 760 hunc ut Waltharius C.
hie E.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
29
Saltibus assuetus faunus mild quippe yideris.’
Uleque sublato dedit baec responsa cacliinno
765 ‘Celtica lingua probat te ex illa geilte creatum,
Cui natura dedit reliquas ludendo praeire.
At, si te propius venientem dextera liostra
Attingat, post Saxonibus memorare valebis,
Te nunc in Vosago fauni fantasma yidere.’
770 ‘Attemptabo quidem, quid sisJ Ekevrid ait, ex mox
Ferratam cornum grayiter jacit. illa retorto
Emicat amento, quam durus fregerat umbo.
Waltliarius contra respondit cuspide missa
‘Haec tibi siluanus transponit munera faunus.
775 Aspice, num mage sit telum penetrabile nostrum.’
Lancea taurino contextum tergore lignum
Diffidit, ac tunicam scindens pulmone resedit.
Yolyitur infelix Ekevrid, rivumque cruoris
Evomit, en mortem Jfugiens incurrit eandem.
780 Cujus equum juvenis post tergum in gramen abegit.
Tune a Gunthario clipeum sibi postulat ipsum
Quintus ab inflato Hadawartus pectore lusus.
Qui pergens liastam sociis dimisit habeudam,
Audax in solum confisus inaniter ensem.
785 Et dum conspiceret dejecta cadavera totam
Conclusisse viam, nec equum transire valere,
Desiliens parat ire pedes. stetit acer in armis
Waltliarius, laudatque yirum, qui praebuit aequam
Pugnandi sortem. Hadawartus dixit ad illuin
790 '0 versute dolis, et fraudis conscie serpens!
Occultare artus squamoso tegmine suetus,
766 reliquos C. E. 770 attentabo C. 772 ammento A.
773 fidenter protulit ista A. 774 transpondit A. C. 782 lia-
deuuartus A. hadawardus B. 785 qui C. 787 alle hss. dissi-
liens. 787 petit A. C. 788 aequum C. 789 liadawart tum B.
liadawartum E. 790 ac B. 791 astum A. artem C.
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30
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WALTHAllIÜ S.
Ac veluti coluber girum colleclus in unimi,
Tela tot evitas, tenuis sine vulneris iclu?
Atque venenatas ludis sine niore sagittas?
795 Numquid et iste, putas, asta vitabitur ictus,
Quem propius stantis certo libramine mittit
Dextra manus? neque enim istelorum vulneris auctor,
Audi consilium , parmam deponito pictam:
Hane mea sors quaerit, regis quoque sponsio patrat,
800 Nolo quidem laedas, oculis quod complacet islis.
Sin alias, licet et lucem mihi dempseris almam,
Assunt liic plures socii carnisque propinqui,
Qui, quamvis volucrem similes pennasque capessas,
Te tarnen immunem nunquam patiantur abire.’
805 Belliger at contra nil territus intulit ista
6 De reliquis taceo, clipeum defendere curo.
Pro meritis, mihi crede, bonis sum debitor illi.
Hoslibus iste meis se obponere saepe solebat,
Et pro vulneribus suscepit vulnera nostris.
810 Quam sit oporlunus hodie mihi cernis, et ipse
Non cum Walthario loquereris, forsan abesset.’
Viribus o summis liostem depellere eures,
Dextera ne rapiat tibi propugnacula muri.’
6 Tu clavum umbonis studeas retinere sinistra,
815 Atque ebori digitos circumfer glutine fixos.’
Ille dehinc Hnvitus ages, si sponte recusas.
Istic deponas pondus, quod tanta viarum
Portasti spatia ex Avarum liarn sedibus altis.
Nec solum parmam, sed equum cum virgine et auro
820 Reddes, tum demum scelerum cruciamina pendes.’
793 tenui A. B. C. 797 nec C. 797 teli seu A. B. C,
telorum vermute ich. 799 sponsio praestat B. 803 simules C.
808 ipse C. 813 propugnaculi B. 814 clivum C. E. sinistrum C.
816 steht in allen hss. erst nach 817.818. 816 agis A. B. C.
817 ne ponas B. quod tanta pondus A. 820 cruciamine C.
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WALTH ARIUS.
31
Haec ait, et notum vagina diripit cnsem.
Inter se variis terrarum partibus orti,
Concurrunt. stupuit Vosagus haec fulmina, et ecce
Ambo sublimes animis ac grandibus armis,
825 Hic gladio fidens, liic acer et arduus basta,
Inter se multa ac valida vi proelia miscent.
Non sic nigra sonat percussa securibus ilex,
Ut dant tinnitus galeae, clipeique resultant.
Mirantur Franci, quod non lassesceret lieros
830 Waltharius, cui nulla quies spatiumve dabatur.
Emicat hic, impune putans, jam wormatiensis
Alte, et sublato consurgit feryidus ense;
Hoc ictu memorans semet finire du eil um.
ProvicTus at juvenis ferientem cuspide adacla
835 Intercepit, et ignarum dimittere ferrum
Cogebat. procul in dumis resplenduit ensis.
Hic, ubi se gladio spoliatum vidit amico,
Accelerare fugam fruticesque volebat adire.
Alpliarides, fretus pedibus viridique juventa,
840 Insequitur dicens ^quonam fugis? accipe scutum.’
Sic ait, atque hastam manibus levat ocius ambis,
Et ferit. Ille cadit, clipeus superintonat ingens.
Nec tardat juvenis; pede collum pressit, et basta
Divellens parmam telluri infixerat illum.
845 Ipse oculos vertens animani sufflavit in auras.
Sextus erat Patavrid. soror liunc germana Haganonis
Protulit ad lucem. quem dum procedere vidit,
Yocibus et precibus conatur avunculus inde
Flectere, proclamans ‘quonamruis? aspice mortem,
850 ‘Qualiter arridet! desiste. en ultima Parcae
Fila legunt. o care nepos, te mens tua fallit.
8*23 uosegus B. et ictus B. 827 non sic nigra ilex percussa
securibus sonat A. 833 hic C. 845 auram A.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
%
u
Desine. Waltharii tu denique viribus impar.’
Infelix tarnen ille means liaec omnia sprevit.
Arsit enim juvenis, laudem captare cupiscens;
855 Tristatusque Hagano suspiria pectore longa
Traxit, et bas imo fudit de corde loquelas:
‘0 vortex mundi, fames insatiatus habendi,
Gurges avaritiae, cunctorum ßbra malorum!
0, utinam solum glutires, dira, metallum
860 Divitiasque alias, homines impune remittens.
Sed tu nunc homines perverso numine perflans
Incendis, nullique suum jam sufficit. ecce
Non trepidant mortem pro lucro incurrere turpem.
Quanto plus retinent tanto sitis ardet habendi.
865 Externis modo vi, modo furtive potiuntur;
Et quod plus renovat gemitus lacrimasque ciebit,
Coeligenas animas Erebi fornace retrudunt.
Ecce, ego dilectum nequeo revocare nepotem;
Instimulatus enim de te est, o saeva cupido.
870 En coecus mortem properat guslare nefandam,
Et vili pro laude cupit descendere ad umbras.
Heu mihi, care nepos matri quid perdite mandas?
Quis nuper ductam refovebit, care, maritam,
Cui nec raptae spei pueri ludicra dedisti?
Quis tibi nam furor est? unde haec dementia venit?’
Sic ait, et gremium lacrimis conspersit obortis,
Et Hongum, formose, vale!’ singullibus edit.
^Valtharius, licet a longe, sociurn fore moestum
Attendit, clamorqne simul pervenit ad aures,
880 Unde incursantem sic est ailatus equestrem
‘Accipe consilium, juvenis fortissime, nostrum,
854 enim uenis A. 865 extremis C. 866 ciebis B. 869
est de te B. 872 quid matri B. 874 ludicrum C. 876 lacrimis
gremium A. 877 famose A. 880 unum C. 881 clarissime B.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIÜS.
33
Et te conservans, melioribus utere fatis.
Desuie, nam tua te fervens fiducia fallit;
Heroum tot cerne neces et cede duello,
885 Ne suprema videns hostes facias mihi plures.’
‘Quid de morte mea curas’ ait ille ‘tiranne?
Est modo pugnandum tibimet, non sermocinandum.’
Dixit, et in verbo nodosam destinat hastam,
Cuspide quam propria divertens transtulit lieros,
890 Quae subvecla coris ac viribus acta furentis
In castrum venit atque pedes stetit ante puellae.
Ipsa metu perculsa sonum prompsit inuliebrem.
At, postquain tenuis redit in praecordia virtus,
Paulum suspiciens spectat, num viveret lieros.
895 JFunc quoque vir fortis Francum decedere bello
Jussit. at ille furens gladium nudavit, et ipsum
Incurrens petiit, vulnusque a vertice librat.
Alpharides parmam demum concusserat aplam,
Et spumantis apri frendens de more tacebat.
900 Ille ferire volens, se pronior omnis ad ictum
Exposuit; sed Waltharius sub tegmine flexus
Delituit, ccn'pusque suum contraxit, et ecce
Yulnere delusus juvenis recidebat ineptus.
Finis erat; nisi quod genibus tellure refixis
905 Belliger accubuit, calibemque sub orbe cavebat.
Hic dum consurgit, pariter se subrigit ille,
Ac citius scutum trepidus sibi praetulit, atque
Frustra certamen renovare parabat. at illum
Alpharides fixa gladio petit ocius hasta,
910 Et mediam clipei dempsit vasto impete partem,
Hamatam resecans loricam atque ilia nudans.
Labitur infelix Patavrid sua viscera cernens,
/or<h
890 choris C. 893 praecordia sanguis B. 902 contexit C.
905 orbe acuebat (Molter). 91t amat.am A. armatam C. reserans E.
3
34
WALTHARIUS.
Silvestrique ferae corpus, animam dedit Orco.
Hunc sese ulturum spondens Gerwicus adivit;
915 Qui forti subvectus equo supravolat omneni
Stragem, quae angustam concluserat obvia callem.
Et dum bellipotens resecaret colla jacentis,
Yenit et ancipitem yibravit in ora bipennem.
Istius ergo modi Francis tune arma fuere.
920 Vir celer objecit peltam, frustravit et ictum;
Ac retro saliens hastam rapiebat amicam,
Sanguineumque ulya viridi dimiserat ensem.
Hic yero metuenda virum tum bella yideres.
Sermo quidem nullus fuit inter martia tela;
925 Sic erat adverso mens liorum intenta duello.
Is furit, ut caesos mundet vindicta sodales;
Ille studet vitam toto defendere nisu,
Et, si fors dederit, palmam retinere triumphi.
Hic ferit, ille cavet, petit ille, reilectitur isle;
930 Ad Studium fors et virtus miscentur in umim.
Longa tarnen cuspis breviori depulit liostem
Armatum telo, girat sed et ille cavallo,
Atque fatigatum cupiebat fallere bomonem.
Jam magis atque magis irarum mole grayatus
935 Waltliarius clipeiim Gerwici sustulit inium,
Transmissoque femur penetraverat inguine ferrum.
Qui post terga ruens clamorem prodidit atrum?
Exitiumque dolens, pulsabat calcibus arvum.
Hunc etiam truncum caesa cervice reliquit.
940 Hic in Wormatiae campis comes extitit ante.
Tum primum Franci ceperunt forte morari,
913 corpusque E. 914 Gerwitus C. 915 et fortis C*
917 recidisset B. 919 istiusque C. 922 sanguineum ulva C.
923 Sic uero A. 924 inertia te!a C. E. 929 petit iste — ille B.
935 Keruuiti B. Gerwiti C. unum C. 936 transmissum C.
938 exiuitque B. 940 idem wormatiae B.
WALTEIARIUS.
35
Et magnis precibus dominum decedere pugna
Deposcunt. furit ille miser, coecusque profatur
‘Quaeso, yiri fortes et pectora saepe probata,
945 Ne fors baec cuicunque metum, sed conferat iram.
Quid mihi, si Vosago sic sic inglorius ibo?
Meutern quisque meam sibi yindicet. eil ego partus
Ante mori surn, Wormatiam quam talibus actis
Ingrediar. petat hie patriam sine sanguine yictor ?
950 Hactenus arsistis hominem spoliare metallis;
Nunc ardete, yiri, fusum mundare cruorem,
Ut mors abstergat mortem, sanguis quoque sanguem,
Soleturque necem sociorum plaga necantis. ’
His alium dictis demens incendit, et omnes
955 Fecerat immemores yitae simul atque salutis.
Ac yelut in ludis alium praecurrere quisque
Ad mortem studuit; sed semita, ut antea dixi,
Cogebat binos bello decernere solos.
Vir tarnen illustris dum cunctari yidet illos,
960 Yertice distractas suspendit in arbore cristas,
Et yentum captans sudorem tersit anhelus.
Ecce, repentino Randolf atlileta cavallo,
Praeyertens reliquos hunc importunus adivit,
Et mox ferrato petiit sub pectore conto.
965 Et nisi duratis wielandia fabrica giris
Obstaret, spisso penetraverit ilia ligno.
Ille tarnen, subito stupefactus corda pavore,
Munimen clipei objecit mentemque recepit;
Nec tarnen et galeam fuerat sumpsisse facullas.
970 Francus at emissa gladium nudaverat hasta
Et feriens binos Aquitani yertice crines
944 fehlt C. E. 945 fors vel C. 947 meutern quippe C.
en ego partus A. B. C. E. 956 ac uti C. 958 decedere A. C.
952 rantolf I. 963 huc C. 964 ac mox I. 965 uuelandia
A. C. 967 corde J.
3 *
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
975
980
WALTHARIUS.
Abrasit, sed forte entern praestringere summam
Non lieuit, rursumque alium vibraverat ictum,
Et praeceps aniini directo obstamine scuti
Impegit calibem, nec quivit viribus ullis
Elicere. Alpbarides retro se, fulminis instar,
Excutiens, Francum valida vi fudit ad arvum,
Et super assistens pectus conculcat, et inquit
‘En pro calvitio capitis te vertice fraudo,
Ne fiat ista tuae de me jactantia sponsere.’
Yix haec effatus truncavit colla precantis.
At nonus pugnae Helmnod successit, et ipse
Insertum triplici gestabat fune tridentenr,
Quem post terga quidem socii stantes tenuerunt;
985 Consiliumque fuit, cuspis dum missa sederet
In clipeo, cuncti pariter traxisse studerent,
IJt vel sic liominem dejecissent furibundum,
Atque sub bac certjum sibi spe posuere triumpbum.
Nec mora; dux totas fundens in braebia vires,
Misit in adversum magna cum voce tridentein
Edicens ‘ferro tibi finis, calve, sub isto!’
Qui ventos penetrans jaculorum more coruscat;
Ut geuus aspidis ex alta sese arbore tanto
Turbine demittit, quo cuncta obstantia vincat.
Quid moror? umbonem scindit, peltaque resedit.
Clamorem Franci tollunt, saltusque resultant,
Obnixique trabunt restim simul atque vicissim,
Nec dubitat princeps tali se aptare laborL
Manarunt cunctis sudoris flumina membris.
990
995
972 prestingere A. 973 rursumque aliumque A. 975 ullurn C.
977 in aruum 1. 980 fuat B. 981 effatus haec B. 982 Et
nouus A. heimnod A. helnal 1. 983 infestum I. 984 stantes
socii C. 985 dum cuspes C. 989 tota I. 991 finis ferro
tibi C. 992 roruscans A. 993 quod genus A. B. C. 995
sciserat B. seiderat 1. 996 resultat A. C. 996 fehlt 1. 998 labore I.
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WALTFIARIUS.
37
1000 Sed tarnen hic intra velut aescilus astilit lieros,
Quae non plus petit astra comis quam tartara fibris,
Contempnens omnes ventorum immota fragores.
Certabant hostes hortabanturque viritim,
Ut si non quirent ipsum detrudere ad arvum,
1005 Munimen clipei saltern extorquere studerent,
Quo dempto vivus facile caperetur ab ipsis.
Nomina quae restant edicam; jamque trahentum
Nonus Eleutlier erat, Helmnod cognomine dictus.
Argentina quidem decimuin dant oppida Trogum,
1010 Extulit undecimum pollens urbs Spira Tanastum,
Absque Haganone, locum supplevit rex duodenum.
Quatuor lii adversum summis conatibus unurn
Coutendunt pariter multo varioque tumultu.
Interea Alpbaridi vanus labor inculit iram.
1015 Qui quia jam pridem nudavit casside frontem,
In framea tunicaque simul confisus aena,
Omisit parmain, primumque invasit Eleuthrim.
Huic galeam findens cerebrum diffudit, et ipsam
Cervicem resecans pectus patefecit; at aegrum
1020 Cor pulsans animam liquerat mox atque calorem.
Inde petit Trogum liaerentem in fune nefando.
Qui subito attonitus recidentis morte sodalis,
Horribilique hostis conspectu coeperat acrem
Necquicquam temptare fugam, yoluitque relicta
1025 Arma recolligere, ut rursum repararet agonem.
Nam cuncti funem tracturi deposuerunt
Ilastas cum clipeis. sed quanto maximus lieros
1000 hos inter I. 1001 qui C. 1004 nequirent C. 1008
eleuter A. C. eleuthir B. Iieimnod A. helnod I. 1009 trogunt
A. C. 1011 rex suppleuit B. I. 1014 intulit C. 1015 et qui
iam A. 1. 1015 naidarat B. nudarat A; 1017 obmisit C. eleutrum
A. eleutrhiu B. eleutrin 1. eleutrim C. E. 1021 troguut A. C,
trogduut E. 1022 subita C. 1025 hagonern 13,
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Fortior exliterat, tanto fait ocior olli,
Et cursu capto suras mucrone recidit,
1030 Ac sic tardatum praevenit et abstulit ejus
Scutum. sed Trogus, quamvis de vulnere lassus,
Mente tarnen fervens, saxuin circumspicit ingens,
Quod'rapiens, subito obnixum contorsit in hostem,
Et proprium a sumtno clipeumfidit usque deorsum.
1035 Sed retinet fractum pellis superaddita lignum.
Moxque genu posito viridem vacuaverat aedem,
Atque ardens animis vibratu terruit auras.
Et si non quivit virtutem ostendere factis,
Corde tarnen habitum patefecit et ore virilem.
1040 Nec manes ridere videns audaciter infit
‘O mihi si clipeus, vel si modo adesset amicus!
Fors tibi victoriam de me, non inclita virtus
Contulit, ad scutum mucronem tollito nostrum!5
Tum quoque subridens ‘venio jam’ dixerat heros,
1045 Et cursu advolitans dextram ferientis ademit.
Sed cum atlileta ictum libraret ab aure secundum,
Pergentique animae valvas aperire studeret;
Ecce Tanastus adest, telis cum rege resumptis,
Et socium objecta protexit vulnere pelta.
1050 Hinc indignatus iram convertit ad ipsum
Waltliarius, humerumque ejus de cardine vellit,
Perque latus ducto sufFudit viscera ferro.
Salve! procumbens submurmurat ore Tanastus.
Quo recidente preces contempsit promere Trogus,
1055 Conviciisque sui victorem incendit amaris,
1028 ollis I. 1031 Iesus A. laesus C. 1035 scissum A.
1036 ensem A. 1037 vibratas C. vibravit terruit I. 1038 quasi C#
1039 tantum C. 1040 manens 1. 1043 mucronem hie B. 1.
1046 sedentem C. 1048 thanastus A, 1048 telum C. 1050
in B. I. 1052 postque C. 1053 aue B. C. E. I. thanastus A.
1055 convictusque sui I. 1055 suis C.
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WALT HA RI US.
39
Seu vir tute animi, seu desperaverat. Exin
Alpliarides ‘morere’ inquit ‘et haec sub tartara transfer,
Euarrans sociis, quod tu sis ultus eosdem.’
His dictis torquem collo circumdedit aureuin.
1060 Ecce simul caesi volvuntur pulvere amici,
Crebris foedatmn ferientes calcibus arvum.
His rex infelix visis suspirat, et omni
Aufugiens Studio falerati terga cavalli
Scandit, et ad moeslum citius Haganona volavit,
1065 Omnimodisque illum precibus llexisse sategit,
Ut secum pergens pugnam repararet. At ille
‘Me genus infandum probibet bellare parentum,
Et gelidus sanguis meutern mihi dempsit in armis.
Tabescebat enim genitor dum tela videret,
1070 Et timidus multis renuebat proelia verbis.
Ilaec dum jactasses, rex, inter te comitantes,
Extitit indignum nostri tibi quippe juvamen.’
Ille recusanti precibus liihilominus instans
Talibus aversum satagit revocare loquelis
1075 ‘Deprecor per superos, conceptum pone furorem.
Iram de nostra contractam decute culpa,
Quam vita comitante, domum si venero. tecum,
Impensis tibimet benefactis diluo multis.
Nonne pudet sociis tot cognatisque peremptis
1080 Dissimulare virum? magis, ut mihi quippe videtur,
Verba valent animuin quam facta nefanda movere.
Justius in saevum tumuisses mente tyrannum,
Qui solus hodie caput infamaverat orbis.
Non modicum patimur dampnum de caede virorum,
1056 despiraverat I. 1062 iussis C. 1063 Effugiens I.
1065 ontnimodis illum I. 1068 ademit ß. in aruis I. 1070 tu-
midi!S I. 1071 inter se 1. 1072 nomen tibi quippe vivamus C.
1075 Te rogo C. Deprecor ob superos I. 1078 deluo B.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
I
40
WALTHARIUS.
1085 Dedecus at tantum superabit Francia nunquam.
Antea queis fuimus suspecti, sibila dantes,
“Francorum” dicent “exercitus omnis ab uno
Proli pudor! ignotum vel quo, est impuue necatus!”
Cunctabatur adliuc Haganon, et pectore sponsam
1090 Walthario plerumque fidem yolvebat, et ipsum
Even tum gestae recolebat in ordine causae.
Supplicius tarnen infelix rex institit illi,
Cujus subnixe rogitantis acumine motus
Erubuit domini vultum, replicabat honorem
1095 Yirtutis propriae, qui fors \dlesceret inde,
Si quocunque modo in rebus sibi parceret istis.
Erupit tandem, et clara sic voce respondit
‘Quo me, domne, vocas? quo te sequar, inclite princeps?
Quae nequeunt fieri spondet fiducia cordi.
1100 Quis tarn desipiens quandoque fuisse probatur,
Qui saltu baratrum sponte attemptarit apertum?
Nam scio Waltharium per campos sic fore acerbum,
Ut tali Castro nec non statione locatus,
Ingentem cuneum yelut unum tempnat homullum.
1105 Et licet huc cunctos equites simul atque pedestres
Francia misisset, sic his, ceu fecerat istis.
Sed quia conspicio te plus doluisse pudore,
Quam caedis damno, nec sic discedere yelle;
Compatior, propriusque dolor succumbit honori
1110 Regis, et ecce viam conor reperire salutis,
1085 at tarnen A. at terra C. tantum hat auch F. 1086
subiecti C. qui fuerant subiecti 1. 1088 qui est C. vel quod
impune negatur 1. 1089 adhoc I. 1091 Evento I. 1092 sup-
piiciter I. 1094 replicavit C. Iionore A. C. 1097 eripuit C. E.
erubuit 1. 1098 domine A. C. 1099 cordis C. 1100 quicun-
que €. 1101 attemptaret A. attemptarit B. E. acceptavit C.
Altum quis baratrum sponte attemptarit apertum I, 1104 temptat 1.
1106 sic hic 1. 1107 quod A. 1109 compatiar C.
WALTHARIUS.
41
Quae tarnen aut hunquam ostendet se sive coacte.
Nam propter carum, fateor tibi, domne, nepotem
Promissam fidei normam corrumpere liolleni.
Ecce in non dubium pro te, rex, ibo periclum,
1 i 15 Ast liinc me penitus conflictu cedere noris.
Secedamus, eique locum praestemus eundi;
Et positi in speculis tondamus prata cavallis,
Donec jam castrum securus deserat artuni,
Nos abiisse ratus; campos ubi calcet apertos,
1120 Insurgamus, et attonitum post terga sequamur:
Sic aliquid virtutis opus temptare valemus.
Haec mihi in ambiguis spes est certissima rebus.
Tum bellare potes, belli, rex, si tibi mens est,
Quippe fugam nobis nunquam dabit ille duobus;
1125 At nos aut fugere, aut acrum bellare necesse est.’
Laudat consiliuin satrapa et complectitur illum,
Oscilloque virum demulcet. Et ecce recedunt,
Insidiisque locum circumspexere sat aptum,
Dimissique ligant animalia gramine laeto.
1130 Interea occiduas vergebat Phoebus in oras
Ultima per notam signans yestigia Thilen,
Et cum Scotigenis post terga reliquit Hiberos.
Hic postquam oceanas sensim calefecerat undas,
Hespera et ausoniis obvertit cornua terris,
1135 Tum secum sapiens coepit tractare satelles,
Utrum subtuto per yasta silentia Castro
Sisteret, an yastis heremi committeret arvis.
Aestuat immensis curarum fluctibus, et quid
1111 quam C. nusquam B. ostendere I. 1112 proprium C.
1115 hic A. I. conflictum C. I. credere 1. 1119 ui campos A.
campos vi C. 1123 pugnare B. tibi si rex B. 1125 acrum A.
B. E. atrum C. 1129 demissisque 1. 1131 tylen B. 1132
quae cum C. 1133 hi A. 1134 hesperos ausonidis B. Ausouidis
ob..., cornua 1. 1136 deusa B. 1. 1137 committere B.
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WALTIIAR XUS.
Jam faceret sollers arguta indagine quaerit.
1140 Solus enim Hagano fuerat suspectus, et illud
Oscilluni regis subter complexibus actum.
Ambigerat prorsus, quae sit seutentia menti
Hgstis, et an urbein vellent remeare relictam,
Pluribus ut sociis per lioctem forte coactis
1145 Primo mane parent bellum renovare nefandum?
An soli insidias facerent propiusque laterent.
Terret ad liaec triviis ignoti silva meatus,
Ne loca fortassis incurreret aspera spinis,
Immo quippe feris sponsamque amitteret illis.
115oHis ita provisis exploratisque profatur
fcEn quocunque modo res pergant bic recubabo,
Donec clrcuiens lumen spliera reddat amatum.
Ne patriae fines dicat rex ille superbus
Evasisse fuga, furis de more, per umbras.’
1155 Dixit, et ecce viam yallo praeinuniit artam,
Undique praecisis spinis simul et paliuris :
Quo facto ad truncos sese convertit, amaro
Cum gemitu, et cuicumque suum caput applicat, atque
Contra orientalem prostratus corpore partem,
1160 Ac nudum retinens ensem liac cum voce precatur
‘Herum factori, sed et omnia facta regenti,
Nil sine permissu cujus vel denique jussu
Conslat, ago grates, qui me defendit iniquis
Hostilis turmae telis, nec non quoque probris.
1140 suspensus I. aspera silvis I. 1142 ambierat B. I.
1145 recreare B. 1147 terrent adhuc C. 1148 Ne A. Nec B.
Haec C. Ac I. 1149 fehlt illis I. 1152 spera reddat A. B.
spera reddit I. spacia redit C. 1153 ipse I. 1156 palinuris I.
1157 amaros C. E. 1158 et circumque A. et quicunque B, cir-
cumque C. et cuicunque 1. 1160 Ac ensem nudum retinens hac
uoce A. hac sic voce 1. 1161 Verum factoris et o. f. regentis 1.
1162 iusso B, 1163 quod me C. 1164 nec non quoque rite probatis I,
t
WALTHARIÜS.
43
1165 Deprecor at dominum contrila mente benignum,
Ut, qui peccantes non vult, sed perdere culpas,
Hos in coelesti praestet mihi sede yideri.’
postquam orandi linein dedit, ilico surgens
Sex giravit equos et virgis rite retortis
1170 Vinciit. lii tantum remanebant, nempe duobus
Per tela absumptis, trinos rex Gunthere abegit.
His ita compositis procinctum solvit, et alte
Ingenti fumans leyiabat pondere corpus.
Tum moestam laeto solans affamine sponsam ,
1175 Moxque cibum capiens aegros recreaverat artus
(Oppido enim lassus fuerat) clipeoque recumbens,
Primi custodem somni jubet esse puellam,
Ipse matutinam disponens tollere cur am,
Quae fuerat suspecta magis; tandemque quievit.
1180 Ad cujus caput illa sedens solito yigilayit,
Et dormitantes cantu patefecit ocellos.
Ast ubi yir primum jam expergiscendo soporem
Ruperat, absque mora surgens dormire puellam
Jussit, et arrecta se fulciit impiger basta.
1185 Sic reliquum noctis duxit, modo quippe cavallos
Circuit, interdum auscultans vallo propiayit,
Exoptans orbi species ac lumina reddi.
Lucifer interea praeco scandebat Olimpo,
Lucens Taprobane darum videt insula solem.
1190 Hora fuit, gelidus qua terram irrorat Eous.
Aggredilur juvenis caesos spoliarier armis
Armorumque habilu, tunicas et cetera linquens,
Armilias tantum cum bullis, baltea et enses,
1165 ad A. C. E. 1167 praebet C. 1169 Exgyravit I.
1171 ternos B. I. gunther A. 1173 levabat h 1176 naai I.
1183 orbis sp. ac culinina 1. 1186 oscultans B. 1189 Dieens B,
1189 tbaprobane A. C. zaprobane I. 1190 irrora B. inrorat 1
1191 spoliarier omnes 1. 1192 armorum Iiabitu 1.
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WALTFIARIUS.
Loricas quoque cum galeis detraxerat ollis.
1195 Quatuor liis oneravit equos, sponsamque vocalam
Imposuit quinto, sextum conscenderat ipse,
Et primus vallo perrexerat ipse revulso.
At, dum constricti penetratur semita callis,
Circumquaque oculis explorans omnia puris,
1200 Auribus arrectis ventos captavit et auras,
Si vel mussantes sentiret vel gradientes,
Sive superborum crepilantia Irena virorum,
Seu saltem ferrata sonum daret ungula equorum.
Postquam cuncta silere videt, praeverlit onustos
1205 Quadrupedes, mulierem etiam praecedere jussit.
Scrinia gestautem comprendens ipse cavallum,
Audet inire viam consueto cinctus amictu.
Mille fere passus transcendit, et ecce puella,
Sexus enim fragilis animo trepidare coegit,
1210 Respiciens post terga videt descendere binos
Quodam colle viros raptim et sine more meantes;
Exsanguisque virum compellat voce sequentem
fDilatus jam finis adest. fuge, dom ne, propinquant!’
Qui mox conversus visos cognovit et inquit
1215 ‘Incassum multos mea dextera fuderat hostes,
Si modo supremis laus desit, dedecus assit.
Est satius, pulcliram per vulnera quaerere mortem,
Quam solum amissis palando evadere rebus.
Verum non adeo sunt desperanda salulis
1220 Commoda cernenti quondam majora pericla.
Aurum gestantis tute accipe lora leonis,
1194 quas cum C. 1201 mussantes pariter D. 1204 onustas
A. E. 1206 comprehendeus C. 1207 amicto C. 1209 sexus
liaec C. 1210 terga viros D. 1211 colle videt D. 1212 se-
quente A. C. 1216 si nunc in fine D. adsit I. 1218 balando D.
1219 verum enim adero sibi desp. D. 1220 pericli E. 1221
accipit 1.
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WALT HA RI US.
45
Et cilius pergens luco succede propiriquo.
Ast ego in ascensu rnonlis subsistere malo
Eventum opperiens, adventantesque salutans.’
1225 Obsequitur dictis virguncula clara jubentis.
Ille celer scutum collegit et excutit hastam,
Ignoti mores equitis temptando sub armis.
Hunc rex incursans, coinitante satellite, demens
Eminus afiatu compellat valde superbo
1230 ‘Hostis atrox, nisu deluderis! ecce latebrae
Protinus absistunt, ex queis, de more liciscae
Dentibus infrendens rabidis, latrare solebas.
En in propatulo, si vis, coniligito campo,
Experiens, finis si fors queat aequiparari
1235 Principio. scio, fortunam mercede vocasti,
Idcircoque fugam tempnis seu deditionem.’
Alpbarides contra regi non reddidit ulk,
Sed, velut hinc surdus, alio convertitur ajens:
4Ad te sermo mihi, Ilagano, subsiste parumper.
1240 Quid, rogo, tarn fiduni subito mutavit amicum?
TJt discessurus nuper vix posse reyelli
Qui nostris visus fuerat complexibus ultro,
Nullis nempe malis laesus nos appetat armis.
Sperabam , fateor, de te, sed denique fallor.
1245 Quod si de exilio redeuntem nosse valeres,
Ipse salutatum mihimet mox obvius ires,
Et licet invitum hospitii requiete foveres,
Pacificeque in regna patris deducere yelles.
1222 secede C. 1223 accessu I. 1225 fehlt A. 1228
Tune D. 1230 deludens C. 1231 Vndique defensus fragilis de
inore liciscae I. 1231 et qui de more D. 1232 Sentibus I.
solebat 1. 1232 rabidi D. 1233 mecum confligito D. 1233
Ex in I. 1234 equiperari A. D. 1236 diminutione B. 1238 alias D.
1241 reuerti A. et discessurus D. 1242 nisus C. usus D. E. 1243
appetit C. 1247 requie refoveres D. 1248 pacificumque D.
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Ci
4ß
WALTFIARIUS.
Sollicitusque fui qnorsum tua munera ferrem;
1250 Namque per ignotas dixi pergens regiones :
“Francorum vereor, Haganone superstite, nullum.”
Obsecro per ludos, resipiscito jam, pueriles,
Unanimes quibus assueti fuimusque periti,
Et quorurn cultu primos altrivimus annos.
1255 Inclita quonam migravit concordia nobis?
Semper in hoste domique manens, nec scandala noscens,
Quippe tui facies patris obliviscier egit,
Tecum degenti mihi patria viluit ampla.
Nunquid mente fidem abradis saepissime pactam?
1260 Deprecor hoc abscide nefas, neu bella lacessas,
Sitque inconvulsum nobis per tempora foedus.
Quod si consentis, jam nunc ditatus abibis
Eulogiis, rutilo umbonem complebo lnetallp.’
Contra quod Hagano yultu haec affamina torvo
1265 Edidit, atque iram sic insinuavit apertam
‘ Vim prius exerces, Waltbari, postque sopliaris.
Tute fidem abscideras. cum memet adesse videres,
Et tot stravisses socios, immoque propinquos,
Excusare nequis, quin me tune alfore nosses.
1270 Cujus si facies latuit, tarnen arma yidebas
Nota satis, habituque virum rescire valebas.
Cetera fors tulerim, si vel dolor unus abessel:
Unice eniin carum, rutilum, blandum, pretiosum
Carpsisti florem mucronis falce tenellum.
1275 Ilaec res est, pactum qua irritasti prior almum,
Idcircoque gazam capio pro foedere nullam.
Sitne tibi soli virtus, volo discere, in armis,
1254 attriuerat B. 1260 hie C. 1260 lacesses D. 1262
dltatis D. 1264 contra quem D. 1266 ne nos incuses mihi vim
qui tu prior infers D. 1271 ualeres A. C. 1273 unice mi
carum A. unicum enim carum rutilum plandum preciosum I). 1275
alumnum A.
WALTHARIUS.
47
Deque tuis manibus caedem perquiro nepotis.
En aut oppeto, sive aliquid memorabile faxo.’
1280 Dixit; et a tergo saltu se jecit equino,
Hoc et Guntbarius, nee segnior egerat lieros
Waltbarius, cuncti pedites bellare parati.
Stabat quisque, ac venturo se providus ictu
Praestruxit, trepidant sub peltis martia membra#
1285 Hora secunda fuit qua tres lii congrediuntur;
Ad versus soluin conspirant arma duorum.
Primus maligeram collectis viribus bastam
Direxit Hagano, dirupta pace. sed illam
Turbine terribilem, tanto et Stridore volantem
1290 Alpbarides semet cernens tolerare nequire,
Söllers obliqui delusit tegmine scuti.
Nam veniens clipeo sic est ceu marmore laevi
Excussa, et collem vebementer sauciat? usque
Ad clavos inlixa solo. Tune pectore magno,
1295 Sed modica vi, fraxineum bastile superbus
Jecit Guntbarius, volitans quod adbaesit in ima
Wallbarii parma, quam mox dum concutit ipse,
Excidit ignavum ligni de vulnere ferrurn.
Omine quo moesd confuso pectore Franci
1300 Mox stringunt acies, dolor est conversus ad iram,
Et tecti clipeis Aquitanum invadere certant.
Strennuus ille tarnen vi cuspidis expulit illos,
Atque incursantes vultu terrebat et armis.
Ilic rex Guntbarius coeptum medilatur ineptum,
1305 Scilicet ut jactam subito terraeque relapsam,
1281 enauit A. B. 1281 hic C. 1284 perstrinxit sub penis
(am rande: sub pectore) D. 1286 aduersum A. C. 1287 ma-
lignam D. maligenam A. C. 1288 disrupta B. 1291 secuti B.
solers oblique D. 1295 fraxineumque A. E. 1297 quia mox D*
1300 iras C. 1301 ac tecti D. 1302 strenuus B. 1304 quau-
quam C.
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WALTHARIUS.
(Ante pedes herois enim divnlsa jacebat)
Accedens tacite furtirn sustolleret liastam.
Quandoquidem brevibus gladiorum denique teils
Armati liequeunt accedere cominus illi,
1310 Qui tarn porrectuin torquebat cuspidis ictum.
Innuit ergo oculis, yassum praecedere suadens,
Cujus defensu causam supplere valeret.
Nec mora; progreditur Haganon ac provocat liostem.
Rex quoque gemmatum vaginae condidit ensem
1315 Expediens dextram furto actutum faciendo,
Sed quid plura ? inanum pronam transmisit in liastam,
Et jam comprensajn sensim subtraxerat ipsam,
Fortunae majora petens. sed maximus lieros,
Utpote qui bello semper sat providus esset,
1320 Praeter et unius punctum cautissirnus horae,
Hunc inclinari cernens persenserat actum,
Nec tulit obstantem sed mox Haganona revellens.
Denique sublato qui divertebat ab ictu,
Insilit, et planta direptum hastile retentat,
1325 Ac regem furto captum sic increpitavit,
XJt jam perculso sub cuspide genua labarent;
Quem quoque continuo esurienti porgeret Orco,
Ni Hagano armipotens citius succurreret, atque
Objecto dominum scuto muniret, et hosti
1330 Nudam aciem saevi mucronis in ora tulisset.
Sic dum Waltbarius yulnus cavet, ille resurgit,
Atque tremens trepidusque stetit, vix morte re versus.
Nec mora, nec requies, bellum instauratur amarurn,
1310 jam D. 1311 falsum D. 1314 vagina D. 1315 ex-
tendens D. tu tum A. tutam C. furtum tutum D. 1316 pronus D.
1320 praeterit C. unius horae punctum cautissirnus B. Fretus et
hujus per punctum cautissirnus heros D. 1321 indignari D. pre-
senserat A. 1322 Hagano B. 1323 ab iectu B. 1328 porigeret D.
1329 bellumque restaurat amarurn D. 1332 stupidusque B.
WALTHARIUS.
49
Incurrunt hominem minc ambo, nuncque vicissim ;
1335 Et dum progresso se impenderet acrius uni,
En de parte alia subit alter et impedit ictum.
Hand aliter, liumidus quam dum venabitur ursus,
Et canibus circumdatus astat et arlubus liorret,
Et caput occultans submurmurat, ac propiantes
1340 Amplexans umbros miserum mutire coartat;
Tum rabidi circum latrant hinc inde molossi
Cominus, ac dirae metuunt accedere beluae.
Taliter in nonam conflictus fluxerat undam,
Et triplex inerat cunctis maceratio leti,
1345 Terror et ipse labor bellandi, solis et ardor.
Interea lierois coepit subrepere menti
Quiddam, qui tacito premit bas sub corde loquelas
‘Si forluna viam non commutaverit, isti
Vana fatigatum meinet per ludicra fallent.’
1350 llico et data Hagauoni voce profatur:
‘0 paliure, vires foliis, ut pungere possis,
Tu saltando jocans artu me ludere temptas:
Sed jam faxo, locum propius ne accedere tardes;
Ecce tuas scio praegrandes in corpore vires,
1355 Me piget incassum tantos sufferre labores.’
Dixit et exsiiiens contum contorsit in illurn ,
Qui pergens onerat clipeum dirimitque aliquant um
Loricae, ac magno modicum de corpore stringit;
Denique praecipuis praecinctus fulserat armis.
1360 At vir Waltharius, missa cum cuspide currcns,
Evaginato regem importunior ense
1335 progressu D. 1337 dnmidus quia D. 1341 rapidi A. D.
1312 communis B. D. 1343 horam A. O. 1344 cunctis inerat B.
1346 surepere B. 1348 istis D. 1349 fngitatnm D. 1351
uirens A. vel pungere D. 1354 tuas cito pergrandes D. ostendito
uires B. D. 1356 ipsum B. 1357 pungens D. 1359 pro-
cinotus A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
50 WALTHARIUS.
Impetit, et scuto dextra de parte revulso
Ictum praevalidum ac mirandum fecit, eique
Crus cum poblite ad usque femur decerpserat omne.
1365 Ille super parmam ante pedes mox concidit hujus.
Palluit exsanguis domino recidente satelles.
Alpharides spatam tollens iterato cruentam
Ardebat lapso postremum infligere vulnus.
Immemor at proprii Hagano vir forte doloris
1370 Elatum caput inclinans objecit ad ictum.
Extensain cobibere manum non quiverat lieros;
Sed cassis fabrefacta diu meliusque peracta
Excipit assultum, mox et scintillat in altum,
Cujus duritia stupefactus dissilit ensis
1375 Prob dolor! et crepitans partim micat aere et berbis.
Belliger ut frameae murcatae fragrnina vidit,
Indigne tulit, ac nimia furit efferus ira,
Impatiensque sui, capulum sine pondere ferri,
Quamlibet eximio praestaret et arte metallo
1380 Protinus abjecit, monimentaque tristia sprevit:
Qui dum forte manum jam enormiter exeruisset,
Abstulit baue Hagano sat laetus vvdnere prompto.
In medio jactus recidebat dextera fortis,
Gentibus ac populis multis suspecta tyrannis,
1385 Innumerabilibus quae fulserat ante tropbaeis.
Sed vir praecipuus, nec laevus cedere gnarus,
Sana mente potens carnis superare dolores
1362 reuulsit D. depulso B. 1363 pernalidum A. admirandam D.
1364 polliteD. 1365 pedes cadit et miser hujus D. 1368 postremo
infigere D. 1369 ac hagano proprii fit forte doloris D. 13TO
iratum A. eratum D. 1371 nequiuerat A. 1372 cassissis B.
melioque D. 1374 excintillat D. 1375 Pro B. D. acer in herbis D.
1376 mucrate D. 1379 qualibet ex nimio prestaret arte D. 1381
manum miser exeruisset inermem D. 1382 sat telus vulnere
promtus D. 1383 In medioque ictu D. 1386 leuis A. laeuis B.
WALTHARIUS.
51
Non desperavit, neque vultus concidit ejus,
Verum vulnigeram clipeo insertaverat ulnain
1390 Incolumique manu mox eripuit semispatam,
Qua dextrum cinxisse latus memoravimus illum,
llico vindictam capiens ex lioste severam.
Nam feriens dextrum Haganoni effodit ocellum,
Ac tempus resecans pariterque labella revellens
1395 Olli bis trinos discussit ab ore molares.
Tali negotio dirimuntur proelia facto.
Quemque suum vulnus atque aeger anlielitus arma
Ponere persuasit. quisnam liinc immunis abiret ?
Qua duo magnanimi lieroes tarn viribus aequi
1400 Quam fervore animi steterant in fulmine belli.
Postquam finis adest, insignia quemque notabant;
Illic Guntharii pes regis, palma jacebat
Waltbarii, nec non tremulus Haganonis ocellus.
Sic sic armillas partili sunt avarenses!
1405 Consedere duo, nam tertius ille jacebat,
Sanguinis undantem tergentes floribus aninem.
Haec inter timidam revocat clamore puellam
Alpliarides, veniens quae saucia quaeque ligavit.
His ita compositis sponsus praecepit eidem:
1410 ‘Jam misceto merum, Haganoni et porrige primum,
Est athleta bonus, fidei si jura reservet;
Tum praebeto mihi, reliquis qui plus toleravi;
Postremum volo Guntliarius bibat, utpote segnis
Inter magnanimüm qui paruit arma virorum,
1415 Et qui Marlis opus tepide atque enerviter egit.’
Obsequitur cunctis Herrici filia verbis.
Francus at oblato licet arens pectore vino
‘Defer’ ait ‘prius Alpharidi sponso ac seniori
1401 queque A. 1402 regis pes B. 1407 Iiic A. B. 1414
magnam uim A. 1416 heririci B.
4 *
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
52 WALTHARIUS.
Virgo tuo, quoniam fateor me forlior ille est,
1420 Non solmn mihi sed cunctis super eminet ille.
Hic tandem Hagano spinosus, et ipse Aquitanus
Mentibus invicti, licet omni corpore lassi,
Post varios pugnae strepitus, ictusque tremendos,
Inter pocula scurrili certamine ludunt.
1425 Francus ait ‘jam deliinc cervos agitabis, amice,
Quorum de corio wantis sine fine fruaris:
At dextrum moneo tenera lanugine comple,
Ut causae ignaros palmae sub imagine fallas.
\Yab ! sed quid dicis, quod rilum infringere genlis
1430 Ac dextro femori gladium agglomerare videris,
Uxorique tuae, siquando ea cura subintrat,
Perverso amplexu circumdabis euge sinistram?
Jam quid demoror? en poslliac tibi,quicquid agendum est,
Laeva manus faciet.’ Cui Waltliare talia reddit:
1435 ‘Cur tarn prosilias admiror, lusce Sicamber,
Si venor cervos, carnem vitabis aprinam;
Ex lioc jam famulis tu suspectando jubebis,
Heroum turbas transversa tuendo salutans.
Sed fidei memor anliquae tibi consiliabor:
1440 Jam siquando domum venias laribusque propiuques,
Effice lardalam de mulclra farreque pultem,
Haec pariter victum tibi conferet atque medelam.
His dictis pactum renovant iterato cruentum,
Atque simul regem tollentes valde dolentem
1445 Imponunt equiti, et sic disjecti redierunt,
Franci Wormatiam, patriamque Aquitanus adivit.
lllic gratifice magno susceptus honore
Publica Hiltgundi fecit sponsalia rite,
1420 Nec solnm me sed cunctos super eminet armis B. 1424
scurruli 13. 1431 quando cura A. 143T uidebis A. 1441 pul-
tnm A. 1442 hoc pariter tibi uictum confert A. 1443 coactum B.
1448 fehlt A.
WALTHARIUS.
53
Omnibus et carus post mortem obitumque parentis
1450 Ter denis populum rexit feliciter aniiis.
Qualia bella deliinc, vel quantos saepe triumphos
Coeperit, ecce Stylus renuit signare retusus.
Haec quicunque leges stridenti ignosce cicadae,
Raucellam nec adhuc voceni perpende , sed aevum,
1455 Utpote quae nidis nondum petit alta relictis.
Haec est Waltbarii poesis. nos salvet I H C.
1450 Feliciter populum ter denis rexerat nnnis ß, 1452
retunsus B. 1455 nidum A. 1456 iesus B. der Schreiber von A
fügt die zeile hinzu: Waltarius clarus uirtntibus, at uir amarus.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
vttk
Der ausgabe des Waltharius liegen sechs hand-
schriften zum gründe, deren nur zwei vollständig sind:
A die carlsrulier, B die pariser, C die vornials moshei-
misclie, D das wiener, E das Stuttgarter, I das engel-
berger bruclistück. F, G, H bezeichnen die benutz-
ten stellen bei Freher, Aventin und im chronicon no-
yaliciense. Des freiherrn Joseph von Laisberg mitthei-
lung danke ich alle sechs abschriften und Vergleichun-
gen, keine rührt von mir selbst her.
Aufser diesen neun texten mufs es noch manchen
andern codex des gedichts gegeben haben, zu Brüssel liegt
ein vermutlich ganzer und alter, dessen collalion mir
entgeht. Seltsam, dafs Sanctgallen keinen bewahrt; zu
Tüll besafs man im eilften jh. ihrer zwei*), hätten sie
sich erhalten, jetzt die ältesten.
Der band, worin sich A findet, führt in der carlsru-
her bibliotliek die zahl 103, ist in klein octav, und ent-
hält nach mehrern andern meist theologischen tractaten
zuletzt auf 24| blättern den Waltharius, oder wie die
rubrik lautet ‘historia Waltharii’; der scliriftzug kün-
digt ungefähr den beginn des zwölften jh. an.
Wenig jünger scheint, wo nicht älter, B, num.
8488a der königlichen bibliotliek zu Paris (olim cod.
reg. 10316 und Colbert 6388), gleichfalls in octav. hier
wird mit des Geraldus prolog begonnen, am schlufs von
*) catalog der bibliotliek des Benedictinerklosters S. Apri vom
j. 1081, mitgetheilt von Docen im neuen Iit. anz. 1807 p. 73.
WALTHARIUS.
55
dem Schreiber zugefügt: ‘explicit Über Tifridi episcopi
crassi de civilate nulla.’
C reicht bis vers 1337 und stammt aus einem bai-
rischen kloster; vor sechzig jahren eigenthum Gottlieb
Christians von Mosheim * **)) zu Stuttgart, von welchem
Fischer den cod. zur herausgabe empfieng. in wessen
handen ist er jetzt? er soll aus dem 13 jh. gewesen
sein.
)
I, Überbleibsel einer guten hs. des 13 jh., die das
kloster Engelberg in Unterwalden aufhebt; dreizehn
octavblatter zusammen füllen noch 764 verse, 1 — 492
und 960 — 1233.
D, im cod. 228 der kaiserlichen bibl. zu Wien, auf
papier, und wahrscheinlich des 14 jh., umfasst die
zeilen 203 — 406 und 1198 — 1385.
E, vierzehn pergamentblätter einer Stuttgarter hs.
des 13 jh. (theol. et pliilos. nr. 41 der Öff. bibl.), sich er-
streckend auf z. 483 — 1335. die Vergleichung geliefert
hat Mone in seinem anz. 1836 s. 415. 416.
F, elidem in Heidelberg bei Freher, der den Codex
herausgeben wollte und in seine origines palatinas II.
cap. 13 (ed. 1612) p. 62 einige verse rücken liefs. jetzt
nicht mehr in der pfalz. bibl., und schwerlich nach Rom
gelangt. In Greiths spicilegium vaticanum p. 31 werden
als inlialt einer lis., aber der christinischen samlung,
versus Giraldi monachi, die eher auf einen andern la-
teinisch dichtenden Giraldus bezüglich sind, angegeben.
G, vor Zeiten gehörig dem kloster Emmeran zu
Regensburg, und von Aventin eingesehn, welcher ann.
Bojor. lib.2 p. 130 cap. 53 ed. Lips. 1710 p. 194b eine
*) sohns des berühmten göttinger canzlers, vgl. Lücke nar-
vatio de Joanne Laurentio Moshemio. Gott. 1837 p. 59.
**) nach Fischer liebt mit v. 413 ein andrer, doch gleichzeitiger
Schreiber an.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
kurze, doch für den schlufs hinlangende stelle (v. 10.11.)
ausliebt, dafs der codex ein von C abweichender war.
zu München liegt er gegenwärtig nicht.
In eine chronik des piemontesischen ldosters Nova-
lesa, unweit Susa, buch 2 cap. 9 ist ein umständlicher
auszug des ersten drittels der dichtung eingegangen, mit
anführung vieler einzelner verse. Die chronik scheint
unter Heinrich 3, um die mitte des eilften jh. verfafst,
setzt also einen altern text des Waltharius voraus, sie
wurde zuerst von Duchesne (script. hist, franc. 2, 223.
3, 635) theilweise, vollständiger bekannt gemacht von
Muratori (script. rer. ital. II. pars 2 p. 700 ff. und antiq.
ital. med. aevi III. diss. 40 p. 964 ff.) die hieraus verglich-
nen stellen merke ich mit H.
Zuerst drucken liefs das gedieht Friedrich Christoph
Jonathan Fischer, Leipzig 1780 in quart, und zwar
blofs aus C. den mangelnden schlufs ergänzte darauf
nach A Friedrich Molter in Meusels hist, literatur 1782
». 370, und Fischer wiederholte ihn als nachtrag zu seiner
ausgabe, Leipz. 1782. Da indessen A für das werk
überhaupt vorzüglichere lesarten bot, so rückte es Molter
vollständig in seine beiträge zur geschickte und literatur,
Frankfurt 1798 s. 212 — 268; welche ausgabe jedoch
den carlsruher codex lange nicht treu darstellt, sondern
Molter hat vieles aus C, was ihn besser däuchte, ja
einzelne Vermutungen, ohne es irgend anzumerken, auf-
genommen. Die übrigen texte,, abgesehen von F6H,
welche langst zugänglich waren, wurden erst später
entdeckt.
Keine der handschriften ist so gut noch so alt, dafs
sie ausschliefsend für eine bessere recension des gedichts
dienen dürfte; überall sind erhebliche ahweichungen.
ich habe also ausgewählt, jedesmal werden die von
meinem text sich entfernenden lesarten unten angegeben,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
57
die nicht genannten Handschriften aber stimmen zu ihm
und bestimmen ihn, insoweit ich auf Vollständigkeit und
schärfe der Vergleichungen bauen kann; einzelnes, ich
hoffe weniges, wird sich nach erneuerter prüfung der
Handschriften berichtigen lassen.
Den text aufzustellen erschwert auch der zweifei
>crL*- yy^-
über des gedichts Urheber so wie die Sicherheit mehr
als einer Umarbeitung, die es erfahren hat. Die meisten
Handschriften, namentlich A, C und I nennen keinen
Verfasser, weder in rubriken noch am schlufs; auch
dem novaleser Chronisten kann kein text mit des dich-
ters namen Vorgelegen haben, er würde ihn sonst nicht
als ‘metricanorus quidam5 oder 6 versicanorus quidain
sapiens’ bezeichnen. ebensowenig hätten Freher und
Aventin ermangelt einen solchen namen mitzutheilen,
wäre er in ihren Handschriften gewesen. Allein in B,
und in dem brüsseler cod., findet sich ein prolog, der
einen bestimmten Verfasser angibt. Bevor ich ihn her-
setze ist aber der aufschlufs anzuführen, den eine merk-
würdige stelle der allen sanclgaller chronik über die
entstehung unseres werks gewährt, nemlich die Casus
sancti Galli des vierten Eckehardus (der um 980 geboren
1036 starb), indem sie der Schriften des ältesten oder
ersten Eckehardus meldung tliun, sagen folgendes*):
‘scripsit et in scolis metrice magistro, vacilianter quidem,
quia in affectione non in liabitu erat puer, ritam Walt-
harii manufortis, quam Magontiae posili, Aribone archi-
episcopo jubente, pro posse et nosse nostro correximus.
barbaries enim et idiomata ejus Teutonem adhuc af-
fectantem repente latinum fieri non patiuntur. unde
male docere solent discipulos semimagistri dicentes: vi-
dete, quo modo disertissime coram Teulone aliquo pro-
*) Goldast 1, 39. Pcrtz 2, 118.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
58
WALTE1ARIUS.
loqui deceat, et eadem Serie in latinum verba vertite.
quae deceptio Eckehardum in opere illo adhuc puerum
fefellit, sed postea non sic.’ Man hielt also zu Sanct-
gallen, in der ersten liälfte des 11 jh., das gedieht für
eine jugendarbeit des ältesten Eckeliards, der am 14 jan.
973 gestorben, dessen geburtsjahr mir aber unbekannt
ist. hiernach fällt die abfassung jedenfalls zwischen 920
und 940, schwerlich kam dieser Eckeliard, welcher im
Stift die angesehne würde eines decans bekleidete (Pertz
2, 117) nach 920 zur weit, ‘scripsit metrice magistro’
wird von Arx erklärt: vitam Wallliarii a magistro suo
dictatam elaboravit metrice. Goldast las ‘metrico ma-
gistro,’ und man könnte auch vorschlagen ‘metricae
magistro,’ in der schule, unter dem lelirer der metrik.
es sei eine scliulübung gewesen, die ungleich und man-
gelhaft gerieth, Eckeliard, wiewol schon dem geistli-
chen stände bestimmt, habe damals noch jugendlich an
der deutschen weise der poesie gehangen, so fasse icli
die nicht sehr deutlichen ausdrücke, welche auch der
folgende satz zu verständigen scheint, dafs ungeschickte
lelirer ihren scliülern deutsche plirasen (oder gar verse ?)
vorsaglen und sie nun gleich in derselben Wortfolge
(eadem Serie) lateinisch übersetzen hiefsen. Der dich-
ter selbst spricht sich am Schlüsse seines gedichts (v.
1453 — 55) bescheiden über den jugendlichen versuch aus.
Ob aber unsere liandschriften mehr diesen, wie er war,
oder mit den besserungen und vielleicht Verschlimme-
rungen des jüngeren Eckeliards gewähren? ist schwer zu
entscheiden. Des vierten Eckeliards eigne prosa in der
fortsetzung der ratperlischen Casus zeugt weder von cor-
reetheit noch besondrer ausbildung des lateinischen Stils,
erzbischof Aribo, von dem er nach Mainz berufen wor-
den war (Pertz 2, 75), und auf dessen betrieb er sich
jener durchsicht des Waltharius unterzogen halle, starb
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
59
1030 oder 1031.*) sollte das gedieht auch in der main-
zer schule gebraucht und vorgetragen werden?
Hätte man sich den ersten Eckehard als eigentlichen
Verfasser, den vierten Eckehard als nachbesserer zu den-
ken; so bliebe die Vorstellung von dem Ursprung der dich-
tung noch ziemlich einfach. Verwickelter wird sie aber
durch einen prolog der pariser und brüsseler liandschrift,
worin mit gänzlicher Verheimlichung Eckehards, ein an-
derer geistlicher, namens Geraldus, als dichter auftritt.
Die an einen biscliof Erkanbald gerichteten zueignungs-
verse, denen ich noch keine stelle vor dem gedickte selbst
einräumen mochte, lauten so:
Omnipotens genitor, summae virtulis amator,
Jure pari natusque amborum Spiritus almus,
Personis trinus, vera deitate sed unus,
Qui vita vivens cuncta et sine fine tenebis,
5 Pontificem summuin tu salva nunc et in aevum
Claro Erckambaldum fulgentem nomine dignum,
Crescat ut interius sancto spiramine plenus,
Multis infictum quo sit medicainen in aevum.
Praesul sancte dei nunc accipe inunera servi,
10 Quae tibi decrevit de larga promere cura
Peccalor fragilis Geraldus nomine vilis,
Qui tibi nam certus corde eslque fidelis alumnus,
Quod precibus dominum jugiter precor omnitonantem,
Ut nanciscaris factis, quae promo loquelis,
15 Det pater ex summis coeluin terramque gubernans.
Serve dei summi, ne despice verba libelli,
Non canit alma dei, resonat sed mira tironis,
Nomine Wallharius, per proelia multa resectus.
Ludendum magis est, dominum quam sit rogitandum,
’) Pertz 2, 213. Leibnitz 1, 852. 2, 494.
8 multis ut infictum 13. 12 certus fidus corde 13.
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20 Flexus longaevi dum stringit in ampla diei.
Sis felix sanctus per tempora plura sacerdos,
Sit tibi mente tua Geraldus carus adelfus!
Wer war dieser Geraldus? im catalogus codd. mss.
bibl. regiae, tom. 4 Par. 1744 p. 532 wird er bei num.
8488a bezeichnet als lloriacensis, ut videtur, monachus.
in den (ehmals colbertisclien) codex selbst ist liemlich
von später band beigeschrieben: S. Gerauld moine de
Fleuri, comme il semble. der einfall scheint aber grund-
los und unhaltbar, schon die Verfasser der histoire lit.
de France, tome 6 Par. 1742 p. 438 bemerken, dafs die
geschickte von Fleuri gar keinen solchen Geraldus kenne,
wie sollte auch in dem (sieben stunden von Orleans)
an der Loire gelegenen ßenedictinerkloster ein ganz
auf deutscher Überlieferung ruhendes, die Örtlichkeit
des Oberrheins voraussetzendes, überall deutsche eigen-
namen darbietendes gedieht entsprungen sein ?
Kaum hätte ein fränkischer geistlicher des zehnten
jh. seine mühe auf eine sage gewandt, in der ein Fran-
kenkönig gedemütigt erscheint und alle fränkischen bei-
den besiegt werden; viel eher konnte das ein Alemanne.
Damit zerfällt auch die gleich müfsige Vermutung,
Erkanbald sei ein erzbischof von Tours, der um 986
lebte, und aus dessen lebenszeit lediglich man die des
Geraldus abzusehn wagte. Noch weniger gedacht wer-
den darf an Erkenbald, abt von S. Maixent, welcher
um 1044 erzbischof in Bourdeaux wurde und bis nach
1068 lebte; eher könnte man sich einen gleichnamigen
abt von S. Trutpert, an niederelsäfsischer grenze, in
20 flectus longeui stringit B. 6dum’ habe icli ergänzt, sinn
des 19.20 verses scheint: wenn sich der lange lebenstag ins weite
neigt, so ist auch gestattet zu spielen statt zu beten. ISach 22
die halberblichne rubrik ‘versus quidam’ und darauf beginnt das
gedieht selbst.
WALTHARIUS.
61
der couslanzer diöcese gefallen lassen, dessen zeit
nicht genau ermittelt ist, und etwa in die erste
hälfte des zehnten jhM um 935 , fällt.*) es gibt noch
andere höhere geistliche dieses namens im laufe des 10
oder 11 jh., ein Erkenbald folgte zu Mainz im jalir
1011 auf Willigis.**) Doch die wähl kann nicht schwer
sein: von 965 — 991 safs auf dem slrafsburger Stuhl
ein Erkanbald, ausgezeichnet durch seine neigung für
gelelirsamkeit und poesie, wie er selbst mehrere lateini-
sche gediclite hinterlassen hat.***) ihm und keinem an-
dern inufs die Zueignung gelten, dieser Erkanbald nun
war mit sanctgaller manchen in verkehr und Bekannt-
schaft, er hatte aus ihrer reihe den gelehrten, auf be-
feld des abtes Craloh f) geblendeten Victor nach Strafs-
hurg gezogen.ff) Neben dem älteren Eckehard nennen
aber die sanctgaller casus wiederholentlich einen ihm
gleichzeitigen Geraldus (Gerlialdus, Keraldus), welcher
zeitlebens magister scolarum war und dessen in hohem
greisenalter erfolgter tod, ohne angabe des jahrs, schön
geschildert wird.fff) Wahrscheinlich war er durch Vic-
tor oder lieber vorher schon dem Erkanbald genau be-
kannt geworden, und übersandte ihm, was erst nach
965 geschehn sein kann, den Waltharius. Die worte,
dafs er das buch aus langer pflege entlasse (de larga
promere cura) hindern eine blofse Zusendung des ecke-
hardischen Werkes anzunehmen. Gerald miifs irgend auf
eine art selbst daran theil genommen haben. Wie sind
*) Iiisf. lit. de France 6, 221.
**) Pertz 2, 242.
M*) hist. lit. de France 6, 467 fT. Pertz 2, 116. Schilters
Königshoven p. 241. 487—494.
f) berschte zwischen 942 — 958. Pertz 2. 35.
•HO Pertz 2, 116.
fff) Pertz 2, 114. 117. 122. 123. 136. 137.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
W ALTIIARIUS.
aber nun seine anspriiclie mit denen Eckeliards zu ver-
einbaren? ein plagiat, überhaupt eine Unwahrheit läfst
sich weder von dem sittlichen und gelehrten character
Geralds argwöhnen, noch bei Erkanbalds unbezweifel-
barer Vertrautheit mit allen sanctgaller Verhältnissen
glauben. Entweder hatten beide, Eckehard und Gerald
v^.^-227. xq gemeinschaftlicher jugend die arbeit vorgenommen,
und letzterm ist sie in der schule längerer, fortgesetzter
Sorgfalt werth geblieben ; oder der vierte Eckehard könnte
sich, wenigstens fünfzig jalire nachher, über den eigent-
lichen Verfasser irren, freilich grade bei einem werk,
das ihn selbst näher beschäftigte. Wären ihm , zu Mainz
und Sanctgallen, abschriften des gedichts mit dem geral-
dischen prolog verborgen geblieben ? eben die glaublich
älteste aller jetzt erhaltnen handschriften, die pariser,
hat ihn, und keine einzige trägt Eckehards namen an
ihrer spitze, hätten blofs die schlufsverse des gedichts,
die einen jugendlichen versuch bekennen, den gedanken
auf Eckehards jugend geführt? schon jenes alters der
pariser, wahrscheinlich auch der brüsseler handschrift
wegen , aus vielen andern gründen , wäre höchst bedenk-
lich einen Geraldus aufserlialb Sanctgallen, oder gar ei-
nen späteren, erst nach dem vierten Eckehard lebenden
aufzusuchen, die ganz kahle Vermutung eines Geraldus
Horiacensis habe ich vorhin weggeschaft. an der Loire
kann keine dichtung umgearbeitet, und erneuert worden
sein, die am Rhein und in den Vogesen spielt, die durch-
gängig auf einen deutschen urheber hin weist. Wir
müssen gestehn, dafs dies alles für den sanctgaller Ge-
raldus spreche, und sein prolog gröfseres gewicht habe
als des späteren Eckehards aussage.
Der allerdings bestehende widerspruch zwischen dem
schlufs des gedichts, das einen jungen anfänger verkün-
digt, und den worlcu Ilexus longaevi diei in ampla,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
63
die eia lebensmüder greis *) ausspricht, dieser Wider-
spruch läfst sich durch die annalime auflösen, dafs Ge-
rald in hohem alter, etwa in den jahren 970 oder 980
dem strafsburger biscliof, der es vielleicht gewünscht
hatte, seiner frühen jahre werk übersandte. So bekäme
der ausdruck de larga promere cura rechten sinn.
Doch soll auch des altern Eckehard früherer antheil da-
mit nicht ganz abgewiesen sein.
Will man aber, aufser des vierten Eckeliards nach-
helfender und ändernder Überarbeitung des älteren werks,
in den abweichenden lesarten beider des ersten Ecke-
hards und Geralds gemeinschaftlich oder auch nach ein-
ander angelegte liand wieder aufspüren, so scheint das
fast unerreichbar. Weder ist im ganzen die Verschie-
denheit so bedeutend, dafs der nacharbeiter viel damit
gewonnen haben könnte, noch so einförmig oder gleich-
artig, dafs er sich bestimmt genug zu erkennen gäbe,
auch hindert die Unvollständigkeit mehrerer handschrif-
ten den genauen überblick.
B, auf jeden fall ein geraldischer text, hat nur sechs
eigentliiimliche verse, deren vier 204, 257, 661, 1448
allen übrigen zu mangeln scheinen, d. li. in A fehlen
sie gewis, 204, 257, 661 gehn auch in C, 204, 257
in DI ab; 1448 fällt in die liicke von CDI, 661 in
die von DI. keine dieser vier zeilen ist dem Zusam-
menhang nöthig, aber auch keine stört ihn. Zwei
andere, 99 und 944 hat B mit A gemein, sie mangeln
in C, 99 zugleich in I, wahrscheinlich würde I auch
944 nicht aufweisen. Bezeichnete uns also A eine nicht-
geraldische recension, und etwa des älteren Eckehard
arbeit, so könnten CI, vielleicht CID, die correcturen
des jüngeren Eckehard darbieten? Jene vier verse liät-
f) longo senio fessus. Pertz 2, 137.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
r
64
WALTHA RIUS.
ten ilim dann gar nicht Vorgelegen, weil sich kaum ein
grund denken lässt, weshalb er sie sollte von der hand
gewiesen haben? doch warum lehnte er 99 und 944
ab, wenn sie ihm in A Vorlagen? und wie tlieilt er in
zeile 652 die epische Wiederholung von 647 mit B,
nicht mit A?
Erwägt man die übrigen Varianten insgemein, so
tritt freilich eine merkliche einstimmung zwischen A und
C, im gegensatz zu B vor (316. 774. 787. 958. 965.
1008. 1009. 1021. 1094. 1098. 1189. 1212. 1271. 1287),
so dafs für die in C vorliegende Umarbeitung die grund-
lage von A glaublich wird. dagegen nähern sich B
und I (62. 138. 283. 292. 293. 304. 440. 481. 1011.
1043. 1050. 1142), während A und I seltner stimmen
(73. 161. 447. 1015. 1115). C und I verrathen folglich
eine verschiedne nachbesserung, so dass C mehr zu A
hinneigt, I mehr zu B; 1115 treffen C und I zusam-
men. D stimmt bald mit A (381. 1234. 1341. 1343)
und C (397), bald mit B (379. 1342. 1354. 1375) und I
(231); allein diese absclirift hat viel eigentümliches,
und könnte leicht gröfseren anspruch auf den jün-
geren Eckehard machen als C? Unbedeutender ist E,
welches 495. 502. 545. 563. 578. 629. 727. 766. 814.
924. 944.1017. 1157 mit C theilt, 584.703.1204.1295
mit A, doch 699. 1101 auch zu B stimmt.
Alle diese ergehnisse dürfen nur für unsichere gel-
ten , nirgends erhellt, dafs wir den zuverlässigen text
Geralds oder eines der beiden Eckeharde vor äugen
haben; die abweichung kann, wie bei deutschen ge-
dicliten des mittelalters, unter den liänden blofser ab-
schreiber entsprungen sein. Wäre ich des höheren al-
ters der recension A gewis gewesen, so hätte ich aus
ihr 773 die Wiederholung des verses 604 stehn gelassen,
beachtenswert!! scheinen die Varianten zu 760 (wovon
WALTHARIÜS.
65
weiter unten), 1101, 1231, 1266, 1369; sehr oft wer-
den einzelne Wörter nur anders im vers gestellt, z. b.
827. 1160. 1450. versuchte man in den klosterschulen zu
Sanctgallen, Slrafsburg und Mainz metrische Übungen
an diesem gedieht?
Der lateinische dichter, welchen verfasserund viel-
leicht nachfolger im äuge hatten, ist Virgil, nicht wenige
ausdrücke, redensarten und Wendungen, selbst ganze verse
werden ihm abgeborgt, trabea 382 ; Aen.7, 188. 612.11,
334. spadix 759; Georg. 3, 82. potis es 509 ; potis est 417.
550.618; nec potis fluctus aequare sequendo Aen. 3, 671.
fama transverberat aures 17; ferro transverberat auras
540; tua me transverberet liasta 704; transverberat lia-
sta, cuspis Aen. 10,336. 484. crispans liastile 669; der
ganze vers 695 ist aus Aen. 1, 313. ibant aequati numero
44; Aen. 7, 698. tellus concussa gemebat, scutoruni
sonitu pavidus super intonat aether 45; clipeus super
intonat ingens 842; dat tellus gemitum, et clipeum su-
per intona.t ingens Aen. 9, 709. stat sonipes, ac frena
i’erox spumantia mandit 328; Aen. 4, 135. glomerare Vo-
lumina crurum 461; glomerare gressus Georg. 3, 117;
glomerare manum Aen. 2, 315. 9, 792; volumina cru-
rum Georg. 3, 192. dextras conjungere dextris 23; dex-
trae jüngere dextram Aen. 1,408. tunicam trilicem 263;
trilicem loricam Aen. 3, 467. 5, 259. 7, 639. equinam
vertice caudam conculiens 698; crista equina Aen. 10,
869. postquam epulis absumpta quies, mensaeque re-
motae 304 AC; postquam epulis depulsa famessubla-
taque mensa 304 BI; postquam exemta (al. excepta, ex-
stincta) fames epulis, inensaeque remotae Aen. 1, 216;
postquam prima quies epulis, mensaeque remotae Aen.
1, 723 ; man sieht, dafs den mönchen beide virgiliani-
sche verse vorschwebten. tellurem vulnere mordet 671;
momordit humum ore Aen. 11, 418. sumere taedas 167;
5
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si non pertaesum thalami taedaeque fuisset Aen. 4, 18.
infra jactum teli congressus 182; intra jactum teli pro-
gressiv Aen. 11, 608. fulminei enses 192; Aen. 4, 580.
9, 442. laxae habenae 202; Aen. 1, 63. Georg. 2, 364.
victrices lauri 210; Bucol. 8, 13. festa cum fronde re-
vinxit 209 ; festa fronde revinctum Aen. 4, 459. septeni
orbes 277 ; Aen. 8, 448. lux Pannoniae 378; lux Dar-
daniae Aen. 2, 281. dare strages 198; Aen. 12, 454.
Georg. 3, 247. 556. terram irrorat Eous 1190; terras
irrorat Eous Georg. 1, 288. aequo Marte 731; Aen.
7, 540. insomnis nox 399; Aen. 9, 166. evinclus 404;
Aen. 5, 269. 364.494. 774. infrendens 698; Aen. 3, 664.
8, 230. 10, 718. lacrimis obortis 876; Aen. 3, 492.
4, 30. 6, 868. ultima Parcae lila legunt 850; fila ex-
trema legunt Parcae Aen. 10, 815. baccliica munera 318;
Bacclii munera Geo. 3, 526; nee baccliica munera no-
rat Boetli.de consol. lib.2 metr. 5. spumantis apri 899;
Aen. 4, 158. 665. Unis erat 904; et jam Unis erat Aen.
1, 223. ulva viridi 922; viridi in ulva Bucol. 8, 87. in-
glorius ibo 946; inglorius remeabo Aen. 11, 793. por-
geret 1327; porgite Aen. 8, 274. liamatam loricam 911;
loricam consertam liamis Aen. 3, 467. tondamus prata
1117; tondentur prata Georg. 1, 290; tondentes campum
late equos Aen. 3, 538. ultima signans vestigia 1131;
ultima signant Aen. 5, 317; sunirno vestigia pulvere sig-
nent Georg. 3, 171. ludis sine more 794; sine more
furit Aen. 5, 694, d. i. immodice, sine exemplo. fatur
ad auras 515; ad aetliera fatur Aen. 10, 458; vgl. dicta
per auras 752 und auras verberat 748; animam sufflavit
in auras 845; transfudit ad auras 714; wer lesen wollte
ad aures, könnte inquit in aurem 260 und fatur ad au-
rem Aen. 5, 547 beibringen. sequitur quos cetera pu-
bes 211; Aen. 5, 74. sed tarnen liic intra velut aescu-
lus astitit heros, qui non plus petit astra comis, quam
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WALTHARIUS.
67
tartara fibris 1000; aesculus in primis, quae quantum
vertice ad auras aetherias, tantum radice in tartara ten-
dit Georg. 2, 29t. emicat liic 831; Aen. 5, 319. 337.
9, 736. magnanimüm 1414; Georg. 4, 476. amica si-
lentia 400; Aen. 2, 255. das longurn formose vale! 877
stammt aus Bucol. 3, 79; noch kühner wird in den ver-
seil 728. 729 aus Aen. 5, 496. 497 (vergl. 11. 5, 245)
sogar der eigenname des trojanischen Pandarus in die
deutsche fabel eingeführt, gleich als sei er uralinherr des
fränkischen Werinhard , auf den selbst seine bogenkunst
fortgeerbt habe, war Hagano 6 de germine Trojae’ (28)
entsprossen, so konnte auch Werinhard ‘ex longa Stirpe
nepotum’ mit Pandarus verwandt scheinen. Die zugleich
beibehaltne formel der anrede Pandare! ist aufserdem v.
485 gebraucht. *) Nachgeahmt der classischen poesie
sind auch die gleichnisse vom Boreas 188, vom numidi-
schen baren 1337 , vom umbrischen hunde (canis umber)
1350; die ausdrucksweisen für anbruch des tages, der
nacht und des morgens 277. 348. 1130. 1188.
Andere alterlhümliche ausdrücke sind nicht gerade
von Yirgil erborgt, sondern dem früheren Latein über-
haupt eigen: olli für illi, ollis (1194) für illis. homullus
1104 für homunculus ; homo, homonis 578. 933 statt homo,
hominis, tute 122i. 1267, Verstärkung des tu, und
nicht das adverb sicher, eqües 216. 602. 1227. 1443
für equus, vgl. Reinh. 412. stemmate formae 37, nobi-
*) und häufig bei andern lateinischen dichtem des mittelalters
(Reinh. XCI. mythol. 185, 186). die lesart ‘de te’ 15 A läfst
sich schwerlich auf Hildgund beziehen, welche mit Waltharius,
nicht Guntharius verlobt wurde, wie hätte sich Gibicho ihrer gebürt
freuen sollen? das ‘quam postea narro’ bleibt freilich seltsam,
weil Günthern gleich der folgende vers nennt, ist dieser sechzehnte
in keiner handschrift fehlende vers ein falscher zusatz der nach-
arbeiter ?
5 *
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68
WALTHARIUS.
litate; triumphal! stemmate 212, serto, corona, in der
eigentlichen bedeutung von ore/n/na, gausape 300, eine art
tuchs. ich weifs nicht, ob sich partus 947 als kiirzung von
paratus schützen läfst, oder die bedeutung von geboren,
bestimmt, ausersehen behaupten darf? man hatte leicht
certus, oder mit Molter: ecce paratus setzen können,
auch parare sermonem 141 für instruere, instituere scheint
unverwerflich.
Von allem dem sticht nun, grell genug, ab was
deutsche Wendungen verräth, dem verderbten und ent-
stellten latein des mittelalters angehört.
Zu jenen rechne ich folgendes, mortem gustare 870
gemahnt an das biblische tddes korun (gramm. 4, 650)
wie an das heidnische den tdd kiesen (gramm. 4, 608.)
piferius Stare 860 scheint, ähnlich dem mhd. höher stdn *),
nicht sowol einen niederen oder höheren, als weiter
abliegenden stand zu bezeichnen, damna tuli 658 für
intuli, wie wir sagen schaden bringen, mhd. schaden
pali für perpeti: magnos labores passus eras 133;
bern. obliviscier egit 1257, machte vergessen, fit oublier.
prospera sive sinistra pati 259. quia talia vixi 470, weij[
ich solches erlebte, lancea pulmone resedit 777; tridens
pelta resedit 995; cuspis sedet in clipeo 985, d. i. tafs,
blieb stecken in der lunge, am Schild, sitzt fest im
Schild; vgl. 1046 iclum ab aure sedentem, wo ich je-
doch secundum vorziehe, weil sich die präp. ab nicht
*) anm. zu Iw. 5288, aufserdem aber noch in vielen andern
stellen: die zwene stuonden hoher Nib. 2144, 1; so heiz üf höher
wichen Nib. 1966, 2; sorge heizen üf höher sten (secedere) Ms.
1, 154a; stet höher! Ms. 2, 67a; wachter und dorwachter muosten
höher stän Hugd. brautf. 856; stuond üf höher dö (trat zurück)
Trist. 2794; höher sten Gudr. 6105 vgl. 5909; ubir höher gän
Alex. 3807; Pez glossar zu Ottoc. s. v. höher, ahd. hohor *iz-
zentemo (elatiori) N. Cap. 47; hohor standiu N. Bth. 253. goth.
usgagg hauhis n^oquvußrjfri, avrinf^ov Luc. 14, 10.
WALTHARIUS.
69
wol zu sedere schickt, ima sedit inguine Yirg. Aen. 10,
785. palmam de pugna revocare 619, die Land vom
streit abziehen, revocare pedein a pugna wäre gut latei-
nisch. Hunos liic habemus 543, hier haben wir die
Hünen, vix erupit cras 402 , kaum brach der morgende
tag an. verum veile meum 257, das ist mein wahrer
wille, wie Ruodl. 1, 113 tuum veile benignum. ardens
animis 1037, ahd. lieizmuoti (gr. 2, 663), arens pectore
1417, doch ardens oculis hat Yirgil. Aen. 5, 277. auch
ignavum ferrum 835. 1298, das unwirksame, nichts aus-
richtende Schwert scheint eine altdeutsche redensart, ob-
gleich ich sie jetzt nicht nach weisen kann. Erebi für-
nax 867 , das feuer der hülle, christlichheidnische Vor-
stellung (myth. 464), ovan, aühns, fornax, ignis. esu-
riens Orcus 1327, hungrige, unersättliche hölle (myth.
196.) et simul in verho 308, et in verbo 888 und bei,
mit diesem worte, haec dicens; et simul in dictis 673.
auch Yirgil: et in verho vestigia torsit (Aen. 6, 557.)
more giganlis 333, in riesen weise; furis de more 1174 •
de more liciscae 1231. deutsch scheint der entschlüpfte
fehlerhafte gebrauch von fames als masc. (der hunger) •
fames insatiatus habendi 857 , wie die hss. lesen, insa-
tiata ist Möllers änderung. dieser hat ebenso 139 quem-
quam für quisquam bei pudebit gebessert; wir sagen
persönlich ich schäme mich, ich bereue, und selbst das
lat. pudeo statt me pudet ist nicht ohne beispiel. spo-
liarier 659 für spoliari wird 1191 für spoliare gesetzt;
famulis jubebis 1437 für famulos, wenn nicht jener dat.
mit suspectaudo zu verbinden ist. Was aber einen ent-
schieden deutschen eindruck durch das ganze gedieht
macht, ist die unrichtige Verwendung der tempora. weil
nemlich unsere alte spräche keine abstufung der Ver-
gangenheit kennt, sondern ihr prät. für das lat. imp.
perf. und plusq. braucht (granim. 4, 148. 149. 189); so
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
70
WALTIIARIUS.
zeigt der dichter kein deutliches gefiihl für die lat. for-
mell dieser drei tempora, und verwirrt sie häufig, zu-
mal liebt er plusq. anstatt der perf. zu setzen, z. b*
destruxerat 373 , consumpserat 399; discesserat 378.
615; toleraverat 387; dixerat 404; gesserat 453. 497.
631; dederat 463; legerat 477; suggesserat 594; disces-
serat 615; decerpserat 625; conceperat 632; conspexe-
rat 686 ; recreaverat 1175 u. s. w. nicht anders steht
clausissem 407 für clauderem; dedisset 445 für de-
derit; umgekehrt praesumpserit 413 statt praesumpsis-
set. aullallend sind die prät. inf. assedisse jubet 295;
respondent se non potuisse invenisse 365; pugnasse vi-
deres 520; traxisse studerent 986; llexisse sategit l065;
conspicio te doluisse 1107; meruisse valerem 148; fue-
rat surnpsisse facultas 969; für assidere jubet, potuisse
invenire, pugnare videres, trahere studerent, llectere
sategit, conspicio te dolere u. s. w. verschiedne tempora
folgen aufeinander, z. b. 1142-46 sit, vellent, parent,
facerent, laterent; 201 dederunt, feruntur; 207 ruit et
spoliaverat. In allem dem blickt ein deutscher Verfas-
ser durch.
Was nun sein eignes latein betrift, so lassen sich
vorerst einige flickwörter nicht übersehen, die übermäfsig
oft wiederkehren: denique 93. 251. 290. 422. 852. 1162.
1244; forte 23. 35. 39. 218. 232. 254. 522. 549. 570.
577. 686. 1144.1369. 1381; fors 370. 607. 1095. 1234.
1272; forsan 679. 741. 811. denique meist im fünften
fufs (wie Virg. ecl. 2, 7) , einmal im vierten; auch fors»
forsan, forte erscheinen bei den classikern, nur spar-
samer und bedeutender, eundem 446. 516, eandem 779>
eadem 447, eosdern bringt der dichter gern in den vers-
schlufs. quamlibet — uamvis 726. 1379; quorz: quod 994#
Von andern ausdrücken mögen hervorgehoben wer-
den : domne! in der anrede 249. 1098. 1213, denn sonst
WALTHARIUS.
71
stellt dominus 258. 633. 1094; schwächer als dominus ist
senior, das zwar dem könig 574, dem bräutigam 1418,
aber auch den vornehmen 57 gegeben wird, in koste
mauere 1256 bezeichnet den bekannten fränkischen ge-
gensatz zu domi. maceratio 1344, subactio. migma 299,
fity/ia, eigentlich mischung überhaupt, hier vom ge-
tränk, die vulg. hat das wort Esai. 30, 24; vgl. Du-
cange s. v. nappa 308, trinkschale, unser napf, das
aber männlich ist und in der älteren spräche mit HN
anlautet, vgl. franz. hanap. osciüum 1127. 1141 ge-
braucht der dichter für osculum, in der classischen
Sprache ist es ganz etwas anderes: bewegliche larve,
gellecht an bäumen aufgehangen (myth. 49.) pietas 97.
146 gnade, herablassung. res et acta werden 115 ein-
ander zur Seite gesetzt, vgl. 144. sergia 147 gleichviel
mit servitia, wie auch B seivia liest; den sinn der verse
146-48 fasse ich so: es ist gnädig von euch, dafs ihr
meinen geringen dienst anselit, nie werde ich verdie-
nen können, dafs ihr euch meine leistungen so zu herzen
nehmt, mentis intuitu ferlis. Fischer will: mei sergia-
menti. sophista 104.605 ein weiser, verständiger mann,
ohne den nebensinn welchen wir heute mit sophist verbin-
den, vgl. Pertz 1, 364 und sophari (weise reden) 1266.
tallus 224 wieder trinkschale oder schale überhaupt, viel-
leicht unserm teller verwandt und dem mittellat. taliare,
tal. tagliare, franz. tailler, weil auf dem teller zerschnitten
wird, vassus 1311 dienstmann, vasall. wantus, handscliuh
1426. Substantivbildungen auf-amen, in andern diclitungen
des mittelallers sehr beliebt, hier nur zweimal: affa-
men 1174; cruciamen 819. wenig adj. fallen auf, modi-
cellus 331 findet sich schon in Suetons Nero 48, nach
einigen lesarten; auch oceanus 1133 hin und wieder bei
classikern. Verba: cavere 905. 929, 1331 dem streich
ausweiclien. coartari 273, coarctari, cogi; coartare 654*
72
WALTHARIUS.
1340 cogere, drängen, congaudere alicui 464. 470, sich
mit einem freuen; Tertullian: gaudete, et congaudele
mihi, vgl. ahd. epanvrewan. patrare 269. 799 gewäh-
ren, ausricliten, conficere. sequesirare 3 trennen, un-
terscheiden. suspendere 41, den zug einhalten, einstel-
len. transponere hamum 343, die angel einsenken; mu-
nera transponere 774, die gäbe (den geworfnen speer)
überführen, zurückschleudern.
Nicht wenige und schätzbare aufhellungen des al-
terthums ergeben sich aus dem gedieht *). Besonders
erscheint noch das kriegerleben in einfacher roheit.
Dem erlegnen feinde pflegt der sieger gewöhnlich das
an den locken erfafsle haupt abzuhauen (718. 753. 917.
939. 981. 1019); oder er setzt ihm den fufs auf den
nacken und heftet ihn mit dem speer, gleichsam dem Zei-
chen seiner gewalt, an den boden (844.) zwar ge-
mahnt dies pede collum pressit (843) an Virgils laevo
pressit pede exanimem, aber rapiens immania pondera
baltei (Aen. 10, 495), wo es also gebärde des waffen-
raubenden ist, während Walthari seine beute erst spä-
ter nimmt (1191.) eine dritte art der tödtung war mit
der goldspange zu erdrosseln: torquem collo circumdedit
aureum (1059), was an Hattos berühmte kette erinnert,
die stelle kann durchaus nicht von einer goldspange
verstanden werden, die der sieger um seinen eignen
hals gehangen habe. Den merkwürdigen gebrauch des
wiederanfiigens der todten häupter an die leichname wird
*) Fischer, der mit Eckehards und Geralds ansprüchen auf
die dichtung völlig unbekannt, sie sogar dem sechsten jh. zuzu-
sprechen wagte, hat in den anmerkungen seiner ausgaben, so wie
in einer besondern schrift über sitten und gebrauche der Europäer
im 5 und 6 jh. Frankf. an der Oder 1784 einen schwall gelehrte,,
und fleißiger erläuterungen zusammen getragen, die jedoch allzu
viel überflüssiges uud allzuwenig treffendes enthalten.
WALTHARIUS.
73
der auszug des gediclits hervorlieben. Die erscblagnen
wurden kostbarer waffenstücke beraubt, nicht völlig ent-
kleidet (207. 1191-94.) ihrer rosse sich alsbald zu be-
mächtigen säumte der Überwinder nie (780. 1169.) Wie
sonst das loos über gemeinschaftliche kriegsheute gewor-
fen wird, so läfst sich hier einer der fränkischen käm-
pfer, eh er Walthern angreift, dessen schild vom könig
zusichern (781. 798. 799. 840), gleichsam seinen tlieil
(sors 799) im voraus anweisen, auch in andern sagen
kommt vor, dafs räuber unter sich die waffen des bei-
den bereits austheilen, den sie überfallen wollen.
Blutrache 691. 701. 926. 951-54 und geheijs des
herrn treiben in die gefahr des kampfes. bei Hagauons
benehmen spricht der dichter seinen zweifei aus, ob es
gestaltet sei dem herrn zu zürnen, 633. das weist auf
die strenge des alten dienstverhältnisses. Ein Sachse,
der in der lieimat einen vornehmen erschlagen hatte,
war zu den Franken geflohen und in Guntharis dienste
aufgenommen 755-59.
Gold wird in ringen oder spangen dargeboten. Walt-
liari will dem könig, zur ehre und für freien durch-
zug, erst armillas centum de rubro metallo (613) über-
senden , dann die summe verdoppeln (662.) das sind
die gewundnen 4bouga9 des Hildebrandliedes, die ge-
schlofsnen 4beagas’ ags. gedichte (gramm. 4, 752. 963.)
einzelne armringe wurden auf der spitze des speers
dargereicht und empfangen *); viele zusammen aber in
den schild geschüttet: rutilo umbonem complebo me-
tallo (1264); der schild wog schätze und knochen ab
(PiA. 77. 78.) ‘manegen schilt vollen man dar Schatzes
truoc, er teilte es ane wage sinen friunden gnuoc bi
fünf hundert marken’ Nib. 316, d. h. als schon geldwä-
*) Lnchnianii über das Hiid. tied s. 40.
74
WALTHARIUS.
gen üblich war, wurde den Leiden noch nach allem
brauch gold auf Schilden ausgetheilt; vgl. Roth. 3046.
aber eine andere ermessung dargebotnen goldes, im sinne
des höchsten alterthums , soll uns das gedieht hernach
noch kennen lehren.
Einen eigentliümlichen ausdruck, obgleich nur les-
art von B, habe ich nicht tilgen dürfen: taliter in no-
nam conflictus lluxerat undam 1343 , der kampf wahrte
bis zur neunten welle, wobei auch fluxerat ("wogte) zu
erwägen ist. die übrigen liss. geben lioram, weniger
gut. der letzte kampf zwischen den dreien hatte früh-
morgens zur zweiten tagesstunde angehoben (1285), wie
hätte er, nach allem was davon erzählt wird, acht
stunden lang bis zur neunten, unsrer weise zu reden
gemäfs weit in den nachmittag, sich erstrecken sol-
len? jene redensart enthält eine viel kürzere, aber
dichterische Zeitbestimmung, welche abschreiber oder
nacharbeiter nicht mehr verstanden und mit einer ge-
wöhnlichen vertauschten. Die wellen halten dreischlag:
die dritte (tqixvjiucc) ist stärker, als die beiden ersten,
die sechste noch stärker, die neunte am allerstärksten,
daher decumanus fluctus *). es soll also dadurch die
Schnellheit des raschen Streites, nicht seine lange dauer
bezeichnet werden.
Waffen und rüstung. Der speer heifst hasla, lia-
stile, cuspis, lancea, contus. beiwörter: longa cuspis
931; nodosa basta 888; coruscans liasta 542 (hastam
coruscat Virg. Aen. 12, 431); contus ferratus 964; fra-
xineum hastile 1295 (eschiner Schaft); hasta amica 921;
inaligera hasta 1287 (vgl. vulnigera ulna 1389.) fraxinus
•) Ovid. Trist. I. 2, 49.
qui venit hic fluctus, fluctus supereminet omnes :
posterior nono est, undecimoque prior.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
W ALTHARIUS.
75
et cormis ludum miscebat in unum 186, die namen der
bäume für die aus ihrem holz gefertigten speere; legt
liier der dichter dem einen heer schäfte aus fraxinus,
dem andern aus cormis bei? auch 771 wird gerade die
ferrata cornus dem Sachsen zugetheilt, und sie ist mit
einem amentum ausgestattet, dessen sonst bei dem speer
keine meldung geschieht. Virgil hat itala cornus Aen. 9,
698. stridula cornus 12, 267. der tridens triplici fune
983 ist ein besonderes wurfgescliofs, das mehrere zu-
gleich handhaben. Schwert: ensis, spata, mucro, clia-
lybs. ensis gemmatus 1314; zweischneidig und an die
linke hüfte gegürtet 336, verschieden von dem ein-
schneidigen, klinischen, an der rechten Seite hängenden
lialbschwert337. 1390; vgl. 1430. framea 1016t. ist gleich-
bedeutig mit Schwert, nicht mit hasta, vgl. Auguslini epist.
120,16. denliaft des Schwerts ziert kunstreiche arbeit 1379,
jenes gemmatus läfst sich auf ihn beziehen, oder auf die
scheide, viridis aecles 1036 in einer interlinearglosse
von C und E wird vagina *) gedeutet, und A hat ensis5
ich nehme es lieber für das grüne gras , die ulva viri-
dis, worin Waltliari (922) sein scliwert liegen gelassen
hatte, welches nun der waffenlose Trogus beim nieder-
knien auffindet **)• Als Gerwigs eigentliümliche waffe
erscheint die zweischneidige, kurze axt (918. 931) und
die bemerkung des dichters 919: ‘istius ergo modi
Francis tune arma fuere’ drückt seinen abstand von der
zeit der begebenheit aus. Schild: scutum, clipeus, par-
ma, pelta. triplex 668; septemplex 733 (Aen. 12, 925);
gravis parma 539; parma picta 798; taurino contextum
*) aedes pegma ligneuin, Sueton. Caes. 8 t.
**) unterdessen hatte sich Walthari seines zweiten Schwerts
bedient; freilich ist vacuare ungewöhnlich gebraucht, das finden
sollte mehr hervorgehoben sein, und Trogus sagt 1043 inucronem
nun t rum.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
tergore lignum 776 ; pellis superaddila ligno 1035. le-
gem ein ,
seplemplex führt sich auf das homerische caxos L<in;a-
ßoeiov zurück, umbo ist das in des Schildes mitte vor-
ragende, daher von pelta unterschieden 995 ; clavus
umbonis 814, die handhabe aus elfenbein 815. Helm:
cassis, galea; fabrefacta 1372. Harnisch: lorica, tliorax,
tunica ahena 1016; tunica trilix 263 (trilix lorica Aen*
3, 467. 5, 259. 7, 639.) Gürtel: halteum 1193; span-
gen armillae 1193; halsspange torques 1059. bullae H93
sind wol zierrat, der an Spange oder gürtel hängt?
(bullis aurea cingula Aen. 9, 359; notis cingula bullis
fulserunt 12, 942.) phalerae erscheinen am pferd: ca-
ballus faleratus 1063; faleris circumdedit sonipedem
329 (phaleris insignem equum Aen. 5, 310.)
Klang und schall werden hervorgehoben : dant lin-
nitus galeae clipeique resultant 828; dedit (galea) re-
sultans tinnitus 714; dant sonilum, ceu quis gemmis
illiserit aurum 462. auch das ist altepisch: sonilum dat
stridula cornus Aen. 12, 267. lute erklang ir gewant
Nib. 435, 4. ferrata sonum claret ungula equorum 1203;
horten liiieve klalfen Nib. 1541, 2.
Der fliehende wendet den schild, und läfst dem
ros die zügel 202 (laxae liabenae Aen. 1, 63.) auf dem
schild ruht der müde: clipeo recumbens 1176; auf den
speer stützt sich der wachende 1184. Schreitet der an-
greifende vom pferde, so thut es auch der angegrifne
1283, damit der kämpf gleich sei; es gilt für edel und
gerecht, den streit nicht anzuheben, noch den frieden
zu brechen, 702. 1287. 1288. Der sieger kehrt be-
kränzt heim 209; hornblasen ruft, die häufen zu-
rück 208.
Die beiden prahlen, spotten und schelten. den frauen
rühmen sie ihre tliaten: ne fiat ista tuae de me jactan-
'
WALTE! ARIUS.
77
tia spcmsae 980; sponsa ist brüt, fr an, ehfrau; rediens
uxori dicere 562. ein schmählich besiegter wird öffent-
lich ausgezischt 1086. vorwurf der zagheit und abkunft
i von feigen lafst sich schwer verschmerzen 630. 1067.
Walthern nennen seine gegner trügerischen waldgeist
762. 763 und schlänge 790; leibliche Verstümmlung
wird alsogleich aufgerückt, kaum sind ihm einige locken
vom haupte gehauen, so schilt ihn der nächste kämpfer
kalilkopf 991, und Hagano, nach dem verlust seines
auges, wird der scheele angeredet, rauh, aber treflicli
gehalten ist die letzte wechselrede beider hauplhelden.
selbst der besiegte und sterbende stufst Schmähungen
aus 1055; andere jedoch flehen 718. 751.
Hildburg, Waltharis verlobte, erscheint treu und
unterwürfig, dem ermatteten bereitet sie labetrank 223,
und schaut ihn schweigend an; seine liebeserklärung
nimmt sie erst als spott auf. aber sie gehorcht seinen
* befehlen anstalt zur flucht zu treffen, und lenkt das mit
ihm zugleich bestiegne ros. sie wacht über dem in ihren
schofs gelagerten 504; und will von dem geliebten ge-
tödtet sein, um nahenden feinden nicht zur beute zu
werden. unter dem kampf bleibt sie abseits stehn;
als ein speer vor ihren füfsen in die erde fährt, erzit-
tert sie weiblich aufschreiend. nachts übernimmt sie
die erste wache 1180 und erschrickt vor der verfol-
genden geräusch 1209. zuletzt kredenzt sie den wein
und bindet die wunden. Merkwürdig ist auch, dafs
Walthari sich eine braut unter den vornehmen huni-
schen gesclilechtern aussuchen und von Attila ausgestat-
tet werden soll (136-139); ganz nach den byzantini-
schen und fränkischen ehgeboten (RA. 436. 437.)
Den freundesbund zwischen Walthari und Hagano
schildern die verse 1251-58 rührend : tui facies patris
obliviscier egit (dich anschauend vergafs ich des eignen
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
78
WA LTHARIUS.
Vaters) sagt jener, sie waren Llutbriider (RA. 118. 192);
denn 1444 heilst es : bis dictis pactum renovant iterato cruen-
tum, wiederholt war ihr blut im gegenseitigen, zuletzt
versöhnenden kämpfe geflossen , wie es den ersten ein-
gang des bundes bekräftigt hatte.
Viele dieser brauche reichen offenbar in das liei-
denthum. des christlichen, von dem dichter liinzuge-
thanen , ist nur wenig; ich rechne dahin das bekreuzen
des dargereichten weinbechers 225 (aber auch die Hei-
den machten dabei ihr liammerzeichen); das venie fal-
len nach dem aussprechen trotziger worte (corruit et
veniam petiit) 565; das gebet für die getödteten feinde
1160; des Tanastus ausgestofsnen todesseufzer sähe!
eine abschiedsformel 1053, wenn man nicht lieber saha!
lesen will, gleichsam: Christus rette meine seele! ave!
scheint unpassend, und schon des kurzen vocals der
ersten silbe wregen verwerflich.
Weiteren betrachtungen, welche ich über die dich-
tung von Waltharius anzustellen habe, will ich eine
ausführliche inhaltsanzeige voraussenden.
Die mächtigen Hünen, unter dem siegreichen Attila,
andere Völker bezwingend und sich zinsbar machend, X
begannen über die Donau an den Rhein gegen die
Franken, an die Saone und Rhone gegen die Burgun-
den, von da weiter nach Aquitanien vorzudringen.
Gibicho der fränkische könig berschte zu Worms, He-
ririch der burgundische zu Chalons (an der Saone),
Alpharis, des aquitanischen , hauptstadt (Bourdeaux?
Toulouse?) bleibt ungenannt, alle diese reiche zogen
dem kampf freiwillige Unterwerfung vor, gaben zins
und geisein. Da Gunlhari, Gibichos sohn, allzu jung
war, so wurde Hagano von Troja vergeiselt; von bur-
gundischer seite Hiltgund, die künigstochter, aus Aqui-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
79
tanien Walthari, der königssohn *). Froh solcher beule
kehrten die sieger nach Pannonien heim.
Die geisein, freundlich gehalten, wüsten sich bald
in Attilas gunst festzusetzen. Ospirin, die königin, ge-
wann Hiltgunden lieb, und die gefangne erlangte zu-
letzt das amt einer schatzmeisterin. Hagano und Wal-
thari ragten in kriegszügen hervor. Unterdessen war
Gibicho gestorben und Gunthari nachgefolgt; dieser
löste alsobald das hunisclie bündnis und weigerte den
zins. Hagano, kaum davon benachrichtigt, entfloh aus
der gefangenscliaft.
Seine flucht erweckte Ospirins besorgnisse; sie er-
mahnt ihren gemahl auf Wallhari zu achten, er möge
suchen ihn durch die heirat mit einer hunischen für-
stentochter zu fesseln. Walthari, als es Attila ihm vor-
schlägt, weicht klüglich aus, unter dem vorwand dafs
er vermählt herrndienst im kriege versäumen müsse.
Nicht lange nachher bricht wieder ein krieg aus,
welchen Waltharis tapferkeit entscheidet. Der rück-
kelirende sieger stöfst in des königs gemach auf Hilt-
gund allein, und läfst sich von ihr den becher reichen,
da entspinnt sich zwischen ihnen ein trauliches ge-
spräch: beide wüsten, dafs ihre väter sie ehmals ein-
ander verlobt hatten. der bund wird erneut, die
Schmach der knechtschaft erwogen und gemeinschaft-
liche flucht verabredet. Hiltgund solle aus dem könig-
lichen schätz kostbare stücke der rüstung nehmen, zwei
mäfsige Schreine jeden so schwer mit Spangen füllen,
dafs sie ihn kaum bis zur brust aufheben könne5, dann
acht paar schuhe hinein, und oben auf bis an den
rand gefäfse legen **), aufserdem beim schmied krumme
*) ibant legati totis gladis spoliati 64; im demütigen aufzug
unterworfner.
**) die entwendung dieser schätze halten wol beide fliehende
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
80
WALTHARIÜS.
angeln bestellen, weil sie auf der reise von gefangnen
fischen und vögeln zehren müsten.
binnen acht tagen
soll ein grofses gelage, und der gaste trunkenlieit die
flucht begünstigen.
So wird es ausgeführt. Als alle Ilunen, vom weine
schwer, ihrer sinne unmächtig waren, zog Walthari
ein köstliches ros aus dem stall, legte ihm beide Schreine
über, und schwang sich, vollgerüstet, mit der Jung-
frau, auf dessen rücken. Hiltgund lenkt die zügel und
hält die fischergerte in der hand, der held selbst ist
mit Waffen belastet, weil er allenthalben kampf ahnt.
Sie fliehen bei nacht, bergen sich tags im dunkel
der walder, meiden bewohnte statten und gebautes
land, auf umwegen ziehen sie über bahnlose gebirge.
Unterdessen erwachten die trunknen und gewahr-
ten der entweichung. Ospirin war untröstlich und At-
tila verhiefs jedem, der ihm Walthari gebunden zurück
führen würde, schätze von geld. Dies wird 405-7
nach der sinnlichen weise alter compositionen (RA.
670-673) so ausgedrückt: ich will ihn mit geläutertem
gold bekleiden und, wenn er aufrecht am loden steht,
von beiden seiten so mit gold beladen, dafs ihm da-
durch der weg ganz gesperrt sein soll *). ‘vivo’ heifst
es, im gegensatz zu dem leichnam, der sonst auf solche
weise, zur büfsung der schuld, mit gold zugedeckt und
darum für rechtlich, weil sie darin eine Wiedererstattung des ih-
rem Vaterland abgedrungnen zinses sehn. Aus gleichem grund
scheint nachher Gunthari anspruch zu erheben auf Waltharis schätz,
in welchem er noch einen hunischen erblickt.
’) Hervararsaga (Rafn p. 494): mun ek thik sitjanda silfri
maela en gdnganda thik gulli steypa, svä d vegu alla velti bau-
gar. die stelle ist schon RA. 677 beigebracht und erläutert unser
gedieht vollkommen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
YVALTHARIUS.
81
zugestellt wird. Keiner fand sich, der diesen goldhau-
fen zu verdienen lust hatte.
Walthari lockte die wilden vögel mit leimruthen
und gespaltnen hölzern, an krümmungen der fliisse
senkte er seine angel in die flut, und so wehrte er dem
hunger. Am vierzehnten tag erreichten die flüchtlinge
abends den Rhein bei Worms, dem königssitz, da gab
Walthari dem schilfer zum fahrgeld vorher gefangne
fische, diese fische trug des andern morgens der feige
dem küchenmeister hin, der sie wiirzte und dem könig
vorsetzte. Verwundert rief Gunthari, dafs Frankreich
keine solche fische kenne. der koch wies an den fer-
gen, der ferge erzählte von dem stattlichen beiden, der
glänzenden jungfrau, die des weges gekommen, und
von dem starken rosse, auf dessen rücken zwei Schreine
erklungen seien: der habe die fische zum fahrgeld ge-
geben. Da rief Hagano: Walthari, mein geselle, kehrt
heim von den Hünen, da rief Gunthari: der schätz,
den mein vater dahin entsandte, der kehrt heim. Also-
bald hiefs er seine mannen sich rüsten und, wie sehr
auch Hagano entgegenstrebte, den beiden verfolgen.
Walthari, nach dem Rheinübergang unablässig fort-
eilend, hatte am folgendenabend den Wasiclienwald er-
reicht. da ragen zwei berge dicht aneinander, zwischen
sich eine enge, anmutige Schlucht bildend, oben vom gipfel
der felsen überwölbt: eine hole für räuber, mit grünem
grase bewachsen, ‘dahin, rief Walthari, lafs uns gehn, den
müden leib in dieser bürg erquicken!’ seit der flucht aus
Hunenland hatte der held keinen andern schlaf gekostet als
zu pferde über den scliild gelehnt, und kaum die au-
genlieder geschlossen. Jetzt das schwere streilgewand
ablegend streckte er sein haupt in den schofs der jung-
frau, und sprach: ‘schaue wachsam umher, Hildgund,
und siehst du eine dunkle Staubwolke steigen, so wecke
6
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
82
WALTHARIUS.
mich sanft auf, doch nicht rasch, nahe gleich ein grofser
häufe; weit durchspähen deine reinen blicke rings die
gegen d.’ Er schlofs die leuchtenden äugen und genofs
der ersehnten ruhe.
Gunthari spur im sand gewahrend spornte sein ros:
‘eilt, dafs wir ihn fallen und ihm die entwendeten
schätze abnehmen.’ ‘nicht so leicht,’ versetzte Hagano,
’wiirde das abnehmen dich dünken, hättest du, wie
ich, ihn streiten und erlegen gesehn.’ doch der könig
war nicht abzulenken und sie nahten jener felsenburg.
Vom gipfel des bergs erblickte Hildgund staub sich
erheben und reiter nahen; leise berührte sie den schla-
fenden, der sein haupt aufrichtete. ‘fernher schwebt
eine schar’, sprach die jungfrau. Walthari rieb die äu-
gen , wafnete seine glieder und schwang den speer in
der luft. erschreckt, als sie von weitem die spiefse
glänzen sah, rief das weib: ‘da haben wir die Hünen!’
und zu boden fallend: ‘o ich flehe dich, herr, lafs
dein Schwert meinen hals durchschneiden, dafs, die
ich dir nicht vermählt werden soll, kein andrer mich
berühre!’ ‘ferne sei’, sprach der jüngling, ‘dafs schuld-
loses blut mich beflecke; lege alle furcht ab, der mich
aus so manchen gefahren rettete kann auch fcdiese feinde
niederwerfen. Nicht Hünen, Franken Nibelungen sind
es, die hier im lande wohnen’, und Haganons heim
erkennend fügte er lachend hinzu ‘hier ist Hagano,
mein alter geselle!’
Bei diesen Worten nahm er seinen stand am ein-
gang der hole höher, Hildgund blieb weiter hinten
stehn, ‘vor diesem tlior rede ich das stolze wort: hin-
nen soll kein Franke heimkehren und seiner frau sagen
können, dafs er ungestraft etwas von meinen schätzen
weggetragen habe.’ gleich aber venie fallend bat er
gott diese worte ab. dann richtete er sich auf und
WALTHARIUS.
83
betrachtete sorgfältig sie alle: ‘unter diesen fürchte ich,
Hagano ausgenommen, keinen, der kennt meine kampf-
sitte und weifs listen genug; weiche ich ihnen aus, so
hast du nichts, o Hildgund, für deinen brautigam zu
befahren.’
Als Hagano jenen vor dem felsenthor stehn sah,
drang 'er den könig abzulassen und wegen des Schatzes
friedliche mittel zuversuchen. Da entsandte Gunthari
den Gamelo, der erst tags zuvor von Metz gekommen
war und gaben an den hof gebracht hatte.
Gamelo sprengte nach dem jüngling und fragte:
‘wer bist, wannen kommst und wohin gedenkst du?’
Walthari: ‘erst will ich wissen, ob du von selbst nahst
oder ein andrer dich sendet?’ ‘wisse, dafs Gunthari,
der mächtige könig mich geschickt hat zu fragen.’ ‘ich
aber weifs nicht wozu es notli ist wandrer auszufor-
schen: Walthari lieifs ich von Aquitania, als knaben
gab mich mein vater zu geisel, in Hunenland lebte ich,
jetzt entwich ich und kehre zur theuren heimat.’ ‘dich
heifst der könig das ros mit den Schreinen und die
jungfrau herausgeben, dann wird er leben und glieder
dir lassen.’ ‘thoren gleich redest du; ein könig, den
ich nicht kenne, sagt mir zu, was er nicht hat und
nicht haben wird, ist er ein gott, dafs er mir leben
gewähre? haben seine bände mich ergriffen? hält er
mich gefesselt? doch höre, will vom streit er abstehn,
geb ich ihm hundert goldrothe Spangen; dem königs-
namen zur ehre.’
Gamelo hinterbringt das erbieten, Hagano rätli zur
annahme, ihm ahnt sonst Unheil. er enthüllt seinen
nächtlichen träum: der könig hatte einen bären zu be-
stehn, der ihm ein bein bis zur liüfte abrifs und dann
dem zu hilfe eilenden Hagano ein äuge mit den zähnen
ausstach. Da schilt ihn Gunthari: ‘du artest deinem
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
84
WALTHALIIUS.
vater nach! auch Agathi trug ein zages herz in der
brust und weigerte sich, nach langem gerede, des kam-
pfes.’ Zürnend antwortete der held : ‘ihr seht ihn ja
vor äugen, bestreitet ihn, ich will des ausgangs harren
und sage mich los von der beute.’ Nach solchen Wor-
ten ritt Hagano abseits auf einen nahen büliel, stieg
nieder und schaute zu.
Zum andernmal entsandt begehrt Gamelo Waltha-
ris gesamten schätz. ‘ wie’ versetzt der held ‘habe ich
ihn euerm könig gestolen ? oder hat er mir geld geborgt
dafür ich so ungeheure zinsen zahlen soll? ist von mir
euer land geschädigt worden? doch es sei, um friedli-
chen durchzug will ich zweihundert Spangen geben.’
‘du wirst mehr müssen! gewähre die forderung oder
verlier dein leben.’ bei diesen Worten nahm Gamelo
den dreifältigen scliild auf den arm, schüttelte seinen
speer und warf. Walthari ausbiegend liefs des gegners
gescliofs unnütz in den boden fallen, ‘wolan, wenn es
so sein soll!’ und entsandte seinen speer, der die linke
Seite des Schilds traf, Gameions liand, die eben das
schwert ziehen wollte, durchbohrend an die liüfle hef-
tete und in den rücken des rosses drang, dies, ver-
wundet, strebte seinen reiter abzuschütteln, welchen
der speer festhielt. Gamelo liefs nun den Schild nieder
und suchte mit der linken die rechte zu ledigen; da
stürzte Walthari heran , stiefs ihm das schwert in den
leib und zog es zugleich mit dem speer aus den wun-
den. mit einem mal sanken das ros und sein herr
zusammen.
Diesen fall schaute Gameions neffe Gimo, den an-
dere auch Scaramund nennen, alsogleich erhob er sich
mit beiden händen den speer schwingend. Walthari
stand unerschrocken, ‘mir’ schrie der unseelige Scara-
mund, ‘sollst du keinen schätz ausliefern, sondern des
WALTHARIUS.
85
tlieuren oheims leben büfsen.’ ‘kann ich überführt
werden, des kampfs beginner zu sein und solche be-
gegnung zu verdienen, so möge dein speer mich durch-
bohren.’ Da flogen Scaramunds beide speere hinter-
einander, den einen mied, den anderen schüttelte Wal-
thari ab von seinem schild. Nun zog Scaramund sein
Schwert und schlug nach dem helden, dessen fester
heim widerstand, eh Scaramund wenden konnte hatte
Waltharis lanze ihn unter das kiim getroffen und aus
dem sattel gehoben, den sterbenden enthauptete der
held.
Gunthari trieb an, durch fortgesetzten kampf ihn
zu ermatten. Werinhard trat auf, speerwurf verach-
tend, köcher und pfeile tragend, gegen welche der held
sich mit siebenfachem scliilde deckte; als die pfeile ver-
gebens entsandt sind, greift Werinhard zum Schwert:
‘kannst du luftigen geschossen klüglich entgehn, so fühle
den schlag meiner rechte.’ ‘darauf wart ich lange, dafs
dem kämpfe sein recht geschehe.’ "Waltharis speer trift
des rosses brust, das sich bäumt, seinen träger ab wirft
und über ihn herstürzt, jener naht, entreifst ihm ge-
waltsam das Schwert, zieht den heim nieder, fafst die
blonden locken, und haut dem fruchtlos flehenden das
liaupl ab.
Drei leichname schrecken nicht Gunthari; sein
vierter kämpfer erscheint, Eckefrid von Sachsen, der
einen vornehmen mann erschlagen und aus seiner hei-
mat die flucht ergriffen hatte, als dieser den helden
kampffertig stehn sieht, ruft er ihm zu : ‘ist auch be-
rührbar dein leib, unseliger, oder teuschest du durch
luftgebilde? ein schrat scheinst du mir, der in Wäldern
hauset.’ ‘und du’, antwortet Walthari hohnlachend,
‘dich verräth deine welsche spräche, trügerischem volke
entstammst du; doch wa du dich näher und erreicht
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
86
WALTHARIUS.
dich meine rechte, so kannst du einmal den Sachsen erzäh-
len, dafs im Wasichenwald ein schrat dir erschienen sei.’
‘ich wills versuchen, was du bist’ sagt Eckefrid, und
schleudert die eisenbeschlagne lanze, welche gebrochen
vom harten Schilde am riemen zurückfährt. Walthari:
‘dies dein geschenk sendet der waldschrat dir wieder;
sieh nun zu, ob mein geschofs besser durchdringe!’ *)
den hautbedeckten Schild spaltet der speer, zerreifst das
ge wand und sitzt fest in der lunge. Eckefrid stürzt
und vergiefst einen ström von blut, sein pferd wird
von Walthari gefafst und hinten auf die weide getrieben.
*) in den versen 760-774 ist die bestimmung der redenden
schwierig, und dafs schon abschreiber zweifelten, ergibt die Ver-
schiedenheit der lesart zu 760. meine annahme gründet sich da-
rauf, dafs W. an seinem felsen stehend die kämpfer herannahen,
sich von ihnen anreden und angreifen läfst, eh er antwortet und
zur wehre schreitet, dem E. konnte W. im Vosagus als geister-
hafte erscheinung Vorkommen und v. 774 nennt er sich selbst ei-
nen waldschrat, celtica lingua ist wol nichts anders als welsche,
unverständliche, das muste für W., der blofs mit Franken ver-
kehrt hatte, die sächsische spräche sein, auch scheinen die worte
propius venientem (767) nur auf E., dextera nostra blofs auf W.
bezüglich. Wäre umgekehrt hunc ubi Waltharius recht, und be-
gänne W. das gespräch, so hätte man vorauszusetzen, ihm sei E.
als verbannter waltgengo faunisch erschienen, oder als wilder
Sahse (Gudr. 366, 4, 5003, 4. Lohengr. 150 vgl. feroces Saxo-
nes Pertz 2, 367, doch Franci feroces Pertz 1, 282. kündic alsein
Sahse, Amis 1043.) aber W. kannte von allen kämpfern Guntha-
ris allein den Hagano, wie hätte er, bevor E. noch ein wort ge-
redet, ihn als Sachsen erkannt? etwa nur an der ferrata cornus?
und wie soll celtica lingua auf den Aquitaner (Wascen) gehn, des-
sen und Alpharis name, so wie die Verbindung mit Hildgund ge-
nug zeigen, dafs die sage ihn als einen Deutschen betrachtet?
der mit den Franken wie mit dem Sachsen deutsch redet? 767-
769 dürfen nicht in E. mund gelegt werden ; wie könnte er dem
W., der gar nicht zu Sachsen gelangt, zumuten, von ihm, wenn
ihn das fantasma bezeichnen soll, den Sachsen zu erzählen ?
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
87
Ha da wart, der fünfte, nachdem er sich vom künig
des gegners Schild erbeten hat, läfst seinen speer den
gefahrten, und baut allein auf des Schwertes schärfe,
die leichen sperren ihm den Zugang zum feinde, kein
ros kann darüber, da springt er ab und kommt zu
fufs. Walthari lobt den mann, der ein gleiches ge-
fecht eingehe, ‘du schlaue schlänge’ ruft Hadawart,
gescliofse und pfeile fehlen dich, gleich der natter liegst
du im kreise, wähnst du auch dem schlage auszuwei-
clien, den dir meine rechte führt? soll ich dir rathen,
so lege deinen gemahlten Schild ab, der mir vom könige
zugetheilt wurde; ich möchte ihn nicht geschädigt sehn,
so wol gefällt er meinen äugen. ergienge es aber an-
ders, unterläge ich dir, so stehn hier gefährten und
freunde, die dich nimmer entrinnen lassen und wan-
deltest du dich in einen gefiederten vogel.’ ‘meinen
Schild,’ erwidert der held, ‘lasse ich nicht, er hat mich
oft geschützt, und was er mir heute frommt, wirst du
sehen *), du selbst würdest nicht mit Walthari reden,
wenn er weg wäre.’ ‘sorge nur deinen gegner dir ab-
zuwehren, damit nicht meine rechte dir deine schutz-
wehr der felsenwand benehme.’
deiner linke fingern den Schild fest zu halten.’
du aber trachte mit
Ecke-
*) liier steht man wieder und noch mehr an, von 810 bis
820 den Wechsel des gesprächs zu ordnen und dessen sinn zu fas-
sen. schon 811 ist nicht recht verständlich, wenn auch ‘forsan
abesset’ bedeuten kann: si forte abesset, denn sollte nicht H. den
kampf auch abgesehen vom Schilde, dessen besitz er sich freilich
wünscht, bestanden haben? die zeilen 812 ff. der einredenden
Hildgund beizulegen scheint unmöglich; zwischen beiden helden
mag dramatisches gespräch, ohne wiederholte nennung der namen
gelten, die jungfrau aber, wenn ihr die kampfsitte einmischung
erlaubte, hätte nothwendig vom dichter genannt werden müssen,
vielleicht mangelt ein vers oder mehrere, doch keine hs. hat hier
usätze oder lücken,
I
88
W ALT H ARIUS.
frid: ‘was da freiwillig weigerst, wirst du gezwungen
tliun ! lege ab die last, die du von den Hünen bis hier-
her so weite wege hindurch getragen hast, nicht nur
den Schild, auch das ros mit der jungfrau samt allem
golde sollst du uns ausliefern.’
Nach diesen reden beginnt der heftigste kampf, von
Hadawart mit dem scliwert geführt, von Walthari mit
dem speer. Höher steigt der Wormser das schwerl er-
hebend, ein gewaltiger streich soll entscheiden. doch
der jüngling fangt ihn auf und schlägt ihm die klinge
aus der hand , fern im gestiauche schimmert sie. da-
hin flieht Hadawart, wird aber von Walthari eingeholt,
dessen beide liände den speer schwingen, ‘wohin fliehst
du? da nimm den scliild!’ ruft der held und schlägt
ihn nieder. Walthari setzt ihm den fufs auf den nacken,
sein speer heftet scliild und leib des gefallnen an die
erde.
Der sechste naht Patafrid, Haganons scliwester-
sohn. ‘wohin rennst du, neffe?’ ruft ihm Hagano ent-
gegen, ‘siehst du den Tod nicht lachen?’ allein der
ruhmsüchtige jüngling verachtet die mahnung. Da weh-
klagt Hagano ob des unersättlichen geizes, der die inen-
schen ins verderben stürze, und vergiefst thränen über
den unglücklichen nelfen. Diese klage des alten freun-
des dringt durch die ferne zu Waltharis obren, und ge-
rührt redet er den kühnen jüngling an, abzustehn vom
streit, ihm durch seinen tod nicht noch mehr feinde zu
wecken, ‘was kümmert dich mein sterben? ficht und
rede nicht!’ Patafrid schleudert den speer, welchen
Waltharis speer abschlägt; des Wurfes gewalt und die
kraft des windes trug den Schaft weiter fort bis in die
bürg zu den füfsen der jungfrau, von furcht bewegt
schrie sie weiblich auf, doch bald sich erholend schaute
sie, ob der hehl lebe. Nochmals ermahnte dieser den Fran-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
89
keil abzulassen. Patafrid aber entblüfsle das Schwert
und grif an in unvorsichtiger wut, so dafs Walthari
sich schirmte und jener hiustürzte und vergebens zu
wehren suchte, ihn traf des beiden speer.
Diesen zu rächen gelobte Gerwig, dessen mächti-
ges ros über alle leichen sprengte, die den engen steg
sperrten, eben als der krieger des erlegten haupt vom
rümpfe trennte warf schon Gerwig die zweischneidige
fränkische axt; der schnell vorgelialtne Schild vereitelte
den streich, zurücktretend grif Walthari seinen speer
und steckte das blutige Schwert ins riedgras. keine
reden wurden unter beiden kämpfern gewechselt; der
eine wütete seine erschlagnen gefährten zu rächen, der
andere strebte sein leben zu vertheidigen. Zuletzt er-
sah es Walthari, dafs er Gerwigs scliild hob und ihm
das eisen in den leib stiefs; das haupt schnitt er ab
und liefs den rümpf liegen. Dieser Gerwig war ein
graf des wormser gaues.
Nun erst zauderten die Franken und baten ihren
lierrn einzuhalten. Gunthari hingegen: ‘eh will ich
sterben, als so rühmlos nach Worms zurückkehren;
soll dieser siegreich entrinnen? auf, meine lielden, das
vergossene blut zu sühnen! ’ Diese worte entflammten
alle und einer suchte dem andern in den tod, wie in
ein spiel, voran zu eilen; doch der schmale Steg ge-
stattete immer nur zwei Streiter.
Unterdessen sie zögerten hatte der ruhmvolle held
seinen heim abgenommen und an einen bäum gehängt,
in der luft sich zu kühlen, da stürmte auf schnellem
rosse Randolf heran und traf mit schwerer eisenstange
Waltliaris brust. hätte das wielandische geschmeide
nicht widerstanden, so wäre das holz eingedrungen,
doch er fafste sich und hielt den schild vor, den heim
zu nehmen war keine zeit, der Franke aber hatte
90
WALT EI A RI LJ S.
das scliwert gezogen, nach dein scheitel gehauen und
zwei locken abgeschoren'; sein zweiter hieb drang so
fest in den Schild, dafs er mit aller macht den stahl
nicht wieder lösen konnte, dem blitze gleich sprang
Walthari rückwärts und wieder auf den Franken los,
den er zu boden drückte und die brust ihm tretend
anrief: ‘für die glatze nehm ich dir den scheitel, dafs
du deiner braut nicht von mir prahlest!’ bei diesen
Worten trennte er des flehenden haupt.
Neunter kämpfer war Helmnot, der einen drei-
zack schleppte an dreifachem seil, welches im rücken
stehende geführten hielten, so dachten sie, wenn die
geworfnen haken im Schilde fest säfsen, alle zugleich
zu ziehen und den beiden nieder zu strecken. Helm-
not warf: ‘unter diesem eisen, kahler, findest du den
tod!’ Gleich der schlänge, die sich von hohem bäum
herab wirbelt, fuhr das glänzende geschofs und zer-
rifs den nagel des dröhnenden Schildes. Der wald er-
schallt von der seilziehenden Franken gesclirei, selbst
Gunthari hat mit hand angelegt. Unerschüttert, wie
der eschbaum, steht Walthari; sie streben ihm wenig-
stens den Schild abzureifsen.
Die namen der ziehenden sind: Eleuther der
neunte, auch Helmnot genannt, Trogus von Strafsburg
der zehnte, Tanastus von Speier der eilfte, und der
könig, weil Hagano abgieng, ersetzte den zwölften.
Während diese vier tobend sich abmühten, entbrannte
der held in zorn, baarhaupt, auf rüstung, speer und
Schild vertrauend , griff er zuerst den Eleuther an, und
spaltete ihm heim und nacken. Dann überfiel er Tro-
gus, welcher im unseligen seil verwickelt, umsonst zu
fliehen und seine waffen zu holen trachtete, denn alle
seilziehenden hatten speer und schild abgelegt. Wal-
thari hieb dem lliehenden die waden ab und fafste des
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
r
WALTHARIUS. 91
Trogus Schild, eh er ihn ergreifen konnte, der wunde
und wütende ersah sich einen Ungeheuern stein, den
er auf Walthari schleuderte und damit seinen eignen
b schild von oben bis unten spaltete, kniend aber fand
Trogus im grase das Schwert (v. 922) und zog es aus
der grünen behausung, heifsmiitig schwang es die lüfte?
konnte er durch thaten keine mannheit beweisen, offen-
barte er sie doch in herz undmund. und als er keine
geister lachen sah*), da rief er kühn: ‘o dafs ich einen
schild oder einen treuen freund hatte! zufall nicht
tapferkeit gab dir den sieg, hole dir zum schild auch
die klinge!’ ‘ich komme’ sprach Walthari, flog her-
zu und hieb die rechte des hauenden ab. Eben sollte
ein zweiter streich der scheidenden seele das thor cif-
nen, als Tanastus, der, gleich dem könig, die Waffen
* wiedererlangt hatte, erschien und mit vorgehaltnem
schild den gefährlen schützte. Unwillig wandte sich
der held gegen ihn, rifs ihm die Schulter von oben ab
und öfnete die seite. mit lautem schrei stürzte Tana-
stus, Trogus aber stiefs bittere Schmähungen aus. ‘stirb
rief Walthari, ‘ und melde deinen gesellen, wie du sie
gerächt hast’, sprachs, und drückte ihm die goldspange
um den hals, da lagen beide freunde hingeslreckt in
dem staub.
Seufzend schwingt sich der könig aufs ros und eilt
► *) nec manes ridere videns ABC 1040; unhaltbar ist ma-
nens I. lachten die geister nicht? oder sah er nicht dafs sie
lachten? gaben geisterhafte wesen, vielleicht die seelen abge-
schiedncr, Zuschauer ab bei kämpf und gefecht? bedeutete ihr
lachen heil oder unheil? merkwürdig stimmt das lachen der gei-
ster im zuge des nordischen Gurorysse (myth. 531.) manes sind
bei N, unholdon, vgl. Mart. Cap. 53: manibus refutatis, dien
unholden ferworfenen; mnnium, dero unholdon goto.1 Auch von
* dem Tod hiefs es 850 : qualiter arridet, in unheilsvollem sinn.
92
WALTHARIUS.
zu Hagano, ihn endlich zum kampf zu bewegen, ‘mich’
sagt dieser ‘hindert der ahnen rühmloses geschlecht,
mir hat das kühle blut den mut genommen : mein va-
ter erblich, wenn er speere sah, und schlug mit vielen
reden den streit aus. als du dies, könig, unter dei-
nem gefolge prahltest, war meine hilfe deiner unwür-
dig’. Da drang Gunthari in ihn mit erneuten bitten,
nimmer verwinde Frankreich solchen schimpf, zischend
werden die Franken sagen, von einem einzigen unbe-
kannten sei das ganze beer erlegt’. Hagano zauderte,
bedachte die ehmals Walthari gelobte treue, endlich,
als der köuig nicht nacliliefs, brach er in die worte
aus: ‘wohin rufest du mich, herr? welcher thor stürzt
sich in das ofne grab? nicht des theuern Helfen tod
hätte mich vermocht die treue zu brechen, für dich kö-
nig begebe ich mich in unzweifelhafte gefahr. doch
von hier scheide ich aus dem kampf: lafs uns weiter
ziehen und auf der warte lauschend die rosse weiden;
dann wird er uns fortgegangen wähnen und seine enge
bürg verlassen, im rücken folgen wir nach’. Diesen
rathschlag lobt der könig, umfängt und küfst den hel-
den, dann weichen beide zurück, erspälin sich den hin-
terhalt und lassen die rosse grasen.
Mittlerweile war die dunkle nacht eingebrochen,
und Walthari, der weise held, begann zu überlegen,
ob er in der sichern bürg verweilen, oder in der öden
wildnis fortziehen solle, blofs den Hagano scheute er
und jene umarmung des königs. wollen die feinde
nachts in die stadt zurückkehren, neue krieger sam-
meln und frühmorgens das gefecht erneuern? oder lie-
gen sie allein auf naher lauer? aber auch den unweg-
samen wald fürchtet er, wilde thiere und die gefahr
für die jungfrau. alles erwogen beschliefst er zu blei-
ben , bis der tag das licht wiederbringe, ‘der stolze
WALTHARI US.
93
könig soll nicht sagen, dafs ich in diebes weise aus
dem gebiete entwichen sei.’
Dornen und gesträuche haut er und verbaut den
engen pfad. dann mit bitterem seufzen naht er sich
den leichnamen, fügt jedem rümpf sein liaupt an und
gegen osten kniend, das baare schwert haltend, betet
er also: ‘dir, o Schöpfer, ohne dessen willen nichts
geschieht, danke ich, dafs du mich schirmtest vor den
geschofsen ungerechter feinde; verleih o gütiger lierr,
der du die sünde, nicht den sünder vernichten willst,
dafs ich alle diese *) dereinst in dem himmlischen sitze
schauen möge/
Nach diesem gebet erhob er sich, trieb die sechs
rosse ein und band sie mit weiden fest, nur sie waren
übrig, zwei von speeren durchbohrt und drei von Gun-
tliari weggeführt, dann löste er seine rüstung, sprach
mit frohen Worten der jungfrau mut ein, genofs speise
und bereitete sich, auf dem Schilde lagernd, die mat-
ten glieder auszuruhen, beim ersten schlaf solle die
jungfrau wachen, er, wo mehr gefahr drohe, gegen
morgen, endlich entschlief er.
Sie aber, ihm zu haupt sitzend, wachte und hielt
die schläfrigen äugen offen mit gesang. Der mann brach
seinen schlaf, stand auf und hiefs die jungfrau schlum-
mern, und am speer gelehnt brachte er die übrige nacht
zu, bald die rosse umgehend, bald über den wall hin
lauschend. Als nun der tag dämmerte und thau die
erde benetzte, gieng der held den erschlagnen walfen
und kriegschmuck zu rauben, Spangen, gürtel, hei me,
Schwerter und harnische, das übrige ge wand lassend,
mit jenen lud er vier rosse, hob aufs fünfte die braut,
*) hos 1167 geht auf truncos 1157. truncus ist der haupt-
lose leichnam, Virg. Aen. 2, 557. Die schwertentblöfsung bei die-
sem feierlichen hergang bewährt heiduische heldensitte.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
94
WALTHARI US.
und beschritt das sechste. Zuerst verliefs er selbst die
umwallung, spähte auf dem engen siege mit hellen
äugen und horchte mit aufgereckten obren nach schal-
lenden zügeln und hufschlag, alles schwieg, da liefs
er die vier saumrosse voraus, dann das Weib mit den
Schreinen folgen, und er beschlofs den zug. Kaum wa-
ren sie tausend schritte, als die zurückschauende jung-
frau zwei manner von einem liügel rennen sah, und
vor schrecken erbleichend zur flucht ermahnte. Wal-
thari sich wendend erkannte die feinde: ‘besser ist es
zu harren und den streit zu bestehn; du, ergreif den
zügel des schatztragenden rosses und bleib im nahen
hain, ich werde sie am abhang des bergs erwarten.’
Der könig und sein gefahrle rannten ihn an:
‘jetzt ist der Schlupfwinkel dir benommen, aus wel-
chem du, wütender feind, einem hunde gleich, belltest;
nun gilts in ofnern felde zu fechten und zu erproben,
ob dem anfang der ausgang entspreche, wol weifs ich,
das glück hast du um lohn gedungen und verachtest
flucht oder ergebung.’
Walthari, taub gegen des künigs worte, wendet
sich an Hagano und mahnt ihn der alten treue, er be-
schwört ihn bei ihren jugendlichen spielen, bei ihrer
unbefleckten freundschaft, abzustehn von dem angrif:
‘dann will ich dich preisen und den schild dir mit ro-
them golde füllen.’
Finster und zornig versetzt Hagano: ‘erst übst du
gewalt, Walthari, und dann versuchst du Überredung;
du brachst die treue, sahst du mich nicht zugegen und
erschlugst mir freunde und verwandte? deinen schätz
schlag ich aus, von deiner hand fordre ich den tod des
theuern neffen.’
Hagano schwang sich vom rücken des rosses, eben-
so Gunthari; alle standen zu fufs, zwei wider einen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
95
Den frieden zuerst brach Hagano , mit furchtbarer ge-
\yalt seinen speer werfend, der aber am schrägen Schilde
des beiden abprallte und bis an den nagel in den na-
hen hiigel einbohrte, drauf warf den eschenschaft
Gunthari, beherzt doch mit schwacher kraft, Walthari
schüttelte vom rand das matte eisen. Betroffen von
dem schlimmen Zeichen ziehn die Franken ihre Schwer-
ter und greifen an ; tapfer ab wehrte des beiden speer
und schreckender blick. Und weil ihre kurzen klin-
gen nicht an ihn reichten, bedachte Gunthari seinen
speer, der vor Waltharis fiifsen lag, heimlich aufzu-
nehmen und winkte dem dienfimann voranzuschreiten.
Kaum aber hatte des königs liand den speer ergriffen,
so drängte Walthari Haganon plötzlich zurück und
hielt mit dem fufse noch den entzognen speer fest, dafs
Guntharis knie sanken, da nun hätte ihn der held
auch erschlagen, wäre nicht Hagano mit schirmendem
schild und gezücktem schwert vorgesprungen, so dafs
jener auswich und der zitternde könig entrinnen konnte.
Walthari fürchtete den listen beider zu erliegen,
laut rief er aus: ‘ du, o liagdoru, grünst in laub,
dafs du stechen könnest, strebst mit schlauen Sprün-
gen mich zu teuschen; doch ich will dich schon näher
heranbringen’!’ Mächtig schleudert Walthari den speer,
und trift, und nimmt ein stück der rüstung weg, leicht
Hagano streifend, aber dein wurf nachspringend thut
er plötzlich einen Ungeheuern schwertschlag auf den
könig, dafs er ihm bein und Schenkel bis zur hüfte
weghaut, und Gunthari über den Schild hinstürzt, und
das schwert von neuem zückend ist Walthari im be-
grif den todesstreicli zu versetzen, als Hagano mit eig-
nem haupt ihn auffangt; an des herlichen lielmes härte
bricht sich klirrend die klinge, dafs ihre trümmer in
der luft und im grase funkeln, zornig wirft auch den
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
9 6
W ALT HA RI US.
künstlich geschmiedeten grif der lield zu boden weit-
weg; diesen augenblick *) ersieht Hagano und haut die
vorgestreckte, Völkern und königen durch ihre siege
furchtbare rechte hand nieder. Unerschüttert und auch
mit der linken unkundig zu weichen, schiebt Walthari
den blutenden stumpf in den schild und zieht mit der
unversehrten hand ein um die rechte lüifte gegürtetes
halbschwert, dessen streich alsobald Haganons rechtes
äuge ausstöfst, die schlafe durchschneidet, die lippen
spaltet und ihm zweimal drei backenzahne aus dem
munde reifst.
So nun endete der kampf, aus welchem zwei grofs-
miitige, an kräften gleiche helden, keiner unversehrt,
hervorgiengen. dort lag Guntharis fufs, hier Waltlia-
ris rechte und Haganons zitterndes äuge! so theilten
sie die hunischen spangen! Es safsen die beiden, der
dritte lag, und trockneten den blutstrom mit blumen.
Walthari rief die furchtsame jungfrau, sie kam und
verband alle wunden.
Drauf hiefs sie der brautigam wein mischen: ‘den
reiche Haganon zuerst, ein guter kämpfer ist er, wenn
er treue hält; dann reich ihn mir, der ich mehr als
die andern duldete; zuletzt trinke Gunthari, der unter
tapfern männern lässig und lau dem kriegswerk oblag.’
In allem gehorchte Heririchs tochter. Aber der Franke,
obwol dürstend nach wein: ‘bring ihn zuerst, jungfrau,
deinem bräutigam und herrn, der, ich bekenn es, stär-
ker ist als ich, und nicht nur über mich, über alle
hinausragt.’
Unbezwungen im mut, ermattet am leib, scherzten
unter den bechern Hagano der dornige und der lield
*) den einzigen, wo Walthern seine gewöhnliche Vorsicht ver-
lassen hatte: praeter et unius punctum cautissimus heros 1320,
vgl. 1380 ff.
WALTHARIUS.
97
aus Wascenland. Der Franke sprach: ‘jage dir lürsche,
o freund, von deren Jeder du liandscliulie ohne zahl
habest, docli den rechten ratli ich mit zarter wolle zu
stopfen, dafs unkundige vom schein der liand geteuscht
werden; und den brauch des Volkes wirst du brechen,
das schwert an die rechte liiifte gürten, und dein ge-
mahl verkehrt mit der linken liand umarmen; was du
zu thun hast wird die linke verrichten.’ ‘Mich wun-
dert dein vorspringen, einäugiger Sicamber! jag ich
lürsche, so wirst du eberileisch meiden *): und mis-
trauisch den dienern befehlen, querblickend die rei-
hen der beiden grüfsen. doch eingedenk alter freund-
schaft will ich dir rathen, sobald du heimkehrst, lafs
dir gespickten brei von milch und mehl kochen, der
dient beides zur heilung und kost.’
Mit diesen Worten erneuerten sie den blutigen bund,
hoben den künig, dessen wunde heftig schmerzte, aufs
ros und giengen von einander, die Franken nach
Worms, der Aquitaner in seine heimat. elirenvoll em-
pfangen feierte er die Vermahlung mit Hildgund, und
behcrschte, allen tlieuer und lieb, nach des vaters tod,
sein volk in dreimal zehn glücklichen jaliren.
Dieser auszug gibt kund welche fortschreitende
epische kraft in der ganzen dichlung enthalten sei; nir-
gend ist die handlung imifsig, sondern in beständigem
wachstburn begriffen und der anllieil steigt bis ans
ende. Den mittelpunct bilden aber die kämpfe des bei-
den mit den einzelnen Franken, und hier hat das ge-
dieht ungemeine gewandtheit und manigfalligkeit ent-
wickelt. keins dieser gefechte gleicht dem andern, son-
dern ist durch die Sinnesart der jedesmal auftretenden
’) galt die alte lieldenspeise einäugigen für ungesund? blofser
inelilbrei soll ihnen frommen, man sehe unten s. 105.
7
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
98
WA LT HART US.
ansgang eigentümlich ausgebildet,
gefiihle werden dadurch angeregt;
kampfer, durch die Verschiedenheit der gebrauchten
waffen und durch den für Walthari zwar immer sieg-
reichen, in den nebenumsländen aber abweichenden
Die wechselndsten
ein held erscheint
als treuer dienstmann, der andre als racher seines ge-
fallnen verwandten, ein dritter als landflüchtiger fremd-
ling, und für jeden verändern sich die beweggriinde
des angrifs, Besonders zu preisen ist die nach dein
tode des eilften Streiters einfallende pause, bevor auch
Gunlhari und Hagano sich einlassen, diese Schilderung
der nacht, in welcher Walthari die haupter der von
ihm erschlngnen feinde mit den leichnamen zusammen-
fügt und in feierlicher stille fiir ihre Seelen betet, dann
wie Hildgund und er wrache halten, gehört zu dem
erhabensten was unsere alte poesie aufzuweisen hat.
in jener feier, zumal der schwertenlblüfsung beim nie-
derknien, ist noch heidnischer austricli*), über welchen
nähere aufschlüsse wünschenswerth wären, zugleich
aber die versöhnliche gesinnung des betenden bei-
den echt christlich. Nicht weniger schon , wiewol
roher und wenn man will barbarisch ist der aus-
gang des ganzen
nur durch theilweise und gegensei-
tige besiegung konnten die beiden hauplgestallen des
gedichts versöhnt werden und auf das befriedigendste
ist ihre anerkennung ausgedrückl in dem anbieten und
ausschlagen des ehrentrunks, so wie durch die heiter-
Ilildgund, die überall im
lied weder zu wenig noch zu viel auftritt, hinterläfst
wunden bindend und weinbereitend am Schlüsse einen
wollhuenden eindruck. selbst die auf den könig ge-
worfne, obgleich schonende Verachtung tliut ihre rechte
*) Oddr bestattet die eilf von ihm erschlagnen berserker (Her-
var. saga cap. 5. p. 42i>.)
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTIlÄlUÜS.
99
Wirkung. Dafs Attila und Ospirn, in das erste drittel
des gediclits eingreifend, hernach fallen gelassen wer-
den, scheint vollkommen episch.
Eine dichtung, so fest in einander gefügten in-
halts, kann nicht von einem mönclie ersonnen sein, sie
nmfs vorher schon als deutsches gedieht unter dem volk
gelebt haben, und auf dieser grundlage beruht der ver-
such der halbgelehrten Umarbeitung, die klostergeist-
liche *) zu erheitern und in der metrik zu üben be-
stimmt war. Wie sich aber die gestalt eines lange über-
lieferten und fortgetragnen deutschen epos im beginn
des zehnten jh. vorzustellen sei, ist aus den formen
einer solchen von einflüssen lateinischer construction
und lateinisches Versbaues beherschten nachbildung
schwer zn errathen. Einzelne spuren von alliteration
scheinen zwar vorzublicken, z. b. selbst in der bezeich-
nung des helden Wallhari fona Wascöm (Waltharius
vocor, ex Aquilanis sum generatus 599), in nebenein-
ander fiigung von Walthari und Wormaza (144) , von
Haririh und Hildgund, oder dem mit Scaramund 709 zu
verbindenden adj. scarf. Im lied von den Nibelungen
rühren die nebeneinander stehenden eigennamen Sigmunt
und Sigelint, Günther und Gdrnut, Liudeger und Liude-
gast noch aus einer früheren alliterierenden gestaltung. Ha-
gano spinosus 1421 könnte auf Hagano haganin zurück-
führen; vitam et artus 603 wäre lip inti lidi, und so reihten
sich fisch und vogel 272; fisch und ferge 434.463 ; und ähn-
*) der beginn des gediclits ist an die fratres gerichtet; über-
haupt scheinen die zehen ersten verse blofs mönchisch; und das
deutsche lied würde nicht eher als mit dem eilften anheben, vers
1 erinnert an Corippus 1, 4T: tertia pars mundi fumans perit
Africa ffammis, vgl. mythol. 179. Einigemal tritt die person des
dichtersvor: narro 15; edicam 1007; am meisten 1452- 1455;
in den ausdrücken narrant 78; referunt 688 schimmert der deutsche
vortrag durch, völlig deutsch klingt der schlufs: liaec est Walt-
liarii poesis, daz ist Waitharies liod.
100
WALTHARIUS.
liches mehr, hierbei wäre dennoch blofser zu fall möglich ;
in andern fast entscheidenderen fällen ist keine alliteration
zu ahnen, zumal zwischen den Ordinalzahlen und den
namen der einzelnen zwölf beiden, wo sich das ursprüng-
liche Verhältnis fast nicht hätte verwischen lassen, wenn
daher in versen , deren inhalt beinahe keine abweicliung
von der grundlage gestattete, einigemal das alliterierende
band waltet: illic Guntharii pes regis, palma jacebat
Waltharii 1402, wo sogar pes und palma, wie fuoz
und folma stimmen ; so fällt mir doch für die folgen-
den worte: nec non tremulus Haganonis ocellus weder
ein vocaliscli noch mit H anlaulendes adj. ein , an des-
sen stelle das unentbehrliche und sicher echte tremulus
gesetzt wäre. Und zu jener zeit dürfte auch in Süd-
deutschland schwerlich ein episches lied mit voller al-
literation, höchstens ein Überrest derselben, den die
veränderte form der poesie nicht getilgt hätte, der aus
ihr theilweise sogar in die lateinische nacliahmung ein-
gegangen wäre, zugestanden werden. Die frage steht
dann wieder nach der gestaltung, welche das deutsche
Volkslied seit dem neunten und zehnten jh. für sich
angenommen hatte? und auch sie ist schwer zu
beantworten. Ich werde in der vorrede suchen meine
ansicht von diesem gegenständ ausführlicher mitzuthei-
len und nachzuweisen, wie sowol das ältere alliterie-
rende mafs als auch die spätere epische langzeile des
zwölften und dreizehnten jahrhunderts mit derjenigen
Zusammenhängen, worin Otfried und der Verfasser des
Ludwigliedes dichteten, unerachtet diese innere reime
haben, in den Nibelungen und Gudruii aber die
Schlüsse der langzeilen gebunden sind und Strophen
von vier Zeilen entspringen, in der alid. periode nur
von zweien. Das steht fest, aus dem otfriedischen
vers ist unmittelbar der erzählende, aber unvolks-
WALTHARIUS.
101
mäfsige hervorgegangen, den die höfische diclilkunst rei-
nigte und fortbildete. In wiefern jene vierzeilige stroplie
sich etwan an wiederkelirende abschnitte alliterierender
gedickte schliefse? müsten eher die altnordische poesie,
als die allsächsische oder angelsächsische lehren, ich
meine in den wechselreden des Waltliarius hin und
wieder noch entsprechende Sonderungen von je vier
liexanietern wahrzunehmen, z. b. in den verseil 627-
630, 634-637, 640 - 643, 649-652 , 664-667, 668-
671, 1435-1438, 1439-1442, 1443- 1446, 1447- 1450.
dies würde einigen der vorgetragnen mutmafsungen, oh-
schon immer nur schwach, zur liilfe kommen.
In welcher aufseren gestalt aber auch den sanct-
galler mönchen ein deutsches lied von Walther und
Hildgund bekannt gewesen sei; ein solches mufs neben
ihrer lateinischen nachbildung, und gar nicht einmal
von ihr berührt, noch später bis ins dreizehnte jh. und
vielleicht länger fortgedauert haben, wäre es uns, selbst
aus so junger zeit, in irgend einer liandschrift erhalten,
was für wichtige aufsclilüsse über das ganze bisher erör-
terte Verhältnis miisle es gewähren. Das lange fortle-
ben der ohne zweifei in lieder gefafslen sage geht aus
sichern Zeugnissen hervor. Walther von der Vogel-
weide hat seinen gleichen namen im sinn, uni seine
geliebte unter dem von Hildegund zu verstecken *). das
war jedem Zeitgenossen alsobald verständlich. Es mögen
sogar mehrere und abweichende, kürzere und ausführli-
chere auffassungen der sage umgegangen sein , wie sich
schon aus jenem verse 688 des lateinischen werks ent-
nehmen läfst. In unsern Nibelungen stehn verschiedne
anspieluugen. 1693-1695, 1734-1736 wird die gesel-
lenschaft zwischen Ilagene und Walther, der hier von
*) 71, 19; vgl. Ulilands schrillt s. 17.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
102
WALTHARIÜS.
Späne heifst, und Waltliers flucht mit Hildegund aus
Ilunenland erwähnt; auch mufs die lesart ‘jnine gisel’
1694, 2 BCJh erwogen werden, das ist aber schon an-
ders , dafs Hagene nicht entronnen, sondern von Etzel
selbst heim entsandt war. noch bemerkenswerther ist
2281 der Hagen von Hildebrant gemachte vorwurf, er
habe vor dem Wasgenstein auf dem Schilde gesessen und
sich von Walther seine freunde erschlagen lassen, auch
im lat. gedieht 638. 639 erscheint Hagano als ru-
higer Zuschauer des kampfs; nur das niedersetzen
auf den scliild ist der lebendigere, epische ausdruck
von theiluahmlosigkeit unter streitenden, und wahr-
scheinlich in alter sille hergebracht. Nirgends in den
Nibelungen tritt Walther selbst auf, wol aber geschieht
es in dem gedieht von Biterolf und Dietlieb, auch da
wird er genannt von Spänilanl 576. 615. 3045. 5086.
6223. 6854. 7649. 10399. 12650; und Alpkers kint
9951 , was ein ähnlicher, allein verschiedner name von
Alphei• — Alphari, Albheri ist. auf ein lied beziehen
sich die verse 577. 578: Mer was von Hinnen her
bekomen, als ir wol habt e oernomenWalther erzählt
dem Biterolf von Etzels macht und freigebigkeit, wie
der könig und Helclie ihm land und kröne angebo-
ten, wie Hagene und er von Etzel Schwert genommen
hätten 752 ff. auch seines rühmlichen kampfes am Rhein
mit den Franken wird gedacht: ‘wie sich des beides
band liaet ervohten (im kampf hervorgethan) an dem
Rin’, 716. Walthers Schild und waffen werden als
weitbekannt angegeben 613 ff., sein schwert Waske
12285 genannt, was mit der benennung Wasken-
pnd für Aquitanien in Verbindung gebracht werden
kann; Nib. 1988, 4 gilt Waske für Irings Schwert.
Walthers Verflechtung in die fabel von Biterolf scheint
mehr erfunden, als volksmäfsig, Biterolf trift auf ihn
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
103
unweit Paris in Kerlingen, gerath mit ihm in kämpf,
erkennt ihn aber bald , und nennt ihn seiner Schwester
solin. Dietlieb sippet an Walthern 3043. darum lieifst
Walther in andern gedicliten (Dietrichs flucht. Alphart,
Rosengarten, auch im anliang des lieldenbuclis) von
Kerlingen; liier im Biterolf wird er als oberherr dreier
kölligreiche, Kerlingens, Arragoniens lind Navarras vor-
gestelll *),■ was, gleich jenem von Spanien aus dem al-
ten namen von Aquitanien erklärlich ist. Biterolf, ku-
nig von den bergen , zu Etzel ziehend , bestellt Walt-
hern während dieser abwesenheit zum ‘ fridemeister ’
seines Landes. Als, im verfolg, Etzel die Franken über-
ziehen will, rätli Hagen den Walther nach Worms ein-
zuladen, und Walther eilt aus Kerlingen den Rhein-
franken zu hilfe. Hildgund ist im gefolge und erkun-
digt sich bei Rüedeger, Etzels boten, nach Kelchen
6891. diesen Rüedeger stellt Hildebrand, Etzels schar-
meisler, hernach Walthern im kampf entgegen, er soll
Hildgundens enlführung an ihm rächen 7651; wenig
froh dieser Zuweisung ist Rüedeger, er kennt des bei-
den lugend: ‘er rümle imnes lierren laut gar an alle
schände’ 7667. nachher kommt es doch zum gefecht
zwischen beiden, und jeder macht dem andern viel zu
schaffen, ‘mich hat gemachet im su zani’, sagt Rüede-
ger, ‘der degen uz Spauelant, luel ir hie twalm an
der haut, den trunkieh, und gebüter daz’ 12649. Dafs
hier Walther auf Günthers seile auftrilt ist dem sinne
der alten dichlung unangemessen.
Weit helleres licht verbreiten über sie andere
aufnahmen, fortfiihrungen und Umgestaltungen derWalt-
herssage.
Vor allem gehört dahin die art und weise, wie sie
*) deutsche Heldensage 95.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
104
WALTH ARIÜS.
in die Vilkinasaga, aus norddeutscher quelle, einge-
llossen ist. zuerst cap. 84 - 87. Valtari cif raskastei ui,
Ermenrichs schwestersohn , wird von diesem mit zwölf
andern rittern dem Attila vergeiselt. zwei jalire nach-
her gelangt auch Hildegund, tochter des Ilias von Grie-
chenland zu den Ilunen und wird dienerin der Köni-
gin Erka.
bei einem grofsen fest mahl gestehn sich beide
ihre liebe und verabreden gemeinsame flucht, am an-
dern morgen besteigen sie ein ros und Hildegund nimmt
aus Erkas schätz Kostbarkeiten mit. Attila entbietet
zwölf beiden, den flüchtigen nachzueilen: darunter JJögni,
Aldrians solin. als sich Vallari eingeholt sieht, springt
er vom pferd und bereitet sich zum Kampf, der bis zur
nacht währt. Vallari erlegt eilf ritter, der einzige Högni
entkommt in den wald. Der wunde, ermüdete Vallari
schlägt feiler und brät einen eher, dann setzt er sich mit
Hildegund nieder und beide verzehren das fleisch bis
zu den Knochen, da erspäht Hildegund den heimlich
nahenden Högni, der sein schwert gezogen hat und
Valtari erschlagen will; schnell warnt sie den hehlen,
der ein eberbrustbein greift und den Högni damit zu
büden wirft, der schlag trift die wange so hart, dafs
dem Högni ein äuge ausspringt; doch raft er sich auf
und entkommt wieder nach Susa. Valtari aber gelangt
glücklich heim zu Ermenrich, der ihn auch später
durch gesclienke mit Attila versöhnt. Hier bei grofser
einstimmung ist doch vieles anders. Walthers und
Hägens gesellenschaft mangelt, auch Hägens frühere
flucht; vielmehr gehört dieser zu den nacheilenden rit-
tern Attilas. Günther und die Franken bleiben ganz
aus dem spiel, der Kampf init den zwölfen erfolgt
nicht am Rhein, sondern in einem ungenannten wähl,
die nächtliche wache beim feuer, nachdem eilf erschla-
gen sind und nur Högni von den feinden übrig bleibt,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHA1UUS.
103
stimmt zu der alten dichtung. das braten des ebers, mit
dessen knoclien Höguis äuge ausgeworfen wird, weicht
völlig ab, scheint aber sehr alterthiimlich , und erklärt
vielleicht Waltharis spottenden ausruf ‘carnetn vitabis
aprinam! ’ besser als das lateinische gedieht (oben s.97.)
der verlost des auges ist in der sage wesentlich; Hagano
aber weit edler gehalten als dieser Hügui. Valtaris
wunde wird nicht näher bezeichnet, und im verfolg der
sage erscheint er nie einhändig, seine Verwandtschaft
zu Ermenrich, als dessen dienslmann er auch nachher
auftritt, entfernt sieb vom lat. gedieht, das w eder Er-
menrichs noeb Dietrichs überhaupt meldung thi.it. doch
dafs er nicht auf Dietrichs seile stellt, stimmt mit der
darstellung im Biterolf.
Weniger bedeutend sind die übrigen stellen, cap.
104- 106 zur Dielliebssage gehörig setzen Valtari in
nachtheiliges licht, er besteht mit Dietlieb einen Wett-
streit im steinwurf und speerschwingen, und unterliegt;
so dafs sein liaupt dem Sieger verfällt. Ermenrich kauft
ihn los. dies widerspricht dem gedieht von Biterolf,
welches ihn mit diesem , nicht mit dessen sohn zusam-
menbringt. cap. 130 bestellt Ermenrich den Valtari über
die bürg Gerimslieim. cap. 308 schildert sein lebens-
ende. im treffen Dietrichs mit Ermenrich ist er des
letzteren fahnträger und streitet mit Vildifer. beide
erlegen einander gegenseitig. dieser ausgang wider-
spricht sowol dem lateinischen gedieht, als der italie-
nischen sage.
Nernlich die novaleser chronik (oben s. 56) theilt
den auszug des lateinischen gedichts nur darum mit,
weil die letzten tliaten des beiden in ihrem klosler Vor-
gehen und seine gebeine da begraben liegen. Walthers
glückliche heimkehr aus Ilunenland und Vermählung
mit Hildgund schliefsen lange noch nicht den kreis sei-
106
WALTHAR1US.
ner rühmvollen Schicksale, der lateinische dichter niufs
viel mehr davon gewust haben, es war nicht sein zweck
zu erzählen, wie viel kriege Wallliari in den dreifsig
jahren seiner herscliaft über Acjuitanien geführt, wie
viel siege erfochten habe. Die anspielungen im Biterolf
und in der Vilkinasaga lassen einiges von diesen späte-
ren begebenheilen vermuten. Ohne zweifei bildete doch
die flucht aus Hunenland den eigentlichen lichtpunct
der sage, aus welchem wol auch allein epische bedeul-
samkeit hervorgehn konnte. ob noch einiges andere
aus ihr anllug in liedern gewann, vermögen wir nicht
mehr zu wissen. Wenn ich aber dem sangaller bear-
beiter wreitere bckanntschaft mit der fabel zutraue , so
ist darunter nicht gerade Walthers klosterleben zu ver-
stehn, auf das der niöncli wenigstens hinzuwreisen nicht
unterlassen haben würde. diese entwicklung der sage
vernahm er also nicht; sie mufs jedoch nicht viel spä-
ter begonnen haben, wenn die ehronik dem eilften jh.
anhört.
Sie meldet nun, cap. 7—13, folgendes. *) Nach-
dem lield Walther viele kriegslhaten in der weit
verrichtet halte und hochbejahrt war, dachte er
seiner sünden und beschlofs, durch ein strenges geistli-
x) cap. 7 liat der chronist nocli aciit schlechte verse in elegi-
schem mals, die einem andern, nicht unserm lat. dichter gehören:
Waltharius fortis, quem nullus terruit hostis,
Colla superba domans, victor ad astra volans.
Vicerat hic totum duplici certamine nuindum,
Insignis bellis, clarior ast meritis.
Hunc lieroa (per)tremuit quoque torridus Indus,
Ortus et occasus solis eum metuit,
Cujus fama suis titulis redimita coruscis
Ultra caesareas scandit abhinc aquilas.
das lautet wie der versuch eines epitaphs, und läfst nicht auf eine
anderweite lateinische bearbeitung schliefsen.
, je*»
WALTHARIÜS.
ior
dies leben die Verzeihung des liimmels zu erwerben.
Sogleich suchte er sieb einen schönen stab aus, an des-
sen spitze er mehrere ringe und in jeden ring eine
schelle heften liefs, nahm pilgertracht und durchwan-
derte fast die ganze weit, er wollte die regel und weise
aller mönclie genau erforschen und gieng in jedes klo-
sler. wenn er aber in die kirclie getreten war, pflegte
er zwei oder dreimal mit seinem stabe hart auf den
boden zu stofsen , dafs alle schellen erklangen, hieran
prüfte er die strenge der kloslerzuclit. Als er nun
auch in das kloster Novalesa gekommen war und da,
seinem brauche nach, den pilgerstab auf den boden
sliefs, drehte sich einer der zöglinge (puer alumnus)
neugierig um nach dem schall, alsbald sprang der Schul-
meister zu und versetzte ihm eine ohrfeige. Da seufzte
Walther und sprach: ‘nun bin ich schon lange tage
durch die weit gewandert und habe dergleichen nicht
gefunden.’ darauf meldete er sich bei dem abt zur
aufnahme, legte die tracht dieses Ordens an, und wurde
seinem willen nach zum gartner des klosters bestellt,
er nahm zwei lange seile und spannte sie durch den
garten, eins der länge, das andre der quere nach, und
hieng des sommers alles unkraut darauf, die wurzeln
gegen die sonne, damit sie dörrten und nicht wieder
lebendig würden *
Es war aber in dem kloster ein hölzerner wagen,
überaus schön gearbeitet, auf welchen man nichts an-
ders legte als eine grofse, oben mit einer hellklingen-
den schelle versehne Stange. zuweilen wurde diese
aufgesteckt, so dafs sie jedermann schauen und ihren klang
hören konnte. Alle höfe und dörfer des klosters hat-
ten nun auch ihre wagen , auf denen der mönclie dienst-
leute körn und wein dem kloster zuführten; jener wa-
gen mit der Stange fuhr dann voraus, und hundert
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
108
WALTHARIUS.
oder fünfzig andre wagen folgten nach , und jeder er-
kannte daran, clafs der zug dem berühmten kloster No-
valesa gehörte. und da war kein herzog, graf, herr
oder bauer, der es gewagt hatte ihn zu schädigen; ja
die kaufleute auf den Jahrmärkten sollen ihren handel
nicht eher eröfnet haben, als sie den schellenwagen
heran fahren sahen. Einmal geschah es , dafs diese wa-
gen beladen ins kloster zurückkehrten und auf des kö-
nlgs ieute, welche pferde auf einer wiese weideten,
stiefsen. diese hochmütigen fielen über das klostergut,
und nahmen alles weg. vergeblich widersetzten sich
die dienslleute, liefsen aber augenblicklich wras geschehn
war dem abt und den brüdern kund thun. Der abt
versammelte das ganze kloster und berichtete den Vor-
fall. damals war Vorsteher der briiderschaft einer na-
mens Asmarius, von herkunft ein Franke, ein tugend-
hafter, verständiger mann. Dieser, auf Walthers ratli,
man müsse zu den räubern kluge brüder absenden und
ihnen die Sache gehörig vorstellen lassen, sagte so-
gleich: ‘so sollst du, Walther, schnell dahin gehn,
denn wir haben keinen klügeren, weiseren bruder.’
Walther aber, der sich wol bewust war, er werde den
trotz und hoclimut jener leute nicht ertragen können’
versetzte: ‘sie werden mir mein mönchskleid auszie-
hen.’ ‘ziehen sie dir dein kleid aus, sprach Asinarius,
‘so gib ihnen noch die kutte dazu, also sei dir von den
brüdern befohlen.’ ‘wie soll ich mit pelz und Unter-
kleid tliun?’ ‘sage, von den brüdern sei dir befohlen,
auch diese stücke nehmen zu lassen.’ ‘zürne nicht, dafs
ich weiter frage: wrenn sie auch mit den hosen thun
wollen wie mit den übrigen?’ ‘dann hast du deine
demut hinlänglich bew iesen, denn in anseliung der
liosen kann ich dir nicht befehlen dafs du sie ihnen
lassest.’
W ALTHARIUS.
109
Hiermit war Walther zufrieden , gieng hinaus und
fragte die kloslerleute, ‘ob hier ein pferd wäre, auf
dem er im nolhfall einen kampf wagen dürfe?’ ‘es
» sind gute, starke karrngäule da’, antworteten jene.
schnell liefs er sie vorführen, bestieg einen und spornte
ihn, hernach einen zweiten, verwarf aber beide und gab
ihre fehler an. dann erinnerte er sich seines alten ros-
ses, das er einst mit ins kloster gebracht hatte, und
fragte, ‘ob es noch am leben wäre?’ ‘ja lierr, es lebt,
ist aber ganz alt und dient bei den beckern, denen es
täglich körn zur mülile trägt und wieder holt.’ Wal-
ther sprach: ‘führt es mir vor, damit ich es selber sehe.’
Als es herbei gebracht wurde und er darauf gestiegen
war, rief er aus: ‘o dies ros hat der lehren noch nicht
vergessen, die ich ihm in meinen jungen jahren gab.’
Hierauf beurlaubte er sich von dem abt und den brü-
dern und eilte, nur zwei oder drei knechte mitneh-
mend, zu den räubern hin, die er freundlich grüfste
und ermahnte von dem gottes dienern zugefügten un-
recht abzustehn. Sie aber wurden desto zorniger und
aufgeblasner, und zwangen Walthern das kleid auszu-
zielien, weiches er trug, geduldig litt er alles, und
sagte, dafs ihm so befohlen worden sei. Nachdem sie
ihn entkleidet halten, fiengen sie an auch seine schuhe
und schienen zu lösen; als sie an die bösen kamen,
sprach Walther, ‘das sei ihm nicht befohlen.’ sie aber
versetzten, Svas die mönche befohlen hätten, sei ihnen
einerlei.’ Walther hingegen sagte , ‘auch mir steht es
nicht länger an’, und da sie gewalt brauchen wollten,
machte er unvermerkt seinen Steigbügel los und traf ei-
nen kerl, dafs er für todt nieder sank, ergrif dessen
waffen und schlug damit rechts und links um sich.
Dann schaute er, und sah neben sich ein kalb auf dem
grase weiden, sprang zu, rifs ihm ein Schulterblatt aus
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WA LT EIA RI US.
und schlug damit *) auf die Feinde los, welche er durchs
ganze Feld hintrieb. Einige erzählen, demjenigen der
sich am Frechsten zeigte und gerade bückte, ihm die
schuhe abzubinden, habe Walther einen solchen streich
über den hals versetzt, dafs ihm das zerbrochne lials-
bein sogleich in den schlund geFallen sei. Als er nun
viele erschlagen hatte, gaben die übrigen die flucht und
lieFsen alles im stich. Walther aber bemächtigte sich
nicht nur des eignen , sondern auch des Fremden guls>
und kehrte mit reicher beute beladen ins klosler. Der
abt empfieng ihn seufzend und schalt heFtig. Walther
liefs sich eine bufse auferlegen, damit er sich nicht
leiblich einer tliat freue, die seiner Seele verderblich
war. Er soll indessen dreimal, wie einige versichern,
gegen die einbrechenden beiden gekämpft und sie
schimpflich von den geiilden des klosters zurückgelrie-
ben haben.
Zu einer andern zeit soll er, als er die rosse des
künigs Desiderius auf einer klosler wiese, genannt Mollis
(später Alolard), weiden und das gras verwüsten fand, die
liüter verjagt und ihrer viele erschlagen haben. Auf dem
rückwege, vor freude über diesen sieg, schlug er mit
geballter faust zweimal an eine Steinseule, dafs das
grüfsle stück davon los brach und zur erde fiel, da-
selbst heifst es bis auf den heutigen lag noch 6percussio
oder ‘ferita Waltharii.*
Dieser berühmte held graF Walther starb alt an
nachdem er sich selbst noch sein
grab auF einem nahen berggipfel sorgfältig gehauen
hatte. er war weise und klug, schön von leib und
anllilz, ein eifriger bewalirer der klosterregel.
seiFiem ableben wurde er in jenem grabe bestattet, das
) wie er mit dem ehersknoclien wirft (vorhin s. 104.)
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
111
zugleich seinen enkel Ratlidld aufnalini. Rathaid war
solin Rathers, des solines von Walther und Hilde-
gund. Rathaids haupt lialte einst eine Iran, die betens
halber zur grabstatte gegangen war, heimlich mitge-
nommen und auf ihre bürg gebracht. als eines tags
feucr in dieser bürg ausbrach, erinnerte sie sich des
hauptes, zog es hervor und hielt es den Hammen ent-
gegen. alsobald erlosch die brunst. Nach dem letzten
einbruch der beiden und bevor der heilige ort wieder
erbaut wurde, wüste keiner von den einwohnern mehr,
wo Walthers grab war. Dazumal lebte in der stadt
Segusium Petronilla, eine alte witwe, die gebückt am
stabe einher schritt und wenig mehr mit ihren äugen
sah. dieser halten die beiden ihren solin, Mauritius,
weggeführt, und über dreifsig jahre muste er ihnen
dienen; endlich erlangte er die freiheit und wanderte
in seine heimat zurück, er fand seine mutier von alter
beinahe verzehrt : sie pflegte sich täglich auf einem fel-
sen zu sonnen; und die leute giengen oft zu ihr und
fragten nach den alterlhümern. sie wüste mancherlei
zu erzählen, zumal vom klosler Novalesa, unerhörte
dinge, die sie theils uocli gesehn, theils von ihren ei-
tern vernommen hatte. eines tags liefs sie sich wie-
derum von einigen männern herumführen, denen wies
sie Walthers grab, das man nicht mehr kannte, so wie
sie die stelle von ihren Vorfahren her gemerkt halte,
wiewol ehmals keine frau gewagt hätte die statte zu
betreten. auch verzählte sie wie viel brunnen ehmals
hier gewesen, die liachbarsleute behaupteten, gedachte
frau sei beinahe zweihundert jahre alt geworden.
ln diesen Überlieferungen ist das ende des beiden
noch an einen bestimmten ort fest geknüpft und aus
der hunischgolhischen zeit an die jüngere langobardi-
schegeschoben. künigDesiderius fällt ins achte jh., und
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
r
WALTMARIUS.
Novalesa ward erst 750 gegründet. Das geistliche le-
hensende berühmter beiden scheint aber in langobardi-
sclien sagen besonders beliebt; so münchen sich Berker
und Kollier, dessen namen an jenen Rather anklingt;
noch bekannter ist Wolfdieterichs mönchthum. unter
den übrigen sagen aber hat Wilhelm des heiligen ende
und Heimes klosterleben (Vilk. saga 387 - 391) ent-
schiedne berührung mit dem Walthers, es sind hüb-
sche aus wüchse der fabel, die an mehr als einem ort,
früher oder später, sichtbar werden.
Am verworrensten aber hat sich die grundlage des
Waltharius einer polnischen sage des dreizehnten jh.
eingewebt. *) wdaly JValgerzs (Walther der starke), ein
graf aus Popels königlichem stamm entsprossen und zu
Tyniez bei Cracau angesessen, halt sich eine zeitlang
am hofe des königs von Franken auf, dessen tochter
die schöne Helgunda ist. ein alemannischer königssohn
(sein name wird nicht genannt) liebt sie und wird auch
von ihr begünstigt. Walgerzs aber besticht den thurm-
wächter , dafs er ihn eines nachts auf die zinnen der
bürg steigen läfst, und singt siifse weisen. Helgunda
aus dem schlaf erwachend lauscht, frühmorgens forscht
sie bei dem Wächter nach des sängers namen vergeb-
lich. in beiden folgenden nächten wiederholt sich der
und zuletzt bringen drohungen den wäcliter
dahin Walgerzs zu nennen. Helgunda entbrennt von
liebe und läfst den beiden zu sich. Zürnend kehrt der
Alemanne in sein Vaterland und bewacht alle Rhein-
zölle. Bald darauf entfliehen Walgerzs und Helgunda,
sie nahen dem Rhein und verlangen überfahrt, und
zahlen eine mark goldes dafür. die sclülTer zögern,
da besteigt der jüngling sein ros , heilst Helgunden hin-
*) Boguplinli (f 1253) chronicon Poloniae, bei Sommersberg
script. rer. siles. 2, 37-39.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTHARIUS.
J13
teil aufsitzen und in den ström sprengend setzt pfeil-
schnell über, am andern uler schallt hinter den flie-
henden die stimme des Alemannen: ‘lialt an, treuloser,
du Jlolist mit der Königstochter heimlich, und ohne den
zoll zu entrichten setzest du über den Rhein; zwei-
kampf entscheid e zwischen uns, und dem sieger falle
ros und wallen des besiegten, sammt Helgunda, zu!’
‘die mark goldes zahlte ich, und die Königstochter folgt
mir aus freien stücken,’ versetzt Walgerzs. Ein hefti-
ger Kampf beginnt, und weil der Alcmanne Ilelgunden
im äuge hat, ermutigt ihn ihr anblick so, dafs er Wal-
gerzs zum weichen bringt, bis dieser zurückschreitend
sie nun auch anblickt. alsbald verdoppelt sich seine
kraft, er dringt auf den gegner unwiderstehlich ein,
und erschlägt ihn. Mit der beute des rosses, der Waf-
fen und mit Helgunda setzt er die reise fort, und langt
glücklich in seiner bürg Tyniez an.
In dieser erzahlung ist Walthers Kampf mit Hagen
nicht zu verkennen, auch die Rheinüberfahrt stimmt,
nur hat sich der weg umgekehrt, die liebenden kom-
men aus Frankreich und fliehen nach osten, während
in der rechten sage sie aus Ungern gen westen eilen.
Das werben nach der jung fr au durch nächtliche lieder
gemahnt an Ilorant in Gudrun, und entdeckt uns viel-
leicht einen alten echten zug, der in den übrigen auf-
fassungen verloren gegangen ist. auch die vom anblick
der geliebten ausgehende Steigerung der heldenkraft be-
gegnet anderwärts.
Nun aber schreitet die sage fort und scheint ganz
in eine slavische, der deutschen dichtung fremde und
sie störende Überlieferung auszuw eichen, die ich daher
blofs kurz andeute. Walgerzs besiegt Wislaw den
schönen, lierrn von Wislicz, und legt ihn in seiner
8
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
114
WALTHARIUS.
bürg gefangen. mit diesem entspinnt Helgunda einen
liebesliandel, löst ihn aus den banden und begibt sich
auf die flucht, während ihr gemalil abwesend war.
die treulose weifs hernach Walgerzs in Wislaws ge-
walt zu locken und der held wird an die wand des
speisesaals festgeschlossen, von wo er Wislaw und Hel-
gunden täglich anschauen mufs. seine besondere be-
wachung ist Wislaws häfslicher Schwester an vertraut;
diese von liebe zu ihm gerührt schaft ihm eines nachts
ihres bruders Schwert, mit welchem Walgerzs seine
fesseln löst, Wislaw und Helgunden überfällt und beide,
in einem streich tödtet. Noch zeigt man auf der bürg
Wislicz Helgundens bild in stein gehauen. *)
Wir haben hiermit den weiten umfang einer lange
Jahrhunderte lebendigen, und nach verschiednen seiten
eingedrungnen dichtung kennen gelernt, und nur zu
beklagen, dafs sie nicht in der einheimischen alten dar-
stellung erhalten worden ist. sie [würde, wie schon
grundlage und entfaltung der begebenlieiten erwarten
lassen, unter den epen unserer alten poesie bemerkbar
hervorgeragt haben.
Auch das läfst ihre volle kraft und bedeutsamkeit
ahnen, dafs sie gerade in den edelsten stamm altdeut-
scher heldensage eingreift. Ilagene, eine liauptgeslalt
des Nibelungenlieds, ist zugleich wesentlicher bestand-
theil der dichtung von Walther, und seinen character
ergänzen und erläutern sich beide werke. Walthers
erwähnung, obgleich er in jenem liede selbst nicht auf-
tritt, kann nicht darin vermieden werden. Günther, ein
*) auch Procosii chronicon slavosarmaticum Vars. 1827 p.
109. 129 weifs von Walgierz wdaly und Heligunda.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WA LT HA RI US.
115
held nur zweiten ranges in den Nibelungen, ist auch
nicht mehr im Waltharius; aber sein feindlicher ein-
flufs auf diesen, ein liebel des ganzen gedichts, macht,
dafs er hier viel herber und ungünstiger ausgeprägt
erscheint als dort.
Der Verfasser des lateinischen gedichts mufs, we-
nigstens aus seiner deutschen quelle, mit einem weiteren
umfang und inhalt der alten heldensage vertraut gewe-
sen sein. Attilas und der Hünen gegensatz zu den ein-
heimischen Völkern wird ganz wie in den übrigen lie-
dern gefafst; den beinamen der fränkischen Nibelunge
finden wir latinisiert in Franci NebuJones 555, mit ei-
nem in Walthers munde treffenden nebensinn, es ist
dies das älteste Vorkommen der berühmten benennung
in bestimmtem bezug auf die sage. Eben so deutlich
weist die wielandia fabrica 965 auf den weitbekannten
Schmied.
Günthers *) vater Gibicho wird blofs beiläufig er-
wähnt 14. 116. 471; auch sein name stimmt zu den jün-
geren liedern. Dafs unter den zwölf dienstmannen des
Frankenkönigs, Hagano ausgenommen, fast lauter der
späteren sage unbekannte namen **) Vorkommen , darf
nicht auffallen, denn, von Hagano abgesehn , erliegen
alle eil! übrigen beiden gerade Walthern und verlieren
ihr leben, der Vorgang fällt in Günthers und Hägens
*) Günther heifst zwar tellure potens 562, regum fortissi-
tiius 519 gewöhnlich aber rex supcrbus 628. 720. 1153. 1295;
.satrapa supcrbus 573; einmal demens 754. in den Nib. der vil
riche 1742, 2; der edele 2273, 2. 2289, 4. 2293, 3; der künic
her 1941, 1. satrapa gleichbedeutig mit rex, auch von Attila 170.
**) über die zwölfzahl bei den Nibelungen vgl. Lachm. zu
Nib. 11; über die zwölf Initer im Rosengarten meines bruders
buch s. 1X-NI1.
8 *
116
WALTMARIUS.
frühe zeit , bei den nacliherigen kämpfen müssen also
andere auftreten. darum brauchte jedoch ihre erwäli-
nung nicht untergegangen zu sein, und könnte wenig-
stens in stammsagen oder sonst gelegentlich angeknüpft
werden; auch fehlt es nicht ganz an solchen spuren.
Ich will diese namen naher betrachten, in der
reihe nach welcher sie das gedieht aullührt. Camelo
Camalo, Kamelo, Gamelo ist eine adjeclivische benennung,
welche den sinn gibt: der alte. näher bezeichnet ihn
die stadt, über welche er vom künig gesetzt war, Ca-
melo von Metz. da in den späteren diclitungen ein
Orlwin von Metzen (Ilagens schwestersohn Nib. 118, 2)
ausdrücklich mit dem beisatz ider junge’ erscheint (lief-
dens. 130), so darf geschlossen werden, dafs jener Ka-
rn alo eigentlich Ortmn, Ortann geheifsen habe, ja, Bit.
6004 ist von ihm gesagt: ‘der starp ze fruo in sinen
tagen,’ und seiner witvve geschieht2482 meldung. Auch
der zweite lielcl führt doppelten namen , Camelons bru-
dersohn und racher: Kimo Scaramand. auf fratris 687
ziehen läfst sich Kimo kaum, weil dann Kimonis stehn
w ürde. Goldasts namenverzeichnifs hat Gimo. es wird
wol Kimo, Gimo zu schreiben sein, was sich etvvan
aus dem altn. gima, gimi, scliwreiz. gymen (spalt, rifs)
erläutert. weder Kimo, noch der nebenname Scara-
mund ist der übrigen lieldensage aufserdem bewust.
Werinhardus 725 habe ich aus den verderbten lesarten
herzustellen gesucht, es scheint wie Werinher , Wern-
lier gebildet , im ersten theil also Warin, W arn zu ent-
halten; auch dieser heldenname ist sonst fremd. Die
beiden folgenden Ekevrid und Hadawart sind (heldens.
116 anm.) mit Irufrit und Hawart zusammengeslellt
worden. Hawart ist unverkennbar aus Iladawarl ver-
kürzt, aber mehrere beiden können so geheifsen ha-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
W ALTHARIÜS.
ben; der in den liedern des 13 und 14 jli. auflretende
Ilawart, vogt von Tenemarke, stellt auf Etzels seile,
und kann nicht der liier am Rhein gefallene dienst-
mann Günthers sein, noch weniger fallen Ekefrit und
Irnfrit (Innenfrit) , dem liamen und den ereignisseil
nach zusammen. obwol beide flüchtig, ist jener ein
Sachse, dieser ein Düring. Patavrid, Ilagens schwe-
stersolin "846, ist sonst überall verschollen, auch Kei-
me, Geiwfc, welches ich dem Gerwit, Gerwilus vorge-
zogen habe. Randolf berührt sich mit Randolt, einem
liamen der jüngeren lieder (lieldens. 145.193), auch
heifst in der thiersage der hirscli so (Reinli. 1633. 1653.
1953. 1963.) Der neunte hcld wird genannt Helmnod,
welches wie Gemüt, Eckenut u. a. gebildet ist; ein
Helmndt tritt unter Dieterichs helden auf (lieldens. 102.
228. 239. 292), der unsere führt noch den liamen Eleu-
ther 1008. 10L7, was nach dem griech. efovd'SQOS die
gelehrte Übertragung eines deutschen worles sein mufs,
das ich nicht sicher ratlie, Frihals ? Fristalt? auch
Eleutherus erscheint anderwärts, und in der altfränki-
schen geschiclite nicht selten Eleutherius als eigenname,
nicht aber nach dritter decl. Eleuther, acc. Eleuthrim,
wie hier. Trogus scheint mir die versuchte lateinische
form *) eines deutschen namens Druogo, Drogo, der in
alten denkmalern öfter, nicht aber mehr in der helden-
sage zu finden ist; auch die benennung des Sperlings in
der altfranzösischen thierfabel könnte daher entsprin-
gen. Trogunt, Trogdunt mögen blofs aus dem acc.
Trogum entstellt sein. In Tanastus dürfte die bedeu-
tung pini ramus gesucht werden, schwerlich ein an-
*) man denke an Tragus Poinpejus.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
118
WALTHAR1ÜS.
klang an den flufsnamen Danaster, Danastrus, Dana-
stns (Dniester.) die fränkische geschickte des 6 jh. bie-
tet auch den frauennamen Tenestina (tochter des Hari-
garius und der Truda) an hand (Bouquet 3, 427. 4,
619.) der späteren heldensage bleibt Tanast unbekannt.
Diese beiden letzten narneii werden durch die Städte
Strafsburg und Speier genauer bestimmt.
Der sinn des namens Hagano *) ist dem dichter
noch durchsichtig: er sagt ‘Hagano spinosus’ 1421 **) und
‘Paliure, vires foliis, ut pungere possis’ 1351, weil ha-
gan spina, rhamnus, paliurus ***) ausdrückt und von
diesem subsl. jener name abgeleitet ist. wahrscheinlich
spielte aber schon das deutsche lied an: du breitest
grünes laub um deine stechenden dörner, d. i. du ver-
hüllst dich in listen, damit du verletzen könnest. Für
Hägens vater ist 629 die lesarl jlgaci, acc. Agacien,
aus C behalten, weil Lachmann dies Agazi mit Agez
und einem urkundlichen namen Acazi zusammengestellt
hat. -f) die Varianten von A und B sind weniger zu
deuten, etwa bestätigen sie, wie aus TH ein Z wird;
vielleicht liefse sich der altn. eigenname Agdhi und
Egdhir vergleichen? kaum der griech. Agatliias. die,
*) bei folgendem vocal, wenn nicht elidiert werden soll Ila-
ganon 1313; die flexion geschieht untadelhaft: Haganonis, Haga-
noni, Haganonem 123. '129 (oder Haganoim 1322), Haganone.
nicht anders Camalo, Camalonis u. s. w.
*’) Hagano wird sonst bezeichnet armipotms 1328; in den
Nib. der übermüete Hagne 1721, 1. 1972, 4; der ki'iene 1760, 2.
1976, 1.
***) spinis paliurus acutis Virg. ecl. 5, 39; vgl. auch 1156.
+) critik der sage von den Nibelungen 457 (345); vgl. deut-
sche mytliol. 147.
WALTHARIUS.
119
späteren lieder nennen Hägens vater (und selbst solin)
Aldrictn, Adrian.
Eigenthiimlicli lieifst Attilas gemalilin Ospirin 123.369
was ‘göttliche bärin’ bedeutet, (myth. 385) und in ahd. rei-
ner form Anspirin lauten sollte, der nanie ist echt, alt und
auch sonst vorhanden, könnte aber doch mit dem jun-
gem Reiche sich berühren, falls dieses aus der
constellation ursa major, der himlischen barin erklärt
worden wäre, hatte nun das altdeutsche lied schon
Helihhä, und legte es der sangaller mönch gelehrt aus,
den jenem griech. wort entsprechenden andern deut-
schen namen brauchend? aber in beiden versen wäre
auch Helicha passend gewesen; und wie, wenn der
deutsche urtext gleichfalls Ospirin geboten hätte und
die Verwandtschaft der namen teuscluing wäre ? ent-
springt Kelche aus Herche, Herkja? es entgeht uns
gar zu viel durch den verlost der deutschen gedichte,
selbst der späteren.
ln des hauplhelden geschlecht berscht die nameu-
bildung mit hari, heri, here: er selbst nennt sich IRalt-
herey sein vater Alphere, sein solin Rdthere *). die latei-
*) Walthers epische beiwörter sind: heros 305. 561. 632.
829, 893; celeberrimus heros 682. 707; laudabilis heros 427;
maxinius heros 1027, 1318; fortissimus heros 9; heros magna-
nimus 292. 589; cautissimus heros 1320 ; vir magnani/nus 489;
vir fortis 895; vir illustris 959; vir celer 920; vir sapiens 240;
juvenis 653. 780. 843; juvenis fortissimus 881 ; sapiens satelles
1135; est sapiens heilst es auch 580. zumal merkwürdig aber
ist, dafs in unsern texten nie das durch die verse 1383-85 be-
deutsame epithet manu fortis getroffen wird, das die Casus sancti
Galli (oben s. 57) haben; war es vom altern Eckehard gebraucht,
von den nacharbeitern getilgtV oder umgekehrt vom vierten
Eckehard eingeführt V dessen correcturen uns dann zu entgehn
scheinen, das pnln. wdaly (s. 112) übertragt mehr fortis, robu-
120
WALTHARIUS.
nisclie form klingt noch unumgelautet Waltharius , wie
Guntharius; daneben verwendet der dichter schon Al-
phere, Walthare 1433; auch in Alphcirides (Alpheres
harn) 898. 909. 1408 bleibt der volle vocal, vgl. Pan-
darides 737. die spätere unorganische Verlängerung des
Gunthere (Nib. 4, 2) in Günther, gen. Guntheres (Nib.
7, 3. 61, 53), dat. Gunthere (Nib. 81, 4), des Volkhere
in Volker, gleicht der des Ortwin, Wolfwin in Ort-
win , Wolfwin. Giselher und Walther bleiben (in den
Nib.) unverlängert.
Attilas land heilst Pawionia, 4. 59. 378 oder im
pl. Pannoniae 96. 117. 136. 203. 337. 373; die leute
aber nicht Pannonii, sondern Huni (mit langem u) oder
Avares. im adj. gilt pannonicus 266. 429 oder avarensis
1404, nicht liunicus. ich habe anderswo bemerkt, wie
beide begriffe, Hun und Avar, in die bedeutung des
riesenhaften iibergiengen *). unser dichter scheint noch
nichts davon zu wissen.
Acjuitanus übertragt vollkommen gut den volksna-
men JVasco, der ohne zweifei im deutschen liede stand.
Aquitania ist bei allen Schriftstellern des achten und
neunten jh. JVasconolant (gl. wessobr. 74, Graff 1, 1082),
Wasconia, Guasgonia, Gascogne; der name hangt mit
dem uralten der f/ascones (heute Basquen) an den Py-
renäen zwischen Frankreich und Spanien genau zu-
sammen. die ausdelinung von Wasconia und iVqtiita-
nia schwankt aber nach den Zeiten, bald verstand man
darunter den ganzen raum zwischen der Loire, dem
stns als manu fortis. Im Biterolf: der degen mvere, 618; der
wigant 3044. 5087; der kiiene degen 7660; der de gen her
10411.
*) deutsche mytli. 300. 700.
WAL T Fl A RI US.
121
meer und den Pyrenäen, bald unterschied inan zwi-
schen Wasconien und Aquitanien. Da sich in jene ge-
genden des südlichen Frankreichs und nördlichen Spa-
niens Gothen ergossen und lange behauptet hatten, da
Aquitani gleichbedeutend mit Gothi vorkommt *); so
mag sich die alte sage unter Wascon wirklich und wol-
befugt Gothen gedacht haben, und es ist ganz in der
Ordnung, dafs das lied von Waithari ihn und Alphari
mit echtdeutschen namen begabt. diese Wasken er-
scheinen also nicht celtisch und fremd, sondern Bur-
gunden und Franken volksverwandt, durch Vermählun-
gen eng verbunden, um so weniger durfte die celtica
lingua 765 auf Walther bezogen werden. Unbedenk-
lich aber lauschte das altere Waskenland in den Nibe-
lungen und im Biterolf mit Spane, Spdnijelant, ander-
wärts sogar mit Kerlingen (s. 103.) nah liegt der mis-
verstand, auf welchem in nordischer sage Valtari af
Vaskasteini beruht, wie gleich nachher noch bespro-
chen werden soll.
Zwischen den Wasken und Franken wohnten Bur-
gunden , Hildgund **) ist tochter des burgundisclien kü-
nigs Herricus, Heriricus, Haririh, nach fränkischer
Schreibung und ausspraclie Chariricus, Cariricus. kein
solcher tritt in der uns erhaltnen burgundisclien ge-
schickte auf. auch die späteren erwälinungen unserer
fabel übergehn ihn, wie sie Hildgund darum nicht
*) Eckard fr. or. I, 381.
M) virgo 235. 248. 287. 426. 504 ; virguncula 256; puella
457. 891. 1177. 1208. 1183; sponsa 571. 1174; mutier 542.
1205; foemina 341 ; dilecta. mutier 324; virguncula clara 1225;
timida puella 1 H)7; IJerrici jilia 1416. diu minnecliche Hilde-
gunt Bit. 6855.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
I
122
WALTHARI US.
mehr als burgundisclie bezeichnen, weil sie diesen
volksnamen den Franken selbst zu theil werden lassen.
Denn während der lateinische dichter Burgunden
und (nebulonisclie) Franken sondert, und letztere von
Worms aus herschen lafst, heifsen die wormser könige
des Nibelungenlieds im ersten theil grade Burguuden,
im zweiten theil Nibelungen , in der klage wie im Bi-
terolf neben Burgunden Franken und Rh ein franken *).
einmal verwendet der mönch den zu seiner zeit nur
noch gelehrten namen Sicamher 1435, der mehr den
Franken des niedern als des obern Rheins gerecht ist.
Und aufser der hauptstadl Worms werden blofs zwei
andre oberrheinische stadte Speier und Strafsburg (1009.
1010) namhaft gemacht, aus Lothringen Metz (582);
kein niederrheinischer ort. bei Hagano gedenkt das ge-
dieht seiner trojanischen abkunft (28), weder des Tro-
nie im Elsafs (Lachm. zu Nib. 9, l), noch weniger des
niederrheinischen Xanten.
Welche stelle ist aber unter dem zulluchtsorle
Walthers im Vosagus gemeint, den die verse 490-497
schildern? der held gelangte abends an den Rhein,
wurde übergefahren und setzte alsobald die flucht wei-
ter fort, erst am folgenden tag bei der mahlzeit wird
durch die fremden fische der künig aufmerksam , und
lafst seinen meisterkoch **), dann den fahrmann rufen,
nach empfangner auskunft beschliefst Günther die Ver-
folgung, und man muls glauben, dafs er noch densel-
*) deutsche heldensage 66. 67.
**) der 438. nicht genannt ist, vielleicht Eümolt, den wir aus
den Nib. und dem Parz. kennen? der ganze zug mit den fischen
ist völlig märchenhaft; die Donau zeichnete sich durch karpfen,
der Rhein durch salmen aus: destinet carpam Danubius, a Rheno
veniat ancorago. Cassiodor. var. 12, 4.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
WALTEIARIUS.
123
ben nachmittag mit seinen dienstmannen hinter Wal-
thern jagte, der indessen den vorsprung einer nacht
und eines tags gewonnen hatte. den zweiten abend
also war Walther im Vosagus angelangt und ersah sich
jene felsenburg zum ruheplatz. am morgen des dritten
tags konnten ihn hier die leichter berittenen Franken
ereilen, man hat den ort mindestens eine sehr starke
tagreise von Worms entfernt anzunehmen *).
Ueberhangende felsen bildeten eine anmutige hole
(494), deren wände sichern aufenthalt, weile aussiclit
in die gegend, und ringsum weide gras gewährten,
der dichter bedient sich davon der ausdrücke castrum,
castra (499. 891. 1136), castrum arctum (1118), late-
brae (1230), angulus (497), statio (496. 560. 572), pro-
pugnacula muri (813); blofs ein schmaler pfad führte
dahin, semita (957), via arcta (1155), angusta cal-
lis (916), durch den die reisenden musten, daher
porla (561.) es war ein Schlupfwinkel, in dem räuber
auf wegfahrende lauern konnten (496.)
Alle diese Örtlichkeiten weisen auf den höchsten
punct der Vogesen, welcher zwischen Elsafs und Lo-
thringen scheide bildet, und noch heute Framont (d. i.
mons fractus, ruptus) heifst, sechs stunden von Mols-
heim (Molzen), drei von der abtei Senones gelegen,
zu deren gebiet er ehdem gehörte, unweit davon ent-
springt das fliifschen Plaine, am fufse des berges zieht
die alte lieerslrafse von Deutschland nach Lothringen,
auf diesem felsen soll der sage zufolge Pharamunds
’) keinen einwand hiergegen bildet Walthers furcht (1143),
dafs Günther über nacht in die stadt zurückkehren und Verstär-
kung holen werde, der könig hätte das wirklich getiian, wenn
eben zeit dazu gewesen wäre.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
124
WALTHARIUS.
grab liegen *), und wahrscheinlich sammelten sich um
ihn noch manche andere Überlieferungen, das ist der
TVasgenstein des Nibelungenlieds 2281, 2, berühmt durch
Walthers kühnen kampf mit den Franken. Wasgen-
stein, weil er in dem grofsen Waldgebirge, dem Fosa-
gus (490. 769. 823), liegt, nicht weil hier ein TVaske
focht, zwar die nordische fassung nennt Walthern ‘af
Vaskasteini,’ was aus der namenahnliclikeit leicht ent-
springen konnte; oder hätte die ganze Überlieferung
wirklich den siegreichen held deshalb zum Wasken,
d. i. Aquilanier gemacht, weil er im Wasgenwald ge-
stritten hatte? auf die Schreibung Wasgenstein, wäh-
rend Wasko, Waske ein K hat, soll nichts dabei an-
kommen, da andere lesarten auch Waskenstein darbie-
ten. nur der saltus Vosagus , schon auf der peutinger-
schen tafel und sonst in alten urkunden oft genannt,
hat kaum etwas gemein mit dem volksnamen Vasco-
nes, in diesen formen unterscheiden sich vocale und
consonanlen **).
Vermutlich kannte der dichter die lebhaft be-
schriebne läge des Waskensteins aus eigner anschauung,
und war etwa von Strafsburg her nach Lothringen ge-
reist. für einen Lothring oder Elsäfser braucht er dar-
’) vgl. über Framont Don Calmet 1, 270 lind besonders Ma-
billon in den mem. de l’acad. des inscr. et helles lettres 2, 686
(Paris 1717) aus dessen abliandlung ich noch folgende Schilde-
rung des steilen abhangs herschreibe: il se presente une espece
de ravelin soutenu de part et d’autre par deux demibastions nci-
turels, au dessus il y a un terrain d’environ cent pieds de lar-
geur, qui s’etendant en longueur plus de quatre cents pas vers
forieut se termine a un autre roclier encore plus eleve que le
premier. a cent pas de celui-ci on voit les restes d’un bätiment,
dont on trouve encore tont le contour.
**) Vosagus wird franz. zu Vosges, Voges, Vasco zu Gascon.
WALTHARIUS.
125
um nicht zu gellen, er kann als Alemanne mit die-
sen oberrheinischen landstrichen vertraut gewesen sein,
alemannische hehlen einzullechlen gab ihm die Überlie-
ferung der sage keinen anlafs; der sächsische iliiclilling,
wenn ich dessen ‘welsche mundart9 recht ausgelegt
habe, erschien ihm fremdartig. Dafs in der dichlung
gerade drei deutsche stamme auftreten, Wasken (Go-
tlieu), Burgund eil und Franken, wie in andern ker-
lingischen liedern *), beweist noch nicht für die ent-
stehung des werks im lieferen Frankreich.
Aus der lieldensage in die güttersage das gedieht
zu schrauben könnte man zuletzt wol verleitet wer-
den: aber es bleibt gefährlich. Hägens unvermeidliche
einaugigkeit ist schon mylh. 220 der des Wuotan ver-
glichen, und Odins schlafdorn sticht wie Hagen, der
paliurus. Als Sigamber und Franke tritt Hagen in
die altfränkische genealogie des Sigi und Wuotan;
der nordische Hügni war unmittelbar Gunnars bru-
der. Walthers einliandigkeit gemahnt sehr an die des
Ziu, nord. Tyr, obwol die wTeise ganz anders ist, auf
w elche dieser seine band, Odin sein äuge einbüfsen.
des verschlüge wenig, doch mäste die götterlehre von
einem ausbrechenden und versöhnten Zwiespalt und
streit der beiden siegesgölter, des Ziu (Mars) und
Wuotan (Mercur) wissen. Weither treibt die rosse-
beute weg, und Ziu scheint thieropfer, pferdeopfer
zu lieben (mylh. 588.) der Wasken stein könnte dann
doch mit Wasko zu verbinden, und ein heidnischer
Ziesberg, Sigtysberg sein (mylh. 133), auf den die
sage auch ein berühmtes königsgrab verlegt. Beide
*) Römer (Westgothen), Franzosen und Burgimdier. Mones
niederländische Volksliteratur s. 50.
126
WALTHARIUS.
iheile ihres namens verrathen an Hildgund etwas
göttliches, eine walchurie und siegsjungfrau (myth.
237.) Bezug auf einen verdunkelten alten brauch
scheint der gebratne eber, und das damit ausgeworfne
äuge zu haben; Ospirin klingt bedeutungsvoll. Meine
erklarung des anfügens der häupter an die rümpfe
(1157. 1158) fehlt wol nicht, allein der heidnische
hergang könnte grausamer, ich meine ein aufheften
der erlegten häupter auf baumstämme, gleichsam ein
opfer, gewesen sein, vgl. die truncis antefixa ora
(myth. 28.) der dichter verbindet aber mit truncus
nicht den sinn eines baumstamms, sondern leiclinams.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RÜODLIEB frajrm. I.
129
I.
Q
monac.
fol. 2a.
uidam prosapia vir progenitus generosa
Moribus ingenitam decorabat nobilitatem,
Qui dominos plures liahuisse datur locupletes,
Saepius ad libitum quibus is famulans, et honor[um]
5 Nil deservisse potuit, putat ut meruisse.
Quicquid et illorum sibi quis commisit herorum,
Aut ulciscendum causaeque suae peragendum,
Non prolongabat, quam strennuiter peragebat.
Saepius in mortem se pro dominis dat eisdem
10 Seu bello seu venatu, seu quolibet actu.
Nil sibi fortuna proliibente clabant male fida.
Semper promittunt promissaque dissimulabant.
Ast inimicitias liorum causa sibi nactas
Cumsuperare nequit, superlioc quid agat nequedic[at],
15 Nusquam secure se sperans vivere posse,
Piebus dispositis cunctis matrique subaclis
Tandem de patria pergeiis petit extera reg[na].
Nullus et hunc alius sequitur nisi scutifer ejjus],
Qui vehat enthecam rebus variis oneratam,
20 A puero sibi quem docuit sufferre labore[m].
Balenam dextrim, parmam vehit atque sinistri[m].
Dexlra lanceolam sub scuto fertqüe pharetr[am],
Annonae saccum modicum sub se satis aptu[m].
Ast loricatus dominus super et tunicatus
25 [In] mitra galeam rutilam gestat chalybinam, fol. 2b.
......ictus gladio compto capulotenus auro,
23 für annonae stand erst ad fodrum.
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130
RÜODLIEB fraffm. 1.
[Penjdet et a niveo sibimet gripis ungitla collo,
[Unjgula non Iota, medü cubiti modo longa,
[Qu]fe post ad latum vel praodecoratur ad arlum
30 [Objryzo mundo, cervino cinctaque loro.
[Non] ut nix alba, tarnen ut translucida gemma,
[Qu]am dum perllabat, tuba quam melius reboabat.
[Ul]lime dans matri domuique vale siinul omni.
[St]at niger ut corvus equus et ceu smigmate lotus
35 [Unjdique punctatus liac subnigredine tolus.
[Ad] laevam colli complexa juba jacet illi,
[Qui] faleratus erat, ceu summum quemque decebat,
[Ad] cujus sellam nil cernitur esse ligatum,
[E] corio sutuni nisi vas mastice perunctum,
40 [Du]lcius ut sapiat potus qui fusus in id sit,
[Ex]ostro factum vel cervical modicellum.
[Qu]em super ut saluit, equus altius ipse salivit,
[Ceu gaudens] domino residenti fortiter illo.
[Prnes]ilit bunc post mox canis in cursu bene velox
45 [ln]vesligator, quo non melior fuit alter,
PH quo bestiola vel grau dis sive minuta
fol. 3«*. Non abscondere quit se, quin lianc mox reperirep].
Ultime fando ‘vale’ matri, famulisque ‘valele,’
Perfusa lacrimis facie dabat oscula cunctis.
50 Arrepto freno, monito calcare poledro,
Cursitat in campo cita ceu volitaret liirundo.
Ast per cancellos post liunc pascebat ocellos
Mater, at in sepes conscendens ejus oninis plebs
Post liunc prospiciunt, singultant, llendo gempscunt].
55 Cum plus non cernunl hunc, planctum multiplicarunt,
Detersis lacrimis qui tune lotis faciebus
Consolaturi dominam subeunt cito cuncti,
Quae simulando spem premit altum corde dolorem.
Consolatur eos, male dum se cernit liabere.
R ü O D LIE B
fragm. I.
131
60 Non minor interea natiun premit utique cura,
Inque via secum perpendit plurima rerum.
Deservire domi quod nil valet emolumenti
Et propter faidas sibi multas undique nactas
A patria dulci quod debuit exiliari.
65 Secum volvebat, se sicubi vile dientet,
Si fortuna vetus infestaretur ei plus,
Esse novercales omnes inibi sibi fratres,
Non meliorasse res, sed pejus reperisse.
Intime suspirans rogat obnixe dominum, flens,
70 Ut non deseruisset se, nolitve perire, fol. 3b.
Sed sibi succurrat, aerumnas quo superaret.
Intranti regnum moorenti sic alienuni
Venator regis subito tune fit comes ejus,
Isque salutal eum resalutaturque per ipsum.
75 Exul erat fortis membris facieque virilis
Voceque grandiloquus, in responso seriosus.
Quem rogat iudigena quis et unde sit, ire velit quo?
Quo sibi non dicto, dedignanterque sileto,
Inquisisse piget, velut est res, menteque iraclat: —
80 Est si legalus, minor est ejus comitatus,
Dum venit ad curtem$ quis munera, quis gerit ensem?
Pauperis est posse reor, aut virtutis opimee. —
Dum satis obtieuit, demum sibi denuo dixit:
Won irascaris, de me si plus rogiteris,
85 Nam tibi prodesse volo, si possum, nec obesse.
Venator regis sibi carus sumque fidelis,
Nec solet audire quemquam clementius ac me.
Pro faida grandi patriam si deseruisti,
Vis et in liac terra mihi ceu tibimet peregrina
90 Quid deservire, causasque tuas superare,
Utile consilium tibi tune do non renuenduin.
Usum venandi quo bene si didicisti,
9 *
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
132
RU OD LIEB frogm. I.
0 quam felicis lnic ominis exiliaris!
Diligit lianc arten» rex hac et in arte peritum.
fol. 4a. 95 Quisquis habet, dare quit, [qui non habet hic dare,
die, quid?]
Si non coltidie , tarnen assidue dabit ille.
Numquam sollicitus viclüs fueris vel amietüs.
Cum donantur ei pulcliri celeresque caballi,
Nobis praestantur, cursu quo more probenlur,
100 Qui celer et facilis est nec gyrando rebellis.
Esl cui maxime tune opus, illi donat et illiim.
Propter et annonam numquam nummum dabis unum;
Nam sine mensura dabitur tibi, dum cupis, illa.
Ad mensam comites superexaltans locupletes,
105 Dum convivatur nobiscum fando jocalur.
Appositum quiequid melioris erit sibi, mittit,
Id faeiens nobis, plus quam mercedis, honoris.
Si libeat cum me te fidum foedus inire,
Dando fidem nostras jungamus foedere dexlras,
110 Separet ut nil nos dumtaxat amara nisi mors.
Simus ubicumque, res alterutrius uterque
Sic agat ut proprias, melius siquid queat illas.’
Exul, tum demum fidens sibi, dixit ad illum:
Sat mihi, doinne, tuum declaras veile benignum,
115 Consiliumque tuum non aestimo transgrediendum;
Namque meas causas, ut sunt, tu coniciebas.
Hinc pactum fidel placet inter nos stabiliri.’
Dando sibi dextras ibi fiunt moxque sodales,
120 Oscula...........................statuuntur amici,
Alterutris dominis famulantes cordibus unis.
fol. 4b.
vor 95 scheint ein vers oben abgeschnitten.
116 bei conjiciebas am rand hinzugeschrieben: rat.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grim
Nr. L 72
<6. JSnnroA.
2lnö „9fuMie&."
fam naä) langen galten in$ ferne Slfrtca,
2ßo etne3 tontgS Säger tyn auf ber 0trafe fa£.
@r mar bon ftfmnem ©u$fe, brum fcjjaut’tfn bermttSufh
©er ber gremblütg märe, ba£ £ätt er gerne gemuji
(Sr lief ju$ tu ©efpräcfje rntt t'fjnt unb fragt’ tfn audj
©etjtn, mofmr be3 SanbeS, mte e$ ©efäljrten 33raucb;
2)ecb marb t^rn mentg ^fntmort ©er mag er nun tvofyl fetn ?
gür etne$ tontgS 33oten tft fern ©efelge §u Hein*
£>ocf> fomrnt er au$ ber gerne nad; fetner Sprache Saut
Unb tft etn fü^ner ®egen, ber eigner traft vertraut
(Sr geftel t'fm tmrner befer; ba £ub er enbltd) an:
SSerbenft mtr nifyt bte gragen, bte t'cfj juror eucfj getljam
3$ möd)t eucfj nü£tu$ merben, benu t^r besagt mtr fefjr*
3$ bten einem töntg, ber grof tft unb $efr;
(Sr t?at auch fetn Vertrauen bor anbern mtr gefcfmnft
©enn t'fr tn fremben Sanbeu eud) ju berfudmtt gebenft,
3
SQBetT tfjr bafjetnt ber 9?etber, ber gelben (jabt juxtet,
3$ ioüft eu$ tooftf ju ratzen, $u tjelfen an ba$ Siet.
fennt oon ©ntnbe, fcfjetnt e$, bte eble Satbmann^funft:
2Bte toofjl empfohlen fet'btljr bamtt in meine# KöntgS ©unß!
Dte liebt ber ©gppter unb tft ben Jägern ^oIb;
©tebt tljnen gute Stoffe, ©etoanb unb retdjen ©olb*
2ln ferner Safel ftgen totr tfjrn bi'e legten ntcfjt,
(Sr fdjerjt mit mt$ unb fenbetmtr oft ba3 befte ©ertcfjt
SBenn t$r nun bte Siebte nur gerne reicht jurn 33unb,
©o t^un nur {täte Sreue bi# tu ben Sob un$ funb*
©erlagt etn, $iex tft bte meine, nur tooßen ©tuen SD?ut^
9?un tjaben, mttetnanber ju fyeilen 33ö3 ober ©ut
Dafprt$t$ut^mber3üngftng,ber fegt SSertraungetotnnt:
Du tjaft meine ©adjen erratpen tote fte ftnb,
Unb toenn bu fo getreu btft tote bu mtr tjeut erfdjtenft,
©o ftfylag tep betne greunbfcfyaft nifyt aus, noep betue$
KöntgS Dtenft
De$ freute ft$ ber 3tföer; fte ritten tun gefeßt
Unb Urnen halb in$ Säger unb oor beS ®&nig$ Seit
Vll# ber fte betb erfepaute, ju $ub er an:
2Ba$ fjafi bu guter 9fläre mit btr gebracht au$ beut Sann?
3ji btr etn SGSttb begegnet, etn ©ber ober 5?trfcl>,
Den tdj mit ipunben morgen mag tjegen auf ber S3trf$?
©r fpracfy: Der Setbe fernen fanb t<fj auf btefem 3titt;
Dod) ber fte toetf ju falten, ben bring tefy, Söntg, btr mit:
T
4
Den güngltngln'er, ber SSiele^ oon ffiatbrnannSfunft oerfte^t,
itnb bem in bt'e gatte ba3 SSalbtlner mittig gel;t.
SBiflft bu tf)n oerfuc^en, er ma$t e$ felbft bir voafyx:
mirft bu gern ifyn orbnen tu beüter Amtleute ©d?ar.
Da fprad) ber (Sgppter: aßtttfommen [et er l>ierr
Sr ift moljt empfohlen, ba Du t§n bringt mir,
S$ fomrnt jurn gagen morgen: ba mirb e$ molji erprobt,
Du £abji feine fünfte ntdjt umfonjl fo f>od) gelobt.
3ur gagb am anbern borgen fuhren fte fn'nauä
S3et gläsern ©onnenbranbe. Da bot ein 3^8e4au^
5lm 0aum beS äöalbeS ©cpatten, Der König, frolj ber S^aft,
©prad^ubemKodj: „atun bringe m$ bu juberettet ^aft.
„2Btr motten erft tafeln, unb jagen nad) bem SIKat.
0o ^et'jj brennt am Slbenb ntd;t meljr ber 0onne ©trat/7
Der Kod) bei ben Sßorten erfdjraf unb fprad) oer$agt:
„SBaS fottt tdj benn fpt'ejjen? tfjr l>abt nod) rnenig erjagt/'
(Sin fcbltmmer galt, entgegnet ber König itnb lad)t;
Daju tji gafttag Ijeute; ba3 l)att tc§ nicfyt bebaut.
3um @lü(f ift ber alte gtfc^teicp in ber 9tälj
SKtt großen 2)f uttf arpfen: mer fte nur fd>on gefotten fd^!
Da mtnfte bem ©efätjrten 9tublieb unb gteng
sKtt t'ljm ju bem Detdje, mo man bte Karpfen fteng.
Sajj mtd; nur machen, fpradj er, bu fennfl nod) ntdjt bte ?Jrt,
äSie man bei un3 ju Sanbe Karpfen fangt mit folgern 33art!
c
@r goff au$ ettter 23ücfyfe otet Körner, Riffen gletdj,
@td) in bte £anb unb toarf fte Jmtau$ tn ben Sletcp*
®Iet$Roheitgtertg fd)nta§enb ft($ SMäuIer au$ bereut
Unb fc^nappten nadj ben Körnern tote ber §unb nach
33rotfen tfut»
2)te nun etn Korn erfaßten, bte waren tote beraubt
Unb [prangen Jjocf, al$ Ratten fte gtügel etngetaufdjt.
Untere äöafer tauben tonnten fte ntcpt mef)r,
9J?tt@$toanj unb glof en fcfjtagenb fuhren fte ba()tn,baljer»
®tn Ü^ac^en Jag tnt Setcfje, rntt bent ©efäfrten [prang
Jptnetn ber fcfjnefle gtfcfyer, ber etne Siutlje fc^toang.
Ste er bannt berührte, wett fcpneft ber Kafm fte trug,
©te folgten t'Jjnt auf$ Srocfne: fo ftng er Karpfen genug*
©a brauten fte ben Ködjen bte fletnern au^ ber ©cfjar;
©te grofen auf bent ©c^tlbe trug ntan bent Köntg bar»
©tef> btefe gettmöncfye, tote t^nen gtetfSt ber SBanft!
3ft btefe S^gb nt$t befer att bu feute foffen tannjt?
SBte Ijabt tfr fte gefangen? frug ber Köntg 'fe'fr,
9D?tt 9te$en ober Spanten? ber gang besagt nttr feljr*
Otublteb fpracp: ©o fängt ntan bet un$ bte gtf$e ntcpt;
2Btr [treuen tfwen Körner, barnacf fte t>af$en erptcpt.
Kaum fjaben fte bte fttten oerf^fucft, fo jtnb fte toH
Unb fprtngen tote befefen, tote fitfen SBetneS oott*
©tnb fte enbttd) rnübe unb matt oon bem £anj,
@o rüljrt be$ gtf$er$?iuti)enur t^nen Kopf ober ©$toan$,
©leid) folgen fte t$m mtKig unb märg auf ^o^IengIutf>;
0o $tebt man bte gt'fcfje mit Raufen aug ber §lut
Sag rnöcfyt i$, fpracf) ber König, mit 2lugen einmal fel)n.
Sag iji benn in ben Rillen nnb oerftefjt t'£r fte $u brefm ?
„@ar moltf," fpracf? ber grembltng, „man nimmt bajn
ein Kraut,
3$ metf nic^t ob tljrg lerntet; bo$ Iwb tdjg Ijter erfdjaut
Ung Ijetft eggarrenjunge nnb !jat no$ anbre Kraft:
Ser eg in Sein genöfe nnb in beraufd)enbem Saft,
„Ser mürbe laut nnb munter, fa feltg oon bem Sranf,
Socf) nie, mteotel er tränte, betrunten ober tränt
©o mtrft eg auf bte SWenfcfyen nnb auf bte Jtfcjje f°>
Ste einen mad)t eg närrt'fd},bte anbern glücfltdj nnb frolj-
„Sag aber btinb geboren am nennten Sag erft fte^t"
(Stuf ©c^maben ober Reffen jtelt tjter nt'cfyt bag üteb),
„Srbltnben muf eg mteber oon btefern Kraut algbalb:
©o mögt if>r leicht oon güc^fen nnb Sötfen fänbern
ben Salb/'
Srfreut fpracfy ber König: ©o mär eg ja etn ©dja£,
Könnt eg bag bemtrfen, baf §nc^f nnb Sötfe ^pia§
Sem (Sbelmt'lbe malten: eg fei fcfjmarj ober rotlj,
@g tauf ober fliege, biefe ©feinte ftnb fein Sob.
Sn bifl ber bejte Säger, ^er
93emätjrf Sn mag t$ eben oon Seiner Kauft oerna^m.
Sag merb icb, fpracf) Otublieb, menn ttjr mir folgen moßt
?llg bag ber König Jjörte, er marb bem Jünglinge ^olb.
— 7 —
„Sßoplauf, ntetne bannen, bte Karpfen ftnb oerjeprt,
2Btr ftnb bemffitrtp oerpfltcptet, $untal, toemt er un3 leprt,
Ste man ben Räuber bienbet, ben 2Bolf, ben Sfegrmt.
Sen SncpS laf er lebtg; bertft rotp,bo$ ntcpt fo fcpltntm*
„Ste Sonne gteng ju ©naben,©rfrtftpung pautpt ba$ ©rün/'
Sa fap man aufbrecpen bte ebeln 3^Ber füpn:
9D?it Stublteben jogen fte tiefer tn ba$ 5?ol$*
Ser lief bte Srmbruft fcptotrren: ba flog etn fpt^tger 33ol$
Unb traf etne 3*eBer bte über Reifen fprang*
„Ser 2l§ung," fpracp ber3äger, „bebarf e3 §u bem Sang*
Ste ffiölfe ftnb gar etgen, fte nehmen fonft ntcpt etn.
3P* müft bte 3*eBe Rauten unb jerftüden tpr ©ebetn.
„Spab tcp e$ bann gepfeffert mit ntetnem SÖunberlraut,
©o totdelt tpr bte Stüde toteber tu bte Spaut,
Unb bergt eucp pter tmStdtcpt, btetoetl tcp oonbent33aunt
SemSBalb etn ?tebcpen ftnge, etn fcpönre^ pörtettpr faunt."
©te folgten fetner Sepre; er aber fäumte ntcpt
Unb fprattg auf etne ßtcpe: ba3 Saitb oerbarg tpn btcpt
Sa pub er an $u fingen etn ?teb, ba£ flang gar toüft,
©3 patt eucp am ©efange bte Sufi auf lange gebüft.
©r peulte tote bte Sölfe, toenn fte ber junger quält,
Unb je£t ber SSSolf ber SSölftn ben 3awwer oorerjäplt
SKan unterfcpteb bte Slnttoort ber ffiölftn, fcprtß unb greif,
Unb aucp nutjartenSttmmen ber 23rutoerstoetfelt ©ebeö.
8
©räßltdj ftang ba$ Slaglteb ber letbtgen ©djar;
So$ aßen gagbgenoßcn ßräubte ßd) ba$ §aar,
2tf$ fe£t mte um Spütfe bes 2tften 9?otf>fd)ret fdjoß;
Ser ©djretmar gram unb Reifer unb bodjaßer Stauer ooß.
SSor ©Freden mär erlogen ©onne fester uttb SKonb,
2ludj mar ben ffiötfen felber folc^ Reuten ungemotjnt:
©te brachen aßerorten au$ bem ©ebüfd) tjeroor
2Bte ben ©efäljrten fudjenb, berfte fo graunooß befdjmor*
2lt$ fte ben ntdjt fanben, ba$ munberte fte feljr*
Sa fanben fte bte unb fugten nun ntdß rne^r:
©te fteXen gtertg brüber unb [erlangen ße fo batb,
211$ mär tßrent ©dßunbe fene$ $ungerlteb entlaßt
Sodj faum Ijtnabgefdßungen mar ber ledre graf,
211$ bte ©onn am Jptmmel ben litten ©djet'n oergaß*
Ste fcfyarfßcfßtg tarnen, bte fdjetben ßodbltnb;
©te rennen mtber 23äume, umrennt bte SWutter tfjr^tnb.
2lt$ ba$ bte gäger fa^n, tyfttt eS fetne 9?ot^:
SWtt ©perfdjäften [gingen ße nun bte Sbtfe tobt
3lußtg auf bem 23aume faß ^ubtteb noefy unb frug:
©oß tdj no$ einmal ßngen ober fjabt t^r 2BMfe genug ?
„9tetn, um$ iptmmel$mtßen, bu tjaß un$ fo erfdjredt,"
©prad) ^3ura$ ber fiöntg, „baß e$ für tjeute fledt
Su btß etn guter gäger, rnetn Stenß tß btr berett,
Unb reit t$ ju Salbe, fo fet$ tu betnem ©elett"
RUODLIEB fragm. I. II.
133
Dum satis iuter se de rebus disposuere ;
Regm* metropoli coeperunt appropiari,
In qua rex genli legem dedit advenienti.
125 Castris ingressis , pueris et equis stabulatis,
In simul ad curtem properabant visere regem.
Ut venatorem rex vidit, dixit ad illum:
‘Unde venis, quid rumoris fers, dicito nobis.
Investigasli, per silvam quando measti,
130 Ursum sive suem , libeat nos pergere post quem ? ’
Qui non ut domino, sed ceu respondit amico:
‘Illorum neutrum, sed eorundem domitorem
lnvesligavi, reperi, mecum tibi duxi,
Scilicet lmnc juvenem tibimet servire decentem,
135 Arte satis catum, yenandi satque beatum,
Ut reor, utque suo mihi cernitur in comitatu.
Et cum dignaris, illum satis ipse probabis.
1s sua fert dona tibi parva nec abicienda,
Inque clientelam quo suscipias, cupit, illum.’
140 Qui praecursorem laeva tenuit bicolorem,
Cui fuit aurata collo connexa catena.
II.
*Nunc est consilio nobis opus inveniendo,
Qualiter illius pietati gratificemus,
Non solis verbis quorum satis inveniemus,
Sed quid donorum millamus ei variorum,
5 Est ut equis frenis, auro compte faleratis,
Pelliciis crisis, varicosis, sive crusennis.
Ad quod, quo mihi quis dicat, velit auxiliari.’
Respondent pariter, quod agant id valde libenter.
Grates egit eis rex et post haec ait illis:
10 ‘Quid respondendum sit missis, dicite primum.’
Est ibi philosoplius cunctis sapientior unus,
fol. 5».
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
134
RUODLIEB fragm. II.
Quem tinior aut amor a recto divertere quoqiio
Non in judicio faciendo prsevalet ullo*
Dicere quem pro se dicunt debere petuntque
15 In regis veile qui dicens niaxime Stare,
Ejus consilium solum monet esse sequendum.
Rex: cmihi consilium quoniam sinilis tribuendnm,
Restat nt buc veniant legati diclaque dicant,
Utque sciatis ab liis, si credere neve velitis.’
20 Post hos direxit. Yeniunt quando, sibi dixit:
cEn regis vestri domini nostri vel amici
Dulcia narravi fidei legamina plena,
Quam pie traclavit merito quos perdere quivit.
Reddere vel sanos mihi contra se nece dignos!
25 Quod deservire comnniniler lios decet et me.
Clementer nobis demandavit sat honoris,
Sis ic persolvet per vos velut ipse spopondit.’
Dixit legatus: ^ non est sic morigeratus,
IJt quid verborum soleat mutare suorum.
30 Est quod ait verum, dictum sibi vult fore verum.’
Rex ait: ‘id quando vel ubi fore possit, ai tu.’
‘Hoc,’ ait, ‘est vestri juris, rex, induciari.’
fol.5t>. 'Tu tarnen inque locum, quo conveniamus in unum,
Ut pax inter nos firmetur mille per annos.’
35 Missus ait: ‘si vis et dominis si placet istis,
Non tarn nosco locum vestris conventibus aptum,
Campus ut est ille, quo nos pugnavimus ante,
Inter clausuras nostri vestrique gemellas,
Sunt ut ubi victi vestri nostrique redempti
40 Dimittuntur ibi nobiscum pacificati.’
Omnibus ille locus est visus ad hoc satis aptus,
Regibus ambobus conventuris spatiosus;
Induciasque trium laudant ad id ebdomadarum.
Post haec rex surgit, sic conciliumque diremit.
45 Inque caminatam cum paucis it requielum.
R U O D L1 E B
fragm. II.
135
JVlissis valde bona dantur regalia dona,
Qui regem repetunt clignas gratesque sibi dant.
Qiiis miscere jubet summi vini quod liabebat.
Legali surgunt, deturque licentia , poscunt.
50 Rex ait: ‘audite mihi dilectique nolate
Quae vobis dico, quae dicite non ut amico,
Sed veluli patri meliora malis referenti:
“Qualis es in corde , te talem prodis in ore,
Quae nobis venit lua quod legalio pandit,
55 Quae spondendo reis veniam, spem dando salutis
Mirum velie satis docet ultroneae pietatis,
Contra quae grales non sufficimus dare dignasj
Sed tibi subjecti sumus, in pugnando subacti,
Semper et omnigeni serviminis intime prompti.
60 Ut demandasti, quo yis sumus ire parali.
Est quod laudatum ternarum septimanarum
Ad spatium vestris est visum sic uti nostris,
In campo, primus es quo tu consilialus.”
Oblitus si quid sum, vestra fides at id implet.’ fo!. 6».
65 Respondent pariter: bneruisti suiricienter
Nos servire tibi, semper cum corde fideli.’
Tune inclinabant, cum rite Valete’ recedunt,
Inde petunt suniimim, velut est dignum, vicedomnum ;
A quo donati sunt valde ‘vale’ benefacti.
70 Ex jussu regis provisorem dedit illis,
Qui procuraret, quod opus sit eis, ut liaberent.
Quod Studio sum ino complevit cordeque fido,
Donec pacifice, vel eos perduxit honeste
Extra clausuram fines regni dirirnentern.
75 Quem bene donatum vel verbis gratificatum
Poscunt, inclinet regi, ‘faciam’ quibus inquit.
A se divisi sunt ad patriamque reversi.
Utque donnini redeunt regem properando revisunt.
Ut primum videt, bene quos suscepit, et inquit:
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
136
RÜODLIEB fragm. IL
80 ‘Dicite, rumoris nunc quid nobis referatis’?
Respondit missus: ‘quia Clemens est tibi Christus;
Quod reges alii liisi grandi non superant vi,
Dat deus id sponte tibi clemens absque labore,
Nam per contigua tibi, quae sunt undique, regna
85 Crederis esse leo vigilanli semper ocello,
Quin aguellina pietate tuaque sopliia
Tu vincis melius, gladius quam vincat alius.
Namque deo teste, quo miltebar modo de te,
Nescio, plus ab eis adameris, seu verearis.
90 Cum rex audisset, summa tum grex et adesset,
Quae demandasti sibi vel plebi simul omni,
Primo servimen, post fidi cordis amorem,
Sublata cydare surgens iuclinat honeste.
fol. 6b Tune residens taeuit, donec rem pleniter audit,
95 Quantum nostrates disceptabantque suates,
Atque sui liostros offendentes inopinos
Occidunt, spoliant, caplivatosque cremabant;
Qualiter et nostri sunt illorum dominati,
Captivos redimunt, captivantesque ligabant;
100 Quos tibi cum referunt, perituros seque putarent,
Quam dementer eis adimendo metum misereris,
lllos absolvens, consolans et bene tractans,
Praosulibus, ducibus, locuplelibus................
Ipsos servandum dederis, vel equos ad alendum,
105 Non ut sunt meriti, sub carcere compedis aut vi,
Nec tractent illos, deceat quam regis amicos,
Ut, dum reddantur, super bis ne forte querantur.
Quin ipsum comitem scelus lioc immane patrantem
Nulli conmisit, super liunc nulli bene fidit;
103 die letzten worte ausradiert, der verf. wollte etwas an-
deres setzen.
109-112 commisit, fidit, servit, portat anacolutli für commise-
ris, fideris, servieris, portaveris.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RÜODLIEB fragm. II.
137
110 Sed sibimet servil, gladium persacpeque portat,
Ut nullus noceat, quem rex sic glorificabat.
Nolle recordari te, sed poslquam sibi dixi,
Dedecus inmensum ycl inedicibile damnum,
Quod tibi fecerunt, sub jure tuo modo qui sunt,
115 Quos inpunitos, quamvis meritos, inimicos
Pveddere laudares in liulla re nicliilatos,
Si velit in plebe pax ut reparetur utrinque. —
Sic dicens silui, yel rege jubente resedi.
In cras induciat, bis ut responsa rependat.
120 In summo inane curtem cuncli petiere,
Plures rumoris cupidi, quam regis honoris.
Intromittuntur qui quid prodesse videnlur
Piegi consilium pro lall re tribuendum.
Yalvae clauduntur, nescilur quid loquerentur. fol. 7».
125 Est breve colloquium pro consensu sapienlum.
Nobis interea dala prandia sunt sat opima.
Dum pranderenuis et adhuc yinum biberemus,
ÜVlit.titur et post nos tres, omnes ut veniamus.
Fecimus ut jussit, cum prae se veninuis, inquit:
130 “0 noslri domini missi summique patroni,
Si respondere bene sciremus yel lioneste
Demandaminibus clementibus alque paternis,
Est ut promeritus nimium, prompte faceremus.
Dicite nunc illi de me, de plebe yel omni,
135 De summis, mediis, imis mihi jure subactis,
Fidum vel promptum subjectorum famulamen.
Virtus mira tua, pietas, tua magna sophia
Intus ut adimplent te, sic foris undique comunt.
Scimus inaequales re militibusque tibi nos,
140 Si veiles, posse nos pro meritis nichilasse.
Reddere pro pravis bona stat salis ultio grandis;
Nam quo rescilur faciens plus inde timetur.
142 bei timetur am rand von gleicher hand verelur.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
145
150
155
fol. 7i>#
160
165
170
Grande tuum posse vel inaequiparabile veile
Sunt tibi pro nmro per nullum deiciendo,
Laesum laedenti, veniam miserendo precari.
Nonne deizare nobis merito videare
Indulgens sponte peccantibus absque petenle?
Econtra nil nos simile praebere valemus,
Retribuat sed ut is rex post, quem sic imitaris,
Nos exorare debemus corde vel ore;
Utque dum vivas, valeas, regnes et abundes,
Nobis et cunctis aflinibus undique regnis
Est exoptandum comniuniler atque precandum.
Na in columen nostri tu solus es in vice Christi,
Atque superstile te bene possumus imperitare
Sub vestrae fidei scuto diutissime tuti.
Et nunc, o domine, non dedignare venire
Ad loca laudata, quando sunt induciata.
Vobis congredimur de noslris ac famulamur.”
Sic ait et donis dilavit nos sat opimis,
Pelliciis vel equis faleratis, sive chrusennis,
Post poscit vinum, Gerdrudis amore, quod haustum
Participat nos tres, postremo basia ligens,
Quando vale dixit post nos gemit et benedixit.
Hinc rediebamus, vicedomnuni poslque videmus,
Qui nos condonans provisorem simul et dans
Oscula fert more, grandi nos liqnit amore,
Tain tibi devotum mandans, ut hero, famulatum.
Sic datur a cunctis sat amica licentia nobis.
Disciplinate noster ductor vel lioneste
Servivit nobis in simplicitateque cordis,
Hujus dum regni confmia vidimus ampli.’
Talis rumoris rex, talis ovans et honoris
Snbridens modicum nil protulit ore superbum.
175 Susspiciens laudat dominum, quo danle triumphal,
RUODLIEB
fragm. II.
139
Nil reputando sibi, secl ei dans omnia dixit:
‘Induciae quo sint laudatae quandove, die, sunt?’
‘Ebdomadae tum praelereunt tres, induciae sunt
Hac in planilie, qua concertavimus ante,
180 Solventes liostros in vincla redegimus liostes,
Sunt ubi tristati quo fiant laetiiicati.
Sic de te regi nunc induciando spopondi.’
Rex ait: ‘hoc laudo promissorum neque fraudo.
Dum fueras at ibi, quid agendum, die, liabuisti?
185 Respondit: ‘summus mihi clemens fit vicedomnus
Procurans multum, defectum ne palerer quem.
Scacborum ludo temptat me vincere crebro,
Nec potuit, ludo ni sponte dato sibi solo. fob 8a.
Quinque dies sic me non siveral anle venire,
190 Explorare cupit , meus advenlus quid eo sit.
Invesligare nulla quod dum valet arte,
Post me rex misit, sibi quae dixi satis audit
ln cras responso, dixi velut, induciato.
Rex poscens tabulam jubet opponi sibi sellam
195 Et me contra se jubet in fulchro residere,
Ut secum ludam, quod ego nimium renuebam
Dicens: “terribile miserum conludere rege.”
Et dum me vidi sibi non andere reniti;
Ludere laudavi, cupiens ab eo superari,
200 “Vinci de rege,” dicens, “quid obesl miserum me?
Sed timeo, domine, quod mox irasceris in me,
Si fortuna juvet, mihi quod victoria constet.” —
Rex subridenclo dixit velut alque jocando:
“Non opus est, care, super liac re quid vereare;
205 Si numquam vincam , conmotior baut ego fiam.
Sed quam districte noscas, ludas volo cum me,
Nam quos ignotos fades volo discere tractus.” —
Slatim rex et ego studiose traximus ambo,
Et sibi gratia sit, mihi ter victoria cessit,
140
R U O D L IE B fragm. II.
210
215
220
fol. 8b
2 25
230
235
Multis principibus nimis id mirantibus ejus.
Is mihi deponit, sibi me deponere nil vult,
Et dat quae posuit, [pisa quod non]una remansit.
Plures succedunt, liunc ulcisci voluerunt,
Pignora praebentes, mea pignora despicientes,
Perdere nil cerli, dubiae fisi bene sorti.
Ahcrutrumque juvant, nimiumque juvando nocebant.
Praepediebantur, varie dum consiliantur,
Inter litigium cito vincebam quod eorum
Hoc tribus et vicibus, volui nam ludere non plus.
Quae deponebant, mihi mox donare volebant.
Primo respueram, viliosum namque putabam
Sic me ditari, yel eos per me tenuari.
Dixi: “non suevi quicquam ludendo lucrari.”
Dicunt: ^inter nos dum sis ? tu vive velut nos.
Quando domuin yenias, ibi vivere quis veluti vis.”
Cum sat lorifregi, cpiae porrexere recepi
Comnioda cum laude mihi Fortuna tribuente.’ —
P\.ex ait: Oiunc ludum tibi censeo semper amandunq
Quo sunt sarcita tua tarn bene calciamenta;
Nuncgrates habeas, causas quod agis bene nostras.’—
Misit et ad quosque, qui captivos habuere,
Hos ut vestirent, ad honorem yel sibi reddant,
Ipsis quos pedites misit, reddant nt equestres,
Insuper armatos velut ad nova bella paratos.
........plumque..........simul ....
Vestivit comitem velut ex summatibus ununi
Binis pelliciis pretiosis totque chrusennis,
Coccineain tunicam gemmis auroque micantem
224 diesen vers setzt der Verfasser an den rand für den im
text geschriebnen: Donec inter nos sis, fac vel vive velut nos.
226 bei lorifregi am rand zugilj>rechoto (■— ota?)
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RÜODLIEB
fragm. III.
141
Dat sibi; qua regi praebcret pocula vini.
240 Dat vel equum fortem, celerem liimis oequipedantem,
Auratum frenum pulcliram faleramque gereutem,
Et clat loricam, tutus valeat fore per quam
In quovis bello communi sive duello.
Ensem vel galeam sibi lanceolam dat acutam.
245 Qui famulantur ei, donantur utrique clienti
Vestes valde bonae semperque domi sibi rarae.
Insuper ad bella sibi congrua praestitit arma.
Misit praecones satrapas comitesque vocandos,
Ad curtem veniant quo regis, quam optime possint,
250 Et secuin ferrent sibi quae vel equis opus essent
Ad tres ebdomadas secum seu plus rernanendas.
Illuc pontifices invitantur sapientes,
Abbatesque pii scioli bene consiliari.
III.
1 [Congrjegium lata curlis fuit amphipreliensa, f0],
Qute medio vacua, sccnis foris undique septa,
Qua cum praesulibus abbatibus et duodenis
Posset praildere coenareve sat spatiose.
5 Curti contiguum slat tentorium satis amplum
Solis ad exorlum, de quo postiere podismum,
Cu jus ad extrem um fixerunt papilionem,
In quo stans mensa veslita fuit velut ara,
Quam super est posita regis crux et diadema,
10 Qua missae regi solet officium celebrari
Matutinalis et vespertina synaxis
Cursibus inmixtis aliis de more diurnis.
6 bei poclismum am rand die glosse gang* 11 bei synaxim
die glosse cursus vel liora.
142
RUODLIEB fragm. III.
Quo dum rex venit missam properantius audit
Et per legatum regi deniandat eundem,
15 Qui fuerat rerum prius internuntius liarum,
Primitus ut videant sese, quam prandia sumant.
Quem rex, ut vidit, bene subridendo recepit,
Oscula datque sibi, ‘quid narras?’ post ait illi
‘Omne bonum dici tibi de me sat meruisti.’ —
20 ‘Ad te me misit rex* et tibi me dicere jussit,
Ne prandere velis prius, illum quam tuearis.
Obvius ad pontem venit is tibi nos dirimentem,
Pax ibi firmatur, res omnis et adbreviatur,
Capti reddunlur caplos se neve queruntur,
25 Nam meliorali redeunt, non altenuati.’ —
Rex, ‘ita fiat,’ ait; ad herum missus remeavit.
Dum convenerunt reges ubi constituerunt,
Nil penitus dicunt sibi, quam prius oscula figunt.
Nosler pontifices, ut idem facerent, jubet omnes,
30 Et post abbates ex ordine basiat omnes;
Ejus praesulibus tune praebitus est amor ipsus. —
Reges, pontifices, abbates, clerus et omnis
fol. 9b. Assumptis ducibus cum summis alterutrius
Dum resident pariter, rex major ait sapienter:
35 ‘0 nimium nobis rex dilectissime cunctis,
Sicut laudavi tibi demandansque spopondi,
Quicquid stultitiae plebs nostra patravit utrinque,
PIoc dimittamus et eosdem pacificemus,
Ut sint inter se concordanles sine fraude.
40 Nemo recordetur adversi quid pateretur,
Obliviscatur, ulcisci nec inedilelur.
Nam mala malo bono quam reddere vincere pravo.’
Alter rex surgens huic dignas dicere grates
A nostro vetitus residet; tarnen est ita fatus:
45 ‘Pro tot vel tantis impensis nos benefactis
Pieddere condignas non sufficimus tibi grates.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB fragm. III.
143
In cujus parnia victricia tu geris arma,
Ille tibi laudis sat praeslat et omnis honoris.
Non opus est hinc te laudare vel amplificare.
50 Virtus et pietas nimis el tua larga volunlas
Omnibus invitis cumulant tibi praeinia laudis.
Ipsemet alque rnei tibi debemus fannilari
Ul bello vicli vexilloque subacti.’ —
Hex ait: ‘hoc absit, ego dum vivam, neque fiet,
55 Ul tibi quid juris aut adminuatur honoris.
Es rex sicut ego, tibi me praepouere nolo.
Ejusdem juris es, cujus sum, vel honoris.
Ob quod venimus litte modo, perficiamus id istic.
Tuque luos recipe, sed non sine cpiovis honore.’
60 Sic dicens comitem regali veste nitentem
Reddidit armatum veluti bellare paratum,
[Sicut captoruin nulluni] reddebat eorum,
Quin forel armatus, vel veste decenter amictus.
Post ait: ‘lii, rex, sunt quos vivere fata sinebant, f0l. loa.
65 Qui non humane, dum nobis praevaluere,
Nos traclant igne, praeda vel caede maligne;
Qualiler econlra tractarem c|uos vice versa,
Praecipe, quo dicant tibi, quando domum remearint.
Nunc se concordent et sint, velut ante fuerunt,
70 Firmi compatres poslhac fidic[tie sodales.’
Quo facto nempe pax lirmabatur utrimque
Per juramentum neutrim penitus temerandum.
Tune ambo reges redeuni ad papiliones,
Cumque suis prandent. Ibi grandia gaudia fiunt.
75 Gaudel quisque, suus salvus rediit quod amicus.
Mensa sublata disponunt plurima dona,
Quae regi dentur vel eis, hunc qui comitentur.
Auri quingenta regi donanda talenta,
Insuper argenlum multum vel pallia centum,
80 Centum loricae, totidem galeae chalybinae,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
144
RUODLIEB
fragm. III.
I nler equos muli decapenta bis falerali
Et bis quindeni onagri totidemque cameli
Alque leopardi geniini binique leones,
Et pariles ursi qui fratres sunt uterini,
85 Omnino nivei gambis pedibusque nigelli,
Qui vas lollebant, ut homo, bipedesque gerebant.
Mimi quando fides digitis tangunt modulantes,
llli saltabant, neumas pedibus variabant.
Interduni saliunt seseque super jaciebant.
90 Alterutrum dorso se portabant residendo
Amplexando se, luctando deiciunt se.
Cum plebs allisonam fecil gyrando cboream,
Accurrunt et se niulieribus applicuerei
Quae gracili voce cecinerunt deliciose,
fol.lOb. 95 lnserlisque suis barum manibus speciosis
Erecti calcant pedetemptim, murmure trinsant,
Ut mirarentur, ibi circum qui graderentur,
Non irascuntur, quicquid mali paterentur.
Insuper et lyncum de vulpe lupoque crealum
100 Addiderat donis, expers quod non sit bonoris,
Ejus ab urina quia crescit lucida gemnia,
Ardens ligurius, carbunculus ut pretiosus.
Qualiler is fiat, libeat quem discere, discat.
Ex ferro clavos tibi fac fabricare quaternos,
105 In lata butina quos fige, bis in loca bina
Forliter inpellens, evellere quis queat baut quos,
In medio butinae terebello facque foramen,
In quam pone feram, licet invitamve rebellem,
Ad clavosque pedes vincire sibi bene eures,
110 Et circa collum nexam suspende catenam,
81. 82. 83 vorher stand im accusativ mulos, onagros, came-
los, leopardos etc.
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RUODLIEB fragm. III.
145
Inclinando caput, ne vincula solvere possit.
Ad inanducandum sibi sat da sive bibendum,
Quod bibat at vinum yalde sit dulce bibendum.
Ebrius exinde, dum vult, ne queat retinere,
115 Exeat urina sed ut ignorante relenta,
Et fluat in pelvim cilo per butinain terebratam,
Quam dum non poterit dispergere, yivere claudit.
Si non emitlat tarnen haue moriensque retentet,
Abstracta pelle yel aperto cautius alvo
120 Tollito yesicam yel acu transpunge minutim,
Et sic urinam nimis in puram preme pelvim,
Inque modum pisae per cuprea vascula funde,
Majorisque nucis ad grossum fundito yasis.
Suffodiens terra quae vasa dies decapenta
125 Esse sinas, post eiTodiens exinde resumas,
Gultas in gemmas concretas cernis et omnes,
Quae similes prunis lucent caligine noctis.
Quas decet imponi reginarum digilali.
Regis at impone magnas aptando eoronae. —
130 Adduntur donis, licet illis nil sit honoris, fol. 11
Simia nare brevi, nate nuda murcaque caucla,
Voceque milvina, cute crisa catta marina,
In quibus ambabus nil cernilur utilitatis.
Ex genealogia nobili regalia dona
135 Auxil cum psitachis binis corvisque gemellis,
Monedulis, sturnis doctis garrire loquelis,
Quicquid et audierint [inütari qui] studuerunt.
Pontifici cuique sua munera donat lioneste.
Loricis, galeis ducibus, scutis .. . alalis,
140 Munerat atque tubis auro prae post decoratis,
Praesidibus pulcliris madris crisisque poledris,
Militibus snmmis seu pelliciisve clirusennis.
His ita dispositis modicum requiescere vult is.
Explorare jubet alter rex, quando resurgat.
10
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
14()
RDODLIBB fragm. III.
145 Post vigilans surgit, mulum falerareque jussit,
Cumque quibus voluit ad regem tune equitavit.
Plures occurrunt et ei servire sludebant.
Quem bene suscepit rex atque sedere rogavit.
Qui dixil: ‘domine, mecum dignare venire,
150 Et non abnuito quae munera parca tibi do,
Quicquid summatum sit el liic veniant rogo tecum.’
Rex ait: ‘id fiat.’ Rex alter doma revisal.
Convocat iste suos summates conveniendos.
155 Qui dum conveniunt vel coram rege sederunt,
Ut mos ejus erat semper, rogitando jubebat,
Quo suus esset lionor cuivis, quam munera major,
Et nihil acciperet, sibi si quae rex dare vellet;
‘Ne sit opus census [nobis, videatur] ut ejus.
160 Mecum nunc ite, quod ego faciam, facitole.’
Ibanl cum rege suscepti sunt et honeste.
Dum consederunt, ter miscendoque biberunt,
fol.llb. Rex regem duxil secum, quos ireque jussil
In curtem latam . . . . is ampliipreliensam,
165 In qua stant mensae yario censu cumulatae,
ln qua stant et equi, decet ut regem falerati,
Stant etiam muli, stant enormesque cameli,
Stant et ter deni mites onagri domitique,
Stant et terribiles leopardi sive leones,
170 Stas et inaurata connexus, lynce, catena,
Simia cum catta stat ibique marina ligata.
Stant ursi gemini multo variamine ludi.
Quin ibi sunt et aves liominum sermone fruentes,
Psitaclius et corvus, monedula, picave sturnus.
175 Tune ait: ‘haec dona tua sint, rex optime, cuncta,
151 scheint absichtlich getilgt vom Verfasser selbst.
174 über monedula die glosse taha.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
147
RÜODLIEB
fragm. III.
Praesulibus sint baec, liorumque fidelibus istaec.
Auri ter denas uni placuit dare libras
Inque capellanos quinquaginta tribuendas
Argenli libras, totidemque per officiales,
180 Inter scutiferos vilesque ministeriales
Viginti libras nummorum distribuendas.
Nec superexaltat lixas, quin lios quoque donet,
Inter eos denas dispergendas quoque libras
Del duodenorum tantundem cuivis eorum.
185 Post ducibus galeas, loricas donet et enses,
Auratas parmas, lituos ad bella canoros,
Inque suos libras sexaginta tribuendas.
Et post praesidibus det equos faleris redimitos,
Atque suis denas cunctis libras tribuendas.
190 Postreino cunctis abbatibus liis duodenis
S. . det morainen spondendo suum famulamen,
lllorum cuivis confratribus hosque secutis,
Libras triginta, puerorum cuivis et unam.
Mittat et ad claustra inonachis libras decapenta.
195 Regis simnistis aliisque fidelibus ejus, fol. 12».
Ejus servitio qui sunt in cottidiano,
Qui veluii glandes semper Haut regis ad aures,
Et pro mercedis succurrunt pondere cuivis,
Bona dat eximia census ad mille talenta.
200 Inter quos illum venatorem peregrinum
Munerat uberius, sic collegaxn facit ejus,
Missi qui fuerant ad se pacemque patrabant.
Munera, dum vidit ea rex inultumque probavit,
Dixitad aequivocum: ‘tua munera sunt bona multum ;
205 Ne tarnen a nobis tantum donando graveris,
Pro donis votum decernimus accipiendum.
Tarn bene ludentes ursos lios tollo gemellos,
Atque meae natae picam sturnumque do de te,
Et grates liabeas tantas, ceu cuncta dedisses.
10*
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
148
RÜODLIEB fragm.III.
210 Nec volo praesulibus, ducibus, quid praesidibus des,
Quod coenobitis dabis aut abbatibus istis,
Non contra dico, quia redditur id tibi vero:
Hi sunt assidui faimdantes omnipotenti,
Orant et pro te sludiose nocte dieque,
215 Et quod das illis, pariet tibi gaudia lucis.
Inter summates nolo plus numeris ut des.’
Gratis an oblitus reticeret is officiales,
Hi bene donantur, secretiin sive beantur.
Hoc super edictum non ausus est dare cuiquam
220 Grande vel exiguum, nec desiderat quis eoruni. —
Reges inter se quando dixere valete,
Oscula dando sibi placet bis patriando reverti.
fo!.12b. Cumque domum redeunt, juris propriique fiebant,
Rödlieb dilectae rnatris cernens inopine
225 Ad sese missuin quendam bene suscipit illum.
Ad quem sic dixit: ‘mea inater sospes, ai, sit?’
Respondit: ‘vivit, valet et bene, yel tibi misit
Isias litterulas, melius quibus ac mihi credas.’
Susceptaque dice sciolum facit baue recitare.
230 Quam super ut legit, ail: ‘arbitror liaec brevis inquit:
Ergo tui domini cuncti tibi valde benigni,
Ut redeas, petimus, nam te caruisse dolemus
Temporibus tantis, propter quos exiliaris,
Et faidas in te non cessabas cumulare,
235 Don ec e patria fugiens petis extera regna,
Scimus ubi multos te sustinuisse labores.
Quod lamentamur nos, quandocumque gregamur
Ad placitum vel ad inducias quacunque statutas.
Tune in consilio dando par est tibi nemo,
240 Qui vel tarn juste jus dicat tarn vel boneste,
Et qui sic viduas defendat sive pupillos,
Propter avaritiam cum damnabantur iniquam,
Qui lamentanlur nimium, [cum] quando premuntur.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
245
RU OD LIEB
fragm. III.
149
Ergo tui cuncti cum sunt liostes nihilati,
(ukj 2Z0.
Partim defuncti, partim membris mutilati,
lllorum nulli tibi quid plus sunt nocituri.
Kare, redi cilius, quia quo yenias inliianius,
Inprimis ut nos bene tecum pacificenms,
Praestita dando tibi saepissime quae meruisti
250 Non parcens propriae pro nobis denique vitae.’
Ast in fine brevis liujus [stat] epistola malris: fol. 13».
■‘Mi fili care, . . . miserae matris memorare,
Quam sicut...............................
Inconsolatam bona......................
255 ln genitore tuo
nate secundo
Dum mecum fueras, mala cuncta mihi relevabas,
Cum discessisti, gemitus mihi multiplicasti.
Sed tarnen utcumque decernebam tolerare,
Secure miseram dum posses ducere vitam
260 Prae tot tarn validis, tibi tarn diris inirnicis.
Qui quia sunt cuncti mutilati sive perempti,
Fili kare, redi, luctus finem dato matri,
Adventuque tuo consanguineos hilarato
Non solumque tuos, sed omnes compatriotas.’ —
265 Omnibus auditis miles nimis est hilaratus,
Pro sola matre lacrimis perfunditur ore.
Id resciscente populi rumore sodale,
Ultra credibile nimium fit mentis acerbae;
Illeque non solum, quin quod fuit apparitorum,
270 Stant ubi vel resident, simul intime condoluerunt.
Dicunt, quod nunquam vidissent huic similem quem
Moris lionestate fidei vel in integritate;
Quod nec obest ulli, sed, ubi quit, profuit omni.
At qui servinien ejus novere diurnum,
275 Dicunt: ‘quid mirum, sibi si non est onerosum
250 denique am rand, statt des früheren utique.
I
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
150
RUODLIEß fragm. III.
Nil deservisse, ni pauper vivere posse,
Victum vel vestem, millum plus emolumentuni,
Hujus cum regni columen specialis sit omnis.’ —
Qui sibi dilectum secum sumendo sodalem
280 Ad regem graditur, prae quo sic fando precatur:
Si, rex, anderem, tibi vel fore non grave scirem,
Quod nimis angit me, tibi veilem notificare.’
Rex ait: ‘eloquere, demente potiris ad id me.’
Ille pedes regis amplectitur oscula dans liis.
fo!.13b, 285 Postque resurgendo vix protulit isla gemendo:
‘Quid mihi causae sit, melius rex ipse videbit.’
Sic ait inque manus dat litterulas sibi missas.
Rex ait bis lectis: ‘nunc compatior satis istis.
Qiiae tibi promittunt damini, si sic ea solvunt,
290 Consilior videas, venias quin neve relinquas;
Atque tuae matris nimis est legalio suavis.
Hinc omnino tibi modo nolo reconsiliari.
Quin vadas ad eam vel consoleris eandem,
Contribulesque tuos visendi le sat avaros.
295 Quando velis, ito; nobiscum sed tarnen esto
Istius ebdomadae Spatium. Noli prius ire,
Quam pertractemus quid mercedis tibi demus.
Nobis servisti quam devotissime scisti.
Non oblivisci decet id nos, sed reminisci,
300 El tibi prodesse, te saepe neci tribuisse
Pro me pro populo pro cuncto denique regno.’
Exul at inclinat regem meminisseque gaudet
Ejus servitii, paucis respondet et illi:
‘Quod tibi servivi, mihi quam bene retribuisti.
305 Huc postquam veni, pie rex, tibi meque subegi,
Pascha fuit tecum mihi semper cottidianum,
Semper babens mulluni vel bonorum sive bonorum
A te non solum, sed ab unoquoque tuorum.1 —
Rex jubet interea Gant argentea vasa,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
.
RUODLIEB fragtn. III. 151
310 Ut grandes lances per circuitum cubitales,
Non nisi bis bina, duo plana, tot atque profunda,
Quando coaptentur, ceu panes sint videantur,
Extra speltiua si sint perfusa farina.
Quorum vasorum rex unum denariorum
315 Replet, byzantes quos dicunt aurificantes,
Et sic conjunctim , suppingere quod nequit unum
Plus [cum inarte]llo, ne clangant forle movendo.
Quando domum veniat, res inde suas mel[ioret],fo!.14a.
Atque suos dominos faciat sibi dando benignos,
320 Ut sibi promissa dent praestita mente benigna.
Altera dividitur lanx in duo, sieque repletur;
Ex una parle lancis liummos postiere
Ex auro factos et in igue sat examinatos,
A pole Byzanto quibus agnomen tribuere,
325 Est quibus insculpta graece circum titulala
Istac niajestas, illac regisque potestas,
Inponendo man um stans quem signat bened[ictum],
Quos det dilectis consanguineis et amicis
Ad congaudendum, mos estvelut, liunc lbre sa[lvumj
330 Exilioque gravi non illum degenerasse,
Sed perfecisse vel lionore domum rediisse.
Citra mazeriam lancis nummis ila fartam
Bis sex armillas imponil rex operosas,
Ex quibus octonae solidae, non sunt recavatae
335 Plumbo repletae, ceu serpentes capitalae,
Oscula quae sibi dant, sic se nec amando noce[bant]
Quarum quaeque meri grave pondus gesserat auri
Bis geminae reliquae gyrando fuere recurvae
Quaeque librans marcam velul epaticam sper[ulatam];
340 Non in iis decori plus, quam studet utililali.
Et super additur bis reginae fibula grandis,
ln limo fusa, non malleolis fabricata,
Fabrili nullo compaclave macliinamento,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
152
RUODLIEB fragm. III.
345
fol .Uh.
350
355
360
365
370
Per totum solida , non omninoque dolata,
In medio cujus aquilae stat imago volantis,
Ejus et in rostro pila stat crystallina summo,
In qua motari visuntur tres volucelli,
Essent ceu vivi, gestire volare[que prompti].
[Aureujs haue aqu[ilam] per gyrum circulus ambit,
[Quoe t]am lata fuit, sibi pectus quod bene texit.
, . . merito sic auri fusa talento
............in pensando leviores
. . et [in qua]rum gemmarum niulligenarum
. . erat [varius] velut inspiceres ibi sydus.
. . quaeque librae quadrantem ponderat aeque
. . di boga gracili pendendo catena
. . bis modicam quam praetendendo diatim
. . am cum qua configat, ne stet aperla
. . ne possint cerni majuscula si siut.
. . o lunam solidam super addidit uitain
Pensanjlem libram, faber in qua protulit artem
. • uatura sunt inque recircuitura
. . lapides generosi cuncticolores
Collectis] cocleis in majo mense marinis
. . imixtis auro de more reclusis
. [pljanitie graciles sperulae variatae
. . itur vitro, vitrum discernitur auro
. . nens nodos vel folia vel volucellos
. . lijirsuta primo fiunt tuberosa
. . o vel aqua poliuntur cote scabrosa
Id gejnus electrum fabrile vocatur lionestum
. . dente post gemmas margine lunae
. . ullae dulcem se conlidendo fragorem
, . jam lanci caute rex praecipit addi
. . octonas in lancem ponit inaures.
[Quattjuor ex illis complae fulsere lapillig
[. . . bus] variis ametbystis atque berillis.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
153
*
RÜODLIEB fragm. III.
[Quattjuor ast aliae non sunt gemmis redimitae
. . . del . . . [miris no]dis variati
380 Sicut pincillo quis vitrum pingeret au[ro] fol. 15»
Bullae cum bacis clangunt cum se movet auris.
Tandem ter denos fabricare jubet digit[ales]
Ex auro puro, reperitur non melius quo.
In quorum quemque jubet includendo locare
385 Ligurium yel iacinctum pulcbrumve berillum
Quorum tres sponsae dandi sunt accipiendae,
Non grandes, graciles, quos ferre decet m[ulieres].
Lancibus impletis bis donis iniperiosis
Atque coaptatis clavis firme capitatis
390 Has jubet obduci rex glutine valde lena[ci]
Polline commixto multo tribulamine . . . .,
Ut non abradi nec aqua cpieat hoc aboleri.
Quando dies venit, ad quam rex induci[avit],
Quod deberet ei pie respondere clienti,
395 Dixit principibus: hiosler miles peregrinus
Vult remeare domum carta revocatus liferorum],
Pro quorum causa patria caret ut patet ipsa.
En hic est carta, nunc vos audite quid illa
Dicat.’ Sic inquit, et eam sciolus recitavit.
400 Carta perlecta fiunt ibi tristia corda,
Compare tarn fido tarn mili tamque ben[igno],
Tali tyrone regem seseque carere.
Et regi suadent, liunc vi prece seu reti[neret],
XJxorem sibi det et honoribus liunc locupl[etet],
405 Dicentes dignum cornilatu cjuovis eund[emj.
Rex ait: ^absit ut is de me Iribuletur [in istis],
A quo sinn numquam minimam commotus in [iram],
Quin irascentem me mitem reddit ut ag[num],
Totius fidei plenum se praebet in omni.
410 [Jam nimis e]xilii gravis est sibi sarcina longi ful.15^
. . . n quoquam non hoc scnlire valebam.
I
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
154
RU O DL IE B fragm. IIL
mittamus et euin patriare sinaimis.
tes si post sua sic veniat res
mi queat liuc bene posse reverti
415 . . . eteres ut apud nos commoditates.’
yeruin jubet, ad se quo vocel illnni.
s vocat hunc ; ad regem yenit is illuc.
siluit, dementer rex sibi dixit:
L . in]vile, mi kare, reliquero de me
420 . [promjptus eras et in omni morigerebas.
eo grates tibi, dilectissime, grandes.
es nulli sed plebi karus es omni,
i, die yerum, karissime cunctigenorum,
ibi peccnnna malisne sophia?’
425 [Is volve]ns mente sibi quid respondeat apte
o quod, ait, conponderat usus lionori
t multos ubi noscilur insidiantes
ros cogit plures fore fures
s parit invidiam yel amicos
430 . . . stimulat fidei quo foedera rumpat.
[Est meliujs censu careat quis quam quoque sensu
[Et quicumque] pia satagit llorere sopliia
[. . argejnti semper sat liabebit et auri.
expugnat, quia telis intus abundat
435 . . . nniltos yidisse creberrime stultos
s per stultitiam nicbilatis
opes yitiose degenerantes
se sed opes patuit noeuisse
fol. 16a. Unde potes facile me verbu[m] ta[le] docere,
440 Quod si servabo, quod id ipsum non t[em]erabo,
Tarn karum quod erit, ceu pondo decem mihi quis det.
Nemo mihi rapit id, inimicaturye nec odit,
Propter id et latro me non occidet in arto. ^ ? r
In camera regis census decet ut sit opimus,
445 Pauper liomo sat habet, si vi valet arleque poll^t.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB fragm. III.
155
Non volo peccuniam, sitio gustare sopbiam.’
Hoc rex audito: ‘mecum’, surgens ait, ‘ito.’
In penelralque pedaiit nulluin secumque sinebant.
Rex residens pro se tune exule staute diente
450 Dixerat in primis: ‘nunc audi cordis ab imis,
Quae tibi praedico ceu verus amicus amico:
1) Non tibi sit rufus unquam specialis amicus.
Si fit is iratus, non est fidei memoratus;
Nam veliemens dira sibi stat durabilis ira.
455 Tarn bonus baut fuerit, aliqua fraus quin in eo sit,
Quam vitare nequis, quin ex bac commaculeris;
Nam tangendo picem vix expurgaris ad ungueni. —
2) Quamvis coenosa per villam sit via trila,
Numquam devites callem, quo per sata pergas,
460 Ne male tracteris careasque tuis ibi frenis
Correptus per quem responsum dando superbum. —
3) Quo videas, juvenem quod liabet senior mulierem,
Hospitium tribui tibi non poscas ileranti ;
In te nam magnam facis insons suspicionem.
465 Hic timet, liaec sperat, fors inter eos ila versat.
Ast ubi vir viduam juvenis teneat veteranam,
Hospitium posce; non bic timet, liaec nec ainat te,
Tu[que] ibi secure dormis sine suspicione. —
4) Poscit ad occandum si te concivis agellum fol. 16b.
470 Ut praestelur equa generandi tempore foeta,
Noli praeslare, ni vis baue degenerare,
Nam perdet pullum si planificabit agellum. —
5) Non tibi tarn karus sit contribulis tuus ullus,
Quatinus bunc saepe soleas visendo gravare,
475 Plusque solet rarum quam continuum fore karum,
Nam cito vilescit bomini quodeumque frequens fit.—
6) Ancillam propriam quamvis nimium speciosam
Non velut uxorem facias tibi consocialem,
Ne contemnat te tibi respondendo superbe,
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1
356
RUODLIBB fragm. III.
480 Neve reatur se domui debere praeesse,
Si pernoctabit, ad inensam sive sedebit.
Tecuni manducans. pernox tecuni repausaus
Continuo doniina cunctorum vult fore summa.
Talia famosum faciunt ignominiosum. —
485 7) Si libet uxorem traducere nobiiiorem,
Causa karorum generandorum liberorum,
Tune cognoscibilem conquire tibi midierem,
Et nusquam maler tibi ni quo consilietur.
Quam dum quaesieris, docet omnimodis ut lionores,
490 Tractes dementer, illi tarnen esto magisler,
Liligium cum te ne quod praesumal habere:
Nam vitium nulluni majus valet esse virorum,
Quam si subjecti sint queis debeut dominari.
Et licet in cunctis bene concordet tibi rebus,
495 Numquam veile tuum debes sibi pandere totum,
A te correpta si post pro re vitiosa
Improperare velit, ut nil tibi dicere possit,
Unde pudor vel amor inter vos quid minuatur. —
fol. 17a. 8) Nulla repentina tibi tarn gravis ingruat ira,
500 Quin pernoctare vindictam perpetiare,
Maxime cum dubia res est, non ut tibi dicta,
Forsan cras gautles, animi quod frena tenebas.—
9) Nunquam cum domino tibi lis sit sive magistro;
Namque poteslate, si non juste, superant te.
505 Nec quid eis praestes, veraciter id quia perdes.
Cum rogat ut praestes, est tune melius, sibi quo des ;
Inveniet culpam quia tantundem tibi per quam
Tollat, utrumque perit, nec grates nec bona reddet.
Grates, dicet, habe, cum despoliaberis a se,
510 Tune inclinabis, dominum landaus, quod abibis
Sanus cum vita, liihili pensans tua damna. —
10) Et numquam sit iter quoquam tibi tarn properanler,
Ut praetermittas, quin , ecclesias ubi cernas,
RUODLIEB fragm. III.
157
Saudis committas illis te, yel benedicas.
515 Sic ubi pulsetur, aut si quo missa canatur,
Descendas ab equo currens velocius illo,
Kattliolicae paci quo possis participari.
Hoc iter baut longat, penitus tibi quin breviabit,
Tutiiis et vadis, hostem minus atque timebis. —
520 ll) Abnuito numquam, si te cogens liomo quisquani
Oret amore pii jejunia frangere Christi,
Non ea nam frangis, sua sed mandata replebis.—
12) Si tibi sint segetes prope plateas generales,
Non facias fossas, progressus ulteriores
525 ln sata ne fiant, nam fossas circueundo
Strata fit ulrimque per siccum gente meante;
Si non fodisses, daninum minus hinc liabuisses.’ —
Dum rex conticuit sapientia verbaque finit, fol. 17b#
Ambo prodibant, rex inque tlirono residebat,
530 Et laudat cunclis virtutem militis ejus.
Econtra murmur laudantum multiplicatur.
Qui grates regi populo referebat et omni.
Rex ait: ‘ito domuni cunctorum plenus bonorum,
Atque yide matrem totamque tuarn pariter rem,
535 Si potes in patria tarnen esse tua yelut isla,
Solvere sique yelint domini quae polliciti sunt.
Qui si fallant te, decet ut fallantur et a te,
Nec famuleris eis totiens delusus ab illis.
Nulli servito parco nimis aut inbonesto.
540 Si tibi contingat, animus tuus unde vacillet,
Taedeat ut patriae propriae te, si repelis me,
Ejusdem yelle contra te repperies me,
Quo nunc te linquo : dubium non liujus babeto.’
Post nuerat digito prae se stanti paranymplio,
545 Et sibi secretim de more susurrat in aurem,
llluc ut peras camerarius afferat illas,
ln quibus lii panes fuerant intus locupletes,
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158
R UODLIEB
fragin. III.
Polline perfusi foris, intus pecuniosi.
Allatis peris rex inquit: bni bone, sodes,
550 Hos geminos panes, numquam karissime, frangas,
Primitus ad matrem venias quam tarn tibi karam,
Cujus in aspectu solius frange. minorem;
Cum sedeas nuptum cum sponsa, frange secundum.
Hinc et dilectis quantum vis detur amicis,
555 Ut sapiant, qualis noster soleat fore panis.’
Atque valedicens rex oscula ter sibi figens,
Cum gemitu liquit. Miles lacrimando recessit,
Cumque valedicunt, sibi flentes oscula figunt.
Quem sequitur cunctus ad equum populus gemebundus,
fol.18a. 560 Inde recedente , solo comitante sodali,
Scutifer, entliecam qui vexit eo modicel[lam],
Traxit sagmarium variis opibus oneratum.
Inter dilectos fit magna querela sodales,
Tarn breve tune tempus quod ovarent alterut[rius],
565 Nam non ni triduo simul ibant sermocin[ando].
Ad noctem mediam proiongant sumere coen[am].
Post mensam demptis ambobus calciamen[tis].
Postquam dormitum decernunt visere lect[um],
Aversi llebant taciti, lacrimando ge[mebant].
570 Ut puer, ille magis flet se quatiendo soda[lis],
A sibi tarn fido quod disjungendus amic[o].
Nescit, an liunc umquam fuerit visurus in [aevum].
Pervigil insomnem vellet flens ducere noct[em],
Ni cilius somnus cor moerens opprimit ejus.
575 Cumque diescebat, ambo simul evigilab[ant],
Surguntj induerant se ? prandent et fa[lerant se],
Insimul et pergunt, donec confinia cern[unt]
Alterius regni, qua sunt postremo dire[mpti].
Exul et, ut potuit prae fletu vix, sibi dix[it]:
580 ‘Kare, meo domino de vero corde ve[rendo]
Die, precor, oramen vel devotum famula[men]
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB fragm. III. 159
Omnibus atque suis mihi ceu cor semper am[andis].’
Basia dum sibi dant ambo liimis inti[mi amici];
Alterutrinque vale dicebatur sal abun[de].
585 Discedunt a se sic in sua moestus u[terque].
Utque suae patriae jam coepit repropifare]
Rufus euni vidit ac currens se sibi j[ungit,]
Quando salntavit hunc [quave via rogitavit]
Ire ve quo vellet? [miles .... ferebat]
590 Sat dedignanter, respondet ei sapienter:
‘[Est via] communis, quo vultis, pergere quitis.’ fol.18b.
[Rufus] parabolas incepit dicere multas,
[Quamvis resjponsum de milite non capit ullum.
[Increscenjle die cum ferre suam nequit in se
595 [Miles tum po]st se cappam solet ille ligare.
[Rufus, ut ajcquirat baue, tota mente volutal.
[. . . u]t veniunt ad aquam vel equos adaquabant,
[Vertendo] tergum ceu detergendo caballum
[Rufus cor]rigiam furtim rapit indeque cappam
600 [Hancque s]ub ascella tenet usque recessit ab unda,
[Exsiüen]s ab equo citat lianc intrudere sacco
...........aretur post hunc velut experiatur
...........pedum clavos an haberet eorum
[. . . • acc]urrit et adulando sibi dixit
605 [. . . no]nne, bone, mihi cernebaris habere
[Postlergum cajppam miror quod non video quam.’
. . . . dixit: ‘est mirum m[ihi], sed ubi sit
. . . . sub aqua quid nescio diffluitabat
[. . ub]i potamus, ibi forsan perdideramus.
610 [. . revfertamur, hanc si reperire queamus.’
[‘Absit’] miles ait, simulans sibi ceu nihili sit.
[Vespere tune] villae coeperunt appropiare.
Per illam pljalea vadit sat lala lutosa
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160
RU OD LIEB fragm. III. IV.
. quo quivis valet liis exire lacunis
615 . . tran]sire via prope sepem tarn lutulenta
. dans posset [ni pons] artissimus esset
• t temptando sepenique manu retinendo
. taret [in coenum nam] cecidisset
. . . . tus e campo per sata tritus
620 .... callem Rufus suadebat eundem
illuvie coeni non posse tneare
. ullam tarn coenosam vel aquosam
IV.
fol. 19a. ‘Postliac cum peccas, noceas cui, Ji[on maledicas],
Est quia valde grave duplex [damnum . . .
Perdere quemque suum super hocquepati maledictum.’
E regione minas Piufus satis egit inanes,
5 Non pernoctari dicens quam sint mutilati
. . . . os quia vult . . . dere ....
Miles subrisit, sibi quid pejus fore nam seit.
Ad viilam propiant ubi pernoctare volebant.
Sol petit oceanum monet bospitiumque peten[dum],
10 Rufus pastorem vocat ununi conveniend[um],
Uluc qui venit, quem Rufus mox rogitavit:
‘Die vicinorum mihi nomina praecipuorum,
Est liic quis dives, nostri fore qui queat hospes?’
Pastor ait: ‘multi sunt hie, quos non stupefier[i]
15 Sat scio, si centum scutis comes appetat [unumj,
Quin bis servire possint omni sub lionore.
Esset homo pauper, nequeat qui sufficienter
Vobis servire, vestros et equos stabulare.
Multi sint soliti licet liospitibus famu[lari],
20 Inter eos omnes non suscipit advenientes
ÜUODLIEB fragm. IV.
161
Tarn bene ceu juvenis, vel uti vetus [uxor ejus].
Rufus ait: ‘viduam quid habet juvenis Veteran am ?
Vir vetus uxorem deberet habere veternam.’
Pastor ait: hiusquam melius nupsisset ad [ullam].
25 Pauper erat nimiuni, prius is quam duxerat [istam].
Nunc dominatur ei, servivit cui [prius ipsi,]
[Ac] veluti dignus, est nam pius atque benignus.
Gratia sitque deo, qui sic miseretur e[geno].’
Tune dixil miles: ‘quae te rogo, die mihi, sodes,
30 Qualiter acciderit, inopi locuples [mulier sit?]
. . . ,s domine, die audieris mihi, nonne fol. 19b
[Omnis ovijs cupide vas lingit salis amore
•'[Quem] prius [haec] habuit secum laetissime vixit
35....................parcus rarissime laetus
...............vide.................jocantem
. . porcorum vel apum fuerit vel equorum
. . numerum nescit quantum cujusque sibi sit.
[Neve] tarnen carnis propriae saturatur utervis,
40 [Cas]eolos comedunt duros serumque biberunt,
Quicquidhabent, vendunt,pretium cautequerecondunt.
[Tune] is huc veniens juvenis nudus vel egenus
[Curr]it ad liunc, primo panem mendicat ab illo.
[Qui] sibi buccellam sigalinam vix dedit unam
45 [Hi]c dum suscepit, reverenter stabat et edit.
Mensa sublata properat sustollere vasa,
{Ne m]ingat catta catulusve coinquinet illa,
[Sed]ulus ac lavit, post in toreuma reponit.
[Cocl]ear in disco curat servare magistro,
50 [Ut] sibi pi'aeponat, cum prandit quandove coenet,
[App]osito cultro cum saleve cum cocleari,
[Si be]ne conditum quid non sit, condiat hinc id,
. . sit holus seu sorbicium seu quidque ciborum.
[Haec] notat in corde senior, si non ait ore.
11
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
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RUODLIEB fragm. IV.
55 [Nil] praeterinisit juvenis quod opus fore vidit.
[Bov]es sicut oves adaquat, porcosve capellas.
[Apjportat foeiiuin quibus annonat parafredis.
[Omne] fecit sponle sibi nemine praecipiente.
[Si quid] alius erat opus, id studiosius egit.
60 [Et cum] per triduum mansisset sic apud illum,
Is n]isi buccellam sibi nil dedit ad comedeudum.
folJ203. Cumque diutius esuriem sufFerre nequiret,
Inclinabat ei cupiens alio proficisci.
Ille sibi dixit, hunc cum secedere vidit:
65 Nunc bic esto dies binos tantummodo vel tres,
Alterutrüm nostros mores donec videamus.
Consensit juvenis, mox augetur sibi panis,
Quadrans inane datur sibi, sero dabatur et alter.
Interea rogat hunc, si quam cognoverit artem?
70 “Artem, quam possem cognoscere, die, meliorem,
Quam quod nosco cibos lautos confingere pl[ures]
Vilibus ex causis, ex lierbis sive farinis,
Ad quae nil nisi lac posco modicumve sagi[men]
Et tantum salis, detur ut dulcedo sapori.
75 Est aliud, domine, nobis omnino necesse,*
Quod non irasci debes de me tibi dici.”
‘Die,’ ait, ‘id quid sit, non irascor.’ Puer inquit:
“En velut es, cunctis dives satis esse videris,
Et tuus est panis solaminis omnis inanis,
80 Furfuribns plenus, fuscus, lolio vel amarus.
Si praesentare mihi vis cujusque farinae
Vel modium vel dimidium [ad] panes faciendum,
Tot bene cribratos praesentabo tibi panes,
Semine conditos apii vel sale respersos,
85 Et................uras aliquas lardo superunctas,
Atque coronellas .... uti menclas.
Haec faciens merum . . . tibi . . .
Quicquid et ex cribr.......................
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RU ODLIEB fragm. IV.
163
Atque tuis pullis dabo sive strepentibus faucis]
90 In pueros paneni si fregero distribuendum,
Non ita...................iit eis lenis videaris
Haec faciendo domum totam tibi promptificabo
. . . • cuncta praesens sta nitere furca.” fol.20K
‘[Esset quod] juvenis mullum sapiens, liomo cernens,
95 [Jamque rege]nda sua commisit ei bona cuncfa,
[Res ut pro]videat puerosque süos, uli yellet.
[Tali caujtela facit hoc, tali qiioque cura,
[Ut domijno nil deficeret nullive suorum.
[Ultra prae]bendam sibi nil tulit ille statutam ,
100 [Ipse Ijaborabat, quo se vestire valöret,
[Ac fam]ulando fide domino summa, sine fraude
[Tempus] nescio quod. Postliaec moritur scelus illud.
[Sordidiojr nemo vixit vel amarior illo.
[A paucis] Jletur propriorum, dum tumulatur.
105 [Quis dubit]at vidua juveni tune fiat amica.
[Protijnus sed ad ecclesiam simul ire videmus,
[Ad me]nsam resident simul, ad lectum simul ibunt.
[llleque] jam dominam yocat lianc, ast hunc ea natum.
Mox famuli, famulae patrem suescunt vocitare,
110 [Ille su]os liberos econtra nominat illos.
[Nunquam] majorem nos cernebamus amorem,
[Nec] contectales sibi tarn bene convenientes.
[Janua], quae yiduis prius est et clausa pupillis,
[Haec nunc] divitibus semper patet atque misellis.
115 [lilic] hospitium, si vultis, babebitis apturn;
[Est et] in ingressu yillae grandis domus liortmi.’
[Tune a]it et Rufus vanus nimiumque superbus:
‘[Estyetjus hie aliquis, cuisit pulchetrima conjutix?’
Ille ai]t: tfest senior, multum bona cui fuit uxor;
120 [Profi d]olor, all moritur. Is nupsit clenuo nuper
Et duxit juvenem stultam nimiumque procacem.
11 *
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
164 R ü O D LIE B fragm. IV. V.
[Censens] pro nihilo conteninit euin , male crebro
[Cum moechis] stultis ludens inhonestius illis.
fol.21a. 1 Panes ille secat et in illos distribuebat,
Carnis de senis discis quod et decidit illis.
His consolatis laetis ad doma reversis
Hospes item dixit: ‘cum Christus quem mihi mittit,
5 Tune est pascha meum mihi yelque ineis celebratum,
Sicut in hac nocte, dum laetificabimur a te.
Est mihi quod venit de te, deus ut mihi mittat.’
Cui mox de scapula partem mittit quoque sura,
In plures offas quam concidendo minutas
10 Pro sacramentis pueros partitur in omnes.
Post haec sat cocti domino, sat ponitur assi,
Potus at in patera summi tuberis nucerina
Praecipui vini piperati sive medonis,
In qua bis bina sunt aurea flumina sculpta;
15 Dextra dei fundo paterae confixa stat imo,
Quam, dum pernoctat ibi, quidam summus ei dat.
Numquam gustavit tarnen ex hac', ni sibi mittit
Cui servitur in hac, in opus servatur at istud.
Finita coena, postquam que datur sibi lympha,
20 Fertur ei yinum, de quo bibit et sibi misit,
Qui dederat dominae prius, et post ebibit ipse.
De mensa surgit miles modicumque [resedit],
Sicque jacens tractat, hominem qui gratiiicar[at].
Tandem matronae dederat sua pallia prompte,
25 Possit ut ecclesiam sic compta revisere sanctam.
Interea Rufus quid agat non praetereamus.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB fragm. V.
165
Miles ut intravit, ubi tot bona repperiebat,
Rufus, cur subeat, yetus est ubi simia? dixit.
Miles ait: ‘veiles mecurn’ post forsan ovares.
30 ‘Quod volui reperi, sed quod tu quaeris habebis.’
Asstantes multi Rufo sunt consiliati,
Deserat haut comitem...................
[Ast dedig]nanter discessit ab hoc properanter, fol.21b,
[Jam praeter] neptem nil nacturus nisi mortem.
35 [Irruit in] portam senioris sepe seratam.
[Is stetit in] curte, liberique sui duo prae se.
[Tune Rufus] pülsat quatiens portam nimis inquit:
. . . . aperi, yel me praelinquere noli.’
[Cumque senex] ‘quis sit per sepem prospice,’ dixit,
40 [‘Jam ven]it et frangit portam,’ currens puer inquit,
Rufus ait: ‘pande, rogitas quasi nescieris me.’
[Tune sunt i]rati juvenes nimis liinc stomacliati.
. . . . endo mali jubet illi tune aperiri.
[Rufus projterve, nimis incursando superbe
45 [De capite] mitram non deponebat, et ensem,
[Desili]ens ab equo, freni loro sude jacto,
[Stringens], insanus prae se stetit utque profauus.
& : Sed Rulus tandem rediens ait ad seniorem :
‘[Si yos n]oscatis me miror, quod reticetis.’
50 ‘[Nescio qui]s sitis,’ ait is, ‘stillte satis itis,’
‘[Nescio qui]s sitis, nunc nobis quidve velitis.
‘[Est uxor vest]ra mea neptis vakle propinqua
Hane ut conveniam solus permittite solam.’,
‘[Permitto], facite,’ jubet haue ad eumque venire.
55 [Quam, simulac vijdit, ardens in corde cupivit,
[Gauden]s arrisit, ea congaudens sibi risil.
. . . lim genitor tibi mandat yel tua mater
. . . solus ubivis et quiequid alius.’
[Isti ambo] tune staut ad sepem seque reclinant.
60 Rufus ait: ‘primo quae dico, corde notato,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
80
85
90
[Nostrum coljloquium nam non debel fore longum,
Non fle, non ride, te contineas seriöse,
[Ni veli]s ille canis sapiat nostram rationem,
[Si mihi] consentis, ab eo citius redimeris.
[Est hic na]m juvenis, satur omnigenae probitatis,
[Haut bjrevis haut longus, sed staturae mediocris.
Est similagineus totus ac genis rubicundus,
ln toto mundo non est speciosior illo,
Qui dum rescisset, tu quam speciosa fuisses,
Et quas aerumnas patereris cottidianas,
Corde tenus aoluit, gemebundus vel mihi dixil:
“Umquain si fueris mihi fidus, kare sodalis,
Ito, die illi mulieri inartirizatae,
Si \elit, ut redimam se, vel de carcere tollam,
Audierit gracilem cras quando tubam reboantem,
Ut dicens nulli sibi tarn fidae mulieri
Exeat e curte, platea stans inopine,
Donec accurram cum pluribus hanc rapiendam.
Posthac haec liera sit, agat et sibi quodque placebit.”
Nunc sibi demanda quod vis, neptis mea cara.’
Disciplinate stans hoc audivit ut omne,
Iuterius gaudens, tarnen inquit ei quasi moerens:
‘Cuncta libens facio, sis certior, atque lidem do.’
Accepta dextra Ruins dubitans nihil ultra:
‘Ter mihi succumbas in mercedem, volo laudes.’
‘Si decies possis , fae,’ inquit, ‘vel quoliens vis.’
‘Sicut abire velim, facio, quod tu prohibelo.’
Adque senem rediit ‘mihi praecipiloteque’ dixil.
Ille libens faceret, si prae muliere valeret.
lila rogat mullum, discedere ne sinat illurn.
‘Si velit, hic maneal, quod nobis sit, sibimet sit.’
hei 85 stellt R(ufus), bei 86 Nfeptis) , bei 87 R(ufus), den
Wechsel des gesprächs zu bezeichnen.
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RUODLIEB fragm. V.
167
Duxerat in stabulum properantius illa caball um;
Non ea nec Rufus reminiscuntur magis ejus,
Manducet, si quid ibi graminis is reperisset.
95 Intrantemque domiim neptis bene siiscipit illum,
Insimul assidunt sat sermocinandoque ludunt,
Insertos stringunt digitos, sibi basia figunt.
Ingreditur senior, quo non seriosior alter, fol.22b.
Hispidus in facie, poterat quod nemo videre,
100 Ejus quid vultus fuerat, quia valde pilosus,
Ni solus nasus curvus fuit et varicosus.
Staut oculi gemini velut effossi tenebrosi,
Hosque retortorum superuinbrat silva pilorum;
Neve foramen ubi sit in os, quit quisque videre,
105 Sic se barbicia praetendunt longave spissa.
Ille parare tarnen pueros jussit sat edendum.
Istorum nimius cum displicuit sibi ludus,
Inter eos residet, natibus disjunxit et ipsos,
Ad modicum reticent [se] intersessosque dolebant.
110 Prae se curvando fantur per plura jocando.
Cum pertaedebat, mensam velare jubebat,
Dixit et uxori: ‘satis est, jam parce pudori.
Non debet mulier sic esse procax neque sed vir,
Et praesente viro ludat decet baut alieno.
115 Sic dicens surgit ad latrinam velut iret,
Respiciebat eo terebelli perque foramen.
Rufus et in solium salit infeliciter ipsum.
Uua manus mammas traclabat et altera gambas,
Quod celabat ea, super expandendo, crusenna.
120 Hoc totuni ceu für rimans senior speculatur.
Quando redit, sibi non cedit, nam non ea sivit.
Tuncque sedens solio nimis indignando supremo,
106 für jussit sat früher praecepit.
115 für latrinam stand früher secretum.
ff
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
I
168
RÜG D LIEß fra&m. V. VI.
Saepe monet dominam, quo praecipiat dare coenam;
Quae subsannando coenam differt joculando.
125 Is rogitat, ‘coena,’ pueros, ‘essetiie parata?’
‘Quam cito vos vultis,’ dicunt, ‘coenare valetis.’
‘Nunc hera coenemus, requiescendumque meenius
Pauset et est tempus ut vester karus amicus,
Satque fatigastis liunc, nunc pausare sinalis.’
VI.
iol. 23a. I Venit is*) atque fidern sibi**) vult praedicere sanctam,
Non valet is, ‘credo’ gemebundus ait; nisi crebro
Poeniteat, vel eum rogitat, mala quae faciebat ?
Nutibus et verbis se poenituisse docebat.
5 Per domini corpus fit ab omni crimine mundus.
Exbalans animam domino commiserat illam
Dicens: ‘Christe pie mihi valde reo miserere,
His et dimitte, mihi vivere qui rapuere,
Inspiresque meis, ut idem faciant, rogo , natis.’
10 Sic dicens siluit, cito post haec vivere clausit.
Aurorante die populus convenit ubique,
Ante fit ecclesiam multus convenlus et ipsam
Et vicinorum majorum sive minorum.
Rector eo venit, scelus ut miserabile rescit.
15 Utque resederunt ibi quos residere decebat,
‘Hic,’ ait, ‘est,’ rector, ‘miserabilis utique rumor,
Quod sit percussus quo non melior fuit ullus.’
Fleutes dicebant omnes, ibi qui residebant:
‘Ulciscatur, ni rescimus par iterari.’
20 Misit post liberos, post mordritas simul ipsos.
*) der priester.
*'*) dem sterbenden alten.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
11UODLIEB fragm. VI.
169
Qui dum venerunt, coram rectore steteruut,
Rufus ridendo, terram rea conspiciendo.
Rector, duin vidit, quod risit, ‘pessime’, dixit,
‘Rides, cum cunctos hic, flentes cum videas nos.
25 Quid succensebas, quod eum sic martirizabas ?’
Rufus ait: ‘dentes mihi dempserat anteriores
Ob nullam causam, nisi quod sedi prope neptim.’
Dixit et: ‘ancilla tua neptis si fuit illa,
Cur haue stuprabas, sceleri scelus adiciebas?’
30 Rufus ait: ‘cur me [mulier] attraxerat ad se?
[Cur................ni peteret me].’
Quae tantum flevit, rivus lacrimis ibi quod fit. foI.23t>.
Ex oculis sanguis posthaec fluxit sibi grandis.
Postquam conyaluit, quod quid fari valet, inquit:
35 ‘0 liimis infide, cur sic mentire super me?
Exemplaris Adam, qui culpam vertit in Eyam.
Non post te misi, non te prius, impie, vidi.
Me cum promissis mendosis decipiebas.
Non ego defendo quod feci, sed mage dainno
40 Quod tu fecisti, me consiliante patrasti.
Non ego, coniiteor, ulcisci me super opto.
Judicium, rector, fieri differto parumper,
Donec accusem memet, donec quoque damnem.
En, mea judex sto, quia valde libens tolerabo.
45 Si me suspendi vullis super arbore grandi,
Radite caesariem, in longam plectite funem,
Stranguler ut per eam, per quam rea saepe fiebam.
Sed rogo, post triduum corpus tollatis ut ipsurn
Et comburatis, in aquam cinerem jaciatis,
50 Ne jubar abscondat sol aut aer lieget imbrem,
Ne per me grando dicatur laedere mundo.
Inclusam vase vultis submergere si me,
Deforis in vase, quod feci, notificate,
Inveniant qui me, ne praesumant sepelire;
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
85
Tantum vas rumpant, in aquam yel reiciant nie,
Piscibus ut citius vorer aut diris cocodrillis.
Vultis in ignitum famosam trudere furnum,
Ingrediar sponte, quo non cremer igne geliennae.
Ut caream vita, si vultis, mersa cloaca,
Sum nimis immunda, tali dignissima poena.
Incidero prompte quia tali gaudeo fine,
Tartareus foetor mihi post ne perpetuetur.
Quicquid supplicii [reperitis adliuc gravioris],
Omne libens patiar, multo majora merebar.’
Quae dum conticuit, rector miserans ita dixit:
‘Judicat haec semet, vos dicite, si sat in hoc sit?’
Omnes ploranles, nimium sibi compatientes
Dicunt: ‘non opus est, rector rogilet super hoc plus.’
Dicunt causidici: Sitarn decernimus illi
Donari tantum, si poeniteat male factum.’
Ejus privigni mansuefacti velut agni
Volvuntur pedibus rectoris daudo precalus,
Ut yitam, veniam sibi concedatque salutem,
Esse domus dominam, velut ante fuit, sinat illam.
Quod dum promisit dementer, id illa recusat:
‘A modo non dominam, sed me dicant homicidam,
Vivere si vultis me, istud tarnen, oro , salutis
Ut mihi tollatis, quo me non debilitatis.
Nares truncate, quidquid sit et oris utrimque,
Ut stent liorribiles omni sine tegmine dentes,
Ut nulkim libeat, posthac mihi basia quo det,
ln crucis atque modum me comburalis in altuni
Per geminas buccas rosa ceu tenus hac rutilantes,
Noverit ut quisquam propter scelus hoc mihi factum,
Et dicat: tibi vae, meruisli tale quid in te?
5T die liandschrift fumosam.
77 die liandschrift hat: sed tarnen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RÜODLIEB
(Vagm. VI.
171
Ne grandis culpa penitus me sic stet inulta.’
Tune rector liberis liunc commisit senioris,
Mater et ut domina sit eis, nec, ut ante, noverca.
Quae vestes pulchras, ornatus abicit omnes,
90 Induitur tunica velut ex fuligine tincta.
Caesariem rasit* liinc resticulos ea plectit,
Cum quibus et teneras constrinxerat illa inamillas,
Restes vi mordent carnes, donec putrefiunt.
Tegmen pannosum caput omne tegebat et ipsum;
95 Sic nil ni nares oculi cernuntur et ejus.
Psalterium discit, aniinae senis idque canebat.
Non manducabat, nisi stellam quando videbat.
Tune siccum panem comedens, atrum, cinerosum,
V[el bi]bit ex limplia tantum coclearia terna.
100 Ambulat liaec pedibus nudis per frigus et aestus,
Dormit et in lecto niliilo palea nisi strato,
Et pro plumacio posito tanlummodo ligno.
Ante diem surgit senis ad tumulum veniavit,
Donec sudavit, donec plus Stare nequivit.
105 Tune ruit in faciem, dum fontem flens ibi fecit.
Ningeret aut plueret, seu sol torrendo cremaret,
Venit ad ecclesiam, mox ut pulsatur, ad ipsam,
Et non inde redit, dum circumquaque diescit.
Ad breve tune rediit, donec faciem sibi lavit,
110 Presbiter ad missam vel pulsabat celebraiidam.
Tune rediit, nonam post liaec ibi mansit ad lioram.
3\ilque polestatis sibi vendicat, haue sinit illis.
Quod sibi dant, babuit, quod non dant, non ea quaerit.
liaec nunquam risit, cum nemine postea lusit.
115 Cum rident alii, fletiis dulcis fuit illi.
Hane irascentem, rixantem, luxuriantem
INemo videbat eam, dum vitam deserit istam.
lila comniissa nalis ab eisque recepla
fol.24i>.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Rector ait populo: ‘quid agamus, dielte ? Rufo,
120 Quiscelushocgeminumpatratinter nosgemebuudum?,
Rufus judicii certus necis ‘obsecro’ dixit,
Hic babeo comitem, prius hunc curate vocandum.
Quam quid in bis culpis ulciscendum rogitetis,
Qui, cujus generis sim, quit sat dicere vobis.’
125 Mittere dum post liunc ejus cupidi voluerunt,
Militis liospes ait: ‘quem vos vultis citus asstat.
Hac mecurn nocte mansit, quod non fuit iste.’
Quem dum perduxit, stantem rector rogitavit:
‘Die, miles summe, soclus tuus iste vir est ne?’
VII.
fol. 25a.
'ua
Farcere quae nescit pariter cunctos do............
Femina, quae lunae par est in flore juv[entae],
Par vetulae simiae fit post aetate senectae,
5 Rugis sulcata frons, quae fuit antea plana,
Ante columbini sibi staut oculi [vitulinij;
Deguttat nasus sordes nimium muculentus.
Dependent buccae quondam pinguedine [tensae].
Deutes oblongi moti staut ut ruituri,
10 Per quos lingua foras pellit locitura fa[bellas],
Et verbum profert, plenum ceu pollinis o[vum],
Os et risibile, quod plures allicit in se,
Stat semper patulum , populum terrere, vel [antrum].
Utque recurvatum resupinum slat sibi [mentum].
15 Stat colium gracile deplumatae quasi p[icae],
Extantes mammae, jam ceu trochi tuberosae,
Molles ut fungi succi pendent vacuali.
Et prius usque nales sibi crines auricolore[s]
Pendent discretim dorsum volando pilfosum],
20 Extant horribiles terrentes inspicientes
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
173
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( RUODLIEB fragm. VII.
Per sepem caput ut annuatim sit sibi t[onsum],
Inclinata caput liumeris extantibus [it nunc],
Ut tardus vultur ubi seit jaeuisse cadaver.
Et quae discincta consueverat ire juventa,
25 Alte succingit tunicam, ne sordifica[rit]
Calcatura fabas vel ut pultem coquitu[ra].
Calciamenta sua, quae jam fuerant nim[is arcta],
Cum soccis laxa, liga ceu, staut, ante sup[erba],
Sustollunt luti nimium calcando limo[si].
30 Et graciles digiti, quondam pinguedine pl[eni],
Nunc super ossa cutem succo vel carne carentem,
Sordent rugosis nimis ex fuligine nodis,
Unguibus incisis, longis, squalore nigellis.
Sic agilem juvenem senium domat ut mulierem.
..................................... fol.25b
. . s sibi celsior est ubi tellus
pon]at quis crus sellarn super ipsain
. . m suspendat se socialem
. . n]ec girans si sella vacillet
. . etum fuerit si forte jumentum
. . dum latum saliens super ainnem
. . b]aculo sese sustollere crebro
. . n post multa levamina tandem
. . s post se transit tussi quatiente
. . eas cernit girare clioreas
. . us juvenis fugitabit amarus
. bunt cuncti vel ei maledicunt
, . vel in bis juvenilis ovabat
. . idit quid cantent aure notabit
. . vit digitis neumas agitabit
. . meros huc liuc vertens liilarescens
. cunct]os ad gese respicientes
. . r]es Optant rediisse priores
. . lieri si posset eundem
t
\
40
45
50
© Hessisches Staatsarchiv Marburg
174 11U O D LI E B fragm. VII. VIII.
55 * . . . let dum sponle libens obiisset
. , . do suspirans intime flendo
. * * . uni dicens saepissime secum:
‘[Mors liumanoruifi] finis tu sola malorum
[Cur tarn ser]a yenis? cur non me carcere solvis?
60 .... li languore, dolore
sti] licet id sibi yivere mors sit
jubet deus, ejus Spiritus exit.
nat omne, quod e$t, volet, ambulet, aut net
habet, non quodam fine carebit.
65 . ♦ . . ter Rotlieb minitare frequenter
set et id effugitare nequisset
. et alius nil habuerunt
. quicquam tractare suaruni
. . fili, tua magna Sophia.’
70...............e plus quam claresc .
[mem- 1
brau,
fiorian.
fol. laj
10
VIII *).
Tune sibimet comedunt \ülae\ et pullis tribuerunt.
Cum per aperturas in domate quis sibi micas
Praebet, mox illo concurrehant adhiando,
Captantes civide quid quit contingere cuique,
Sic consuefactae sunt post modicum cito cunctae,
Quin post, ostiolurn sibi cum fierct patefactum,
In manibus resident, quod eis datum accipiebant,
Dumque sunt saturae leniendo manuque politae
Doma sua sponte cettatim mox subierunt,
Et componendo rostris pennas, residendo.
Sic gaudendo, diem quod non siluere per omnem,
Oblectamentum fit herili deliciosum,
Cum nimis insuave senibus sit tale quid omne.
*) das achte fragment ist in der handschrift von S. Florian.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB fragm. VIII.
175
Pahula nulligena, vel aqua staut in domicella XXXVI
15 Sturnorum, scd cos duxere fame domit andos,,
Ut per aperturas poscant escas sihi dandas.
Quod primo veteres nimium renuere parentes.
Cum pullis non dant, has illi deseruerunt;
Quae digitum praebent, bis illi mox adhiabant.
20 Eligitur sciola super kos doctura magistra• XXXVII
Nostratim fari, ‘Pater’ et 6noster’ recitare
Usque (qui es in coelis,’ Hs lis lis iriplicatis, P '' "‘:
Staza soror, 6canite canite’ doceat geminare;
Quod pulli discunt, veteres quam discere possent.
25 Interea miles consanguineus simul ejus XXXVIII
Cum domina vadunt harpatores ubi ludunt.
Miles ut audioit male quam riihmum modulaoit
Inter eos surnmus illius artis alumnus,
Ad dominam dixit ibi si plus harpa fuisset.
30 6Est, ait, hie harpa, melior qua non erit ulla, XXXIX
In qua, dum vixit, meus heros symphoniaoit,
Cujus clangore mea mens languescit amore,
Quam nemo tetigit, is postquam vivere finit,
In qua, si vultis, rithmos modulare oaletis
35 Quam jubei afferri sibi, quam eitat is moderari
. , . . digitis geminis, modo dextra [flor.
Tangenda chordas dulcis reddit nimis odas, toi. 1 b.]
Multum distincte faciens variamina quaeque,
Quod pede saltandi, manibus neumas vel ageiuli
40 Ncscius omnino ciius haec perdisceret ambo.
Qui prius audacter chordas pulsant joculariier
Auscultant illi taciti modulare nec ausi.
Sic tribus insolitis actis dulcissime rithmis
Quartum poscit hera faceret, petit et sua nata, XL
45 Ejus contribulis quem saltaret vel herilis.
Quem, per sistema sive diastema dando responsa,
l)um mirahiliter operareturve decenter,
© Hessisches Staatsarch
176
RU OD LIEB fragm. VIII.
Surrexit juvenis, quo contra surgit herilis.
Ille velut falcho se girai et haec ut hirundo;
50 Ast uhi conveniunt, citrus se praeteriebant.
I]s se movisse, sed cernitur illa natasse,
Neutrum, saltasse, neurnas manihus variasse,
Nemo corrigere quo posset, si voluisset.
Tune ignum dederant, ihr multi quod doluerunt,
55 Deponendo manus finitus sit quia rithmus.
Insimul et resident et in alterutrum nimis ardent
Lege maritali cupientes consociari,
Illius id matre fieri nimiurn cupiente,
Atque facultante, quod veil ent sermocinare.
60 Hunc dominella rogat, quo secum tessere ludat, XL1
Annulus ut vidi donetur ter superanti.
Tune is, (qui lud um, quem ludamus modo primum,
Acquiratdixit, 6digitalis uterque suus sit.’
Haee ea laudavit, ludens et eum superavit,
65 Gratis per deute juvene, gratis sibi dante.
Quae nimiurn laeta se sic habuisse trophaea, XLII
Ludendo proprium cito perdebat. digitalem,
Quem irahit a digito, jaciebai eique rotando,
In cujus medio nodus fuerat cavus intro,
80 Ilunc nisi laxaret, digito non inposuisset.
IX.
fol. 26a. 1 ‘Nunc, bera, circa matrem, quamproxime videris[ipsam],
Die mihi, si valeat, si tranquille sua res stet,
Quandoque commater fieret tua, si mihi frater
Ex illa sit, quem de fonte levaveris, inque;
5 Anne tuam natam de fonte levaverit ill[am]?’
Obstupefacta nimis dictis hera militis ist[is] :
‘Ah, quid dixisti, quod eam nupsisse putasti,
Cui fuerat sine te non ipsuni vivere dulce;
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB
fragm. IX.
177
Nam flendo visum post te jam perdidit ipsum.
10 Ula meam natam de fonte levaverat istam,
Et pro natabus propriis nos post habet amb[as,]
Saepeque nos visit vel nobis tune aliquid fert.’
Audit ut hoc miles, matri compassus ait flens:
‘An queo septimana reyenire domum yel in ista?.’
15 ‘Cras,’ ait, tfad seram matrem quis cernere karani;
Sed panem missi penes lianc volo prima mereri.’
Est divulgatum commatris eum fore natum,
Inter mancipia fit laetitia cito magna;
Congaudent matri reditu pro sospite nati*
20 Tune hera direxit missum, quem dicere jussit
Com matri natum praesente die rediturum.
Interea juvenis pariter ludunt et herilis.
Hunc ea ter vicit, lianc is totiens superavit,
Alterutrim victi gaudentes omine pacti,
25 Virginis is quod erat, juvenis quod virgo manebat,
Non se vicisse, sed victos succubuisse.
Haec suus, ille sua yocitabantur vice versa,
Mutato sexu soloecismi schemate facto.
Nec jam celarunt se quin ardenter amarent,
30 Mater si sineret, yel in ipsa nocte coirent.
lila tarnen sineret, sibi si non dedecus esset.
Ut praestoletur tune virgo vix superatur.
....................lus non dominetur fol.26t>.
. .................qua] velit ire sinatur
35...............domino dominaeque placebat
....................um domini faciendum
....................s resident quibus illi
....................m] ulta viando loquentes.
. . . . famuljos videt a malre missos
40.......................Omnibus oscula praebet
.......................matris amorem
12
178
RUODLIEB fragm. IX
45
50
55
60
65
70
75
.....................um prius intueatur
.....................deus utque remittat
.....................debemus famulari
.....................rediisse videmus
.................ho]noribus amplificatum
.....................tes vobis et habebo
.....................atri bonitatis
.......................r]e spondent et ovanter
. . . . , . . . s accuset apud te
.....................lli debueramus
.....................et ante non uti servos
.....................ius adhaec famulari?
.....................r non venere nisi tres
.....................etant liere nostri
.....................endum facientes
. . ...............dans oscula dixit
. . . . . . . . s grandis fit in illis
.......................ibi fuit atque bibebant
.....................herum comitantur ovantque
.....................m cum reliqua re
.....................qualiter omnia starent
................. . . diceret omnia Stare
................. . . d nocuisse suorum
.....................tus jacuisset agrorum
.....................rat omnipotentem
.....................cerasiorum
Sederat liinc speculans prae se pendentia spernens
...............................rantia mora.
Nuntiet ut primus dominus cum venerit ejus
........................ . . . monedula supra.
Explorans quid agat, cur cerasiis ila parcal
............................hoc ea prodat.
Ille magis dominum cupit ut videat equitantem
............Piodlieb her]e curre venique
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RÜODLIEB fragm. IX. X.
179
Idque monedula discit et ad dominam revolavit
...........................precor audi.
Quae dixit, loquere: TiodÜeb here, curre yenique.’
...........................gementem.
80 Ornnes risere yoluirem quid tale notare
. . . • er................sedeas ubi supra.
Quod dicatque nota, si clamet, tu quoque clama.’
.....................monedula verba
Ipsius pueri Rödlieb venientis avari
85.................... . quando veniret.
Prospicit e silva socios emergere densa
............ju]xta quem scutifer ejus.
Postremo dominus meat oiFicialis et ejus
.............................. quaeque suarum.
90 Tune puer exclamat: ‘dominus gaudete, propinquat.,
10
. . . . quia non pilus unus ibi fit.
Quod tarn nemo vafer sit , qui discernere possit,
Clericus, an mulier, inberbis an esset alumnus,
Est tarn jocundae tarn yirgineae faciei.
Dum se tondebant sordes limpliaque lavabant
Exierant butinam. Lavacralem mox sibi laenam
Scutifer imposuit, qua lectum tectus adivit,
Donec siccetur aestusque sibi minuatur.
Post modicum surgit, sua calceamenta requirit.
Sic pedat ad mensam comes................
Non tarnen in solio voluit residere supremo,
Sed subjeetwe matris dextrim, ifehlt hospes,
Alque libens totum sibi permisit dominatum.
fol.27a,
[mem-
bran.
Florian,
fol. 2a.
monac.
fol.
27b *]
’) der müncltner Codex hat blofs' die mit stehender schrift
gedruckten stellen.
12 *
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RÜODLIBB
fragm. X.
20
XIII, XL
25
30
35
Haec quod ei dederat, reverenter suscipiebat.
Incidens panern turham partitur in omnem,
Transmisit cums discum specialihus escis,
Cum vino pateram, mittens aliquando rnedonem.
Rotlieb contribulis conviva fuit socialis,
Ex uno pane comedunt una quoque lance,
Ex uno cyatho biberant communiter ambo.
Matri convivci solet esse monedula sola,
Cui pilulam micae cum dat, capit illa, superbe
Perspatians, mensam transoersam transilit omnem.
Fercula post multa post pocula totquc secuta
Tune hera poscit aquam, camerarius aitulit illam.
Ad mensas quasque summo jubet hanc dare cuique,
Post hinc pincernae passim potum tribuere•
Mensis amotis mensalibus atque plicatis
Laeti consurgunt dominae gratesque dederunt,
Dicunt gaudere Rotlieb sanum rediisse,
Quo consuletur rnatrem, ne plus tribuletur,
Primitus ut saepe, dolet illo cum caruisse.
Est dwulgaium cito per totam regionem
Rötlieb venisse locuplelätum sat abunde.
Bum sibi post placuit dum secretumque sibi fit,
Intrat conclave cum dilecta sibi matre,
Scutiferumque jubet i/zlhecam quo sibi ferret.
De qua multiplices ea;traxit opes pretiosas
In chrusinis, in pelliciis, census et alius,
Exul quae denis nanciscebatur in annis.
Post poscit peras, quas scutifer aitulit amb[as].
Extrahat ut panes jubet hunc factos aput Afros.
Quos dum produxit, matri joculanter is inquit:
6Hos deservwi, tenus hac9 mater, ubi mansu
Hos mihi rex dederat n . . . •
21 über monedula die glosse taha.
LXVIII
LXIX
© Hessisches Staatsarchiv
RUODLIEB fragm. X.
181
Quam bene sint sapidi videant panes africam
..............puto quo soll videamus
Educens cultrum, quo panem dissec[et unum]
50 [Perclpit arg\entum lancis, sab quofuit aurum.
Pollen ut abrasit, jubar argentique reluxit
. . [disjunjctos cerncns Iria per loca lances
Comminuens lima cito clavorum capitella
[Recludens] lances, vid et aureolos ibi nummos
55 Tam strictim junctos, quod suppinginequii ums• LXX
. at, domino grates et agebal
. s] parilem manibus sustollere lancem
. p\ollen clavos limando minutim
. am vario censuque replelam
60 . . . . stupuit nimium sua mater ovavit,
. dens in mente sat ast hilarescens.
[Lacrimans] oculis grates Christo dat in altis,
\Quod filiurn. kar]um dederat sibi tamque beatum
. se terram premit oreque saepe.
65 ... . regis pedibus domini daret ejus.
. rans faciem lacrimandoque tingens
. ine mim par tibi quis valet esse
. illum miserum dignaris homullum
. aere vel honoribus amplificare,
70 ... . reminiscere quod paiereris
[Condones d]omine, quo non moriar, precor, ante
[Quam rursus v\ideam, quem pauper egensquepetebam,
[Qui dond\nte te dementer suscipiens me
[Fecit tantai'lum consorlem delidarum,
75 [Me miserum d]enos secutn retinendo per annos
. . . t me, queo quod postluic sat honeste
[Vivere fi\denter, haec si tracto sapienter’ LXXI
. . . ni\atre dum sat gaudent super hac re
. . . dunt cautissime quam vahierunt
fol.
flor. 2k.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
10
15
XI.
*Obviat omniaque........................
Quae cum tempus erit tibi dicere cuncta licebit.
Nunc plialerare tibi jubeas unique clienti
Nam......................compatriotae
Quando yidebunt te, devitabunt penitus me.
Debes ire domum, si sit tua gratia mecum.’
Cui cor mox hylarat, prae laetitia quoque flebat.
‘Desine, miles ait,..................
Scutiferuin vocat....................
Ambo scutiferi . ...............
Qui mox ascen........................
Scutiferos dico......................
Cursu veloci re......................
Quidve volim.........................
Ne . . . . ser.......................
XII.
fol.28b. 1 Est ibi secrete prope secessus ....
In quo sunt clavi plures in pariete fixi,
Queis suspendere res potuissent quasque vianies,
Ne noceant mures, cum non timeant ibi fures.
Cum dominis doinina pedat ad solaria celsa,
Qua dicebat eis: ‘multum bene nunc veniatis!’
Dum grates referunt, rogat illos ut residerent
Atque jocarentur di....................
Et sibi quos vellent pis ....
R ü O D LIE B fragm. XII. XIII.
183
10 Moles multigenae p . . . ♦ . .
Tantum tres desunt ... . .
Miles ait nunc piscari..................
Pulvere buglossae q.....................
Est in aqua cymba.......................
15 Assumunt virgam...........................
Donec venerunt pisce....................
Quas qui gustabant......................
XIII.
1 Quos miles virga perterrens cogit ad arva. fbl. 29^.
Miratur domina domicellarumque caterva,
Contribulisque suus ovat in virtutibus ejus.
Fit nimius risus, manuum plaususve cachinnus,
5 Accurruntque coci, tollunt, properantque parare.
Egressus Untre cuncto populo comitante
Ad dominam repedat, ea quem bene suscipiebat.
Tiscator talis est nusquam, vos velut estis.’
Tune jubet exponi pisces in gramine molli,
10 Ut diversos quot, videat, lacus is generaret.
Tune sunt expositi quotquot fuerant ibi capti:
Lucius et Rufus, qui sunt in piscibus liirpus,
Pisces namque vorant, illos ubi prendere possunl,
Prahsina, Labs, Charplio, Tinco, Barbatulus, Orvo,
15 Alnt, Naso_, qui bini nimis intus sunt acerosi,
Rubeta fundicola, Truta digena, rufa vel alba,
In capite grandis Capito, post degener alis,
Labilis anguilla vel per caput horrida Walsa,
x\sco, Rinanch, ambo dulces nimis in comedendo,
20 Ast Agapuz ut acus in dorso pungit acutus,
Praeterea multi pisces mihi non bene noli.
His visis tolli, citius jubet illa parari.
IMensa parabatur lotis similis cumulatur.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
184
RUODLIEB
fragm. XIII.
25 . . . ..............................
Mittit et interea, cito quo veniat sua nata,
Post quam mox agiles plures saluere tyrones,
Texuit ex auro quae bina ligamina sponso,
Post, quemcumque sibi tribuat clementia Cbrisli.
30 Quae dum procedit, ceu lucida luna reluxit,
Quam sollers esset, nemo discernere posset,
An volet, an liaret, an se quocumque moveret
...............................levabat
35 .... m, quam sumere jussit lierilem.
Et post bospitibus dafür, ullime sed sibi post bos
.........................mit insimul ambae.
Major majori, junior consedit herili.
.........................jubet apte.
40 Ejus contribulis conviva fiebat lierilis.
.........................dafür una,
Prae quibus ille canis slat furti proditor omnis.
................faciemque reyertens
Cauda blanditur, quid ei, monet, ut tribuatur.
45............................at ille recepit
Excidit at sibi quid casu non id repetivit.
.........................hoc homo coxit,
Nunquam gustavit aut gustatumrevtimebat (retinebat).
.........................calc]aria tollit
50 Postea scutellas dapifer cum posceret illas,
Porrigat bas sibi mox, cunctis lixis velut est mos
................cani]s inspatiens male crebro,
Insiluit tan dem lacerando trahit sibi veslem,
Io 1.29b. Atque momordisset, ni sculifer eripuisset.
24. 25 scheinen vom verf. selbst nusgeschabt, er wollte sic
wol durch andere ersetzen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RÜODLIEB fragm. XIII.
185
55 Miles ridebat, plebs cetera cuncta stupebat.
Tune dixit domina : ‘res cernitur liaec mihi inira.
Miles ait: ‘furti canis est hie conscius isti.
Quod furabaris, nisi reddideris, morieris !
Vade, fer in medium quod fecisti cito furtum.’
60 Currens absque mora retulit calcaria bina,
‘Haec,’ ait: ‘a sella denodavi modo vestra,
Tune ibi nemo fuit viventum nemoque vidit,
Neve canis sciret, a daemone ni didicisset.
Miles ait: ‘sibi da, cernas cui praebeat illa.’
65 Quae sibi dum jecit, cujus fuerant ea reddit.
Hic dixitque cani: ‘nunc illa referto sodali.’
Quae dat scutifero caudain persaepe movendo,
‘Ante pedes cadite furis, veniamque rogate.’
Qui se prostravit, caput inque pedes sibi ponit,
70 Et veluti fleret , veniam poscens ululavit.
‘Nunc tu die: “surge vel amici simus ut ante.”
Quod cum dixisset, surgens canis exhilarescit,
Nunc liunc, nunc dorninos, nunc gratilicat residentes
Miles ait: ‘vestrum sibi quis captando capillum,
75 Accipiat baculum , velut ulciscendo reatum.’
Quod duo dum faciunt ‘cur furabaris?’ et ajunt,
Insiliebat eos canis, hunc ab eisque redemit,
Mordens in suras illos nimiuin dolituros,
Sic se lusisse cum quo praepacificiat se.
80 Quidam ridebant, quidam nimis inde stupebant.
Prandia cum coena sic sat fiunt opulenta.
Fercula post rnulta , post pocula tarn numerosa
Limpha datur; modicum residetur dum biberelur.
Tempus pomorum non tune fuit ulligenorum,
85 Ni pueri veniunt, de silva fraga ferebant
Quaedam pars vasis, pars corticibus corilinis,
Quae singillatim legerunt undique passim.
Bis esis niensa removeltir, sumitur aqua<
x, %
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
■I
186
RUODLIEB fragm.XIII. XIV.
90.........................................
. . ♦ . it se discaligandum.
Ille ligaminibus de Lukka crura coemptis
..................cca sibi fluitaret.
Atque super pedules se calceolos serlcatos
95.....................inxit sericosis.
Contribulis rubeos soccos sub curduanellis
..................gestans operosis.
Ambo ligaturis conjunxit crura gemellis
..................sunt margine cunctae
100 A quibus et multae dependent undique bullae
..................luerat varicosum.
Prae yel post fissum vel circumquaque gulatuin
..................inam ponendo profundam
Fibro limbatam lato nimis atque nigello
105....................donavit digitalem
Ad minimum digitum bene yix tum convenientem
. . ..... interulam male lotam
Mantel mardrinum senio sudoreque fuscum
. . . . ox ad dominas repedabant.
Quas ad cancellos invenerunt speculantes
XIV.
fol.30a. 1 6..............................credo yenire
Quidam karorum nostri consanguineorum,
Qui quando veniant, liaec dum firmentur, ibi sint.
Ad vos nunc illam vos invitate puellam,
5 Vestri communes veniant utrimque fideles.’
Qui cum yenissent, lianc hi circumque stetissent,
Curtis amicorum cito plena fit advenientum.
Quos Rödlieb bene suscepit, quibus oscula praebet,
R ü O D L I E B fragm. XIV.
187
Et prandere rogat, satis illis et tribuebat.
10 Amotis mensis, dominabus et inde reversis
Ad sua secreta, praecedit eas ea liata.
Post illasque pedant, sibi qui plumatia portant,
Et plures alii comitantes bis famulari.
His vinum ferri jubet illo pro famulari;
15 Dumque bibit quisque, sibi vicino dedit, usque
Pincernae pateram reddebant evacuatam.
Inclinant, abeunt, Rodlieb dominosque revisunt.
Tune RÖdlieb dixit: ‘quia yos deus huc glomeravit,
Nunc audite, mihi cupite vel auxiliari,
20 Connubium quoddam quo fiat nunc stabilitum,
Est quod laudatum sic, ad nos induciatum,
Ad quod praesentes mihi vos cupio fore testes.
Contigit, nt juvenis meus iste nepos et herilis
Mutuo diligerent sese, dum tessere ludunt,
25 Lege maritali cupientes consociari.’
Dicunt: ‘hoc cuncti debemus consiliari,
lndolis ut tantae vir, tarn virtutis opimae,
Non dehonestetur, citius sed ut eripiatur
A scorto turpi digno satis igne cremari.’
30 Et laudant dominum, quod in hoc cosmo fuit usquam
Femina, quae magicam de se divelleret ipsam.
Tune surgit juvenis, grates dabat omnibus illis,
Quod tarn dementes sibi sunt communiter omnes,
Inquit et ‘liorrere penitus se seque pudere
35 Sic dehonestatum per id execrabile scortum.
Nunc opus uxore nimium mihi cernitis esse,
Quam quoniam facile nunc possumus hic reperire,
Hane desponsari desidero vel mihi jungi,
Ut sitis testes et ad hoc mihi, quaeso, libentes,
40 Alterutros cum nos dotabimus est veluti mos.’
31 vielleicht niagnam
188
RUODLIEB fragm.XIV.
Qui dicunt: ‘prompte tibi subyeniemus in liac re.’
Rodlieb post dominas pariter direxit eas tres,
Quae cito venere nata praeeunte mo[deste].
Contra quas agmen surrexit eis ad honorem,
45 Cuncti dum resident, spatium breye conticuerunt,
Tune Rodlieb surgit et ut auscultent sibi poscit.
His post contribulis pactum dixit vel amicis
* . quod et . . rveret in alterutrius amorem.
Rlum si yellet, rogitant, parum quoque ridet,
Post ait: ‘an servum nolim ludo superatum,
Tessere quem yici sub talis foenore pacti,
Seu vincat, seu succumbat, soli mihi nubat.
55 Serviat obnixe, volo, quo mihi nocte dieque,
Quod tanto melius facit, est tanto mihi karus.’
Tune risus magnus fit ab Omnibus atque cachinnus,
Tarn praesumptive Ioquitur quod tarn vel amice.
Ejus at ut matrein cernunt liaec non renuentem,
60 Et genus amborurn par posseque divitiarum,
Discutiunt caute bene conveniant quod utrimque,
Hane desponsari sibi censent lege jugali.
Sponsus at extraxit ensemve piramide tersit.
Anulus in capulo fixus fuit aureus ipso,
65 Affert quem sponsae sponsus, dicebat et ad se,
‘Anulus ut digitum circum capit undique totum,
Sic tibi stringo fidem firmam vel perpetualem,
Hane servare mihi debes aut decapitari.’
Quae satis astute juveni respondet et apte:
70 Judicium parile decet ut patiatur ulerque.
Cur servare fidem tibi debeo, die, meliorem,
Quam mihi tu debes? Die, si defendere possis,
vSi lieuisset Adae , moecham superaddat ut Eyae,
Unam cum coslam faceret deus in mulierem,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB
fragm. XIV. XV.
189
75 Quam de se sumptam cum proclamaverat Adam,
Die, ubi concessas binas sibi legeris Evas?
Cum meretricares, essem scortum tibi veiles?
Absit, ut lioc pacto tibi jungar. vade, valeto,
Et quantumeumque, scortare, velis, sine sed me.
80 Tot sunt in mundo tibi ceu quo tarn bene nubo.’
Sic dicens gladium sibi liquerat et digitalem.
Cui dixil juvenis: Tiat, dilecta, velut vis.
Umquam si faciam, tibi quae dedero bonaperdam,
Istius capitis abscindendique potens sis.’
85 Quae modicum ridens ad eum seseque revertens
Inquit: ‘ea lege modo jungamur sine fraude.’
Hu jus ‘amen’ dixit procus et sibi basia fixit,
His ita conjunctis enesis fit maxima plebis,
Laudantes dominum cantizabant hymenaeum.
90 Rotlieb pelliciuni dederat bene valde gulatum
Sponso, vel crusinam limbo terrae crepitantem.
Dat et equum celerem sibi compte sat faleratum.
Munerat et sponsae consanguineo sociatae.
Huic tria dat spinthra, quae velent pectora pulchra,
95 Atque dat armillas sibi bis binas operosas.
Et pariler sibi tres dat gemmatos digitales,
Datque superductam cocco crusinam migalinam.
Cetera turba sua sibi dant sponsalia magna.
Qualiter inter se concordent, quid mihi curae?
XV.
Haeres tune valeat, si filius haut sibi fiat,
Si sine, die, liberis, quid erit, fili, morieris?
De nostris rebus erit altercatio grandis.
Deficiunt vires omnino mihi juveni[lesp
Nam denos annos, quos tu fueras apud [Afros],
fol.3la.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
190
ROODLIGB
fragm. XV.
10
15
20
25
30
fol.31b.35
Cottidie curis angebar in Omnibus lior[is]
Post te moerendo pro nostra reque tuenda.
Nique revertisses, citius jam coeca fuisse[m],
Sed juvenescebam cum te remeare scieb[am],
Contineo melius et me modo quam mea sit v[is].
Veilem, si veiles, quo nostros congenerales
Et nobis fidos nunc conveniamus amicos,
Quorum consilio quorumque juvamine fido
Possis in uxorem reperire tibi muliere[m],
Esse parentelae quam noris talis utrimque,
Claudicet ut neutrim vestri genitura [vicissim],
Per cujus mores tibi nec minuantur liono[res],
Quam tibi demonstret clemens deus ac tibi j[ungat].’
Rödlieb respondit, matri placidissime [dixit]:
‘Cras demandemus consanguineis et ami[cis],
Ut nos conveniant, quain velocissime possi[ntj.
Quod mihi consilium dant, si censes id agendum,
Non praetermitlam quod vultis quin ego solv[am].’
Missis legatis et amicis conglomera[tis]
Ad se dum veniunt bene suscepti ....
Rötlieb disposuit sedilia, ceu bene [novit],
In quo quisque loco sedeat sibi certificato,
Dans geminis unam mensam dominis ad h[abendam],
Et matri solium fieri jubet altius un[um],
Ut super aspiceret cunctos ibi qui resi[derent],
Solaque manducet. hera cerni sic fore [quo quit].
Sic et honorando matrem dominam vel h[abendo]
A populis laudem, sed ab omnipotente coronam
Atque diuturnam vitam meruitve bea[tam].
. . . fores, quos observant duo fortes
[Qui non ire sinun]t intro quem, neve foras quem
. . . . . . um diffiniretur id ipsum
. . . surgens modicum sileant, rogat orrines
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEß fragro. XV.
191
40 ... et propter quod eos glomeraret
. . . it. genitrix sua ceu slbi suasit
. . . m]ei consanguinei vel amici
. . . mea mater quove labore
. . . nlla patris alque mei viduata
45..................cta. vobis in re palet ipsa
defijciunt vires et membra fatiscunt
. . . valet a modo, quivit ut ante
. . bro narrat vel id ipse videbo
. . . ri non cessat consiliari
50...................os misi me conveniendos
eat sibi quisque vel lioc mihi dicat
. . . midieres sunt mihi notae
scire quo me vertam mihi fauste
. . . super hac re quid facialis
55..............si quam reperire queatis
et nostrum genus id sed inauret,
. . . ita vel vitae nobilitate.’
lespondent pjariter: ‘id quam faciemus ovanter
. . . e te videamus obortum
60.............virtutum sive bonorum
[Quibus dita]vit te Christ et lionorificavit.’
. . . que se spondens haec agitare
65
70
qui fuerant ibi summi
unam scio quae tibi par fit
virtute ve nobilitate
deas cum videris ut fatearis
nullam quod vidisses dominellam
ein tarn strennuiter facientem
it, ut quemque virum decuisset.’
192
RU OD LIEB fragtn. XVI.
io
/•
1\%
tuuii f]' {,%■
15
XVI.
fol 32a. 1 Apportans patera nunc ipsamet oplima yina
Auratis vasis dulcorem saepe medonis
Stans de virginibus rogitabat coinpatrioti[s],
Cujus sint famae, formosae sint an honestae?
5 Subridens ille : ‘scio , quod , minime , rogitasme.
Nil minus intromisi me , quam tale notare,
Quid facerent dominae; morem ,talem sino scurr[ae].
Sicubi praetereo, doininas ubi Stare videbo,
Illis inclino, quo mens est ire vel ibo.
Quid respondere Rotlieb nunc vis, liera per me?’
Dixit: ‘die illi nunc de me corde fideli
Tantundem liebes, yeniat quantum modo loub[es],
Et volucrum yvunna quot sint, tot die sibi [minna],
Graminis et florum quantum sit, die et honoifum].’
Qui dubitans minime, huic illam nubere p[osse],
Dum se dimilti petit, ut mutus subito fit,
Et yeluti stupidus loquitur yix, ut gemeb[undus]:
‘Qualiter acciderit mihi, quam male, quam yiti[ose]
Me pudet id fari; pejus non contigit ulli.
20 Nam sigillata misit tibi xenia parva.’
Pixiden e caliga trabit, in qua sunt ea d[ona].
Quam dum suscepit, ab eo properando recedit,
Adque fenestellam stans solvit pixiden [illam],
In qua subtilem dum cernebat fore pan[num]
25 Sigillis cum bis binis suimet digitalis
Tarn bene munitum, quid sit, mirans ea [multum],
Sigillis fraclis panni nodisque solutis,
Dum tarn praeclarum conyinctum yiderat ostrum,
Id pandens, eydarim reperitve liga[mina crurum],
30 Quae cecidere sibi, dum clericus jungitur i[lli].
Haec cum vidisset, ubi perderet et memin[isset]
[Contremit] et pallet, per totum corpus et alget,
fol. 32b
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
erintquae sic signata fuerunt
in pixide cum posuisset
40 [Juravit per eum rerum] quem nil latet, haut se
..................it mir ans cur id rogitarit
..................sit quod erat sibi missum
[Tune ait illa: ‘tu]o die contribuli vel amico:
[Usquam si nullus] vir plus foret is nisi solus,
45 [Ille vel in dotem] mihi mundum si daret omnem,
[Nubere nolo sibi] die tu veraciter illi.’
. . qui factus tristis ab hac re
............am deveni suspicionem
dem videns tibi solvere fraudem.’
50 ... . nunc’ ait: ‘absque ‘vale’ modo vade.’
[Nuntius absced]it ad Rödlieb reproperatque.
[Is, simulac vid]it, subridens dixit ad illum:
. . s scio tractatus saturatus
. ♦ a sint demandamina, narra
non haesita, sunt mea dona?’
. . sese quatiendo cachinnat
. . quod amicum perderet ipsi
. . tune se faceret sibi missum
. . Rödlieb sibi serio dixit
60 ...............is ea dixisset quid herilis
meum magnum narraris amorem.
Quod demandasti sibi, cum plenissime dixi,
Omnino siluit, mihi prandia summa paravit,
65 Respondere tibi quid yelit cumque rogavi,
Dixit: “die illi de me de corde fideli
13
55
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
194
RUODLIEB fraffm. XVI.
"2-iiU I2.i$
70
75
80
85
90
95
fol.331).
Tantundem liebes, quantum veniat modo loubes,
Et volucrum wunna quot sunt, sibidicmea minna,
Graminis et florum quantum sit, die et bonorum.”
Quando licentia quo detur mibi vel rogitavi,
Obmutui subito vel ei, quid sit mihi, dico,
Oblitum simulans, tua non sibi dona dedisse.
Quae dum suscepit, de me jubilando recessit.
Post modicum rediit nimis indignanter et inquit:
“Die mibi, si nosti, quid sint quae dona tulisti?”
Juravi per eum, qui cuncta seit omnipotentem,
Numquam vidisse, peniius quid sint ea scire,
Nani sigillatum patuit mibi scire negatum.
Tune ait illa: “tuo die contribuli vel amico,
Usquam si nullus vir plus foret is nisi solus,
Ille vel in dotem mibi mundum si daret omnem,
Nubere nolo sibi, die tu veraciter illi.”
Nunc opus esl aliam, reor ut, mibi poscere sponsam,
Quae non furtive quem suescat amare super me.’
Seel Röcllieb mater, quodeumque potest, operalur
In Cbrisli miseros, viduas, orbos, peregrinos.
Inde merebatur, quod Rödlieb valde bealur,
Namque revelal ei, velit bunc quam glorificare.
In somnis geminos vice quadam viderat apros,
Hos grandisque suum cornitatur dcnle minacum
Turba, velut bellum cum Rödlieb inire minantum.
Ille sed utrique caput apro diripit ense,
Quodque suum fuerat ferientum, strage cadebat.
Post mater tiliam latam videt et nimis aliam,
lu cujus surnmo residere cacumine fulebro
Rödlieb cernebat, circa quem plurima stabat
In ramis lurba veluli bellare parata.
Post modicum nivea venit speciosa columba,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Rostro gemmatam preciosam fertque coronam,
100 Jnponens capiti Rodlieb mox assidet illi
Suavia figendo recipitque non renuendo.
In visu mater liaec cernens praemedilatur,
Quid cpieat lioc omne, quod vidit^ significare.
Et quanivis sciret, quod honorem praetitularet,
Inde superbior haut ea fit, sed liumillima niansit,
Nil sibi, sed domini dans gratuitae pietati,
Quicquid tantorum Rodlieb concedat lionorum.
Post triduum narrat, deus illi quaeque revelat,
De suibus, capita quibus abscidit truculenta,
Et de strage suum geminos apros cornitantuin,
Qualiter in tiliae sunimo videt hunc residere,
ln ramisque suos sub se vidisset alumnos,
Quodque columba sibi ferat advolitando coronam,
In manibusque sedens sibi dulcia suavia praebens.
‘Haec dum cernebam, subito mox evigilabam
Atque pigebat me niinium , sic evigilasse.
Id vigilare scio, quia signat me morituram
Esse prius, rer um veniat quam finis earum.
Nate recordare quam saepe sua bonitate
Te deus adjuvit et ab ipsa morte redemit,
Et quod in exilio multum tibi subveniendo
Sospes vel locuples patriam dat quod repelebas.
Nunc scio, majores nacturus eris quod honores,
Et timeo valde, dominum sic retribuisse
Nobis ambobus, umquam siquid faceremus
Quod placuissel ei, caveas quod dicere, fili;
Nam quid possemus, qui nil, nisi quod dat,habemus?
Sed bene seu male contingat tibi, da sibi grates.’
196
RUODLIEB fragen. XVII.
XVII
fol. 34a. 1
5
10
15
20
25
30
Exiliens et abire volens salit tindique clamans,
Dum lassus cecidit, vix spiramenque recepit.
Cui vigor ut rediit, ad Rodlieb liumillime dixil:
Tarce mihi misero , scio quod gratuni tibi dico.
Si nie non occideris atque nianus mihi solves,
Monstro tibi censum binorum denique reguni,
Et patris et nati, qui tecuni praeliaturi.
Nomen habet genitor Imnuinch, sed filius Har tünch,
A te vincentur et ambo per te perimentur.
Filia sed regis liaeres tune sola superstes
Regni totius Heriburg, pulclieriima virgo,
Est tibi lucranda, sed non sine sanguine magno,
Ni quod consiliar, facias, ego quando resolvar.’
Rodlieb ait nano: ‘non occidendus es a me.
Te cito solvissern, tibi si confidere possem.
Si me non fallis, a me sanus remeabis.
Quando polens fueris tuimet, nil post mihi dices.’
‘Absit, ut inter nos umquam regnaveril haec fraus;
Non tarn longaevi tune essemus neque sani.
Inter vos nemo loquitur, nisi corde doloso.
Hinc nec ad aetatem maturani pervenietis:
Pro cujusque fide sunt ejus lempora vilae.
Non aliler Joquimur, nisi sicut corde tenemus,
Neve cibos varios edimus morbos generairtes,
Longius incolumes hinc nos durabimus ac vos.
Non mihi diffidas, faciam, mihi quod bene credas.
Si mihi dlffidas, mea conjunx sit tarnen obses.’
Ilanc vocat ex antro, quae mox processerat illo.
Parva, nimis pulchra, sed et auro vesteque compta.
Quae ruit ante pedes Rodlieb, fundendo querelas:
‘Optime cunctorum , vinclis mihi solve maritum,
Meque tene pro se, donec persolverit omne.’
© Hessisches Staatsarchiv
a) 1
RIJODLIEB fragm. XVIII. 197
XV11I. *)
fol. 34f>.
CVJ
E
E
CD
Exuat ut vestes, lassos ut frigeret artus.
Tu cape me virgo ventum stans assiduando
Maxime quo sit opus studeas miniteris ut ictus,
Ne lioceat musca mordendo culix lieque vespa.
b) 1 Has vini plenas tecum deferlo lagenas.
Propier dulcoreni si malis ferto medonem.
Seu sis venatu seu sis alio comitatu,
Yim lenire sitis si vis, prandere valebis,
5 Ibis et ad curtem si forte potentis herilem
Si pincerna libens tune est tibi saepe propinans.
Quando donmm remeas, forsan repleverit illas,
Cauponae nummuin cupidae quod non dabis unum.
c) 1 Haec pari venatum lia dum vadas , velie tecum.
Cum milis inmitem cervus restinguet ad amnem,
Tu intus extingue succensus litis ab igne,
IIoc quod veneris ut eo citius domineris.
5 Et si vectabis, quid obest quocumque meabis
Prandens in pratis quod potes, est tibi gratis,
Quin ad mercipolim venies si nummivoracem,
Nil das cauponae quod trudat in ima crumenae. *
d) 1 Qui tot efilatas ocreas desideret istas,
Nunquam vendendos melius denos dato nummos.
e) 1 O vassalle bone, tibi quam bene congruo crure,
Hinc operatori dato quod tibi vel placet illi.
f) 1 Militis ad gambas operati nos sumus ambas,
Algor ut immensus non se laedat neque venlus.
*) alles liier im XVIII. fragment gedruckte ist von gleicher
hand, wie das vorhergehende, geschrieben; der inhalt läfst aber
zweifelhaft, ob es noch zu Huodlieb gehöre.
CVJ
E
E
CD
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
198
s)
RÜODLIEß fragm. XVIII. XIX.
Tubalcain invenit cytharam et organa, Pilliagoras
testudinem i. liarpam, David psalterium triangulum
i. rottain, ßoecius monochordum.
1 En isti^ quales repererunt sensibus artes
Ad consolandos in curis moeslificatos
Qniddam coeleste nam quaevis continet in se,
Leniri diras illis scimus daemonis iras.
XIX.
i...................mirabilior famulatus
. . virtus dinoscitur esse per actus
. . fallis ullurn vel Stigma sit oris
. , tantus gelidus, diem flavero, veutus
. . ardorem vetat insudando fluorem?
Diejtmaro virtutibus undiqne claro
. . suis dapibus cum deliciosis
. . victu procurat eos et amictu
. evenses] liostes contra nimis enses
10 [Servio cotjtidie Dietmaro sat studiose
. . tjerrendo culices, vespas abigendo.
. pro]que meo famulamine nil mage posco
[Quam lioc], ut pulchre, decet utque, reserver boneste.
. . ostiolo binis effectibus uno
. . oppositas visum depromere causas.
6 den Worten virtutibus undiqne claro wird als besserung von
gleicher band beigeschrieben: nimis hostibus ejus amaro. sie er-
innern an den zusatz des sciireibers beim schlufs des Waltharius.
RUODLIEB.
199
Ein paar alte pergamentblätter, kümmerliche reste
eines ganzen, das weiland unter der schere und dem
kleister eines buchbinders zu gründe gegangen ist, ver-
führen zu dem undankbaren versuche, von ihnen, über
sie und über jenes ganze mehr erfahren zu wollen,
als sie vielleicht zu sagen im stände sind. Bereits im
jahre 1807 erwähnte B. F. Docen in seinen miscella-
neen zur geschiclite der deutschen literatur I, 69 eines
von ihm entdeckten fragments aus einem lateinischen
rittergediclit in leoninischen versen, in welchem die
namen Ruodlieb und Immunch, und des erstem kämpf
mit einem zwerge vorkomme. Als, am 9. april 1829,
Docens literarischer nachlafs versteigert wurde, fanden
sich in einem mir zugeschlagnen handexemplar des mu-
seums für altdeutsche literatur, unter einer menge ein-
gelegter papiere von des seligen hand, auch einzelne mit
lateinischen versen beschriebene blätter und streifen per-
gaments, auf deren einigen sogleich der name Ruodlieb
auffiel. Dafs diese pergamente aus der münchner bib-
liothek herriihrten, davon konnte ich mich, bald nach-
her bei dieser anstalt an Docens stelle getreten , leicht
überzeugen. Es fanden sich allmälich noch mehrere,
im ganzen, mit jenen ersten, 34 octav, oder bestimm-
ter 17 in octavform gebogene und beschriebene quart-
blätter, und stücke von solchen; dafs sie vorher auf
die innere seite von holzdeckeln und zwar tegernseei-
scher handschriften geklebt waren, ergab sich tlieils aus
der zweimal vorkominenden aufschrift ‘atlinet Tegern-
see,’ tlieils aus der Vergleichung solcher deckel, auf de-
nen sich spuren der sckrift verkehrt abgedruckt hatten.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
200
RUODLIEB.
Unter Docens für die bibliothek selbst ersteigerten pa-
pieren lagen auch ein paar bogen, auf welchen er einen
1 heil der mitunter schwer zu lesenden inembranen
abzuschreiben und zu ordnen angefangen. Er scheint
aber dieses Vorhaben bald wieder aufgegeben und, ver-
mutlich in der hofnung, noch mehrere stücke und
dadurch deutlichem Zusammenhang zu linden, auf spä-
tere zeit verschoben zu haben.
Auch ich konnte nach wiederholter ansiclit dieser
fragmente nicht umhin, des Vorgängers verfahren zu
billigen, und so behielt ich mir eine Wiederaufnahme
der Sache für den Zeitpunkt vor, in welchem nach dem
vorgesteckten gang bibliothekarischer arbeiten eine ge-
nauere beschreibung auch der tegernseer handschriften
(über tausend stücke) an die reihe gekommen und vol-
lendet sein würde. Nichts scheint da, wo es noch dar-
auf ankommt garben zu binden , unverzeihlicher ver-
loren, als die zeit, die auf das heraussuchen einzelner
ähren verwendet wird. Dazu kam, dafs ich mich durch
die beschaffenheit dieser fragmente lange zeit für be-
rechtigt hielt, in ihnen nicht viel mehr zu sehen, als
das mannigfach corrigierte exercitium eines tegernseei-
schen meisters oder Schülers in der kunst lateinische
verse zu reimen, welcher, bei der kostbarkeit des ma-
terials, jeden streifen benutzt habe, seine augenblick-
lichen eingebungen, oft ganz über kreuz und quer,
nieder zu schreiben. Inzwischen ward mir zu nicht
geringer Überraschung im april 1834 durch einen von
Wien über Sanctflorian bei Linz zurückreisenden freund
(hofrath von Martius) vom dortigen cliorherrn und ar-
chivar Jodok Stülz die abschrift eines fragments keines
andern als eben dieses gedichts milgetheilt, welches der
herr canonicus im jalir 1830 auf der zum Umschlag
eines Verzeichnisses mehrerer traditionell dieses Stiftes
© Hess
* :V;
W--
RUODLIEB.
201
aus dem 13. jahrh. verwendeten , im 11. jahrh. in vier
octavcolumnen beschriebenen membrane entdeckt hatte.
Meine anfängliche besorgnis, dies möchte denn doch
nur ein einzelnes nach Sanctflorian verschlagenes blatt
des tegernseeischen, als erster aufsatz einzig gebliebe-
nen, exemplars sein, wurde bald angenehm beseitigt
durch die Überzeugung, dafs hier nicht blos Kicken der
münebner fragmentenreihe ausgefüllt, sondern auch
mehrere stellen, welche bereits in diesen Vorkommen,
enthalten sind. Die sanctflorianische membran wies sich
als Überbleibsel einer weitern abschrift des tegernseer
aufsatzes aus, welche ehmals vorhanden gewesen sein
mufs. Noch mehr, herr professor Hoffmann aus Bres-
lau, welcher auf einer literarischen reise bald darauf
Sanctflorian ebenfalls berührte, brachte ein kleines fac-
simile mit, aus welchem sich ergibt, dafs jener wei-
land ganze codex eine fleifsige und zierliche reinschrift
und sogar durch roth beigesetzte römische zahlen
förmlich in absclinitte eingetheilt war. Da nun gleich
im juli darauf jenes eine sanctllorianerblalt in Moriz
Haupts ‘exempla poesis latinae medii aevi’ Wien 1834
abgedruckt erschienen und bei dieser gelegenlieit das,
was etwa auch in München dazu vorliege, neuerdings
öffentlich in frage gebracht worden war, glaubte ich
nicht langer säumen zu dürfen, vorläufig wenigstens
eine etwas nähere nacliricht von der beschaffenheit und
anzahl der müncliner blätter, von dem was sie enthal-
ten und was sie erratlien lassen zu geeigneter öffent-
licher mittheilung in bereitschaft zu setzen. Ich ge-
stehe, es hatte für mich aufser dem dringenden Zu-
spruch mitlebender, welche nach Docens flüchtiger no-
tiz aus diesem fund aufschlüsse über sage und mytho-
logie der Deutschen erwarteten, auch noch jenes aner-
kenntnisses von seile der Zeitgenossen des allen dich-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
202
RÜODLIEB.
ters und des Vorkommens seiner production aufserlialb
Tegernsees bedurft, um derselben in ihrer ganzlieit
einen wertli zuzutrauen, den sie in den bis jetzt vor-
liegenden 18 zerstreuten blättern kaum schon anspre-
clien zu dürfen schien. Kämen auf 68 müncliner oc-
tavcolumnen fortlaufend die nummern der absätze vor,
wie dies auf den 4 sanctllorianischen der fall ist, so
wäre damit von selbst die Ordnung gegeben, in wel-
cher diese fragmente aufeinander folgen müssen, und
leicht würde, wenigstens im allgemeinen, der gang der
fabel angedeutet werden können. Allein es war an-
fangs nicht blos in bezug auf die quarlmembranen über-
haupt, sondern auch bei ihren 34 octavhälften , ja so-
gar oft bei den einzelnen seiten mancher der letztem
ungewis welche vor, und welche nach gehen müsse.
Allmälich zeigte der Zusammenhang im texte, welche
membranen ursprünglich zu amben und ternen u. s. w.,
in einander gelegt und so beschrieben worden sein
musten, aber auch, dafs da, wo eine lücke erschien,
diese vom abgang nicht blos einzelner blatter, sondern
ganzer amben und ternen herrühren könne. Nach viel-
fachen versuchen, die verschiedenen auf solche w7eise ge-
wonnenen partiell in einige, wenigstens dem geretteten
texte nirgends widerstrebende Ordnung zu bringen, was
ich mir bei den letzten 14 blättern am wenigsten zu
dauke machen konnte, blieb ich endlich, um doch ein-
mal abzuschliefsen, bei gegenwärtiger eintheilung und be-
zeichnung der verschiedenen bruchstücke stehen. Für
leser die eine andere anordnung wünschenswert!! finden
und versuchen sollten, bemerke ich, dafs je zu einem
quartstücke pergament gehören die octavblälter (folia):
1 u. 4. 5 u. 8. 9 u.l2. 13 u. 18. 19u.24. 25u.30. 31u.34.
2 u. 3. 6ii.7. lOu. 11. 14 u. 17. 20 u. 23. 26u.29. 32u.33.
15 u. 16. 21 u. 22. 27 u.28.
,1
RUODLIEB.
203
Übrigens sind bei der liier erscheinenden ausgabe die
llorianer bruchstiicke von den münchnern durch cursi-
ven druck unterschieden, ergänzungsversuche der ab-
gesclinittnen und unleserlichen Wörter in klammern auf-
genommen worden.
Eine genaue inlialtsanzeige ist zur reclitfertigung
des eingeschlagnen Verfahrens lind für den gang der
weiter beizufügenden bemerkungen hier noch unent-
behrlicher als beim Waltharius.
Ein edler lield, dienstmann mehrerer grofsen lier-
ren, erschöpft für sie leib und leben auf ihren gejai-
den, in ihren feil den. Sie lohnen schlecht, versprechen
immer, halten nie. Zuletzt weifs er sich auch der
feinde, die er sich ihretwegen zugezogen, nicht mehr
zu erwehren. Er übergibt haus und hof der mutter
und nur vom treuen knappen und einem bracken be-
gleitet, fährt er wol gerüstet aus, in fremden reichen
besseres glück zu suchen. Weinend sieht die mutier
mit den ihrigen dem sohn nach. Er selbst reitet in
tiefen sorgen und gedanken über die grenze. Da ge-
sellt sich zu ihm ein waidmann, der liebling eines
benachbarten künigs, und tliut neugierige fragen, so
kurz angebunden der lield antwortet, wird er doch als
ein geübter kunstgenosse erkannt und von jenem be-
redet in den dienst seines lierrn zu treten. Beide
scliliefsen freundschaft und reiten der liauptstadt zu.
Der waidmann stellt dem künig den angeworbnen jagd-
gesellen vor. Nun die erste und vielleicht die grölstc
Kicke, da sie, wie sich aus dem folgenden zweiten
fragmente ergibt, einen Zeitraum von fast zehn jahreu
umfafst, in welchen unser lield seinen neuen herrn,
der übrigens nirgends mit namen genannt ist, und nur
einmal zum unterschied eines andern Königs, seines
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
204
RUODLIEB.
weitern nachbars, der grofse (rex major), sein reich
aber Africa lieifst, durch rath und that, namentlich im
kriege gegen jenen nachbar, die wichtigsten dienste lei-
stet. Mit dem eingang des zweiten Fragmentes findet
sich der held als abgesandter des grofsen königs selb-
drilter am hoflager jenes andern, welchen wir als den
kleinen bezeichnen wollen.
Es hatten leute dieses letztem, unter anführung
eines ungenannten grafen (comes), leute des erstem un-
vermutet angefallen , theils erschlagen , theils zu gefan-
genen gemacht und verbrannt. Hierauf ein krieg oder
doch eine schiacht zwischen den beiden Völkern , nach
welcher jene angreifer samt ihrem Führer, dem gra-
fen, ihrerseits als gefangene vor den grofsen könig wa-
ren gebracht worden. Statt gleiches mit gleichem zu
vergelten , hatte dieser sie unter seine grofsen und pra-
laten zu sorgfältiger pflege vertheilt, ja sogar den gra-
fen in persönliche obhut genommen. Und nun lud er
durch seinen gesandten ihren könig ein, auf demselben
platz, wo die schlackt war geschlagen worden, mit ihm
zusammenzutreten, da sollten sämtliche gefangene zu-
rückgegeben, und beide Völker auf ewig miteinander
versöhnt werden. Der dichter hat fast alles in reden
eingekleidet, die der kleine von des grofsen grofsmut gar
sehr gerührte könig an seine versammelten räthe, dann
an des grofsen königs gesandten, und in solche, die der
gesandte theils an jenen, theils nach der lieimkunft be-
richt erstattend an seinen eignen könig richtet. Diesem,
der auch wissen will, wie sein abgeordneter am fremden
hofe die zeit sonst zugebracht, erzählt er auf ergetzliclie
weise, wie er mit dem kleinen könig, obschon anfangs
nicht ohne ehrfurchtsvolles sträuben (lorifrangere, zugil-
prechon) schach gespielt und, mit wahrem herzeleid, ihm
und nachher den liofleuten ihr geld abgenommen habe*
RUODLIEB.
205
Gegen den sclilufs dieser partie trifft der grofse kö-
nig mit den seinigen *) anstatt zu der mit dem kleinen
verabredeten Zusammenkunft; auch die gefangenen, na-
mentlich jener feindselige comes, sollen wolgenahrt und
gerüstet mitgebracht werden. Im dritten Fragment sind
beide könige, der eine diesseits, der andere jenseits der
grenzbrücke, mit ihrem liofstaat gelagert. Nachdem der
grofse könig in eile (properantius) messe gehört, ladt
er den andern durch unsern beiden zur Zusammen-
kunft an der brücke ein. Hier wird friede und Freund-
schaft geschlossen und werden die gefangenen, nament-
lich jener graf, stattlich geschmückt, zurückgegeben,
Hierauf hält jeder mit den seinigen mittag. Es folgt
eine beschreibt!ng der geschenke, die der kleine für den
grofsen, und dessen gefolge, zumal unsern beiden
als Friedensstifter bereit hält, Gold und silber und
pfelle (pallia), panzer, lielme, pferde, maulthiere, wald-
esel, kameele, zwei leoparden, zwei lüwen, ein paar
kunstreiche tanzbären, ein Jyncus, aus dessen harn
man den edlen stein ligurius bereitet, wozu das ver-
fahren weitläufig angegeben wird, ein affe, eine meer-
katze, zwei Sittiche, endlich nicht zu vergessen ge-
lehrte und gelehrsame dohlen und staare. Der kleine
könig begibt sich zum grofsen und ladt ihn ein, die
geschenke zu empfangen. Dieser, nachdem er vorher
die seinigen gebeten, zu thun, wie er selber thun
werde, kommt mit ihnen dahin, wo die geschenke ihrer
warten. Für sich nimmt er von allem nichts, als das
bärenpaar, eine elster und einen staar für seine toch-
ter. Auch will er nicht, dafs deu seinigen etwas ge-
schenkt werde, aufser den zwölf abten, denn von die-
sen werde es ja reichlich vergolten durch fleifsiges be-
*) Satrapae comitesque . . . pontifices, abbates duodeni.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
206
RUODLIEB.
teil bei tag und bei naclit. Die könige ziehen, in frie-
den , jeder wieder nach hause. Kaum heimgekehrt, er-
hält Ruodlieb (hier kommt in den geretteten bruchstücken
des beiden liame zuerst vor), durch einen boten seiner
mutter einen brief der frühem herren, die ihn bitten,
da seine dortigen feinde seitdem alle todt oder aufser
stand zu schaden seien und da sie selbst sein ver-
dienst nun besser zu schätzen wüfsten, wieder heimzu-
kehren. Dem briefe der herren folgt eine Zuschrift der
mutter, welche dieselbe bitte noch eindringlicher wie-
derholt.
Er geht mit seinem freunde zum könig, umfafst
dessen knie und zeigt ihm den empfangnen brief. Gnä-
dig, obschon ungerne, willigt dieser ein, ihn ziehen
zu lassen: noch eine woche möge er den abschied ver-
schieben. Unterdessen läfst der könig aus silber vier
schusseln schmieden , deren je zwei so verbunden wer-
den, dafs sie, von aufsen mit speltmehl überkleistert,
wie brot aussehen. Das eine dieser brote ist ganz dicht
mit besanten (goldslücken aus Ityzanz) angefüllt, das
andre gröfsere nimmt blos in einer abtheilung gold-
stücke auf, in die andere aber werden zwölf köstliche
armringe, und von seiten der königin eine kunstreiche
brustspange, acht ohrringe, und dreifsig köstliche finger-
ringe gelegt. Der könig versammelt seine mannen und
läfst auch den fremden ritter vor sich bescheiden. Nach
einstimmigen lobsprüclien wird ihm die frage gestellt:
was er vorziehe zum abschiedsgesclienk, gold und geld
oder lehren der Weisheit? der ritter bittet sich von
letztem aus. Hierauf führt ihn der könig ganz allein
in sein gemach und gibt ihm zwölf goldene lehren. Man soll
erstens keinem rothen trauen;
zweitens nie einen obwol schmutzigen dorfweg verlas-
sen, um dafür über das Saatfeld zu reiten;
RU0DL1EB.
207
drittens bei keinem gastfreund iibernachten, der alt ist,
und ein junges weib hat; hingegen da zusprechen,
wo der mann jung, die frau bejahrt ist;
viertens dem liachbar, der zum egen seines ackers eine
trächtige Stute leihen will, sie nicht gewähren;
fünftens verwandte nicht zu oft durch besuche be-
lästigen ;
sechstens eine magd (ancillam propriam, eigan ihm)
wie schön sie auch sei, nicht allzu vertrant wer-
den lassen ;
siebentens bei der wähl einer ebenbürtigen frau, sich
von der mutter nicht einreden , auch die gewählte
genossin sodann nicht alles wissen lassen;
achtens jede rache über nacht verschieben; i
neuntens sich mit dem herrn oder meister nie in streit S t*> p
oder widersprucli einlassen ;
zehntens keiner kirche, wie eilig auch die reise sei, vor-
bei reiten , 'ohne sich ihrem heiligen zu empfehlen
und zu segnen; insonderheit wo zur messe geläutet
wird absteigen und sie mit anhören;
eilftens nicht widerstreben, wenn man von jemand um
Christi willen eingeladen wird, die fasten zu brechen;
zwölftens an Saatfeldern, die neben der lieerstrafse lie-
gen keine graben ziehen.
Diese seltsam durch einander gemengten rathschläge
lassen uns ahnden , wrie viel von der dichtung verloren
ist, denn ohne zweifei müssen sie im verlauf der aben-
teuer sämtlich zur amvendung gelangen. Es ist ein ur-
alter zug; wer denkt dabei nicht der lehren, die der
ausziehende Parzifal von seiner mutter und dann von
dem allen ritler empfängt, an die lehren des Winsbeke,
im casloiement d’un pere ü son fils, in Catos distichen?
Besonders überrascht die einstimmung altnordischer sage,
in der edda w’erden asträdh (Soem. 196^), von Niall
208
RUODLIEB.
i n c+vutoA'
*****
fe uua^ fr**
^KU^‘ V ■
heilraedhi (Nialss. 55) ertlieilt, am allernächsten liegen
die acht räthe des weisen Hüfundr an Heidhrek (Iler-
vararsaga cap. 8. fornald. sög. 1, 447.) unser fünfter
rath ist fast ganz Hofunds dritter. der übermütige
Heidhrekr gellt aber immer darauf aus, seines vaters
lehren zu vereiteln (at unyta radh füdhur sins, p. 449.
459.) Einzelnes findet sich in marchen und andern
dichtungeil zerstreut wieder, so wird im 57 kinder-
märchen vor galgenfleisch und brunnenrand gewarnt,
und oft kehrt die lehre, sich vor dem rothhaar in acht
zu nehmen (Reinli. XXX. Facetus 75); auch das be-
gegnet oft, dafs ein frommer vor der capeile absteigt
und dadurch der gefalir entrinnt. *) die zwölfte lehre
gemahnt an Morolf 658. Ich nehme den faden des
gedichls wieder auf. Nach erlheilten rathschlagen tritt
der künig mit Rudlieb wieder heraus in die Versamm-
lung, und übergibt ihm die beiden brote mit dem auf-
trag, sie nicht eher als bei der mutter angelangt in ih-
rer gegenwart das kleinere, das gröfsere aber erst
wann er neben seiner braut sitzen werde anzuschneiden.
Den nächsten morgen reitet Rudlieb mit seinem knap-
pen, bis an die grenze vom freunde begleitet, der hei-
mat zu. Alsobald beginnt auch die anwendung der gol-
denen lehren. Noch diesseits der grenze erhält Rod-
lieb einen rotlikopf, der vielleicht schon früher in den
verlornen membranen vorgekommen und näher bespro-
*) dem lieben gotte weich nicht aus,
findst du ihn auf dem weg! —
das spricht er ist kein aufenthalt,
was fördert himmelan.
Schillers gang nach dem eisenhammer.
in einer neugriechischen legende ist Theophilus eingedenk des be-
fehls seines sterbenden vaters, nie vor einer offenen kirche vor-
beizugehn, ohne darin zu beten.
RUODLIEB.
209
eben ist, zum unwillkommenen geführten. Das erste
abenteuer, welches R. mit ihm besteht, ist nicht son-
derlich klar, da auf fol. 18b die verse von vorne ver-
stümmelt sind. Sie reiten, scheint es, um die pferde
zu tränken, in ein wasser, w obei der rothe geselle den
ritter um den reisemantel (cappa), den er hinter sich
aufs pferd gebunden hat, entweder bringt oder doch
zu bringen versucht. Bald darauf gelangen sie in die
nahe eines dorfes bei welchem der weg sehr schmutzig
wird, die hier höchst unlesbare stelle am ende dieses
fragments zeigt blofs soviel, dafs dabei auch von einem
reiten durch das Saatfeld, als, wie es scheint, einem
rath, den der rothe ertheilt und befolgt, die rede ist.
Im fragm.IV, dessen sechs erste verse, nach einer lücke
von einem blatt, sich noch auf das reiten des roth-
kopfes durch das Saatfeld zu beziehen scheinen, nähern
sich unsre beiden Wanderer einem dorfe, wo sie über-
nachten wollen. Der rothe befragt einen liirten, bei
welchem der einwohner sie die beste lierberge erwar-
ten dürften? Unter allen, sagt der liirt, würde keiner
sie so gut bewirten , als ein ganz junger mann, der
unlängst eine betagte witwe zur ehe genommen habe,
und vorher ein ganz armer wicht gewesen sei. Auf
die frage des ritters, wie dieses gekommen, wird sehr
idyllisch des mann es frühere geschichte zum besten ge-
geben, wie er, zum vorigen gemahl der frau als nack-
ter betteljunge um ein stück brot ins haus gekommen,
durch allerhand kleine dienste, anstelligkeit und ver-
lässigkeit nach und nach das vertrauen des knauserigen
alten in dem mafse gewonnen habe, dafs ihm endlich
die aufsicht über die ganze Wirtschaft, und nach dem
tode desselben sogar die hand der witwre zu theil ge-
worden sei. er verdiene aber auch alles glück durch
seine gastliclikeit und milde gegen reiche und arme.
14
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Der rothe, der den jungen wirt mit einer alten ehe-
halfte nicht nach seinem geschmacke findet, fragt
den redseligen liirten, ob denn unter den bewoh-
nern nicht irgend ein alter sei, der eine junge schöne
frau habe? der hirt nennt ihm einen solchen, der,
ein witwer, ein junges thörichtes, leichtfertiges dirnlein
geheiratet habe, die ihm nun auf gar ärgerliche weise
mitspiele.
Hier schliefst das, am ende selbst nur zum theil
lesbare blatt 20 und es tritt eine lücke vermutlich von
blofs einem blatte ein.
Zu anfang des fragments V finden wir den ritter
auf der nachtlierberge im hause jenes jungen gemahls
einer elirenwerthen matrone aufs allerbeste und freund-
lichste bewirtet. Sein begleiter, der rotlikopf, hinge-
gen hat sich an den alten mann der jungen frau ge-
macht, die er, sogleich von ihr verstanden, als niclite
behandelt und durch das versprechen, ihr zur flucht
mit einem stattlichen jungen manne, den sie liebe, zu
verhelfen, dahin bringt, dafs sie ihm selbst, fast unter
den äugen des grämlichen ungestalten eheherrn zu wil-
len wird. Fragin. VI folgt auf eine lücke, in welcher
die darstellung dessen was die nacht über zwischen dem
rothen, der leichtfertigen frau und ihrem alten weiter
vorgegangen war, und aus dem folgenden zu schliefsen
tragischer art gewesen sein mufs, vorauszusetzen ist.
Der vom rothen auf den tod mishandelte alte hört un-
ter dem beistande eines priesters zu leben auf. Am
frühen morgen versammelt sich alles volk vor der kir-
che. Auch der richter (rector), vom verbrechen unter-
richtet, begibt sich dahin. Er sitzt, da mit denen es
zukommt, zu gericht. Des todten kinder, und die
beiden schuldigen (mordritae) werden herbei geholt.
Lachend schiebt der rothe die schuld auf den alten, der
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEB.
211
ihm die zahne eingeschlagen, und auf das weib , das
ihn ihrerseits an sich gezogen habe. Sie aber ist ganz
zerknirscht über ihren antheil an dem verbrechen, und
selbst gibt sie als wohl verdient die härtesten strafen
an. Das gericht beschliefst der reuigen das leben zu
schenken. Sie wird den bittenden kindern zurückgege-
ben, denen sie fortan mutter, nicht was sie früher war,
Stiefmutter sein soll. Streng aber ist die bufse, die sie
selbst sich auferlegt bis an des lebens ende. Da nun
das gericht sich an den rothen wendet, fordert dieser,
dafs, ehe man etwas beschliefse, sein gefahrte vorgerufen
werde, es geschieht durch Rudliebs wirt, der in der
Versammlung anwesend ist. Der richter fragt den her-
beigekommenen: hoher ritter, ist dieser mann dein ge-
fährte oder ist ers nicht? . . .
Der ausgang des Verlaufs steht leider auf einer der
noch nicht wiedergefundenen membranen. Hätten, wie
man annehmen darf, auch die übrigen jener lehren
auf ähnliche weise an die reihe zu kommen, so wären
fortan etwa die vierte (deren anwendung auf Rudlieb
selbst freilich schwer zu begreifen ist) und fünfte zu
erwarten. Es scheinen aber diese stellen verloren, da
wenigstens das nächste oder fragment VII nichts der art
bietet. Das sehr beschnittene fol. 25 enthält vielmehr
auf der einen seite eine ins einzelne gehende (vielleicht
mit fragment XVIII zu vergleichende) darzählung der
Unsicherheiten, in welche nach dem lauf der dinge die
reize auch der schönsten schönen übergehen. Den
versen der andern Seite dieses blattes, denen durchweg
die vordere hälfte fehlt, ist kein bestimmter sinn abzu-
gewinnen. Es kommt darin ein ritt, gesang und tanz,
aber auch tödtende Sehnsucht vor. Hierauf trifft, so
scheint es, wenn schon wieder nicht ohne lücke, als
fragm. VIII das vordere stülzisclie oder st. florianische
14 *
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
212
RUODLIEß.
Matt mit dein 35sten absclinitt. Dafs alles vorange-
hende aus deren 34 bestanden haben mufs, würde nur
dann behauptet werden dürfen, wenn man wüste, dafs
das ganze nicht auch gröfsere abtheilungen (biicher,
gesänge und dergl.) gehabt habe. Wir finden unsern
beiden mit einem jungen neffen (consanguineus, con-
tribulis, juvenis, nepos), dessen bestimmte bekannt-
schafl wir hier zuerst machen, im hause noch immer
nicht seiner mutter, sondern vorerst blofs einer witwe
(domina, hera, commater), die ein tüchterlein hat,
an welchem Rudliebs mutter pathenstelle vertreten.
Gleich zu anfang dieses blattes (XXXV-XXXVII nach
st. llorianischer eintlieilung) wird gar idyllisch erzählt
von wundersam zahmen vögeln, an denen das tüchter-
lein seine freude hat, besonders an jungen staaren,
welche von der klugen Schwester Siaza gelehrt werden,
VIII (2i Nostratim *) fari ‘Pater9 et fnoster’ recitare
Uscjue tqui cs in coelis,’ lis, lis, Jis triplicatis.
Wenig erbaut von dem spiele einiger liarfner, die sich
hören lassen, greift unser lield, ein zweiter Volker,
selbst in eine harfe, welche ihm, als weiland die ihres
geliebten ehewirts, von der hausfrau dargeboten wird.
Er spielt drei kunstreiche tanzweisen, und, auf ver-
langen von mutter und tochter, eine vierte, unter wel-
cher der jüngling und das fräulein mit nicht minder
kunstreichen bewegungen der hande als der füfse **)
einen durch gegenseitige neigung belebten reigen tanzen.
Darauf ladt das fräulein den jüngling zum wurfgabel-
spiel ein. Sie will, wer dreimal, er, wer auch nur
*) also wol deutsch, etwa: Fater unser du dir pist in himele,
le , 1* » Itf.
**) neumas agitare digitis, variare manibus, variare pedibus.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
einmal gesiegt, soll des andern ring haben. Bald und
gerne hat jedes ein spiel und seinen ring verloren.
Hier bricht das erste sanctfiorianische blatt ab.
Folgt ohne zweifei das münchner n°. 26 mit fragment
IX, wo des frauleins mutier mit R. im gespräch über
ihre gevatterin, seine mutter, begriffen ist und dersel-
ben die frohe botschaft sendet, dafs ihr solin den folgen-
den abend endlich in ihren armen sein werde.
Unterdessen hat das parclien das anziehende spiel
um ring und herz und hand fortgesetzt, und dreimal ist
sie ihm, dreimal er ihr verfallen.
Die auf der rückseite in gewöhnlichen wagrechten
zeilen geschriebenen verse bieten nur nocli ihre zwei-
ten hälften dar. Es scheint, dafs R. auf dem wege
dienern begegnet, die die mutter ihm entgegen schickt.
Auch von den ersten der auf den leergebliebenen
raum je zu zweien nach der quer geschriebenen ver-
seil ist nur noch das ende übrig. Sie versetzen uns in
Rudliebs mutterliaus, wro ein junger diener mit einer
dolile, die er die worte Ruodlieb here, curre, venique
sagen gelehrt hat, auf der warte stellt, und endlich
die ankunft des mit seinen begleitern aus dem wrald
hervortauchenden gebieters freudig verkündigt. Fol. 27.
vou welchem, wie von fol. 28, nach oben zu mehr
als zwrei drittel weggeschnitten sind, bildet, mit dem
zweiten stülzischen blatte tlieils zusammenfallend, tlieils
es ergänzend, das fragment X. Auf ein bad, das Rud-
lieb mit dem jugendlichen neffen genommen, gehen sie
im hause der mutter, deren tischgenossin sonst nur
dohle ist, zur tafel. Nach dem mahle tritt R. mit der
mutter in ihr gemach. Er läfst den reisesack mit
pelzwerk und küssen, die er in den zehn jahren sei-
ner fremde erworben, dann die beiden brote bringen,
die ihm der künig geschenkt habe, damit auch die
v-a
■M
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214
RUODLIEß.
mutier sehen könne, wie gut africanisclie brote schme-
cken. Als er das eiue anschneiden will, widersteht es
dem messer, er schabt den melilüberzug weg, und es
zeigt sich den staunenden das helle silber, und, nach-
dem er die nagel abgefeilt, die fugen geöffnet, der schätz
von glänzendem golde. Rudlieb bricht in worte des dan-
kes gegen den königlichen geber aus. Fragment XI, aus
dem drittelsblatte 28 mit meist unganzen theils horizon-
tal , theils vertical geschriebenen verseil bestehend, so
wie das fragment XII gewährt keinen befriedigenden
sinn. Rudlieb ist, scheint es, mit dem neffen wieder
bei jener gevatterin und ihrer tocliter. Die erwähnung
des kalines und fischfanges am Schlüsse lafst Zusammen-
hang mit dem folgenden fragment XIII voraussetzen.
Im fragment XIII legt zur Verwunderung der wirtin
und der vom söller herab zuschauenden jungfräulein,
zur freude des neffen und der herbei eilenden köche,
Rudlieb proben seiner kunst, fische zu fangen ab, indem
er dieselben mit seiner ruthe (virga), die, wie aus dem
vorigen fragment zu vermuten, etwa durch das pulver
der buglossa diese kraft erhielt, nur so leichthin aus
dem see an das land jagt. Nun kommt eine auch für
die altdeutsche pliilologie interessante stelle, welche zu-
gleich auf die zeit und den ort des dichters, die frei-
lich auch aus andern umständen zu errathen sind, be-
stätigende andeutungen gewährt. Es ist die aufzählung
der ausgelegten [fische, gröfsten theils unter deutschen,
noch ganz das gepräge des zehnten jahrhunderts tra-
genden namen, wie sie auch dermalen im Tegern und
andern unsrer oberländischen seen Vorkommen. Hier-
auf läfst denn die wirtin ihre schöne tochter zur tafel
herabholen, an welcher Rudliebs neffe ihr zur Seite
sitzt. Zur grofsen Verwunderung und ergetzung der
gesellscliaft wurden die künste eines hundes, nament-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
«MBüWffWBl
RUODLIEB.
215
lieh die, wo irgend etwas entwendet worden, sogleich
den dieb zu erkennen, auf die probe gestellt. Nach
dem mahle werfeu sich ritter und neffe in festlichen an-
zug, wobei dieser des jüngst gewonnenen ringes nicht
vergifst. *\uf fragment XIV, welchem eine mehr oder
minder bedeutende lücke vorangeht, hat endlich nach
förmlicher Zustimmung und in gegenwart aller deshalb
von Rudlieb, zusammen gebetenen beiderseitigen freunde
und verwandten, denen es, wie ihm, darum zu thun
ist, dafs der edle jiingling den armen der schändlichen,
auf unsern fragmenten nirgends näher besprochenen
buhlerin gerissen werde — die feierliche Verlobung des
letztem mit der gevatterin schönem töchterlein statt. Es
werden dabei zwischen braut und bräutigam, der ihr
den trauring am schwerthefte *) darreicht, heitere
scherzreden, von ihrer seite nicht ohne naive spitze,
gewechselt. Nachdem der dichter noch die von Rud-
lieb dem pärchen gemachten geschenke aufgezählt,
iiberläfst ers seinem weitern Schicksal — qualiter inter
se concordent, quid mihi curae?
Es scheint, dafs das frühere Verhältnis des jüng-
lings mit der angedeuteten buhlerin, dessen darstellung
leider verloren gegangen ist, sich auf die sechste un-
ter den zwölf lehren bezogen habe. Dem gemäfs wäre
nun denn die reihe an der siebenten. Im fragment XV
linden wir nach einer lücke von wenigstens einem
blatte Rudlieb wieder im hause der mutter, die ihm
vorstellt, wie sie nun alt und schwach werde, und wie
sehr sie wünsche, dafs auch er nicht ohne einen er-
ben bleibe; dafs er sofort die verwandten und freunde
versammeln und nach ihrem rath sich eine ebenbürtige
*) ‘daz vingerlin an di hilzeif cod. lat. tnonac. 2. fol. 28b
Wackernagels lesebucli I, 128 20.
S5«
ISS
216
RUODLIEB.
gattin wählen möge. Er willfahrt. Unter dein Vorsitz
der mutter hat eine solche Versammlung statt und es
wird (nicht klar ist, ob von der mutter oder von wem
sonst, denn hier sind die verse wieder verstümmelt)
auf eine dominella hingewiesen, die durch adel und
hohe tilgend vor allen wertli sei, des beiden genossin
zu werden. Das nun folgende abgängige blatt müste zei-
gen, ob wirklich hier wieder eine anwendung, und zwar
der siebenten unter den zwölf lehren, eingellochten sei.
Nach späterem scheint es, dafs Rudlieb jene, von der
mutter und den freunden gerühmte treffliche seinestheils
bereits besser kennt, und, um sich folgsam zu zeigen,
einen vertrauten absendet, der die schöne um ihre hand
angehen, zu gleicher zeit aber, und ohne dafs ers selbst
so recht weifs, zum entschiedensten von ihr ausgehen-
den nein bestimmen soll. Im fragment XVI, auf fol.
32 und 33 nemlich, erfahren wir den verlauf und er-
folg dieser Sendung, einmal, und in zum tlieil ver-
stümmelten versen, vom erzählenden dichter, und dann
nochmal und vollständiger als bericht, den der abge-
sandte an Rudlieb erstattet. Die schöne hat ihn ganz
freundlich empfangen und ihm nach allerlei fragen über
seine landsmänninnen für Rudlieb wegen der auch hier
wieder eingemischten altdeutschen worte unübersetzba-
ren bescheid gegeben:
*vi, ii die illi nunc de me corde fideli,
tantundem lieh es, veniat quantuni modo louhes,
et volucrum wunna quot sint, tot die sibi mitina,
grarninis et florum quantum sit, die et bonorum.
Auf diese worte, die als ja gelten können, nimmt er abschied,
bleibt aber eine weile wie in gedanken stehen , und klagt
sich an, dafs er ein kleines von seiten Rudliebs für sie mitge-
brachtes geschenk zu überreichen vergessen habe. Freu-
dig empfängt sie ein lädchen (pyxidem), das er aus der
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RUODLIEB.
217
tasclie (e caliga) zieht, und eilt es zu üfnen ans Fenster.
Darin findet sie, wol eingewickelt und vierfach versie-
gelt, gewisse bänder, die ihr bei dem (vermutlich auch
auf einem der verlornen Fragmente erzählten) aben-
teuer mit einem clericus entfallen waren, (cidarim, das
schapel, et ligamina Wütend geht sie auf den
boten zu, und nachdem er hoch und theuer geschwo-
ren, dafs er nicht gewust, was das versiegelte gebünde
enthalten, spricht sie: ‘sag deinem freunde, gab es wei-
ter keinen mann als ihn, bracht’ er mir die ganze weit
zum brautscliatz, ihn nahm’ ich nimmermehr.
Nun werd ich wol, sagt Rudlieb, da er den be-
richt vernommen, eine braut mir wählen müssen, die
nicht im stillen einen andern liebt.
Bis hieher trägt alles, selbst die rutlie, die Rudlieb
beim fischen braucht, und den hund, der jeden dieb
erkennt, kaum ausgenommen, so sehr die naturfarbe
des möglichen, zum tlieil des gewöhnlichen, dafs man
sich über nichts als über die unermüdete idyllisch didac-
tisclie breite des versificators wundern möchte. Allein
von nun an und zwar leider erst in mitte dieses frag-
ments und so am ende der geretteten Überbleibsel, scheint
unser gedieht einen ganz andern neuen Schwung nicht
blofs, wie etwa das vom herzog Ernst, hinüber ins aben-
teuerliche überhaupt, sondern sogar, was denkbarer
Zusammenhänge wegen für uns viel bedeutsamer ist,
bis in die nebelhöhen der germanischen lieldensage zu
nehmen. Rudliebs mutter wirkt (fol. 33a. v. 83) so viel
christliche werke der milde gegen arme und witwen
und waisen und pilger, dafs gott ihren solin beglücken
will vor vielen, und ihr dies im träume andeutet. Sie
sieht, wie der sohn zween wilde eher, die an der
spitze einer heerde wilder bachen ihn allfallen, mit sei-
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RUODLIEB.
nem scliwert erlegt. Hierauf sieht sie ihn sitzen auf
dem gipfel einer hohen linde, um ihn her auf den asten
seine streitgenossen. Über ein kleines fliegt eine schnee-
weifse taube herbei, eine köstliche kröne im Schnabel.
Sie legt die kröne ihm aufs haupt und setzt sich, küsse
gebend und empfangend, auf seine liand. Dieses, jetzt
das vorletzte blatt, bricht ab mit der eröfnung, die die
mutter, wolbedächtlich erst drei tage nach dem träum,
dem sohne macht über die hohen seiner wartenden ge-
schicke. Wie viele blatter nach diesem fehlen mögen,
ist schwer zu errathen. Doch scheint auch auf dem
jetzt letzten die neue sagenhafte folge von begebnissen
erst noch im beginnen zu sein, Es liegt nemlicli im
fragment XVII fol. 34a. eines der mythischen wesen;
deren in unserer lieldensage unter bestimmten namen
mehrere ihre rollen spielen, ein zwerg, vermutlich nach
schwerem kämpfe, gebunden zu Rudliebs füfsen. *Töd-
test du mich nicht,’ spricht er, ‘und lösest mir die
hände, so zeig ich dir zweier könige hört, die mit dir
kämpfen werden, Immunchs und seines sohnes Hariunchs.
Beide wirst du erschlagen. Des reiches dann ein-
zige erbin, Heriburg die schöne maid, wirst du erwer-
ben, aber nicht ohne viel des blutes, thust du nicht,
was ich, so du mich losgebunden, dir rathen werde.’
Nicht zu verkennen ist hier eine, mit dem träum von
den beiden ebern und der weifsen taube übereinstim-
mende, noch deutlicher, und in namen, ausgesprochene
darlegung dessen, was im weitern verfolg unsers Wer-
kes Vorkommen muste, leider aber, falls es überhaupt
vollendet worden, verloren gegangen scheint. Denn
nun folgt nur noch, wie Rudlieb den zwerg nicht los-
binden will, weil er wortbrücliigkeit besorgt, worauf
dieser antwortet, nicht wie das geschlecht der men-
sclien gehe das der zwerge mit betrug um und des-
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*
RUODLIEB.
219
halb sei es von siechthum frei und so langes lebens.
Endlich bietet er, bis zu voller erfüllung seine gattin,
ein anmutiges, zierliches Weibchen, das er aus der
liöle herbeiruft, dem zweifelnden als geisel an. Was
als fragment XVIII fol. 34b nun noch folgt, sind un-
zusammenhängende, vom dichter vielleicht zu anderm
zwecke oder im voraus gearbeitete und schon früher-
hin auf dieser pergamentseite niedergeschriebene stellen.
Unter anderm wird eine jungfrau als fliegen verscheu-
chende Wärterin aufgestellt und (wem?, von wem?)
ein paar wie es scheint lederner Weinflaschen (lagenae),
die, wol scherzweise, auch Stiefel (ocreae) genannt wer-
den *), lobpreisend dargeboten. Dafs indessen diese
verse dennoch auch zur vorliegenden dichtuug gehören
möchten, ist dadurch wahrscheinlich, dafs auf der rück-
seite von fol. 1, leider von der scheere sehr übel zu-
gerichtet, mehrere hexameter, hier als fragment XIX
aufgeführt Vorkommen, in welchen ebenfalls von einer
fliegen abwehrenden, und, was bedeutsamer, von einem
(Bietmaro virtutibus undique claromit übergeschriebener
Verbesserung , ‘nitnis hostihus ejus amaro ’ die rede ist.
AVäre der dichter mit eigenen namen seiner bei-
den und heldinnen **) nicht so sparsam umgegangen,
so würde sich eine etwaige berührung mit andern sa-
gen und dichtungen der vorzeit leichter herausfinden
lassen. So aber sind die namen Raodlieb, Immunch,
Hariunch, Heriburg, Staza, wozu vielleicht auch Dietmar
genommen werden darf, sodann Jfrica, die einzigen,
*) In der romanischen spräche bedeutet botta, bota, botte
— woraus botiglia, botella, bouteille, eins wie das andere.
**) waren sie etwa als bestimmte nicht in seiner wähl lie-
gende deutsche ins lateinische versmafs gar zu unbequem ?
ü
J
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
220
RUODLIEB.
die in den bisher bekannten fragmenten zum Vorschein
kommen. Was Ruodlieb die hauptgeslalt des gedichts
betritt, so erscheint im Eggenlied (str. 82 p. 30 bei
Lafsberg) ein kunig Ruotliep, da wo die gescliichte des
berühmten Schwertes Eckesachs berührt wird. Von die-
sem seinem Schwert sagt Ecke ruhmredig dem zum
zweikampf.aufgesucliten Dietrich dem Berner, nachdem er
erzählt hat, dafs es dem ersten besitzer von einem wil-
den gezwerg aus dem berge gestohlen worden war:
Dem kiinge Ruotliebe
Dem wart ez sit ze handen braht,
Der kund ez wol behalten.
Er liätz der siten sin gedaht.
Der wart ez nie verschalten,
Unz daz sin sun wuolis zeinem man,
Der wart damit ze ritter,
Des manger not gewran.
Sus wuolis her Port ze einem man,
Sin tiurlich salis er an sich nan,
Er was ein degen kuene,
Darmit er Hugebolden sluoc *).
Dieser her Port oder lieber Herbort scheint also Ruot-
liebs sohn? In der, aus deutschen d. li. in Deutsch-
land geschriebenen quellen zusammengestellten Wilkina
saga wird cap. XL bei derselben gelegenheit von Ekki-
sax gesagt, dafs es Alfrikur (Alberich) der zwerg sei-
nem vater im berg gestohlen und es dann dem könig
Rozeleif (in einigen codd. Roseleif Rutselcif) gegeben habe,
der es bewahrte, bis der junge Rozeleif es trug, und
manchen mann damit erschlug. Die idenlität zwischen
Rozeleif und Ruotliep, welchem ein älteres Hrodleif, E/roJ-
•) die dresdner hs. des Eckenlieds (74, v. d. Hagen 87) macht
aus Ruotliep einen weigant (beiden) von Yban.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUODLIEß.
221
laibs zu gründe liegen wird, ist bei gleichheit aller übri-
gen umstände wol kaum zu bezweifeln. Nur schade,
dafs weder in der Wilkina saga noch in den bisher wie-
der zu tage gekommenen deutschen dichtungen jener
zeit von diesem beiden inehr zu finden ist. In unserm
gedieht miiste dem beiden, der nach der Voraussage
späterhin zum könig wird, das wundersame Schwert
erst noch zu theil werden, wozu das abenleuer mit dem
zwerg, der dann wol kein andrer als jener aus den
Nibelungen bekannte Alberich wäre, den anfang zu ma-
chen scheint. Der könige Immuncli und seines sohnes
Hariuncli, welche Ruodlieb erschlagen, so wie ihrer er-
bin , der schönen Heriburg, die er zur braut gewinnen
soll , finde ich sonst, wenigstens unter ähnlichen be-
ziehungen, nirgends erwähnung gethan. Denn es ist
wol weder der unter den beiden des rosengarlens *)
genannte Hartung von Riuzen, noch die in der Gudrun
vorkommende hunische königin Herborg, noch die in
der Wilkina saga (cap. 221. 223) als gemahlin des kö-
nigs Salomon von Frankenland aufgeführte Herburg
oder ihre gleichnamige tochler, um welche Apollonius,
könig Artus solin wirbt, in ansclilag zu bringen. Staza
scheint die Verkürzung eines zweisilbigen frauennamens,
den ich nicht erratlie. Gehört aber der name Dietmar
in unser gedieht, so könnte , insofern in der allen sage
überhaupt von Chronologie die rede sein mag, gar wol
Dietmar nach der Wilkina saga ein solin könig Sam-
sons von Salem , oheim Walthers von Aquitanien, er-
bauer von Bern (Verona), und vater des über alle
gefeierten Dietrichs von Bern, oder, wenn histori-
sche anlehnung erlaubt ist, Theodomir einer der drei
*) deutsche hetdensage p. 247. 339. Rosengarten p. XV. XXII.
vgl, deutsche mytli. 140. 206
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
222
RUODLIEB.
sühne Amalungs, der vater des grofsen Theodoriks, ge-
meint sein. Seltsam klingt Ajrica für das land , nach
dessen hauptstadt Ruodlieb aus seiner heimat fortreitet,
ohne dafs er über ein wasser zu setzen braucht, man
darf dem lateinisch gebildeten dichter wol Zutrauen,
dafs ihm hier irgend ein andrer passenderer nainebeige-
fallen sein würde, hatte er nicht einer bestimmten aus
dem leben genommenen sage folgen wollen. Jener name
konnte vor den kreuzzügen , wenn nicht noch von
Genserich , doch von den Mauren , den besiegern der
spanischen Gothen her, in die germanische sage gera-
then sein. Spätere dichtungen, z. b. die Blomsturvalla
saga, verlegen unbedenklich ihren Schauplatz nach Africa.
In der Iarl Magussaga erscheint cap. 72 ein könig von
Serkland und Africa. Sogar die recken Hildebrant und
Herebrant werden in einem altfranzösischen gedieht
(altd. museum II, 312. 314) Africaner genannt, und nach
Tristan 5772 hatte eines königs sohn von Africa Ir-
land erobert.
Ich kann überhaupt nicht umhin, wenigstens an
dem in vorliegenden fragmenten enthaltenen ersten theil
unsers gedichts eine gewisse ähnlichkeit zu finden mit
dem von lierzog Ernst, und zwar sowol was die fabel,
«als was die form betrift. Auch Ernst entflieht aus dem
Vaterland, auch er kommt nach Africa, auch er wird
von seiner mutter, der kaiserin Adelheid, zurückgeru-
fen. Und dafs auch die sage von herzog Ernst in ähn-
lichen freilich schon völlig gereimten lateinischen hexa-
metern bearbeitet worden, darf man wol aus den ein-
zelnen stellen scliliefsen, welche in der spätem lateini-
schen prosaischen erzählung der müncliner (st. ulrichischen)
deutschen hs. 572 daraus beibehalten sind. z. b. fol. 3.
Unum speravi, melius quod me meruisse putavi,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RUOPLIEB.
223
At comes Henricus sine re nobis inimicus
Haud impune feret, licet huic rex fautor adhaeret,
fol.4. Is rumpendo moras cito deveniebat in oras.
Dafs endlich diese lateinische bearbeitung des Ernst
auch ins eilfte, wo nicht schon zehnte jahrh. falle, er-
gibt sich, scheint es, aus der form der altdeutschen
Wörter, welche bei aufzählung des kriegs und schiffs-
apparates fol. 7, gerade wie andre hie und da auf un-
sern vorliegenden fragmenten als glossen beigeschrieben
sind. Hingegen die zweite, in diesen fragmenten blofs
angefangene , zur heldensage gehörige partie unsers ge-
dichtes schlägt mehr in die art des Wallharius ein. Es
mufs überhaupt in dieser noch nicht durch die kreuz-
züge aufgeregten und erfüllten zeit unter den lateinisch
gebildeten, also zunächst geistlichen, besondere lust
geberscht haben, sich in poetischer darstellung theils
wirklicher ereignisse, theils älterer volkssagen, die sich
wol als solche von jeher nur selten schriftlicher auf-
zeichnung erfreute, zu versuchen. Denn von wel-
chen der späterhin in der laienspraclie verfafsten,
nicht von westen her entlehnten gröfsern diclitungen
wäre nicht ausdrücklich gesagt, dafs sie früher in latei-
nischer zunge geschrieben war?^ Aber wie viele jener
lateinischen, besonders der mehr profanen, exercitien
und compositionen, aus klösterlicher bescheidenheit und
bei der kostbarkeit des Schreibmaterials vielleicht nie
oder nur das eine und andere mal abgeschrieben, mö-
gen eben so bald wieder verloren gegangen sein!
Was wüsten wir selbst von des noch ziemlich in
dieselbe epoclie (1060) fallenden Tegernseers Metellus
durchaus frommen Quirinalien, hatte nicht Canisius das
damals noch vorhandene einzige exemplar in seinen an-
tiquae lectiones abdrucken lassen?
13.
fl
«I
11
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HB
224
RUODLIEB.
oJa rwo
. /ti. j.72 -
Es ist \yo1 kaum zu verkennen, dafs die vorliegen-
den fragmente ein erster aufsatz von der liand des dicli-
ters selbst sind. Dafür sprechen, wenn nicht schon
die sparsame art, nach Welcher die hie und da aus klei-
nern sliicken zusammengeleimten pergamentblätter an
mehrern platzen über kreuz und quer benutzt werden, und
wenn nicht die an Verschiedenheit der dinte und an
der ungleich gut geschnittenen feder, als zwischen man-
cherlei Unterbrechungen niedergeschrieben erkennbaren
stellen, doch gewifs die an nicht wenig orten ausge-
strichenen, und durch bessere ersetzten sowol einzelnen
ausdrücke als ganzen verszeilen. Dafs der dichter ei-
ner der brüder am Tegernsee gewesen wäre freilich aus
dem lobe der geistlichen leute, das er (fragm. 111, 211)
dem einen künig in den mund legt, oder aus der um-
ständlichen beschreibung kunstreicher metallarbeiten, auf
welch© man sich damals zu Tegernsee so wol verstand,
oder aus der aufzählung und den noch jetzt im dia-
lect geltenden deutschen namen der fische, die Rudlieb,
auch in einem see, gefangen, nicht sehr sicher zu sclilie-
fsen; wenn man nicht den umstand, dafs die membra-
nen, die den ersten aufsatz des gedichtes enthalten, spä-
ter zum binden von gerade tegernseeisclien handsclirif-
ten gedient haben , ja dafs sie zum theil ursprünglich
aus leergebliebenen blättern tegernseeischer handsclirif-
ten bestanden zu haben scheinen, für entscheidend gellen
lassen will. Genügt, bis vielleicht einmal gewisheit her-
gestellt werden kann, die Wahrscheinlichkeit, dafs un-
ser dichter in Tegernsee zu suchen, so führt vorerst die
form der im text oder als glossen vorkommenden deut-
schen ausdrücke auf kein jüngeres Zeitalter desselben,
als höchstens den an fang des zweiten jahrtausends. Die-
selbe zeit wird auch durch die scliriftzüge sowol unsrer
als der st. florianer fragmente nachgewiesen. In die w ähl
R U O D LIE ß.
225
kann folglich unter den bisher als dichtem bekannt ge-
wordenen Tegernseern sicher nicht mehr der im jalir 1197
abgeschiedene Verfasser des schätzbaren deutschen ge-
dichtes auf die jungfrau Maria, Wernher, und kaum
der Verfasser der um 1060 geschriebenen Bucolica Qui-
rinalia, Metellus, kommen. Aber vieles vereinigt sich
um auf Froumunt rathen zu lassen, von welchem
wir im cod. teg. 1008 noch ein büclilein besitzen, in
.. • ■, i St -m tA n* j ■
welches er vierzig seiner kleinern gedichte und ver- |
scliiedene von ihm oder von bekannten geschriebene briefe
eingetragen hat *). Auch cod. leg. 1021 ist von ihm zu
schreiben angefangen, und von seinen schillern vollendet.
Schon in einem a°. 990 geschriebenen briefe (cod. pag.
11) erbittet er sich vom abte Gozpert ‘ad utilitatem
spiritualis et temporalis exercitii aliquas membranas.
Nam, ut scitis, libeuter interdum scriptitationis immo-
ror Studio. Sed nunc lacultatem scribendi pergamenis
deficientibus non habeo , nisi vestrae manus largitione
tribuatur.’ Von dieser pergamentnoth geben unsre frag-
mente das anschaulichste bild. Da ihm erst nach 1017
abt Ellinger, der ihn als ehemaligen lehrer begriifst, zu
der endlich angenommenen priesterwürde glück wünscht
(cod. p. 143), so mufs er mindestens 20 jahre lang als
laie **) oder doch aus wallt blofs mit den mindern wei-
UX
’) von welchen briefen und gedichten die meisten beiMabillon
(analecta), Meichelbeck hist. Fris. und Petz fthes. anecd.) abge- ^
- . ... y.W-hr-
druckt sind. Er sagt zu anfang seines buchleins: w
Quae mihi dictanti concessit gratia Christi
Versibus aut kartis, in corpus vertere scriptum
Decrevi, quotiens hoc possum ferre peraptum.
Quin scribatur enim quicquid non mittitur igni,
Aut cursu celeri transportet nuncius orbi?
••) ‘Froumundus solo vestitu monachica vita adtitulatus . . .
15
226
R U O D L l E B.
lien imkloster gelebt haben,und theils administrator, theils
scliolasticus (magister clericoruin der damals blühenden
tegernseer schule) gewesen sein *). Seine correspondenz
läfst ausgebreitete Verbindungen **) und bedeutende gel-
tung seines namens vermuten. Seine gedickte, darun-
ter eines auf seine verstorbene mutter Ilisa (— uu),
sind mitunter eingebungeil der heitersten laune, manche
in sehr künstlichen formen, mehrere in liexametern,
welche wie im Rudlieb die letzte silbe auf die cäsur-
silbe reimen, verfafst. Manche stelle mahnt lebhaft an
entsprechende unsers gedichtes, z. b. an fragm. XVI, 67
der anfang eines grufses an Liutold, den bischof zu
Augsburg, (cod. p. 57)
Frater Froumundus Liutoldo mille Salutes
Et quot nunc terris emergunt floscula cunctis ;
au die seltsame trennung des Wortes parilia fragm.
XVIII. c. 1 die stelle (cod. p. 64):
Te Tegrin somno suscitat ipse seo,
Lusimus ©mnigenis cantibus et studiis sagt er (cod. p.
82) in den disliclien an kaiser Heinrich und dessen
bruder Bruno. Wenn in dem genannten sammelbuch
nicht auch das gedieht Rudlieb vorkommt, so kann
man denken, entweder, dafs es schon an sich zu um-
fangreich geschienen, oder dafs es ein vielleicht nicht
portarius monasterii’ sagt er von sich in einem brief an bischof
Gotascalc zu Freising (cod. p. 91).
*) Vertrautheit mit deutscher sage verräth auch seine historia
monasterii tegernseensis (Reinh. fuchs XL1X-L1.)
**) in einer fürstl. vvallersteinischen handschrift des Boethius
de cons. philos. 4o ist nacli Köhlers handschriftl. catalog auf dem
dritten blatte zu lesen:
Hunc ego Froumundus librum ecce Colonie scripsi
Atjue huc devexi tibi, sancte Quirine. . .
RUODLIEB.
227
einmal vollendeter versuch jüngerer jahre gewesen, auf
den der ältere, ernstere presbyter etwa auch sonst
nicht gerne zurück kam *).
In der tliat sind die hexameter unsers dichters
ziemlich leicht gebaut; die rücksicht auf den sogenann-
ten leoninischen reim , eine nicht unbedeutende fessel,
hat ihn liie und da über die sonst nothwendige lange
der cäsursilbe wegsehen lassen, wie denn auch nach
dem metrischen bedürfnis einzelne Wörter umgemodelt,
z. b. peccunna III, 424. 446 strennuiter I, 8. XV, 69.
tessereYIII, 60. XIV, 24, 54.; die relativpronomina und
conjunctionen wie at, et, ne, nevn, quando, quam, quo
quod, sed, si, ut u. s. f. vom anfange des Satzes, den
sie einleiten sollen, in die mitte oder gar ans ende ge-
rückt, prapositionen von ihrem casuswort getrennt, vel
meist für et gebraucht, andere parlikeln , wie ceu, nec,
neque, que, swe, ve, velut entweder versetzt oder unnü-
thig eingeflickt sind.
Das reflexive pronomen sibi, se wird für dat. und
acc. des pronomens der dritten person überhaupt also
für ei, eis, eum, eam, eos, eas genommen (z. b. 11,14.
77. 129. 196 u. s. f. I, 6. 11. 83. 113. II, 20, 91. 110.
112. 192. 194 u. s. f.) fore wird für esse (z. b. 111, 329.
555. IV, 55. IX, 17. XV, 31. XVI, 24), posse, veile,
vivere werden als substantive gebraucht.
Der positiv für comparativ: tanto (quanto) melius
tanto karus XIV, 57, für Superlativ: quam strennuiter 1,8,
quam districte II, 206, quam bene III, 304. (cf. quam
familiariter bei Terentius) wie sich denn wol für die mei-
sten dieser freiheiten auch aus früherer latinität belebe
*) vgl. Waltharius oben s. 62. 65.
15
1
228
R II () D LIE B.
finden liefsen. Die tempora werden , fast wie im Walt-
liarius, auf deutsche weise gesetzt, praes. und fut. ne-
beneinander, z. b. resident, ibunt IV, 107; vincuntur,
perimentur XVII, 19; perf. und plusq. deseruisset, nolit
1, 70. surgunt, induerant III, 576. constrinxerat VI, 92
für constrinxit. auch der inf. praet. posses nicliilasse II,
140; seit jaeuisse VII, 23. verearis II, 89 passivisch, wie
freilich schon bei Gellius 15, 13 : ubi malunt metui quam
vereri se ab suis. Der lebendige Übergang in die anrede
(Waltliarius s. 67) kommt hier III, 170 vor.
Mehrere satze werden blofs durch verdrehte Stellung
ihrer theile für den ersteu anlauf etwas dunkel, ein
paar beispiele:
3 2 1
I, 32 tuba quam melius.
2 14 3.
II, 20 Veniunt quando sibi (illis) dixit.
1 2
Non tarn nosco locum vestris conventibus aptum
Campus ut est ille.
5 6 7 1 2 3 4
Noli recordari te sed postquam sibi (eij dixi.
123465 7 8
42 Nam mala malo bono quam reddere vincere pravo.
13 2 4
VII, 31 nunc super ossa cutem.
125 3 786 4
XV, 2 Si sine die liberis quid erit fili morieris.
1 3 2 4 5
XVI, 5 Scio quod minime rogitas me.
2 7 4 6 5 1 3
70 Quando licentia quo detur mihi vel rogitavi
(et quando rogitavi ut mihi detur licentia).
36
112
RUODLJEB.
229
Übrigens wird das, was uns lateinische dichter vom be-
ginn des zweiten jalirtausends unsrer Zeitrechnung em-
pfehlen kann, am allerletzten der bau ihrer verse sein,
es wird nicht in den Worten und formen einer blos
angeschulten spräche bestehen. Was wir vor allem
suchen, sind Sachen, aufsclilüsse über innere und
äufsere zustande der damaligen, in wissen und meinen,
in sinnen und trachten, in kunst und art und sitte von
unsrer heutigen gar sehr verschiedenen bürgerlichen ge-
sellschaft. Und an solchen aufschlüssen lafst uns auch
unser Ruodlieb, schon in den vorliegenden fragmenten,
nicht leer ausgehen. Denn die gestalten und färben,
Umgebungen und gesinnungen, die der dichter seinen
lieldeu verleiht, kann er zum gröfsten theil nur aus
dem, was er selbst erfahren und mit angeschaut, ent-
nommen haben. Man vergleiche über kleidung II, 93.
V, 45, XIII, 91 ff., rüstung I, 18 ff., kunstwerke III,
309 ff., münze III, 323, spiele II, 187 ff. VIII, 60,
musik, tanz VII, 25 ff. Wirtschaft IV. 15 ff., tisch-
sitte V, 1 ff. X, 10 ff. XIII, 8l ff., hochzeitgebräuche
XIII, 28. XIV, 38 ff., rechtsübung VI, 14 ff. Dafs
eine composition, die sich nicht blofs auf dem gehalte-
nem historischen oder religiösen und ascetischen gebiete
bewegt, auch manches für die media latinitas werde
gewinnen lassen, ist klar. Sollte sich fast alles bei
Ducauge finden, so werde n doch neue belege will-
kommen sein. es schien der muhe werth die auffal-
lendem ausdriicke zusammenzustellen.
aenesis XIV, 88 laudatio, assensio.
aequipedara IT, 240 vom pferde.
Jfri X, 42. XV, 5.
africanus X, 47.
amphiprehensus 111, 1. 164 circumdatus.
230
RUODLIEB.
annono IV, 57 pabulum praebeo, mit dem dat. wie mhd. den ros-
sen fuotern gr. 4, 692.
appropio 111, 612 appropinquo.
cirtus, arctus.
in arto III, 443 im engpaPs?
ad artum I, 29.
[auca\ IV, 89 gans.
aurificcmtes byzantes 111, 315.
auroro VI, 11. aurorante die.
bälena I, 21 kommt bei Ducange in einer stelle so vor, dafs es
ein gefäPs für flüssigkeiten bedeuten kann,
das lat. balaena ist etwas anderes,
boga 111, 356, armilla, torques?
brevis 111, 230. 251 epistola, brief.
bulla XIII, 100. Waltharius s. 76.
bütina 111, 105. 107. 116. X, 6 labrum, biitte.
byzantes 111, 315 nummi alias byzantii, besautes appellati. (‘in
igne examinati’ hyperpyra, hyperpera ?)
liyzantum polis 111, 324.
calciamentum II, 229. sarcire calciamenta geld gewinnen.
carnerarius X, 25.
caminata II, 45 cubiculum.
cancelli I, 52. XIII, HO balkon , fenster, lineberga.
cape XV1I1, a. 3. kaum von capio. etwa an das altspaniscbe
cabe bei zu denken.
capellanus III, 78.
cappa, 595. 599. 606 art mantel.
catta IV, 47. katze, catta marina III, 132 meerkatze. coerula
catta maris, ecb. 654.
causa 1, 90. 116. IV, 72 ital. cosa, fr. chose.
cidaris 11, 93. XVI, 29, für hut, den man wol aus liöflichkeit ab-
nimmt.
clericus scheint X, 3. XVI, 30 clericus scholaris (schüler, Student.)
übrigens waren alle zu dieser zeit die klöster Benedictbeuern
und Schlehdorf bewohnenden elend wol wirkliche priester und als
seculares etwa den monachis gegenüber gestellt. Dafs der magi-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
RÜODLIEB.
231
ster clericorum zu Benedictbeuern Richolfus, vater von neun töch-
tern, wie sein nachfolger Reginbertus, beweibt war, wird nichts
dagegen verschlagen, s. Meichelb. hist. fris. I. I. 203.
cliens II, 245. XI, 3 knappe.
clientare se I, 65, sich in einen dienst begeben.
compatriota 111, 264. XVI, 3. vgl. Reinh. LXVI.
congaucleo III, 329. V, 56. 9, 19 vgl. Waltharius s. 72.
congeneralis XV, 11 cognatus, consanguineus.
conglomero XV, 24 congrego.
congregium III, L congregatio.
contectales IV, 112 conjuges.
contribulis VIII, 45. X, 18. XIII, 3. 96. XIV, 48. XVI, 43. con-
sanguineus.
coronella IV, 86 forma panis.
cosmus XIV, 30 mundus.
cottidianus III, 306 quotidianus.
crisus II, 6. III, 132. 141. griseus (?)
crusenna, chrusina II, 6. 161. 237. III, 142. V, 119. X, 39.
XIV, 92. 98, mastruca, die kürsen.
cuncticolor III, 363.
cunctigenus
curcluanelli (oder - a) XIII, 96 calceoli ex pelle de Corduba (cor-
duan) confecti?
cursus 111, 12 übliche gottesdienstliche Verrichtung, gesänge, ge-
bete.
decapenta 111, 81. 124. 194. fünfzehn.
deizo II, 146 gott ähnlich handeln.
demandamen II, 132. XVI, 54 petitio.
depono im spiele setzen II, 211. 220.
deseruio I, 5. 62. 90. II, 25. III, 276. X, 44. mereri, verdienen.
diastema VIII, 45 intervallum, cf. systema.
diatini 111, 357 quotidie.
dice vel dicis 111, 229 alias dica, charta, schedula.
digenus XIII, 16 duplicis generis.
digitalis III, 382. VIII, 63. 67 fingerring, ring.
discaligare se XIll, 91.
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discipliru te V, 81 züchtiglieh.
do I, 3. qui datur habuisse für traditur, fertur. vgl. Reinli. XC.
doma III, 153. V, 3. VIII, 2. 9 domus, haus, domicella VIII,
14. bauschen.
domicella XIII, 2 fräulein.
dominella VIII, 60. XV, 68. fräulein.
ene.sis s. aenesis.
entheca Iy 19. 111, 561. VIII, 37. reisesack, mantelsack. en-
thecam suppellectilem gl. Jun. 382.
epatica III, 339 vielleicht hepatica?
exemplor VI, 36 imitor.
faida I, 63. 88. 111, 234 inimicitia.
falera II, 241. III, 188 phalerae.
falero I, 37. 11, 5. 61. III, 145. 166. 576. XI, 3. XIV, 93 phalero.
famulamen II, 136. III, 191. 581. XIX, 12, famulatus.
famularis XIV, 14 familiaris, dilectus?
fodrum I, 23 futter.
gamba 111, 85. V, 118. XV111 f. 1 crus,
Gerdrudis II, 162. Gerdrudis amore vinum haurire (deutsche
myth. 37. 38)
glomero XIV, 18. XV, 10 congrego.
gripis ungula wird 1, 27 wie es scheint als eine art blasinstru-
mentes, hifthorn, genommen, in Wolframs Willehalm 356,
28 dient ein grifen kld als schneide einer lanze. in
Schilters glossar 415 kommen becher aus greifenklauen,
im Wigalois 6155 gar ein scliild von eines grifen kld vor.
grossus 111, 123, ad grossum, in der gröfse.
gulatus XIII, 102. XIV, 91 gulis i. e. pelliculis pretiosis rubri-
catis (gall. gueules) ornatus.
liarpa V111, 29. 30.
liarpator VIII, 26.
herilis VIU, 12. 45. 48. IX, 22. XIII, 35. 38. XIV, 23. XVI,
60 fräulein.
hcros VIII, 31 so nennt die witwe den verlornen gatten.
hirpus XIII, 12 lupus (Servius in Aeneid. IX, 785).
homullus X, 68. vgl. Waltharius s. 67.
RUODLIEB.
233
imperiosus III, 388 herrlich.
induciae II, 178 actio de pace, Verhandlung.
inducio, inducior II, 32. 119. 158. 182. III. 393. XIV, 21 fest-
setzen; verhandeln, Übereinkommen.
iteror VI, 19 erwiedere, vergelte.
laudo 11, 43. 61. 116. 158 177. 183. 199. 111, 36. V, 85. V1U,
64. XIV, 21 gelobe, sage zu.
legamen II, 22 botschaft.
liga VII, 28 harke, für ligo?
ligamen XIII, 28. 92. XVI, 29 knieband?
Ligurius lapis (für Lyncurius) 111, 102. 385, vgl. Marbod §. 24.
lincus vide lyncus.
lorifrango 11, 226 sich sträuben, zieren.
Lukka XIII, 92 ligamina de Lukka coempta, ein Alderspacher
(cottonpapier-) Codex des XIII jh. no. 44 fol. 110b sagt:
nota quod cendalicum de Luk, quod est Optimum, ponderat
duas marcas ponderis coloniensis, deinde a Iiud Vll fertones.
lyncus 111, 99. 170.
madrus 111, 141 marder. cf. mardrinus.
[magica] XIV, 31 wenn nicht magna zu lesen,
mancipium IX, 18.
mantel XIII, 108.
mardrinus XIII, 103 vom marder.
medü IV, 13. X, 17. XVI, 2. XV11I, b. 2 meth.
juencla IV, 86 ytakrj, hier forma panis. die lesart nicht ganz
sicher; vielleicht mentla f. mentula?
mens ule X, 28 tischlaken.
mercipolis XVIII, c. 7 krämer. x\v,y.:
milvinus 111, 132 scliriilend.
mitra I, 25. V, 45.
modicellus I, 41. 111, 561 vgl. AValthar s. 71.
moestifico XVIII, g. 2.
mordrita VI, 20 rnörder.
morigeratus sic 11, 28 so gesittet, gesinnt.
multigenus 111, 353.
naso XII1, 14. art fisch.
234
RUODLIEB.
nata XIV, 11. filia, puella, virgo.
natus IX, 17 filius.
neuma 111, 88. VII, 50. VIII, 39. 52 modulatio musica, numerus,
rhythmus musicus. Pertz 2, 101. alid. niumo (Graff 2,
1089. 1090.) neumas agere, agitare variare digitis, ma-
nibus, pedibus.
nicbilo II, 116. 140. III, 244. 436 richte zu gründe,
niniis III, 121. 265. 268 sehr, admodum, valde.
obryzum I, 30 aurum, ad obrussam (J/fyvfy probierstein) exami-
natum, probatum.
officialis III, 179. 216. IX, 88 minister,
oramen III, 581 bitte,
ostrum 1, 41. XVI, 28.
panis missi IX, 16 botenbrot, ahd. botin prot, petinbrot Notk. ps.
29. 10.
papilio 111, 7. 73 gezelt.
parabola III, 592 rede, gerede, parola.
parafredus IV, 57 pferd.
paranymphus 111, 544 vertrauter diener des königs, edelknabe?
pascha III, 306. V, 5 fest, festmahl, gastmahl.
patrio II, 222. 412 gehe heim.
pedo X, 10, XI, 5 gehe.
pedules XIII, 94 art fufsbekleidung.
pellicium II, 6. 161. 237. III, 142. X, 39. XIV, 91 pelz.
penitus VI, 86 pro penes praepos. ?
phalera vide falera.
pinciilus 111, 380 penicillus, pinsei.
pisa II, 212 art münze, wo nicht eine gewisse summe geldes statt
pesci, pensa (zu vergl. die spanische peseta münzstück 4
reale werth.)
plumatium VI, 102. XIV, 12 federkissen.
podismus III, 6 gang wie die glosse sagt.
poledrus 111, 141, crisi poledri scheinen hier nicht eben füllen.
polis III, 321 urbs.
posse I, 82. II, 143. XIV, 61 vermögen, macht.
post I, 130. II, 20. 128. 192. VI, 2o. 37. 125. XIV, 42. XV, 7
RÜODLIBB.
235
bei mittere, dirigere, moerere wie das deutsche nach bei
senden, sich sehnen u. dgl.
post , prae I, 29. 111, 140. XIII, 102 hinten und vorn
praecipio V, 88 praecipitote mihi! höfliche formel beim abschied-
nehmen, gleichsam: habt ihr mir aufträge mitzugeben, so
gebt sie. vgl. das mhd. gebietet, ob ir gebietet (gramm.
4, 849.)
primitus 111, 16. 55 L primitus quam für prius quam.
promptifico IV, 92.
propio IV, 8 propinquo, vgl. appropio.
proprius servus, propria ancilla X, 81
provisor II, 70. 166 art reisemarschall dem gaste vom könig bei-
gegeben.
pulso 111, 515. VI, 107. 110 läute.
pyramis XIV, 64 tergere ensem pyramide doch wol nicht mit dem
feuer(wetz)stahl Streichen ?
quam VIII, 24 ante quam.
111, 28 quam prius für priusquam.
2 1
X, 79 cautissime quam valuerunt.
quis (quibus) 11, 48.
quo I, 99. 92. 139. II, 7. 181. 111, 68. 247. 488. 506. V, 123.
VI, 78. 81. VIII, 37. XIV, 56. XV, 31 ut, damit, dafs.
rector VI, 14. 16. 21. 42. 65. 68. 72. 87. 119. 128. Vorsteher
der ortsgemeinde, richter.
repropio III, 586 cf. propio et appropio.
rotta XV11I, g.
rufus XIII, 12 art fisch.
rumor I, 128. II, 80. 121. 173 maere, niumaere.
sacramentum V, 10.
sagimen IV, 73 schmalz.
sarcio 11, 229 vgl. calciamentum.
savium XVI, 101. 114 suavium.
scachi II, 187 schach.
scelus IV, 102 von einer person gesagt, wie im deutschen laster,
häufig bei Plautus und Terenz.
sciolus 11, 253. Vlll, 20 kundig, geschickt.
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III, 229. 399 Schreiber, secretarius. Auch bei Ducange
ein Seguinus sciolus (notarius).
secretum V, 115. X, 35. XIV, II ad sua secreta ire, an sin ge-
mach gän.
sera IX, 15 vespera.
sericosus XIII, 95 seiden.
servimen II, 59. 29. III, 274 servitium.
signo III, 327 segne.
simila Iota XIII, 23 semmelbrot.
similagineus V, 67.
simnista III, 195 vertrauter, rathgeber, vide synmysta.
socialis VII, 38.
sophia II, 86. 137. III, 424. 432. 446. VI, 79 sapientia, prudentia.
sperula III, 366 sphaerula, globulus.
sperulatus III, 339.
strennuiter I, 8. XV, 69.
subjective X, 12.
sunmiates 111, 152. 154. 214.
superexsulto III, 181 springe über, vergesse.
symphonio VIII, 31 spiele auf der harfe.
synaxis III, 11 die collecta in der Iiturgie.
synmysta 111, 195 miteingeweihter, ov/Li/n'ioTtjq.
systema VIII, 46 vgl. diastema in der musik.
tinco XIII, 14 tinca, ein fisch.
toreuma IV, 48 schrank , behälter für geschirre.
traho II, 207. 208 ziehe im Schachspiel.
tribulamen III’, 391.
trinso 111, 96 brumme wie der bär, vgl. trensen bair. wb. I, 496.
truta XIII, 16 forelle, franz. truite.
tyro 111, 402. XIII, 27.
vafer X, 2 klug , gescheid.
vale, valete 1, 33. 48. II, 67. 69. 111, 221. XVI, 50.
Varianten VIII, 38.
varicosus II, 6. Xlil, 101 gestreift?
vassallus XVI11, e. 1*, vgl. vassus Waith, s. 71.
velo V, 111. velare mensam den tisch decken.
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RUODLIEB.
veile I, 114. II, 15. 143. III, 495. 542. voluntas. Waltharius s. 69.
venio VI, 103, venias i. e. genuflexiones facere, mhd. venie fallen.
vio IX, 38. XII, 3 gehe.
vicedomnus II, 68. 165. 185.
vile I, 65 adv.
vivere VI, 10. IX, 8 vita.
ulligenus XIII, 84.
Man sieht dafs der dichter für seine Wörter in
keiner Verlegenheit war. wo der lateinische ausdruck
etwa nicht ins inafs pafste, wurde ohne bedenken nach
einem griechischen gegriffen, beispiele: aenesis, amphi-
prehensus, cosmus, decapenta , doma, entheca, para-
nymphus, podisimis , polis , pyramis, synmysta, sopliia,
symplioniare, synaxis u. dergl. Das latein , diese lin-
gua franca des mittelalters, wurde so ziemlich wie eine
lebende noch bildsame spräche behandelt. So machte
man sich, falls sie nicht dennoch schon von früherer
zeit herkömmlich waren , ohne anstand bequeme verba
wie aurorare , clientare, deizare , exemplari, induciare,
nihilare , patriare , pedare , propiare , veniare ; ver-
balia auf - amen, - imen : deinandamen, famulamen, le-
gamen , oramen , servimen , tribulamen , variamen *) u.
dergl. m. Erst späterhin kam der für neueres wissen
einmal viel zu enge gewordene ciceronianische schul-
mantel wieder zu ehren und ausschliefsendem ansehen.
Durch jene lingua franca wurden viele aus den einzel-
nen vulgarsprachen besonders den deutschen entlehnte
ausdrücke mehr oder minder zum europäischen gemein-
gut : boga , butina , cappa , catta , crusenna , faida , fo-
drum, medo, mordrita u. dergl.
*) vgl. oben s. 71 und nnrramen Isengr. 523; decoramen Au-
somi Mosella 320 u. s. w.
I
1
238
RUODLIEB.
Manche mögen örtlich geblieben sein, wie z. b. das
dem deutschen nachgebildete lorifrangere, das pariis misst,
Iota fides, vielleicht auch post (aliquem mittere, suspi-
rare) unsers dichters. Deservire entspricht dem verdie-
nen, laudare dem geloben. der inf. bei cito gleicht dem
deutschen bei ilu (grainm. 4, 98): citat intrudere III,
601; citat moderari VIII, 35. Manches glaubt man ge-
rade zu übersetzt, z. b. III, 290 venias quin neve re-
relinquas: unde ne luzes du ne quemes III, 570; Here ut
puer, weinen wie ein kind. Dem Deutschen sind viel-
leicht auch die als substantiva behandelten infinitive
posse, veile, vivere zuzurechnen.
Sollte crisus statt grisus, madrus statt mardrus den
Baier kund geben? ihn verralhen auch unter den
ganz deutschen theils in den text geflochtnen, llieils als
glossen beigesetzten Wörtern XIII, 14-20 die lischnamen :
agapuz (bair. wörterb. I, 88 apeiß, wol besser appüuß)
alnt (b. w. I, 52 alt)
asco (b. w. I, 22 asch)
charpho
lahs
naso (b. w. II, 705 nasen)
orvo (b. w. I, 105 orfen)
prahsina (b. w. I, 250 hrachsen)
rinanch (b. w. III, 102 renk)
rubeta (b. w. III, 118. 170 ruppen, riitten)
walsa.
Andere deutsche wörler sind :
gang podismus III, 6.
liep, liebes XVI, 12. 67.
loup , loubes , daselbst,
mantel XIII, 108.
o
RUODLIEß.
239
minna XVI, 13. 68.
rät I, 116.
täha monedula III, 174. X, 21. ist das nlid. dohle
blofs fortbildung zz tahala?
wunna XVI, 13. 68
zugilprechon lorifrangere II, 226 sich strauben setzt
ein subst. zugilprecho voraus, das bei Nithart (Ben. 351),
vorkommt: ja bat vil daz Markeveit solher ziigelbrechen.
Hieher gehört denn auch nebst deneigennamen Diet-
mar, (XIX, 6, 10) Hartunch (XVII, 8) Hereburg (XVII,
11) Immunch (XVII, 8) Staza (VIII, 23) der des beiden
Rodlieb (19 mal — III, 224. XIV, 8. 17. 18.42. 47. 91.
XV, 19. XVI, 51. 58. 95. 87. 91. 96. 100. 107. XVII,
3. 14. 30 — also, 3 mal — VII, 65. X, 18. XV, 26 —
Rotlieb geschrieben). Er bleibt auch in den obliquen
casus unverändert und sein zweiter buchstabe ist im-
mer das o mit darüber gesetztem v. So wenig hat sich
der autor unterstanden dem worte völlig lateinische
form zu geben.
Zum schlufs darf wol ausgesprochen werden, dafs
unser gedieht, wenn auch nur jugendarbeit Froumunds
oder eines Zeitgenossen in oder aufser Tegernsee schon
allein seines hohen alters wegen in der literargescliichte
des bairischen und deutschen miltelalters eine gute stelle
verdient. Es zeigt durch reichthum an erfindung, kunst-
reiche Verkettung der begebenheiten , und mitunter er-
greifende, wahrhaft poetische darstellung, dafs man auch
ums jahr 1000 so ziemlich wüste, nicht blofs was er-
baulich, sondern auch was schon und unterhaltend sei.
Seit dem jahr 1835, in welchem diese bemerkungen
niedergeschrieben wurden, hat sich wirklich noch die
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
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ECBASIS CUJUSDAM CAPTIVI
POLOGIAJYI *).
PER TRO-
Cum me respicio, transactaque tempora volvo,
De multis miror, pnerilis quae veliit error;
Nil cogitans sanuin, ternpnens consortia fratrujn,
Nectebar neniis, nugis quia totus in ilüs.
5 Tempore discendi periit cautela mag ist ri,
Horas dictandi superavit cura vagandi;
Nam quia sic vixi, possedi nomen aselli,
Cujus raucisonum quaerens vitare ruditum,
Quamquam sit serum, meditabor scindere saccum,
10 Et juga torporis pellant rudimenta laboris,
Incipiens versus, quos rarus denegat usus.
Pellitur bis sompnus, frenatur potus et esus,
Saepe caput scabitur, vivus conroditur unguis,
Tunditur atque stilus grandi medilamine strictus.
15 Talia qui versat, pigritandi jura recusat,
Hic sua devitat, dum pulchra poemata cantat.
Sunt etenim quidam, si me depingere quiddam
Audierint falsi, certabunt legibus aequi,
Ac mea transmisso transfigent carmina telo.
20 Consuescunt multi, quamquam sunt carmine docti;
Longos accentus per miros vertere flexus.
Nam pede composito certans insistere metro,
Sillabicos cursus cum sim discernere lardus,
Tempora temporibus aeque conjungere coecus,
25 Rectius lioc faciam, linguam si pressero blaesam.
0 es steht TOPOLOG1AM.
8 cupiens B. 21 flectere fletus B.
16 :
244
E C B A S I S.
Scribitur et legitur, priscorum carmine scitur,
Per campos, silvas, flavios properare Camenas,
Quo pede pervolitent, vel quae sibi carmina dictent,
Exitus et reditus quarum per maxima cautus
30 Commonet insulsum, ne fimo polluat aurum,
Increpat indoctum de coelis scribere versum,
Arguit invalidum per fortia tendere gressum.
Territus liisce ininis meditor desistere coeptis.
Rerum gestarum viguit mos tempore patrum,
35 Nullus ut änderet conscribere quae sibi vellet,
Ni prius auditor certus foret ille notator,
Disceret aut visu quid commemorabile scriptu;
Pagina sic certa valuit sub testibus acta.
Haec ego dissolvam, raram si pono fabellam,
40 Confiteor culpam, mendosam profero cartam:
Sunt tarnen utilia quae multa notantur in illa;
Si recitas totam, panis mercabere tortam.
Denique non prodest, sed obest, ut saepe probatum est,
Una re quemcumque suain consumere curam,
45 Sed varias artes ediscant quique scolares.
Sit scola discendi, succedat cura docendi,
Sub specie certi nascetur quaestio scripti.
Ad quid coepissem? sed talia cur replicassem?
Ad quod solvendum scribetur quod referendum.
50 Namque die quadam consueto more sedebam,
Inspexi quosdam generalem sumere curam,
Grandia triticeuni cumulare per horrea fructum;
Illos post segetes dilectas visere vites,
Illos collectis sollertes esse veliendis,
55 Non solis monacliis, qui servant mistica legis,
28 utque sibi B. 29 quorum A. 30 commovet B. 33 Terri-
tur AB. 36 ceris foret B. 37 quod comni. scripto B. 40 prae-
fero B. 43 si o!i est B. 45 Si varias a. e. quisque B. 38 seu
talia cum B.
ECBASIS.
245
Immo peregrinis, mendicis alque pupillis
Per sibi commissas reliquas discurrere curas.
Mi vero vacuo, claustrali carcere septo
Acrem mordebant animum monimenta priorum,
60 Flebilibusqae vagas contingens vocibus auras
Moesti fei cordis reparabam more medentis,
Partim cauterio, partim medicamine puro,
Imperiosa prius deflens solamina stulta;
Dicere non poleram, tanta quod mente coquebam,
65 Ceu truncus sterilis lignis aequabar aduslis,
Ac misero vitulo, sudibus quam saepe ligato,
Illi consimilis patrum frenabar liabenis,
Cujus et historiam non simplo slamine texam.
Post octingentos domini, post ter quater annos,
70 Aprili mense pascliae bis septima luna,
Sic vixit vitulus Vosaginis partibus altus,
Ut legitur scriptis in praecedentibus illis,
Annuus existens redeunte tempore yeris.
Pastores ovium multi tardique subulci
75 Cum grege foetoso satagunt exire gregatim,
Custodesque boum nec non servator equorum.
Cura pervigili dum lustrant pascua canipi,
Clauditur ille domi, lugens sibi colla ligari,
Gatidia nulla foris, intus pressura doloris,
80 Et quod plus istis, absunt consortia matris.
Triste sat ingemuit, cordis suspiria traxit,
Erigit ad coelum facies atque invocat Iesuin,
Conclamat lacrimis binis pariterque vicenis,
Ut custos stabuli solvat sibi vincula colli:
85 Ubere de matris quoque gustet gaudia lactis.
Haec duo suspirat, quae per contraria tornat,
Cumque negatur iter, distentum tollitur über.
58 me vero A. 67 frenatur A.
248
E C B A SIS,
Nititur arte fugae, quo possit currere late,
Masticat, lingit, tandem sic ora resolvit,
90 Prosilit et plaudit, tenero terram pede tundit,
Mugitum repriniit, vernanlia prata revisit.
Concessa est pecori libertas laxior illi,
Scandere seu laevo inalit seu tramile dexlro,
Sumere seu requiem seu contiuuare Jaborem.
95 Cursitat ille strepens, paribus concurrere gaudens,
Haec cum fastidit, silvae tutamina quaerit.
Hujus in occursum forstrarius elicit ymnum,
Moris ut est monachis longo de calle reversis :
‘Sit salvus, Christe, servus, qui mittitur ad me,
100 Te fisus domino laeletur semet in ipso.
Hic habet liospitium noctis sub pace quietum,
Has nostras post cras sacrabit tempore mensas;
Qui peccare valet, valet et succumbere poenae.’
Moxque cavernosos jussus penetrare recessus
105 Ducitur ad lustra multo foetore referta.
Tune lupus, ad libitum sese satiare gavisus,
Extulit liunc yersum cuncta pietate perustum:
‘Dicito quid venias, qua nos ratione revisas?
Tu mihi nunc, sodes, optatus diceris liospes.
110 Laudes die superis, silvae novus incola surgis,
Tu recreare venis tenuatum corpus ab escis:
Tertius est inensis, quod frustror nectare carnis,
Nec biberam cratum pecudis de sanguine tinctum.
Cum prorepserunt primis animalia terris,
115 Mutum et pingue pecus nobis fabricaverat usus.
Ordinis est yirtus, placetur sanguine divus.’
Incipit haec yitulus singultim, pauca loquutus,
Infans namque pudor prohibebat plura profari.
yitulus secum.
‘Jupiter, ingentes qui das adimisque labores,
120 Peccatis noctem, quin fraudibus obice nubem.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
ECBASIS.
247
Si redeam gratis, grates exolvero divis,
Hisce pro meritis dabitur caper Omnibus aris.’
responsio ejusdem publica.
‘Jam dudum ausculto, sed dicere plura retardo,
Inberbis juvenis, tullensis discolus urbis,
125 Peccatum fateor, juvenilis me gravat error,
Hoc reus existo. nolens parere magistro
Sensu quo sensi dissolvi vincula colli,
Huncce locum petii, mortem milii forte paravi,
Hane noxam dona, reliquam si fecero macta.
130 Non. facias longum, magnorum maxime regum,
Pacis palma detur, donec cras missa canatur.
Heinrici placitis cepi moderamina pacis,
Ut sunt scripta patrum, ploret transgressio fra-
trum,
In levibus modicus, per fortia fortior ictus.’
135 Tum dominus caveae ‘misere cupis’ inquid ‘abire,
Ut vult ipse deus, optatum sit tibi tempus;
Ulud adhuc jubeo, temet servare memento,
corpore stes laeto, concedens oscula caro.’
vitulus. lupus.
‘Quid socium simulas, et amica fraude salutas?’
140 ‘Pellito namque famem, pransurus scandito sede.’
lupus.
*Nec poscas vario multum diversa palato,
Quaecunque inmundis feryent allata popinis,
Quae, nisi divitibus, nequeunt contingere mensis;
Sed potius foliis parcus vescaris acerbis.
145 In gravitate cibi crescit discordia morbi.
Sunt mihi Jactucae, radices, semina silvae.
Sanior est multum cerebro, qui potat acetum :
Ex vitio cerebri frenesis furiosa movetur,
13T meinet A. 147 sanius est rnulto ccrebrum A,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
248 E C B A S I S.
Stringeris melius, si fluxa cucurrerit alvus.
150 Cursitat ericius, pomis revehetur onustus,
Luter piscator properat pro piscibus emptor.
Ne plores nimium , sed pangilo carmina regtim.
Poscis inane deos, inferni jure sepultus
Victima Plutonis sterneris, nil miserearis,
155 Dum licet in rebus jocundis vive beatus.’
Ille cubans gaudet, praelambens oinne quod affert,
Quid durum, quid molle foret, quid lene, quid horrens,
Quid calidum geliduin, dominorum quid famulorum,
Continuansque dapes succinctus cursitat liospes,
160 Fungitur officiis nec non verniliter ipsis,
Multaque de magna creverunt fragmina coena,
Quae procul instructis inculcat habenda canislris.
Jain nox per medium gaudebat currere coelum,
Cum subito missi properant, qui munera portant,
165 Inter quae rombus cum multo milite barbus,
Flexilis et congrus, cum quis mugil generosus,
Gobio, sepiolae, lolligo cum capitone,
"Z- : ”
Cancri, mulli, trutta, cavedonus, hicherus, allec,
Affuit et salmo nutritus flumine Hreno,
170 Nec aberat donis piscosi grex Rabadonis,
Quod fundoque Mosae capitur piscis genusomne;
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Prolert se cesto spinx captus in anine petroso:
Squamigeros coetus punctis pellebat acutus.
Detulit liaec luter carus placidusque minister.
175 Optulit ericius, spinoso yellere sutus,
Rugosum piper ac costus lentumque papaver,
Porros et caules, rafanos quoque viribus acres,
Molles castaneas domnis coenantibus aptas,
His cydonia sunt, crustumia denique mixta.
150 revehatur A. 170 piscosus A. 172 c§to. 173 squa-
migerosqiie cetus A. 176 stellt vor 174.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
ECBASIS.
249
180 His ita susceptis redhibetur gratia missis.
Considunt pariter. tum sic ait ipse magister:
‘Septiimis octavo propior jam praelerit annus,
Ex quo cum pomis, cum piscibus urbe petitis
Mensas ornavi, convivas ipse refeci;
185 Sic vixi monacbus claustralia jura secutus,
Omnia distractis coemens obsonia gazis.
Gratia sit vobis, quod sic milii subpeditastis.
AlFicior senio, vobis mea cuncta relinquo,
Ericio rupem, lutro pro piscibus am nein.7
190 Protinus arrident, collum faciemque remulcent.
Ut me conspiciunt, confestim talia dicunt:
‘Mirum fit nobis, quid bic castellat in antris?’
lupus ad 1 ulrum.
‘Dum sprevit stabulum, nostrum divertit ad antrum,
Et manet insopilis, nostris addictus babenis.
195 Jure fruor torto, quia vivit tempore tanto ;
Me teilet bujus amor, legirupis ipse vocabor,
Mane sed officium faciat mihi more suorum,
Sanguinis ex salice roret siccamina linguae,
Proluet bic potus spurcamina pectoris liujus.
200 Hic fossa est ingens, liinc rupes maxima pendens:
Mergitur in fluvium, mergens educ fugitivum,
Si scandit rupem, prosternes bunc ab eadem;
Ne nos inplanet, constans tua cautio curet.
Tune mihi carus eris, custos si providus adsis.7
luter.
205 ‘Hoc sequar, hoc fixo conceptum corde tenebo.7
Armiger ericius, clavata sindone tectus,
l z% ^
Nec Studio citbarae, nec musae deditus ulli,
Fit capitale, lupi citharizans fortia belli,
Romani, res laetas et prospera quaeque retexens,
183 pepitis A B.
186 c$meno A. cemens B.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
230
235
240
Mille triumphorum memorans ex ordine pompas,
Ductaque per mediam spoliorum fercula Romani
Omnibus ex terris, quas undique continet orbis.
Occupat ipse aditum, ne fas sit vadere captum,
Ut canis a corio nun quam absterrebitur unclo.
Nam yitulum luter reiicit, cum belua stertit,
Dulcia depromit super liaec hortamina fudit:
‘Pellito nunc vino, nunc curam solvito somno,
Fortiaque adversis opponilo pectora rebus:
Grata superveniet, quae non sperabitur, liora.*
Ad mensam yituli legitur reparatio lapsi,
Cum fuit expleta, collalio dicitur ista:
‘Conditor ipse poli, prudens fabricator et arvi,
Qui moestos refoves, vinctis solamina praebes,
In te confido, clauso me solve baratro,
Ut te collaudem, yideam geminumque parentem.*
Haec lacrimans poscit, quin completoria dixit.
P ost noctem mediam , quando sunt somnia yera,
Speluncae dominus de yisis obstupefactus
Quod slrato yidit, enarrans fratribus, inquit:
‘Dicile consocii, quo tendat visio somni?
Bruclii cum vespa, cynifes, coenomia multa
Me circumvolitabant, dente sed asperitabant,
Bini crabrones certabant stringere fauces,
Quod mihi nulla salus mansit nec inyida yirlus.
Adfuit bis vitulus, celso cum carmine mutus,
Quin etiain vulpes geminabat in aethere voces.
Ali, si docta manus monstret modulamina cantus!’
luter.
‘Hostibus ista tuis nihil est quod [tu] verearis,
Credas consilio viso salvabere somno,
Scilicet, ut yitulum patiaris abire tenellum;
214 uncta A. 216 ortamina A. 237 ac si A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
E C B A SIS.
251
Quod si postpoms, soli tibi damna parabis :
In grege muscarum noscas spelaea ferarum,
Quae te dilanient et toto corpore scindent:
Nam Stimuli vespae sunt vires mortis acerbae.
245 Binos crabrones ambos cognosce parentes,
Qui natum deflent, fauces tibi stipite hgent.
ln jubilo vulpis proprii cape signa moeroris.
Infelix vitulus non grata compede vinctus
Exiet ad campum , bellum cum venerit ortum.
250 Quid dabis ergo bonis? sic stat sententia somni.
lupus.
‘Heu mihi! quid faciam, vel qualia verba retexam?
Quae bona distribuam? quae mundiburdia quaeram?
Poscis pro vitulo , minitaris pro perituro,
Si daret Heinricus nobis percarus amicus
255 Sporcos quingentos, vitulos totidem saginatos,
Non feret inpune, quod sparsit fragmina coenae,
Viniae dulcorem, solitum [mihi] ferre soporem.
Cur perit incassum tanto sudore paratum ?
Quod foris excessit, nobis nullatenus haesit,
260 Sed post ingressum sit nobis discutiendum;
Instauret quadruplo sumptus stultus mihi simplo.
Mane canam psalmos, si tardat sacra sacerdos.’
Archicupellanus, camerarius et cocus almus,
Index consilii, quin judex illius antri,
265 Extitit ericius perplexo vellere sutus,
Namque super cunctos nanus fuit iste sacerdos,
Indumenta novis texebat plumea telis.
lupus ericio.
Tost lioram sextain capto mox tollito vitam,
Quod petiit feci, nam vix promissa replevi.
242 spolea A. 251 hei A. 256 fragmine A.
sich auch scandieren soli tum erre. 261 stultos A.
257 liefse
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
280
Portio nulla detur, sed nec per frusta secetur,
Dispice, lieve cocoque foco tostetur ab ullo.
Haec caro nectarea festivum sit mihi pasca,
Hane tege pigmentis redolentibus et sale pauco.
Esca multiplici ne fallas foedera disci,
Per varios gustus haee fercula nostra regamus.
Lignum pomiferum si roras jusse fabarum,
Piadix continuo siccabitur liujus ab imo,
Marcescet sucus, vanescet in arbore fructus.
Tussis sicca fabis asino sit gloria dulcis,
Sit vox scabra fabae porcello gloria palmae.
Hisce fabis virtus vitiala est corporis liujus,
Nec possum teneram telluri affigere plantain,
Sic periit, solitum dum non habet arida pastum.
Sunt haec barbaricis mandenda legumina Francis,
Sic erit nullus honos. potior mihi prislinus est mos,
Hunc morem repetam, ad mea prisca recurram.
Devoro nunc carnem, praeclarain persono vocem,
Sunt vituli carnes potiores quam gobiones,
Inde traham sucum crassoque humore salutem,
Fit rubor in facie, pallor tabescit in ore,
Blandus corde sapor, fragrans odor, apta voluptas,
Omnia percurram, quo linnun pectore pellam.*
luter.
{Ah, perversa vigent, legalia jura faliscunt.*
lupus.
^Ergo sales vestri veterani sint sine dente?
Non patiar teneas veteres, ut me duce negas.’
luter.
^Si sapis, haec tacito consumes verba palato.
Utere sorte tua, doclus pietate paterna,
ECBÄS1S.
253
Annis jam septem deducis vitam agrestem,
Omne genus carnis vitabant intima ventris,
300 Cunctis deliciis praeponens munera piscis,
Saepe tuae mensae jungens consortia truttae.
Nunc comedes vituluiii sanctum spernens monacliatum.
Non praeler solitum cogor dissolvere luctuin,
Tot mala succedent, cjuae te per trislia verteilt.
305 Nomine tu nionachus, sed dextro limite tortus,
Crimina pertractas, sanctum subvertere certas.
Ad versus mitein piceum postpone furorem
Evigilet monaclius, pergrandi compede vinctus,
Regula quaecpie docet verbis, simul actibus ornet,
310 Nil fore quod proprium, commune sed Omnibus unum,
Quod sibi non lieri fratri non irroget ulli.
Sic quia non vivis, praedonis lege peribis,
Judicio canonum morieris rnore latronum.’
Haec luter cautus dicenda tacenda locutus.
lupus.
315 ‘Haec illi narres, qui surdas possidet aures,
Nam caudae vituli jungelur lumbus aselli;
Sic natura parens jussit discurrere soles.’
luter.
‘De lingua monaclii volilet discretio verbi.’
lupus.
cSi tibi sum curae, frenos imponito linguae.’
320 Frustratur multum piceat qui vas adaquatum,
Sincerum nisi vas, quodcunque infundis acescit.
Postera lux oritur, multo gratissima fertur,
Cum faciem noctis pepulissent lumina solis,
Corniger armenti perlustrat ovilia vici,
325 Singula qui revocat, praesenlia quaeque regirat,
De sibi commissis aspeclat, ne pereat quis.
321 acessit A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
254
ECBASIS.
Mugit vacca loquax, quin taurus cornibus audax,
Perdita demonstrant, natum per singula lustrant.
Ast vosagina canis, lustrosis conscia silvis,
330 Venerat ad medium certum dictura relatum:
‘Aestimo, quod vobis referentur gaudia moestis,
In genesi legitur, Esau cum gesta feruntur,
Ille sagitta doctus erat gravidaque faretra,
Portabat cornu, fuerat qui doctus in arcu,
335 Capsidile suo gestabat in inguine dexlro,
Hic me nutrivit, per rara latibula duxit.
Post mortem domini vobis mendica remansi.
Visis consternor, auditis corde relundor.
Juxta est spelaeum multo praedamine plenum,
340 Sole sub occiduo latrans prope jam pede fesso
Audieram strepitum, certans conprendere melum?
Reddetur stabulo, si forsan quaeritur antro.’
Suscipitur sermo, quem dixerat barbarus hospes,
Et praedocta canis ceu fertur odora canum vis,
345 Non praeter centum properans praetendere gressum,
Donec pervenit, quo se conducere vovit.
Tune equitum turmae certant peditumque catervae,
Ne numero plures, virtute et honore minores,
Indocti stolidi simul impugnare parati.
350 Viribus editior, collecto tum grege major,
•2. /
Irritat, mulcet taurus, mugitibus implet;
Fit sonus in terris, quasi totus corruat orbis.
Exilit ille lupus soinno vinoque sepultus,
Convocat armigeros pugnandi jure remotos,
355 Sperat belligeros solo torpore peritos,
Arcem contendit hostes, quo cernere possit,
Visis expavit, reparatis viribus infit:
farnuli fortes, animosas cernite gentes,
335 capsilide Ä. 33T mdica A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
E C B A S I S.
255
Unus eis animus, quamquam non unica virtus,
360 Perdere nos liscunt, ac morli tradere quaerunt;
Quid datis auxilii rabiosae obsistere genti?
Non pugnant manibus, non arcus tenditur ullus,
Missile non jacitur, nec funda saxa rotanlur,
Non sunt pennigeri pugnaces insidiosi,
365 Nam neque calce lupus neque quemquarn dente
petit bos;
Absit solus aper et corniger utique cervus,
His cornu bellum cum dentis acumine saevum,
Insistunt antro, non decidet ariete crebro,
Non patet ascensus, nec scandit ridiculus mus.
370 Sed vcreor vulpem solitum turbare bitumen,
Non solitum potest, plures sibi jüngere gaudet,
Ad me perdendum vigilavit cura suorum;
Praevalet in quantum cumulavit ipsa tumultum,
Si desunt vires, regnabunt undique fraudes.
375 Mortua sit vulpi versutia decipiendi!’
Namque duo famuli nullo terrore subacti,
Libero respondent, dicto talique cohercent:
Won simus injusti, neque talibus associati.
Culpis gestorum, quae dampnent more reorum,
38Ö Ex liis nullus erit, qui nos convincere possit
Sanguine de fratris, nec non de morte parentis.
Coelibis illaesam cupientes ducere vitam
Grates factori persolvimus omnipotenti^
Leges qui statuit, facti moderamina jussit.
385 Quae dare non poteras, hostili jure tenebas,
Nobis jurabas, ex lioc tibi consociaras,
Annis jam septem vis non incurrere mortem,
Non ita promeriii, sic nos opponere morti,
Fraudibus in vulpis quae sit tibi cura timoris,
3T7 libera A.
390 Ne feriant jacula, quae praesens concio vibrat,
Discere percupimus celatum quod latet ulcus.’
lupus.
‘Tempore, quo reges vadunt ad bella feroces,
Renibus in silvis torquetur vita leonis.
Forte fuit causa, decaniae lege recepta,
395 Attavus eligitur, camerarius ille notatur,
Exiit edictum, silvae fera currat ad antrum,
Aegroli niembris appoiiet quaeque salutis.
Omnes liuc properant, liullum vitale ministrant,
Quod prosit capiti, cruri, ventrique pedique.
400 Est sibi commissum, peragret consortia fratrum;
An quis deficiat? crebro meditamine pensat.
Absunt a reliquis cautae niedicamina vulpis.
Auribus liaec rcgis mox infert sedulus liostis,
His pejora sonat illud quod tradere quaerat.
405 Imperat aegrotus, quicunque est fidus amicus,
Ut vulpem capiat, membratiin membra resolvat.
Attavus ut novit, cruciatus mira requirit:
Arbore de celsa vulpi crux figitur alta.
Condoluit pardus confratrem de grege solus,
410 Conpreliendit cursum, regis depromere jussuni.
Finitis stadiis quingentis atque vicenis,
Jam prope lassescenti occurrerat obvia vulpes,
Quae vidit recitat, cruciatus nec quoque celat,
Ut nova suscepit, palmas utrasque tetendit,
415 Alfa petit simul oj, tormento solvat ab ilio
Et quae vera cupit subridens irrita fingit.
Haec pardum satiat, trevirensia vina propinat.
IJt bene sunt pransi, benedicunt omnipotenti,
Nam modicum pausant, et jussa silenlia servant
400 est ibi A. sibi vermute ich.
412 lassessens A.
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Post iter arripiunt, davitica carmina prendunt,
Se simul excutiunt, montana cacumina scandunt,
Inibi considunt, fini concepta reducunt.
Terminat bas laudes defessa monastica vulpes
‘Christum de coelis conlaudet Spiritus omnis!’
Mox genu curvavit, simul haec oramina fudit
‘Christe, patris fili, mihi te decet en misereri,
Sum memor ipse mei, satis et mea frivola novi,
Tu mihi sis galea, qui formas muta elementa
Me facias reducem, fallacem subrue testen).’
Solvit vincla pedum , tenditque leonis ad antrum.
Cum prope pervenit: ‘miserere mei deus’ inquit.
vulpes pardo.
‘Hic maneas, donec regis molimina noscas.
Quercus adest juxta, cui figas posteriora.’
Non tarnen indecorem sua se regina reliquit,
Narnque viae comiti dodrantem contulit auri.
Nec pede coinposito sese sociaverat antro,
Pectore cum tremulo stetit antri limine primo,
Intro caput flexit, donum benedicere poscit.
Quae benedicitur a sociis, sed amen gemiuatur.
leo.
‘Belua multorum capitum visis moribundum ? ’
vulpes.
‘Ad quid venissem, si non medicamina ferrem?’
leo.
‘A grege cur fratrum certas divellere gressum ?
Jnspice concilium , si desit quis sociarum.’
vulpes.
‘Herde jacere tu um per magna silentia pressum!’
leo.
‘Discere persitio, quid te semoverit antro?’
434 relinquit A.
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470
vulpes.
‘Stagnurn Genesaret cum fuiica transvolitaret, ■<
Me visa rediit, de te mox talia pandit:
“Cara soror vulpes, quaenam iiova trlstibus affers?
An leo convaluit, quem punctio dira gravaviti?
Fit planctus grandis in partibus isce marinis.
Currito, festina, latet hoc medicamine vita.
Quod tibi compono, compone fideliter aegro,
Ut fias agilis, nec erres montibus istis,
Hac iter ad laevam, per quod descendito Romani,
Burdegalo Castro cursu tendas properato,
Psitachus occurret, regis tentoria quaeret,
llli mox dices, quae tune certissima scies:
Nain regi domino suplex oramina mando.” ,
Haec dicens rediit, pacis simul oscula pressit.
Finibus italicis, fessis cum robore membris,
More peregrini inirans ripatica Padi,
Dum prope perveni pontatica hxa Ticini,
Yenerat immenso moerens ciconia rostro.
Fuiica quae dixit, eadem gemebunda revolvit;
Addidit lioc solum, sanctum deposcier Aprum,
Prosperet incepta , conformet tot mihi jussa.’
leo vulpi.
De te multa volant, quae vitam crimine turpant.’
vulpes.
‘Circator veniat, dictum scelus omne revolvat ;
Si dignum morti, cogar succumbere legi,
Judicor innocua, domini laetabor in aula.’
Totus conticuit grex, atque crucis siluit lex.
vulpes.
‘Quicquid sub terra est, in apricum proferet aetas,
Singula de nobis anni perdentur euntes,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
ECBASIS.
259
Jam tempestivi funduntur vertice cani,
475 Auribus ecce ineis inolevit pluma senilis,
Aspera jam pellis insedit cruribus istis,
Nocte dieque gravi franguntur crura dolore,
Non cursu superabo canem, nec viribus aprum,
Assimilor cigno, commutor corpore toto,
480 Conrugor felix velud assolet indica cornix;
Prope salute tui peragravi climata mundi.’
Atque ita mentitur, sic veris falsa remiscet.
Primo ne medium, medio ne discrepet imum,
Prompta sequi tortum potius, quam dicere verum.
485 Flebilis isla feris placuit sententia vulpis,
Conclamant omnes ‘veneretur olimpica vulpes/
Slernuntur pedibus, nec sese segregat ullus.
Postquam labore gravi superest miseratio vulpi,
Principis ira perit, nain vulpis gloria crescit,
490 Carmine solenni deducitur obvia regi;
Haec sceptrum regis tetigit sub foedere pacis,
Tempore sic pacis fuerat mos regibus illis.
leo.
‘Fulica quae misit sollers[que] industria vexit,
Proferto ad medium conventus silvicolarum.’
vulpes.
495 fNolle meum dicam, medicamina jussa requiram.
Suinmus praeco domus, quamquam meus ille pa-
trinus
Est lupus hie dictus, pastoribus usque perosus,
Prae foribus curtis, ne turbet viscera regis,
Sane ducatur , sed et unguibus excorietur.
500 Hoc faciat citius geminis cum lincibus ursus.
De cerebro piscis, tuleram quod partibus indis,
Illiniam dorsum , renes, simul ilia circum,
Renes aegroti stringentur pelle recenti.
Per calidum vellus spargetur morbus acutus.’
17 *
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
260
E C B Ä S I S.
leo.
505 ‘Nil mihi tarn bellum, caruni, quam vivere sanum.’
Flentibus hic paucis discedit moeslus amicis.
Jusserat ut vulpes, certant componere linces,
Cum quibus est ursus , nativo murinure motus,
Nam caput atque pedes hi salvant excoriantes,
510 Ab liumeris sursum denudant usque deorsum,
Unguitur infirmus, praecingitur ac refovetur.
Cum resideret humi, jussit sibi pocula ferri,
Ut modicum biberat, confestim talia narrat:
vulpes.
'Heu malefida coliors, male sarlo foedere concors,
515 Quam temere in vosmet legem sancitis iniquam
Si volunuis genli, si nobis vivere cari,
Dum licet, ac vultum servat fortuna benignum,
Legis decretum servemus more parentum,
Indigni quocunque sumus disrumpere foedus,
520 Haec res conservat junctos et jungit amicos.
At vos virtutes ipsas invertitis omnes,
Non mihi judicium, sed vobis ponitis ipsum;
Dedecet liunc regem rationem scribere talem,
Absens damnelur, nisi legibus ante vocetur,
525 Si sequitur legem , mercabitur undique laudem,
Si refugit placitum semel ac bis terque petitum,
Nec premit liunc morbus tardatque vicarius liujus,
Hic subit et perfert quod quisque viriliter horret,
Nec sit lugendus, si deperit in cruce tensus.
530 Verum nil sceleris faciat pia dextera regis,
Sensibus intendat, legis praecepta revolvat,
Mitius acclini timido , quam corde tumenti,
Nullius ore viri sensi nec discere quivi.
Tardius adveni, magis istis Omnibus egi,
535 Obsecro dementer mihimet mitescere regem :
Si male quid dixi, reprobet grex islius antri,
E C B A S I S.
261
Si quid et utilius, carum ferat iste senatus.’
Collaudant, venerantur, amant et laude frequentant.
vulpes.
‘Esurit aegrotus, languore fameque gravatur,
540 Languidus in cubitum jam se conviva reponat,
Vescatur dominus, monacliilis quae veliit usus,
Pane, fabis, variis herbis tellure creatis,
Pomis, lacte, inero, caseis, sale, melle et olivo,
Piscibus et panis tortis, calidisque placentis,
545 Pinguibus et ficis, bolletis, nee sine mergis;
Piegali disco jungatur sturio ceto,
Quod vomuit Jonam refugam moestumque profetam.
Dulce saporatis oneretur discus herilis.
Praecipiat dominus, ut serviat bic leopardus,
550 Suggerat impensas ponto et tellure creatas,
Yel quae judaicis fragrant bene credita capsis.’
leo vulpi.
‘Tu dispone domum, ne quis sollicitet aegrum,
Nec quisquam noceat cupido mihi pacis, et ultra
De grege conveutus non sit, qui calcitret ullus,
555 Qui te commovit, melius non tangere scibit,
Yerbere contorto toto torquebitur antro.
Colla superborum discent quae poena reorum.
Currite tranquillum, vulpis cognoscile jussum,
Qui veneratur eum, veneretur ad omue ministrum.’
560 Gestamen sceptri vulpi concesserat illi.
Plus solito major percurrit pectora terror,
Nec vox ulla valet, pompae vis nulla relucet.
Tune tremefacta cohors complet quod jusserat lierus,
Assurgunt cuncti, submiltunt colla jubenti.
565 Innuit ille domus comes, ut properet leopardus
Accelerare, palalinam quod condecet aulam,
541 veit A. 544 t^dis A. 562 pöpeius A. 563 iieros A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Caslos paneficos, fartores ac ciniflones;
Quis pincerna domus, dapifer, nec prodigus ullus
(Nullus tarn parcus quin prodigus ex alieno);
570 Secreti tacitus camerarius ordine denus,
Potio quae fiat, vel quis cristallica promat.
‘Servator portae sit cautus limine linguae,
Lignifer a liemore conportet robora silvae,
Torrida ligna vehat, ne fumi virgula surgat,
575 0UO corrunipantur dorsalia, nec vitientur
Pallia suspensa, substrata tapecia mira.
Pervigilis multi grau dis sit copia curti,
Verrere yalde domum, ne quid sit quisquiliorum,
Kursus odoriferum renovetur fioribus antrum,
580 Lumina largifluae statuantur cerea mensae,
Officiis dictis non desit aquarius istis,
Descriptis gradibus non sit qui murmuret ullus,
Ulustris monachi captivi, nomine Malchi,
Fortia cum vita recitentur in ordine gesta:
585 Percipiant animi dociles teneantque fideles;
Unicornis, ad liaec perstrenua, conferat istaec,
Voce puellari delectet pectora cleri,
Convivas delectando pariterque monendo.
Nam mixtum capiat languens, ne forte gravescat.
590 Exeat hinc dominus, horto nam proxima quercus,
Membra sub adversa ponat languentia quercu,
Esuriesque sitis visis reparabitur herbis,
Quas habet haec horti species et amoena venustas,
Quas lambit nitidi circumflua copia fontis,
595 Nil luteum de fonte fluit, nec turbidus huinor
Nascitur, aut primae violatur origine yenae.
At nos delicias plumarum et linea tecta
Sternimus atque cutem fulcro tenuante polimus.
fehlt ein vers hinter 577 V 590 orto A. 592 erbis A. 593 orti A.
E C B A SIS.
263
Audiet et liricae modulamina celsa puellae.
600 Non decet aegrotum tanto medicamine tectum
Tarn cito se sociare toro, liec jüngere disco,
At domus haec domini pingatur Flore recenti,
Cortinis croceis per longa palatia tensis;
Cetera formentur velut usus regis habetur.’
605 Namque manus vulpis sustentat niembra leonis
Ac latus aegroti du eens per lilia prati,
Nec pes ire valet, nec cervix praevalet illi.
leopardus vulpi.
Turbae condoleo, triduo jam sustinet antro,
Esurit atque sitit, jejuno corde faliscit,
610 Pro morbo regis conventus condolet omnis,
Nil falsi simulat, sed amica pace salutat,
Tu quocunque jubes una sunt voce sequentes,
Diversisque modis tua curabuntur ab istis;
Ecce casis clausis consedit turba fidelis.
615 Ergo fave votis, qui servas intima regis,
Tu quameunque deus tibi Fortuna verit horani,
Ut cuique est aetas, ila quemque facetus adopla,
Quo sit amore parens, quo frater ainandus et hospes,
Rusticus urbano quid distet turpis honeslo.’
vulpes.
620 ^Consilium melius proavorum non dedit ullus,
Nec potiore cibo pavit quis tempore tanto.
Si potis est heri, titubet ne gratia domni,
Dum domus exeolitur generaliter esca paratur,
Qui servire valet acri ne deute retardet,
625 Ille cibum capiat, domino qui sponte minislrat.’
leopardus.
^Uncta satis spisso ponentur oluscula lardo,
Nec satis est, cara, pisces avertere mensa,
615 quae servas? vgl. cara 627, doch care 707 und eum 559.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
!
264
ECBASIS.
Seniesqs pisces, quos Indus liquerat hospes,
lnsimul accipiant, e quarto munere carpant,
630 Quae sint cunque dapes siliunt consumere fauces;
Jejuuus raro stomachus vulgaria temnit/
vulpes.
‘Causa namque tui rorenlur munera Bacchi,
Ut bene sunt pransi, redeant ad limina templi.’
Confestim tristes leopardus currit ad aedes
635 Exclamatque palam, conyentus. deserit aulam.
‘Currite yos citius, sic rex jubet iste secundus:
Ilice sub densa stomacbantia sternite membra,
Iioras cantate, jentacula parta vorate,
Deque cibo celeres proprias cognoscite sedes.
640 Non strepitus vocis , nec sit mutatio sedis.
Ligna ferant ursi, coinportent suta cameli,
Nam latices luter deducat, aquatica über,
Sic fiat, sic sit, liorum natura reposcit;
Obsequio tigridis curetur copia panis,
645 Piscibus aptandis, avibus raris piperandis,
Escis cum reliquis, nigris sollertia barris.
Praeponor dapibus, disponat pocula cervus,
Dente timendus aper, turbatis viribus acer
Has portas servet, nobis obstantia spectet.’
aper.
650 ‘Ne venatores sufTocent nos velut liostes,
Fagus adest alla, conscendat squirio celsa,
Hos peragret visu, percurram cetera sensu.’
leopardus.
‘Linces cum damis hi sint custodia regis,
Coerula catta maris conservet strata jacentis,
655 Tincta super lectos candescat vestis eburnos,
Simia deformis reparet candelabra lichnis,
633 sint A. 638 gentacula A.
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ECB ASIS.
265
Impiger ericius, condenso vellere leetus,
Poma vehat, miranda canat, sed amigdala ponat.
Atque mices corili sint mensae largiter isti,
660 Squirio quam nobilis conipilet poinula glandis.’
ericius,
‘Quis tibi vel qualis? magni sum gente Calonis,
Ex atavis longo si ducis slemmata filo,
Disces me Datum magnorum sanguine reguni;
In me priscorum virlus defluxit avorum,
665 Stirpe recensita removebis vilia jussa.
Juxta progeniem manda serviminis artem,’
leopardus.
‘Convenit ecce tibi talis reverentia fati.’
ericius.
‘Ilinc yivam reliquo despectior ipse popello.’
leopardus.
‘Tempore namque suo generis recitabitur ordo.’
ericius.
670 ‘Nunc sequar hoc jussum, deposcens te leopardum,
Praecipias nunquam mihi contemptibile quicquam.
Si brevis exislo, prudenti regmine regno,
Ingenium purum, sapiens, subtile, serenum.
Vilibus in volucris latitat substantia grandis.
675 Marchio sum Rutulis, romanae signifer urbis,
Est testudo mihi spaciosa cacumine saxi,
Tutior illa magis, quam sint munimina regis,
Unius in funda pelluntur milia dena,
Praevalet argutas liostis yitare sagittas.
680 Scandenti pedili non est via libera soli,
Vix culix cjuisquam yoliians conscendet eandem,
Sic clivus caslri, teretis quasi sperula pomi;
665 recenseta A. 673 subtili A.
677 sit A. 678 unus A.
676 cacumina A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Alpibus italicis liic mons est altior illis,
Millenis cubitis praeruptior atque vicenis,
685 Opida Chuonradi coguntur ad liunc famulari.
Manna vescuntur, qui nostra curte fruuntur.
Est hoc spelaeum teutonice Stensile dictum,
Aunguis est dictus yere portarius liujus,
Et cameram lecti scias Hunsaloa yocari.
690 Ultra servitiis si me non truseris ullis,
Ista tuae soboli tradarn sub clave sigilli,
Cautio firmatur, conventio si stabilitur.
Tritas seryitio manicas non eximo longo.’
leopardus.
‘Scando si soliuni, spernam te valde superbum.
695 I puer, atque meae citus liunc impone coquinae.
Dum tostat verua, scutellae balnea potet.
Potus hic est habilis simili sub more superbis.’
ericius.
‘Quo deus et quo dura vocat fortuna sequamur.’
leopardus.
‘Dedecus est dominis, dum laxant debita servis,
700 Argumentum ingens testis sententia prodit.
Jus est hoc modicis semet praeponere celsis,
Corpore qui parvo peragunt contraria magno,
Quamquam forma minor, verum prudentia major;
Viribus imbelles, astu tarnen acre rebelles,
705 Artibus expugnant, cum robore membra fatiscanf’
vulpes.
‘Talia conferre compellit simius isle.’
leopardus.
^Consule, care, tuis, nam dictis te volo paucis,
Fac spatium socio, tibi mox parere parabo.’
685 oppida cunradi B. 687 aunguis A. 693 cs stand
exigo, über das g ist m corrigiert. bei 707 steht lepus, was
ich in leopardus ändere.
ECB ASIS.
267
vulpes.
‘Vult dominus secum fratrem de pluribus unum,
710 Qui recitet spalmos, divinos personet ymnos,
Organa spalterii repetat modulamine dulci.
Impedior lacrimis prorumpere liomen amantis.
Virtutes pardum comitantur amiciter istum:
Non est perjurus, neque sordidus ac furiosus,
715 Comis et urbanus, animo pius, ore serenus,
Consilio caulus, moderatus , pacis amicus,
Novit quid pulcrum, quid turpe, quid utile, falsum ;
Si foret ad praesens, solus praecelleret omnes.’
leopardus.
‘Fiat veile tuum, simplex dumtaxat et unum,
720 Sit fix um quod vis, sit vivax gratia nobis.
Dum lupus infestus pecori, venantibus apri,
Frigida dum pugnant calidis, humen tia siccis,
Dum nova crescendo reparabit cornua Phoebe,
Sit nobis solidum concordi foedere pactum.’
725 Sic ait, et mediis interserit oscula labris.
vulpes.
‘Quantus amor coeli, tanta est dilectio nostri.’
leopardus.
‘Inspice, si bene sit, quod regia curia poscit.’
Egregie factum laudat vulpecula totuin.
vulpes leoni.
‘Hora est surgendi, tua sunt quasi regia Croesi.’
leo,
730 ‘Ad mensam vado, perfortia vina requiro,
Quinquennis vini sitis est citra mare nati.’
vulpes.
‘Non valet id fieri, quaeras quod possit liaberi.
Ad te cum redii, trevirensia vina probavi,
732 possis A, oder dazu habere? 733 trevirentia A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
750
755
Ex liis sextarium sanxi tibi ferre bibendum,
Dulcius ac melius liec habet scrutarier ullus,
Quod curas abigit, quod linguae verba ministrat,
Morbos avertit, metuenda pericula pellit.
Trevirici calices quos non fecere loquaces?
Indiciis cerlis portavi dona salutis.’
leo vuJpi.
‘Tradere si cuperes, non tanta pericula ferres,
Debitor es meriti, pro tanti pondere facti.
Crimina lingua lupi concusserat ore bilingui,
Hic crucis exitium properabat figere clirum,
Furcifer ecce jacet, non sit qui tollere curet.
Hane meruit poenam, vitasti clenicjue culpam.’
yulpes.
‘Audit quod non yult, qui pergit dicere quod vult.’
leo.
‘Demiror pardum nostrum rarescere yisum.’
yulpes.
‘Ne turbere pater, veniet mox advena frater,
Cujus ad ingressum pelletur quodque nocivum.’
leopardus.
c0«od mora sit fratris, stillis perfundor acerbis;
Si forsan periit, melior se nemo remansit,
Dispar comparibus, verax psalmista probatur,
Sobrius, armipotens, castus, moderamine pollens.
Cautior est homine, prudentior hic Salomone.’
vu-lpes.
‘Si redeat, visam decet en te poscere mensam.’
Vulpes ire parat, caudam versuta regirat,
Ut prosit pardo, signum facit haec leopardo.
Congreditur quercum, cui sciverat adfore pardum.
739 inditus A. 759 wieder lepus für leopardus.
ciüerat A. 759 talem schalte ich ein. pro ferre A.
758
E C ß A SIS.
269
leopardus leoni.
‘Quem scio pervigilein [talem] perferre laborem ?
760 Quid prosit quaerit, quid delectabile poscit.’
leo.
‘Non missura cutem nisi plena cruoris liirudo.
Juxta veile tuurn, veile est, extollere pardum.
Escas non capiam , donec capit ille coronam.’
vulpes pardo.
‘Ne mora sit, regi saltu transcurre celebri,
765 Regis praefectus regno scriberis secundus.’
pardus vulpi.
‘Mentio sit primo, si vinceris boste superbo?’
vulpis pardo.
‘Decidit in laqueum, quem fraude tetenderat ipsum ;
Sic David cecinit, perraro baec alea fallit.’
pardus.
‘Jam prope psalterium finivi carmine sacrum,
770 Incumbens veniis, ne forsan victimareris.
Psalmos explebo, cecini quos usque memento,
Psalmo finit o curvabar poplite fixo.’
Concurrunt ambo, psalmos pariter recitando,
Deque tribus pueris dum laus finitur ab illis,
775 Se sociant regi, benedicunt suscipienti.
0 qui complexus et gaudia quanta fuerunt!
Hic benedicendus communi Sorte bea'ndus.
Ducitur inpransi susceptus laude magistri,
Dum manet in mediis medius permixtus amicis
780 Unguitur in regem cum fratrum post quoque laude,
In speciem regni viruit domus aulica regis.
Tune se proluerat, mensas ex ordine donat,
Imperitat geminare cibos, ut regius est mos,
Nam vadit sessum, prae mensa ponit amicum,
761 irodo A.
764 sis A.
270
ECBASIS.
785 Ab speculae prirnis defertur sella curulis,
Vulpes subrisit dum sculpta scabella locavit.
Fecit adoptivum vulpina astutia pardum.
Praesulis officio vulpis grex conticet omnis,
Non murmur resonat, pacis concordia conslat.
790 Finiit unicornis ubi memorabile Malchi,
Vulpes consurgit, cristallica vascula promit,
Non solum vulpes, sed multo nobiliores,
Potio talis adest, quae versu dicere non est,
Quam portant regi psallentes, more precandi.
oratio.
795 ‘Quo sine nemo polest, qui mire condita proferl,
Qui faciem coeli depingit sidere pluri,
Huncce regem decoret, regem cum decore salvet.
Sic sua perpetuus non claudat lumina somnus,
Sed sua perpetuo vegelentur membra vigore,
800 Et peragat placitura per multa decennia vitam,
Nec sibi sit medicis opus unquam, nec sibi Casus
Aut morbus ullum pariant quandoque laborem;
Sed procul a curis et sano corpore vivat.
Nil prave cupiat, faciat, nec proferat unquam,
805 Sit vita locuples et Christi munere dives!’
Ut fluit oceanus fluxit potus piperatus.
Singula quid memorem? superent cum singula
laudem,
Nemo potest scriptis coenam depingere regis.
Inter prandendum leo scrutatur nova pardum:
810 ‘Cur te subtraheres paribus? volo, tu mihi narres,
Tardasti mul tum; veile est, cognoscere certum.’
pardus.
‘Somnus te fugitat, vigilantia te cruciabat,
Condolui tibi, non parcens mihi, congrua vexi:
785 stella A. B.
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1
E C B Ä S I S.
271
Nec regina Saba Salomoni sic tulit alta,
815 Nec rex ille pares avium possedit honores.
Praeses eas clamet, blando palpamine tractet;
Accedat merula colludens cum filomena,
Organa quae merula miscet, luscinia mulcet.’
Qui surgens currit, juvenilia jussa peragit,
820 Hos capit ingressus concinno carmine primus:
‘Qui rex est avium languentem visitet istum,
Del vitam, det opes, somnos pastusque salubres,
Erigat aegrotum, corroboret antra ferarum,
Prosperet liunc pardum, qui tantum deflet amicum.
825 Vobis ecce canani castam puramque Mariam,
Atque Gabrihelem, qui nuntiat Hemanuelem
Virgine nascendum, mortali carne tegendum,
Ut salvet populum peccati pondere pressum.’
leo filomenae.
‘Gusta tu modicum, [ut] possis producere cantum.’
filomena.
830 ‘Si quid inexpertum, nobis servetur ad imum;
Ne tarnen amoto quaeramus feria ludo,
Sit cibus ac potus Christus, qui dicitur unctus,
Adsit in ore meo, dulci ferat organa plectro.’
Haec volitans poscit pardum, notum sibi visit,
835 Consistit a dextris repetens insignia laudis
A natalitio, quo concipit innuba virgo,
Usque sacrum Hamen, quo certum est adfore missum.
Concentu parili memoratur passio Christi.
Passer uterque deum caesum flet verbere Jesum:
840 Exanimis factus, claudens spiramina flatus,
Commutat vocem, dum turbant tristia laudem,
Organa divertit, dum Christi vulnera plangil,
Solvitur in luctum recolens dominum crucifixum,
820 Ins A.
829 ut hinziigefiigt.
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E C B A S I S.
Squalet se cinere, dum fertur motio terrae,
845 Offuscat visum memorans solem tenebratum.
Hii gemini trepidas pressere ad pectora palmas,
Unicus ut matrem, sic deflent hii patientem.
His avibus motis stupuit militia regis.
Turbatur pardus tarn gratum perdere munus.
pbilomena.
850 ‘Nec tibi, nee istis sit controversia mentis.’
pardus.
‘Linquere non potui, flevi improperia Christi.’
pbilomena.
‘Singula non memoras, quae me dixisse stupebas.’
pardus.
‘Audieram; sed fama fuit, penitusque recessit.’
pbilomena.
‘Non tibi, care pater, debet istud fama videri,
855 Sed magis in cordis secreto jure recondi,
Ut domini noscas quae sit de corde voluntas.
Ecclesiae doctor quid dixerit an meministi?’
pardus.
‘Nescio si legi, profer quae dixerit ipse.’
pbilomena.
‘Corpus, quod mortis vitio corrumpitur, inquit,
860 Vitalem flatum ne possit cernere virum
Aggravat, et coecis immergit saepe tenebris.
Istius exilii lleres si forte tenebras,
In quo pro primi lacrimando crimine plasti
Degemus, inecuni sentires, dum modo mundum
865 Expleri cuperes, aeternaque desiderares,
Ut felix patriam Christo ductore redires.
Sed mage quod doleo, coelestibus obice diro
Opponis temet, nec perdita gaudia defles.’
85J. 853. 854. 859 die namen zngefügt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
E C B A S IS.
2/3
pardus.
‘Miror quam patriam tu mandas esse petendam ?
870 Nunquid non palria est, niaternis yentribus in qua
Fusi praesentis fruimur servimine lucis,
Affectu dulci carorum, nec ne fovemur?’
pliilomena.
‘Non equidem patria est, sed carcer mortis obumbrans,
Si patriam dicis, patriam tum credito mortis,
875 Nam vitae patriam non est fas dicere talem,
Hic morbis premimur, illic sed gaudia dantur,
Quam miser atque miser, cui talia regna negari
Contigerit, baratri vel saevo carcere trudi
Unusquisque gemat, capitalia crimina tergat,
880 Confluat ad lacriinas, si yult seducere poenas.’
pardus,
‘De peto, quo plane repetas quae moesta canebas.’
pliilomena,
Qnantus in orbe furor, vobis modo testibus utor,
Dum rapit hunc judaea manus bene conscia cujus,
Cum sic astrictis incumbunt yincla lacertis,
885 Quod jubilum cordis, patitur dum conditor orbis,
Gaudiaque plebis, legitur cum passio regis.
Mos fuit inde prius antiquis partibus ortus, fMLr
In cruce quod Christi reticescunt signa melalli,
Nec vox ulla tubae resonat, sed nec quoque cordae;
890 Lugubre portendunt, dum moesta silentia prendunt,
Ne laus borarum consuetum transeat cursum,
Fagina signa sonant quo clerus debita solvat,
Nec vacat a tipicis subpressa melodia vocis
Turbis belligeris, ubi funditur unda cruoris,
895 Omnis risus abest, cordis violentia prodest,
AlFectu cordis crescit mensura doloris.
883 concia A.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
274 E C B Ä S I S.
Quis siccis referet oculis opprobria mortis,
Quod capitur dominus veluti mitissimus agnus,
Praesidis ad sedem vitulus ceu ductus ad aram?
900 Caeditur et alapis colafis quod conditor orbis,
Afficitur llagris, constringitur uxidique loris,
Spinea cui fertur regis pro jure corona,
Tunditur, expuitur, deluditur atque negatnr,
Pocula melliti vini mox dant sitienti,
905 Clavis conlixo, perfosso cuspide Christo.
Haec sunt quae nostram perturbant undiquementem.’
pardus.
Tlurima sat passi tractasti vulnera Christi
Desine, cara, precor, jam desine fundere iletus,
Nobiscum gaude depellens tristia plaude.’
philomena.
910 ‘Nunc precor, ut dicas, cur me gaudere rogabas?
Unde etenim tristi persuades parcere menti?
Sunt mihi laeta quidem, sed tanto pondere mentem
Infero lugentem, quo me nec vivere veilem,
Saepius exopto gelido me tradere leto.’
pardus.
915 ‘Yerum si possem, quod dicis , credere veilem,
Sed pectus lubricum quoniam geris inperfectum,
Profer veracem, quem possim credere testem.’
philomena.
Ut quid plus referam, vel secula longa retexam ?
Non tibi laeta manent quod prius ab aelhere plaslus
920 Pulsus coelicolis iterum conjungitur almis;
Quae majus a nobis tractari gaudia poscis,
Quam paradisiacae panduntur limina portae.’
pardus.
‘Sufficiat tantas jam jam terebrare latebras.’
philomena.
‘Desere daedalei, jam desere limina tecti.’
E C ß A S I S.
275
925 Hi lacrimis humidi, terrae de pulvere foedi,
Cum jussu pardi vadunt simul anine lavari
Cantores socii, Girinda flumine loti,
Dum repedant, reges binos dum visere certant,
Udi, jejuni, dicto de carmine fessi,
930 Voto communi conscendunt robora fagi.
Dum pennas aptant, plumas ex sole reformant,
Psitacus accurrit, regem resipiscere quaerit,
Cignus adest etiam languentis discere vitam.
Scrutanti multa respondet avicula tanta:
935 ‘Pasca resurgentis celebrandum est aedibus altis
Quis bini reges resident, cum milite prandent,
Vos rogo nobiscum solvatis gaudia vocum.’
psytacus.
‘Causa namque tui paterer discriinina belli,
Davidicae citbarae, melodiaiu prosequar ipse.
940 Imminuentur atrae solenni carmine curae,
Tu tarnen incipias, cantu superabo syrenas.’
cignus.
‘Omne genus hominum vincam clangore tubarum,
Non juxta solitum Francorum corniferorum,
Est mihi psalterium, quod erat David decachordum,
945 Asapb me docuit, qui psalmos fingere juvit,
Incipe, si quid liabes, pascales psallito laudes.’
pbilomela.
‘Est liinc longa via, qua perveniatur ad antrum,
Ilinc cernes sunimi volitando culmina tecti.’
Flegmate detersis rostris cantuque paratis,
950 Excutiunt rapidas conjuncto foedere pennas.
Nec mora conveniunt, pinnae fasligia prendunt.
Praevia fit merula, pardo offert baec nova monstra,
Qui surgit subitus, longinquos osculaturus:
18 *
941 dechacordum.
276
ECBASIS.
Visis arrisit, caros sibi foedere junxit.
psitacas.
955 ‘Oceano positis regis fit fama jacentis.
Est quia divinum languentis visere Stratum,
Compuncti lacrimis palmis deflevimus artis,
Ordine confuso lustrayimus aere denso,
Quo via sit nobis invidit semita nubis,
960 Donec Burdigalis opacae tempore noctis
Fit strepitus plebis matutinos imno petentis,
Namque Severini celebrabat festa beati.
Cumque fatigati moraremur ad atria sancti,
Cum reliquo vulgo redibentes cantica Christo,
965 Mox aurora rubens maturat pellere nubes,
Inde recedentes invenimus hasce sorores,
Conductu quaruin quaesitum invenimus aegrum.
Ergo repetamus. sis nobis fixus amicus,
Diceris a cunctis clari lux altera solis,
970 Te duce ducamur, te praeduce mox revehamur.
Haec filomela soror, nimius quam detinet ardor,
Subpeditare tibi servireque corde fideli,
Nos prece blanditur, ut Christi pascha colatur,
Comprime tu strepitum, nostrum quoque dirige gressum.’
975 It, redit, attactu levi introducere coepit,
Protinus intrantes has ponunt ordine laudes:
‘Salve festa dies, quam credens magnificat plebs!’
Hoc post odecolon graecissant kirie eleison.
Fit vox omnigenum volucrum pecudumque ferarum,
980 Multiplicique modo sacra cantio personat antro,
Manes devicti lugent sua damna revolvi,
Celera gesta dei, recolit quae pagina libri,
Lingua judaica ructant, graecaque latina.
Ut complent apices, quos scribit virgo Johannes,
963 morarentur A.
978 kirrie
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
E C B Ä SIS.
277
f
?
985 Aptant hae celeres herboso cespite sedes.
psitacus.
‘Scrutor raucisona, nuin sit quoque fracta lagena?
Quod mihi poscenti non dantur pocula vini,
Nam neque divitibus contingunt gaudia solis.’
leo psitaco.
‘Apponas aliquam , si nosti forte, medelam.V
psitacus.
990 Nil nisi lene decet vacuis committere venis.’
leo psitaco.
‘Nil ego praetulerim jucundo sanus amico.’
psitacus.
‘Oderunt liilarem moesti tristemque jocosi.’
Nam leo, cum vino incaluit, mox talia dixit:
‘vulpes sensata prudenter rexerat ista,
995 Meque meamque doinum super omne revexit lio-
nestum,
Corpus languentis confoverat igne salutis,
Seminecem membris nec cessat reddere mensis.
Haec petiit pardum post me regnare secundum,
Istius ad votum regem sacravimus istum:
1000 Nam mea sint pardi quae pardi proxima vulpi.
leo pardo.
‘Vulpem versutam lateri ne depresseris unquam.’
Tune versuta dolis de tanto munere regis
Tristatur facie quamquarn laetetur ad omne.
pardus leoni.
‘Tristior est solito, me cernit lumine torto.’
leo pardo.
1005 ^Si quid vult proprium, verum non celet amicum.
vulpes.
‘Est specus in silvis celsi sub culmine montis,
Hane mihi posco dari, facti munimine scripti.’
Confirmant reges, petiit quod subdola vulpes,
v
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
5
*
278 ECBASIS.
Testibus ab tantis firmatur caatio vulpis.
lupus lutro.
1010 ‘Haec est ista specus data tune sub regibus illis;
Pro facto scelere, quod vulpes gessit inique \
Adversus proavum, tultuni fuerat sibi castrum.’
luter.
‘Successit soboles, successit tortus et heres:
Delinquunt patres, solvunt delicta sequaces.
1015 Cetera prosequere, quae sint insignia coenae.’
lupus.
‘Tolluntur lances, longiuquus vescilur liospes.’
pardus vulpi.
‘Praevideas ne turpe toral, nec sordida mappa,
Sordidus aut dapifer nares couruget edentum,
Magna movet stomaclio fastidia, seu puer unclis
1020 Tractavit calicem manibus, dum furta Jigurrit,
Sive gravis veteri craterae limus adhaesit.
Pocula miscentem nutrilum pone clientem,
Casta serenatis impone cibaria mensis,
Ponantur nuclei, corilorum robore najti,
1025 Persica cum cerasis, quectonia mixtaque fragis,
Poma geroldinga, quae detulit haec pbilomela,
Praecoqua purgelur Claris in fontibus uva;
Ut dabis elixa, confestim dentur et assa,
Accubet et reliquum servum pecus ad comedendum.’ y
vulpes.
1030 ‘Insistam cunctis, quae monstrat sermo jubentis.’
Sublato disco surgens fera sistitur antro.
psitacus.
Traecipiat dominus, licitos repetat fera cursus.’
leo.
‘Accipite ergo omnes, auresque advertile cordis,
1014 pateres A. 1016 longinquis A. 1026 gero digna B.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
E C B A S I S. 279
Gratia sit vobis, quod sic mihi condoluistis:
1035 Exitibus vestris nullus dominetur nt hostis
Finibus in cunctis, latus qua tenditur orbis.’
Potio deferlur, temulenti quique vehuntur,
Pace salutantis discedit concio castris,
Nec calamus referet, quae regis jussio praebet.
1040 Tune vaga prosiluit frenis natura remotis,
Seque per immensas diffundunt agmina silvas.
Mox magni parvique lupum lusere gavisi,
Accessit laetae turbae glotneratio tantae.
Exprobrat in facie, quae sit custodia linguae,
1045 Informat scriptis, quae sit cautela bilinguis:
‘Dentibus infrendis vane tua labra voraris
Te tua culpa preniit, tu dum tua navis in allo est,
Hoc age ne mutata retrorsum te vebat aura;
Inspicit omnipotens actus, qua mente regantur,
1050 Nam semel emissuni volat irrevocabile verbum.
Haec dolis est, inimice, tuis concepta simultas!’
Multifluisque diem verbis ducendo fatigant,
psitacus leoni.
‘Non capiam quiequam redienspiec laesero quemquam,
Dum vacat ergo tibi, sine causa vivere noli,
1055 Quod cupide poscis mature plene reliuquis.
Disce miser tandem, si vis contemnere mortem,
Quod ceu flos foeni sic omnis gloria mundi.
Cur tibi credis opes, cur coecos quaeris bonores?
Cur putridis multam te nulris vermibus escam?
1060 Hunc diligis mundum , proprium qui fallit amicum.’
leo spilaco.
‘Quod das concilium, quo possim prendere sonuuim
Quae mihi sunt regno, vadens hinc desero pardo.5
1035 existibus A. 1044 exprohaf A.
51Q1 hie dolus A. 1053 lesere A.
280
E C B A S IS.
psitacus pliilomelae.
‘Plectris dulcisonis curarum semiiia pellis,
Tu cum sis quod ego fortassis cautior ullo,
1065 Nunc in amore mei coniportes somnia regi.’
pliilomela.
‘Quod petis lioc peragam, causam non respuo jussam.’
Rex ubi melliti capitur dulcedine plectri,
Obdormire parat, vulpes differre laborat.
vulpes.
‘Naturale tibi confirmat pagina libri,
1070 Quod dormis triduo, sed quid manethospesin antro?’
pardus.
‘Defessi veniant, pausent modicum alque redibunt.’
Expleto triduo rex mox discessit ab antro,
Et Suuarzuualt petiit, alemannica rura revisit,
Divitiasque doirms usurpat mox sibi pardus.
1075 Cignus Nortmannos possedit, psitacus Indos,
Pardus duxit aves ad partes occiduales.
His ita dispersis sic fit migratio \ulpis,
Ad proavum tendit, probrosa epitafia scribit:
epitafium.
‘Conveniens curlim parvam venerare cohörtern,
1080 Fleete capud timidum susceptus sede potentum,
Praemeditare prius, quae [des] aenigmata cautus,
Rarus in eloquio, sollers sermone serendo,
Falsa loqui fugito, reseratis auribus esto,
Quid de quoque viro, et cui dicas, saepe videto,
1085 Saepe rogus modicus comburit culmina s«*dtus,
Nam neglecta solent incendia sumere vires;
Officio linguae nullum frustreris honore,
Nam tua res agitur, paries cum proximus ardet.
Sic tibimet verae continget gratia famae,
1071 veniunt A. 1073 siuiazuualt A. 13. 1081 des zugefügt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
ECB AS1S.
281
1090 Sic sic magnus eris, aeternum nonien habebis,
Ipse bilinguis eras, nepti tormenta parabas,
Nec minus optali, quam facti poena luenda esl:
Vermibus et vespis optabilis esca jacebis.’
Inde petens castrum duxit secum leopardum,
1095 Nuncius ut regis sibi det muniinina pacis.
Talibus a culpis facta est expulsio vulpis.
Sufficiat dictis de tanto tramite yulpis.’
luter.
‘Vere sulficeret, si non fortassis abesset;
Ast bene fecisti, quod nobis sic reserasti
1100 Tecta diu, planis nudans archana loquelis.
Esse potest ab re quod tardat concio turbae,
Commissus sanctis scrutabor, quid gerat hostis.
Luter adit collim, qui cingit de prope rupem,
Aspectat yulpem pitacia scripta vehentem,
1105 Testibus appositis fuerant quae folibus illis.
Coetus erat fortis, conclamans vocibus altis:
‘Regis praeceptum nunquam frustretur inult um,
Passeribus prosit, qui regis jussa refellit
Sublaterans quem quam, nonlioc sibi proderitunquam.
1110 Si scandit fraude, mox mistica seminat ore,
Perplexos morsus resupinat corde lupinus,
Occultans animum, certat subvertere justum.
Mortis bic est annus yiroso escamine tectus,
Propinat mortem dum fingit ferre salutem.
1115 Fraudem quam fecit vicinam confore scribit.
Quod sine lege sletit, yere sine lege peribit.
llos repetens ludos enutriat in cruce corvos,
Et famuli nequam vincti mittantur Ylerdarn.
Vestitura dati confestim redditur illi.’
1120 Audierat proceres istas imponere leges,
Territus liisce minis, correptus mente furoris,
Omnia quae vidit relegens ex ordine pandit,
II I U
282
ECB ASIS.
Hortaturque lupum concedat abire juvencnm.
lupus.
‘Non hominem vereor, nec vulpis me quatit horror.’
luter.
1125 ‘Consilium refugis, cervicibus immmet ensis,
Judicio mortis ad praesens tu capieris.
Quique tui capti vincli morientur et illi.
Auxilium quaeris quaerendum tempore pacis,
Dicere et audire, et meliori credere non vis,
1130 Non magni pendis liabitum vultumque potentis,
Principibus placuisse viris non ultima laus est.
Gratia tantorum tultum reddet sibi castrum,
Nec magno aut parvo leti fuga nulla erit antro.’
Luter discipulus collis de culmine lapsus
1135 Formidans hostes, possessaque castra relinquens,
Horrens exitium fluvii se misit ad im um.
Ericio latis solito considere cellis
Abdere se silici curae fuit atque labori.
Curritur ad castra, sola latrante licisca,
1140 Invadunt castrum franco de milite castum.
Alloquitur vulpis, seducitur atque querelis :
vulpes.
lHis est aut nusquam quod quaerimus, bic latet bostis.
Cernitis en patruum ? quid agis dulcissime rerum?
Incolumi capite es, qui cano Höre reluces,
1145 Formosus facie, sura, pede, deute, lacerto,
Candidus, et talos a vertice pulcber ad imos.
Tu patre praeclaro nutritus pectore caslo,
Certum est, iugenuos liabeas ditesque parentes,
In regum numero regnas Cuonone secundus,
1150 Pra^cellis cunclos famosis partibus ortos,
Lilterulis doctus, multis et lionoribus auctus.
1125 refugit A.
E C B A SIS.
283
Obiciet nemo sordes libi, quas milii inulti,
Qui tibi complaceo, qui turpia vincis lioneslo.
Susum scande pater, inirabitur unus et alter
115 5 Artus egregios generoso in corpore sculptos;
Mentior at si quid, merdis caput inquiner albis.’
Conservus vilis, quem tardat acuta securis,
Dum lupus ascendit, objecta repagula traxit,
Sic foras exiliit, matrem cum patre reposcit,
1160 Ubera cum suxit matri laelatus inhaesit.
Prolulit exemplar, veri quod lucet ad instar,
Non semper feriet quodcunque minabitur arcus.
At lupus a tauro trimco configitur alto.
Vulpes hunc gemino collaudat pollice ludum,
1165 Haec pravo scriptum praedoni perliibe aptum:
epitapbium.
‘Hoc legimus scriptum, credamus et esse probatum,
Vae qui praedaris, quoniam praedaberis ipse;
Mercatur mortem, qui fraudis diligit artem,
Nec capiet risum, qui sic sectatur iniquum,
1170 In de se discat, qui juste yivere tardat/
Mox palrios ingressa lares eliminat hostes,
Nam mumm scandit, caris cum fratribus, inquid:
‘Divitis omne bonum, si non fuerit stabilitum
ConsiJio, latione, modo, solet adnichilari,
1175 Aeque neglectum pueris senibusve nocivum.
Quae major pestis, heu, quidve nocentius istis
Aspidibus, colubris, basiliscis atque chelidris?
Et tarnen lios fertur superare domesticus hospes.
Quid tardat sapiens, forsan si ceperit liostes,
1180 Ni liget ac cruciet, obstruso carcere damnet?
Compedibus lales num sub custode tenebit?
Moris erat, fortassis erit, dum quisque vigebit,
1163 vielleicht truncus? 1)70 inte A. 1174 adnichilare A,
284
E C B A S IS.
Si prece, si pretio laxatur captio capto,
Obside suscepto, seu firmo sit sacramento.
1185 Qui hos vocat ad Cameras, piperatas porrigit escas,
Mollia strata jacit, quaecunque tacenda resolvit,
Nulla catena premit, nee ferrea passio cogit,
Excors, follus eques, abnormis garrulus idem est,
Et perit ut lupus liic condigno fine perhemptus;
1190 Nam multi pereunt, quia sensu vivere nolunt.
Non jactu Iapidis, nec jacto missile quovis,
Captio fit castri tanti, sine caede, peculii,
Ingenii sensus prudentum fortis et astus
Milibus armatis citius dominatur inhermis.
1195 Credite, consocii, me yisit gratia Christi.
Conservate fidem, nodosam pellite fraudem,
Subveniat frater fratri, pro posse fideli.’
Talibus hosce monens Christo mandaverat omnes.
Dum redeunt pariter, affatur taliamater:
1200 ‘Cur non, nate, refers, quae saevus fecerit hospes?’
vitulus.
‘0, mater, peccas dum tristia metra retractas,
Taedet sacrilegas antri percurrere curas,
Has si plus refero, fastidia magna parabo:
Dulce sonat modicum, confert fastidia inagnum.
1205 Pertuleram triste , quod sic tardastis utrique,
Prorsus jucundam noctem produximus istam,
Possedi socium, qui flelum fudit amarum,
Pro me saepe rogans lacrimas eduxit ainaras:
Luter ridiculus famoso est nomine dictus
1210 “Attrectans amnes, piscosi gurgitis heres.”
Hisce meis oculis detersit signa meroris
Sub noctem gelidumque foco calefactat amicum.
Non tarnen adversis insomnia duximus austris,
1210 anrectans A.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
E C B Ä SIS.
285
Me Bacclio satiat, quin lenia verba propinat.
1215 Ericium yafrum servis de pluribus unum
Instruit Herodes yitulinas scindere carnes,
Qui dixit yitulum festivum pasca futurum,
Per se sumendum, nulli per frusta secandum,
Ad jugulum tantum ferrum reddebat acutum,
1220 Me cupiens miserum morsu lacerare ferino.
Laus domino qui [me] salvarat dente lupino,
Sanus et incolumis maternis deferor ulnis.
Sit nomen sanctum Christi domini benedictuin!’
Versus milleni centeni septuageni;
1225 Verum operi longo fas est obrepere somnum,
Nimirum sapere est abjectis utile nugis,
Me tempestivum psalmis concedere ludum;
Iratus pariter, jejunis dentibus acer,
Sermonem claudam, verbum non amplius addam.
1221 me zugefügt
m
286
ECBASIS.
J- 73-
fUitvktuifyM f-A^
Dies bisher unbekannte gedieht entdeckte ich,
nach thierfabeln begierig, im September 1834 unter den
handschriften der burgundischen bibliothek zu Brüssel,
es ist doppelt da, einmal im codex 8742 bl. 187-191,
dann im cod. 7925 bl. 130-134, jenen bezeichnet A,
diesen B. A wird betitelt homiliae Salviani, B Isido-
rus in genesim; in A ist vornen eingetragen f ms. 120a,
hinten die zahl 629d, in B vornen ms. 105, hinten 330
was sich auf ältere cataloge bezieht, beide enthalten
noch manche andere lateinische Sachen. In A geht der
eebasis von gleicher liand geschrieben bl. 185. 186 vor-
aus: epitapliium Juliani apostat^; auf die eebasis folgen
wieder vom nemlichen Schreiber: enigmata Aldlielmi
epi dactilico carmine contexta. und auch in B stehen
bl. 135 ff. von derselben hand die enigmata Aldlielmi.
aus dem andern ist keiner der beideu texte geflossen,
beide scheinen sich aber mittelbar zurückzuführen auf
einen älteren codex, in welchem schon die eebasis den
aldhelmischen räthseln vorausgieng. Ich halte A für
etwas älter als B, den schriftzügen und gebrauchten
abkürzungen nach noch aus dem eilften jh.; B obgleich
weniger abkürzend mag aus dem zwölften sein. A
zeigt einzelne ae, sehr viele £. B hat viele fehler mit
A gemein, nicht alle, aber auch eigne. Dafs der Ur-
sprung des werks über die zeit beider abschriften hin-
aufreiche, lehrt im allgemeinen schon die fehlerhafte
bescliaffenheit des textes in verschiednen stellen (na-
mentlich z. 173. 1026), welche die copisten nicht mehr
verstanden und zu ändern suchten. Mein abdruck ist
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
ECBASIS.
28 7
nach A, für schwierige verse und ausdriicke wurde ß,
im einzelnen nicht durchgängig verglichen.
Da vers 1224 das gedieht selbst nur zu 1170 Zei-
len anschlägt, so scheinen, wenn man die fünf noch
weiter folgenden nicht berücksichtigt, ihrer 54 einge-
schaltet. Oder darf der 49 verse füllende prolog abge-
zogen werden und für spätere zufügung gelten? es
träfe beinahe. Sonst aber lassen sich gerade auch ei-
nige fünfzig aus Horaz eingetragne verse nacliweisen ;
beruht auf ihnen die interpolation ? wir wollen im ver-
folg näher zuselin.
Der klostername des Verfassers, obwol diesen die
rubrik nur als quidam bezeichnet, mag kein andrer als
Malchus sein, dem dichter gefällt, ihn in das werk selbst
zu verstecken: am liofe des löwen wrerden den tisch-
gästen vom einhorn die fortia gesta illustris monachi
captbi, nomine Malchi vorgesungen (583-588), das me-
morabile Malchi (790.) der monachus captivus ist der
quidam, dessen flucht, oder eebasis, aus dem kloster
geschildert wird, verhüllt in die fabel von einem aus
seinem stall entrinnenden kalb, darauf deutet auch der
ausdruck ‘per tropologiamwelcher den ausgang des
kalbs figürlich zu nehmen räth. Wahrscheinlich floh
der Verfasser nicht einmal wirklich, sondern wünschte
sich nur ledig, entweder seiner verschuldeten haft im
kloster, oder des klosters überhaupt: er nennt sich v.
58 claustrali carcere septum, und vergleicht sich 66.
67 dem kalb, dessen geschickte er vortragen will, in
dieser erzählung heilst es v. 191 : ut me conspiciunt,
wo dem Zusammenhang nach vitulum gefordert wird,
hieraus geht hervor, dafs der Verfasser, dem dies me,
vielleicht absichtlich entschlüpft, unter dem kalb ver-
borgen liegt. Man weifs sonst das geringste nicht von
den merkwürdigen begebenheiten eines Malchus: die
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
verse 583. 790 würden ganz müfsig und unverständlich
in der dichtung stehn, wenn sie nicht den vermuteten
bezug haben. Im prolog beklagt der Verfasser seine
übel angewandte kindheit oder jugend; er will sich
aufraffen und an diesem werk versuchen, dem er wei-
ter keine Vorzüge, doch einigen nutzen beimifst.
Meint er sich also unter dem kalb, so geht aus
den zeilen 124-128 noch mehr über ihn hervor, hier
heifst er Ümberbis juvenis, iullensis discolus urbis.’ disco-
lus, d. i. SvgkoXos bedeutet difficilis, morosns*), in der
klosterspraclie aber einen straffälligen, der sich tadel
und verweis zugezogen hat **). in solchem fall scheint
Malclius, als Schüler oder noviz, und darum in haft ge-
wesen zu sein.
Zugleich erfahren wir, dafs er aus Tüll gebürtig
oder dort im kloster war. Aber auch ohne das hätte
genug anderes den Lothring verrathen. v. 465 soll der
heilige Aper angerufen werden, der fünfte bischof von
Tüll, der im anfang des sechsten jh. lebte, rdessen fest
17 cal. oct. fiel. ***) Als die fische aufgezählt werden,
welche die Otter für den wolf herbeiscliaft, nennt der
dichter aufser dem Rhein auch die Mosa (entweder Maas,
franz. Meuse, oder lieber Mosel) und den ‘piscosus
Ralado’ (170. 171), zwei lothringische flüsse. dieser
Rabado ergiefst sich in [den Vogesen durch das gebiet
*) veniet sed dyscolus alter, Juvencus in Geo. Fabricii poet.
lat. p. 481.
**) noch im 18 jh. in Baiern: discola, verworfne des Ordens
(Lipowskys gemälde aus dem nonnenleben p. 162.)
**’) Adso in gestis episc. tullensium cap. 135. 145. Richerii
chron. senoniense (aus der mitte des 13 jh.), in Dachery spicileg.
tom. 3 Paris 1659. 4. p. 312. es bestand ein collegium sancti Apri,
ein Benedictinerkloster dieses namens zu Tüll (vgl. oben s. 54,
anm.)
E&mSMSI
ECB AS IS.
289
der abtei Senones, nicht weit von der gegend, die wir
oben s. 123 für den Wasgenstein ausgemittelt haben;
wahrscheinlich ist es der bach an des wolfs wolinstatte
(189. 1136.) die stiftungsurkunden des klosters nennen
ihn ausdrücklich ebenso. *) Hierzu stimmen nun der
Weinbau in des dichters heimat (dilectae vites 53) und
die gerühmten trierer weine: vina trevirensia (417. 733.
738) **); die Vosaginis partes (71); die vosagina canis
(329), so dafs die hole oder bürg des wolfs, in wel-
cher die haupthandlung vorgeht, bestimmt in den Was-
genwald gesetzt werden mufs. Die hole des igels ist
687 Stensile (- v v) benannt, und sein schlafgemach (die
kemenate) HunsaJoa (------v.) jene läfst sich nördlich
von Senones, {wenn man dem laufe der Saar bis nach
Finstringen (Fenestrange) folgt, im elimals rapolsteini-
schen orte Steinsel oder Stensel nachweiseil ***). viel-
leicht kennen diplome auch noch Hunsaloa. Beide na-
*) Childerici privilegium vom j. 661: ‘in pago Calvomontisi
in Yosago super fluviolum Rubadonem,' charta Ottonis 11. a. 949:
‘monasterium quod a novo in Iionore beatae Mariae sanctique Pe-
tri in sylva Vosago vocata, in loco Senonico dicto, prope fluvio
Rabodoni construxit.’ Don Calmet probat, bist. Loth. 1 , 258.
354. Bouquet 9, 382. auf den carten bei Don Calmet ist das
flüfschen auch angegeben.
**) aus einer bs. des 13 jb. bat Docen misc. 2, 192 folgendes
lat. lied:
Trevir metropolis,
Urbs amoenissima,
Quae Bacchum recolis,
Bacclio gratissima,
Da tuis incolis
Vina fortissima.
***) es gibt ein Niedersteinsel und Obersteinsel, zwei urkun-
den von 1051 haben ecclesia in Steinseila, Steinsiela (Kremers
origines nass, pars 2. Wisb. 1779. p. 125. 128.) verschieden ist
davon der wald Steinzel im Luxenburgischen.
I
■
19
290
ECBASIS,
men zeichnet schon der dichter als deutsche aus, sie
konnten stenseli (steinsaal) und liunsalaha (opferwasser)
bedeuten, wenn man in aloa nicht alah (haus, tempel)
sehn will. Das gedieht ist also entweder im kloster
Senones oder in dem (zehn stunden davon fernen) Tüll
selbst entsprungen.
Schwerer fällt die Zeitbestimmung, zwar die fabel
selbst geht vom april des jahrs 812 aus (69), was aber
höchstens darthut, dafs sie nicht früher abgefafst sein
könne, es wird doch wol absichtlich eine länger ver-
flossene zeit, um die begebenlieit zurück treten zu las-
sen., gewählt worden sein, in das neunte jli. ist gar
nicht gerecht, was ich gleich anführen will. v. 132.
254 begegnet der name Heinricus; 685 und 1149 Chuon-
radus oder Chuono. darunter müssen deutsche könige
gemeint sein , und die frage wäre nur zwischen Con-
rad 1 und Heinrich 1, oder Conrad 2 und Heinrich 3?
in jenem fall wäre das gedieht vor 936, in diesem hun-
dert jahre später vor 1056 entstanden, im zehnten so-
wol als eilften jli. machte Lothringen den deutschen
königen viel zu schaffen, Conrad 1 trat 911 und 913
in Lothringen und im Elsafs wider könig Carl von
Frankreich auf, den der tuller bischof Drogo begün-
stigte. Heinrich 3 demütigte im j. 1044 den ehrgeizi-
gen Gottfried den bärtigen, lierzog von Lothringen.
Der Verfasser scheint nicht von der deutschen partei,
denn Heinrichen stellt er als einen freund des wolfs
dar (254) und läfst den wolf als würdigen nachfolger
Chuonos preisen (1149), denkt sich also wieder einen
Heinrich darunter. der hochmütige (freilich gestrafte)
igel behauptet (685), dafs gegen sein, wie wir sahen
in Lothringen gelegnes, Stensile Conrads burgfesten
nichts bedeuten, das vom wolf gefangen gehaltne kalb
scheint sich auf könig Heinrichs laiulfrieden zu berufen,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
ECBASIS.
291
wenn ich ‘Heinrici placitis cepi moderamiua pacis’ (132)
recht verstehe, das wäre nun leicht Heinrich des drit-
ten treuga dei vom jahr 1043. *) gleichwol konnten
auch Heinrich 1 siege und gründungen der inneren wol-
fart des reichs als friedensbefestigung angeselin werden.
Ich möchte aus folgenden gründen auf Conrad 1 und
Heinrich 1 **) in unserm gedieht angespielt sehen.
Conrad 2 und Heinrich 3 wären schwerlich unter dem
blofsen eigennamen aufgeführt, da schon andere gleich-
namige könige ihnen vorausgehn; wie hätte aber der
dichter, falls er im eilften jh. lebte, nicht vielmehr der
Ottonen gedenken sollen, deren name unter dem volk
viel gröfser war? auch des biscliofs Bruno von Tüll,
der im j. 1049 unter der benennung Leo IX den päbst-
liclien Stuhl bestieg, seines berühmten landsmannes,
erwähnt er nirgend.
Der hernach folgende auszug der fabel ergibt, dafs
zwei generationen von thieren vorgestellt werden, ein
wolf und fuchs, die zur zeit des kalbs, im jahr 812,
leben, und ihre vorfaliren, deren frühere abenteuer
daneben erzählt sind, jene anspielungen auf Heinrich
gehören der jüngeren periode, auch das Cuonone se-
cundus (1149) betrift den späteren wolf. Conrads bür-
gen hingegen setzt herab nicht der als dieses wolfs
dienstmann auftretende ericius, sondern ein älterer eri-
cius, der mit des wolfs und fuchses grofsvätern am kö-
nigshofe zusammen auftritt. Das wird jedoch nichts
verschlagen, um hinter des dichters Cuono beidemal
einen und denselben könig zu verstehn. Ob auch un-
ter dem könig der thiere, der in seiner krankheit auf
*) Reinhart fuchs LXVII.
**) auf den zweiten Heinrich deshalb schon nicht) weil ihn ein
geistlicher würde geschont haben.
19 *
292
E C B A S I S.
schlaues anstiften des fuclises, den parder adoptiert und
zum mitkünig erwählen läfst, ja diesem zuletzt das west-
liche reich übergibt und sich in den Schwarzwald zu-
rückzielit, wirkliche begebenlieiten gemeint seien ? be-
zweifle ich. der salische Conrad liefs zwar 1028 Hein-
rich (den dritten) zum naclifolger krönen , dies war aber
sein leiblicher solin, und Conrad behielt bis zum tod
(1039) die ganze reichsgewalt. jene adoption hat, wie
mir scheint, gleich dem sieclithum des königs, blofs in
der fabel grund. Gehört Malchus selbst dem zehnten
jli., so konnte er nichts von den jungem ereignissen
wissen.
Meine ansicht, dafs die ecbasis captivi der abfas-
sung des Waltharius gleichzeitig sei, vielleicht um jahr-
zehende vorhergehe, will ich nun durch einiges andere
zu bestärken suchen. Jene deutschen Wertformen hun-
saloa, stenseli (falls so zu lesen), rabado klingen voll
und alt, wie sie freilich in eigennamen auch das eilfte
jh. forterhalten konnte. den namen des pförtners Aunguis
(688)erachte ich für verderbt; GralF 1, 351. führt einen
eigennamen. Angisi auf. poma geroldinga (1026) habe
ich sonst nur in Carl des grofsen capilulare de villis
(a. 812)*), nicht mehr späterhin , getroffen, die Schrei-
bung Hrenus (169), nicht Rhenus, scheint alt, und fin-
det sich in vielen urkunden, z. b. zweien von 821.824
in Schannat trad. fuld. n° 320. 355, deutsche denkmä-
ler haben frühe schon Rin (GralF 2, 522.) mundihurdia
(252) ist auch sonst häufig.
In dem eigentlich lateinischen ausdruck scheint mir
folgendes hervorzuheben, der wolf nennt sich selbst
legirupis (196) d. i. gesetzbrecher, ehbrecher (ahd. eAwa-
brehho); ebenso hat ein andres gedieht des zehnten
') Pertz 3, 187.
E C B A SIS.
293
jh.*): Legirupis en Wido tubis rediviva resumit Agmina,
nur dafs hier besser scandiert wird -t/t/-, in der ecb.
---V v\ richtiger ist legirupa, oder das adj. legiru-
pus. ariete (368) wie arjete genommen erinnert an Ab-
bos **) ‘super argete’ (Pertz 2, 782) vgl. Ermold
(Pertz 2, 473) lind Statii Theb. t, 492. munera BacclU
(632) gemahnt an Ermold. Nigellus (Pertz 2, 510) und
Walthar. 318 (oben s. 66), wiewol wir noch heute
sagen: die gaben des B. auch potis est (622) wie im
Waltliarius (oben s. 65) und somno vinoque sepultus
stimmt zur lesart von C Waith. 358. Die Wendung
‘si non fortassis abesset’ (1098) klingt fast so unverständ-
lich wie das s. 87 besprochne ‘forsan abesset’. tultus
für ablatus (1012. 1132) findet sich in der lex Alam.
34, in Marculplis formein 1, 28, bei Pertz 1,476 u. s. w.
Dunkel ist decaniae lex (394); man konnte den vers
mit deni vorausgehenden verbinden, und die Ursache
der krankheit des königs in einer lex decaniae, die ver-
liafst oder gottlos gewesen, aufsuchen, dann würde re«!-
cepta zu causa zu nehmen, und soviel wie accepta sein,
eine solche decaniae lex weifs ich aber nicht zu deuten,
besser gehört also der vers zu den folgenden: da die
lex decaniae eingeführt war (d. 1. recepta), so fügte es
sich (forte fuit causa, es war die saclie, geschah), dafs
der wolf 2 um decan und kümmerer gewählt wurde, der
decan halte nemlich darauf zu sehn, dafs des königs
alle thiere an liof rufender befehl genau erfüllt werde
und keins ausbleibe: est sibi commissum, peragret con-
sortia fratrum, an quis deficiat? (400.) in einer andern
stelle heilst der camerarius auch ‘ordine denus* (570.)
*) incerti auctoris carmen in laudem Bererigarii (j- 916) bei
Leibnitz 1, 249.
**) Abbo (ein dichter aus der zweiten hälfte des neunten jh.)
de bellis parisiensibus.
1
294
ECBASIS.
Man weils aus Regino, dafs damals in jede pfarrei red-
liche und fromme laien angeordnet werden sollten,
welche, decani genannt, über kirclienbesuch und sitten-
reinlieit an jedem orte zu wachen hatten *). der prü-
mer abt blühte im beginn des zehnten jli., und diese
art von kirchenpolizei scheint vorzüglich für es ge-
recht, wenn sie sich auch langer erhielt, das chroni-
con senoniense bei Dachery p. 315 nennt noch villicos,
decanos und forestarios neben einander.
Die 859-61 ausgehobnen worte eines kirchenva-
ters könnten zur festsetzung der zeit dienen, insofern
dieser dem zehnten jh. oder gar einem spätem gehörte;
sind sie, was ich vermute, alter, so bleibt ihre anfiih-
rung gleichgültig, die zum grund gelegte sentenz: cor-
pus quod corrumpitur aggravat animam ist aus dem
buch der Weisheit 9, 15 und gewis von vielen lehrern
commentiert worden **). Am willkommensten wären
andere literarische nachweisungen über den Verfasser,
oder seine arbeit. Vielleicht liefert Richers lange er-
sehntes, der zeit und den Örtlichkeiten nahes geschiclit-
buch einige mir noch entgehende haltpuncte. Auf meine
annahme führt im allgemeinen nicht nur das vorhin
s. 286 hezeichnete Verhältnis der liandschriften zu dem
werke selbst, sondern auch Stil, einkleidung und be-
schaffenheit des ihm zum grund liegenden stofs.
Den an sich selbst armen, mageren inhalt der dich-
•) Regino de ecclesiasticis disciplinis II. 5, 69: si in una-
quaque parroecliia decani sunt per villas constituti, viri veraces et
deum timentes, qui ceteros admoneant, ut ad ecclesiam pergant
ad matutinas, missam et vesperas, et nihil operis in diebus festis fa-
ciant, et si horum quisquam transgressus fuerit, statim presbytero
adnuntient. similiter et de luxuria et omni opere pravo.
**) vgl. z. b. den sermo 27T bei Augustinus (opp. Antwerp.
1700. 5, 778b.)
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E C B A SI S.
295
tung verwickeln zwei in einander gefügte fabeln; es
würde iniilie kosten, ohne die beigesetzten namen der
redenden *) dem Wechsel des gesprächs zu folgen, zur
Übersicht gebe ich hier einen auszug des ganzen.
Ais im frühling des jahrs 812 alle hirten und beei-
den des Wasgaus fröhlich auf die weide auszogen, blieb
ein noch säugendes kalb angebunden im stall daheim,
es wäre gern seiner mutter nachgesprungen, mit lecken
und kauen machte es sich endlich der fessel los, und
eilte nun auch zum gefilde.
Es geräth aber in einen dichten 'wald, und wer
ihm begegnet ist ein geistliche lieder singender wolf.
dieser, froh solcher beute, führt den gezwungnen gast
seiner hole zu. seit drei monalen hatte er kein süfses
fleisch, keinen blutigen becher gekostet, und den leib
kasteit durch mönchische speise: jetzt solle das opfer
fallen. Das kalb erkennt die schuld seiner flucht, fleht
aber um aufschub der hinrichtung, bis morgen messe
gesungen werde; könig Heinrich habe frieden im lande
geboten. Der wolf gewährt die frist; unterdessen möge
es essen, was sein inönchshaushalt biete, und die aus-
gesandten diener heimbringen.
Beim anbruch der nacht langen diese an, die Ot-
ter mit fischen, mit gemüse und obst der igel. da führt
der wolf wieder klagen über seit nun bald acht jah-
ren **) genossene mönchskost; jetzt altere er und wolle
nach seinem tod den treuen dienstmannen, dem igel die
felsenliöle , der Otter den fischreichen bacli hinterlassen.
Als die diener das kalb gewahren, wundert sie des
*) im Kuodlieb geschieht diese beifügung nur einmal s. 166;
im Waltharius wäre den s. 86. 87 besprochnen stellen dadurch
sehr geholfen.
**) 182, vgl. 298. 387; vorher aber 112 war blofs die rede
vom dritten monat.
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296
EC BÄ SIS.
fremden gasles. der wolf erklärt seine absiclit es mor-
gen zu verzehren und empfiehlt ihnen Wachsamkeit, dafs
es nicht entwische. Hierauf halt der igel den eingang
der hole besetzt und singt ein lied von den tliaten des
wolfs; während dieser in schlaf fällt, labt die gutmü-
tige Otter das kalb mit speise und tröstendem Zuspruch,
unter dem essen wird die ‘reparatio lapsi’ gelesen und
gebetet.
Nach mitternaclit schreckt den wolf ein traumge-
sicht, das er seinen leuten erzählt: käfer, wespen, flie-
gen, zumal zwei hornisse umflogen ihn, das kalb stand
daneben, und ein lautschreiender fuchs, dessen ge-
sclirei wünscht er sich gedeutet. Sogleich ist die Otter
zur auslegung erbötig: über ihm schwebe todesgefalir,
wo er nicht das gefangne kalb ledige, unter den fliegen
seien die wilden tliiere gemeint, unter dem Stachel der
wespe der bittere tod, unter den hornissen die eitern
des kalbs, deren liörner *) ihn durchbohren werden,
der fuchs aber jubele.
Dieser traumdeutung mag der wrolf nicht folgen;
selbst wenn ihm Heinrich, sein gönner, fünfhundert
scliweine und ebensoviel gemästete kälber geben wolle,
dürfe das kalb nicht ungestraft bleiben, welches ihm
noch die Überbleibsel seines malils verthan habe. Er
heilst seinen erzcaplan , kämmerer, küchenmeister, rat-
geber und lichter (alle diese äinter vereinigte der igel
in sich), am frühen morgen den gefangnen zu tüdten,
allein weder zu zerstiicken noch zu braten, er will das
süfse fleisch ganz frisch geniefsen. Hierauf setzt er in
mchrern versen die bolinen herab, durch deren lange
kost sein leib geschwächt worden sei; solch gemüse
tauge barbarischen Franken, er wolle zur allen sitte
*) 245. 1163; führte das horn der rinder auf hornuz?
ECB AS IS.
297
des kraftverleihenden fleisches wiederkehren, und ge-
sunden. Vergeblich warnt die Otter vor diesem greuel
und vor der Verachtung des heiligen münchtliums.
Mittlerweile ist dem rinderhirten durch der kuh
und des ochsen gebriill die abwesenlieit des kalbs kund
geworden. Da nahet ein spürliund des Vosagus mit
der meldung, in einer rauberhöle des gebirgs habe er
gestern abend lärm vernommen, dort sei zu suchen.
Alsogleich machen sich häufen, an ihrer spitze der brül-
lende stier, dahin auf, und belagern die bürg. Schlaf-
trunken sammelt der wolf seine Streiter zur Verteidi-
gung. beide dienstmannen versichern ihn unerschütter-
licher treue, wünschen aber bei dieser Veranlassung den
Ursprung seiner Feindschaft mit dem fuchs zu vernehmen.
Ihr herr, der wolf, ist dazu bereit und erzählt
ihnen den liergang der länge nach, hier beginnt die
andere, den gröfsten theil des gedichts (392- 1095) fül-
lende fabel, nur einmal durch wechselrede des wolfs und
der Otter (1010-1015) kurz unterbrochen.
Der lüwe liegt krank im wald. an alle thiere er-
geht gebot, der hole ihres künigs zu nahen und lieil-
mitlel zu bringen, des wolfs grofsvater, als ernannter
kämmerer, beaufsichtet, ob auch alle erscheinen, blofs
der kluge fuchs bleibt mit seiner arznei aus, und das
wird des künigs obren nicht unvermeldet gelassen, der
ihn zu fallen und zu zerreifsen befiehlt, der wolf sinnt
auf quälen und läfst einen hohen galgen errichten.
Den einzigen parder kümmert dies verfahren, und
er macht sich auf, seinen mitbruder zu holen, nach
weiler reise trift er ihn, wird von dem fuchs gespeist
und mit trierischem weine bewirtet, dann verrichten
beide ihr andächtiges gebet und treten den weg nach
liof an.
Bei der hole angelangt läfst gleichwol der fuchs
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
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E C B A SIS.
den parder unter einer nahen eiche *), und geht selbst,
nicht ohne zittern, unter die äugen des königs. dieser
forschte sogleich nach der Ursache des ausbleibens. ‘als
das wasserhunversetzte der fuchs, ‘vom see Genesa-
ret fliegend mich erblickte, gab es mir die arznei an,
die ich nach Bourdeaux eilend dem kranken könig hin-
terbringen sollte; als pilgrim wallte ich über Rom an
die ufer des Po, bei Pavia stiefs ich auf den langge-
schnäbelten storch, der mir traurig dasselbe lieilmittel
wiederholte und nur hinzufügte, dafs auch der beistand
des heiligen Aper angefleht werden müsse.’ ‘übel berüch-
tigt ist dein leben,’ antwortete der könig, ‘wer mag dir
trauen?’ ‘deinetwegen habe ich die weite weit durch-
wandert, ich bin alt und greis, wie sollte ich teuschen?
der ganze hof urtheile über mich, werde ich des todes
schuldig befunden, so unterliege ich dem recht.’ Alle
pflichteten gerührt dieser rede bei, des löwen zorn sänf-
tigte sich, und zum Zeichen des friedens berührte der
fuchs den königlichen zepter.
Nun begehrte der löwe das lieilmittel des wasser-
liuns zu erfahren, ‘ich mufs es’, versetzte der fuchs,
‘auch gegen meinen willen offenbaren : der wolf, mein
pathe, werde von dem baren und beiden liichsen vor
die thüre der pfalz geführt, damit nicht erbarmen die
seele des königs rühre , und schnell seiner haut ent-
blöfst; dann reibe ich das mitgebrachte geliirn eines
indischen fisches auf dem rücken und den lenden des
siechen ein und schlage die frische wolfshaut über: die
wärme des pelzes wird das lieifse fieber herausziehen.’
Unverzüglich genehmigt der löwe diese Vorschrift, den
bestürzten wolf führen bar und Hiclise hinaus, und
•) 434. 435 dunkel; warum verehrt hier der fuchs, den man
doch unter regina zu verstehn hat, seinem reisegefährten neun,
schillinge^goldes?
ECB ASIS.
299
streifen ihm die haut von der Schulter an über den
ganzen leib ab, so dafs sie nur noch an köpf und füfsen
haften bleibt. Der sieche wird eingerieben, mit der
haut umgürtet und erwärmt.
Der arzt sitzt neben dem kranken, läfst sich einen
labetrunk reichen und tadelt dann das ungerechte über
ihn gefällte urtlieil; unter allen tliieren sei er zuletzt
an hof erschienen, habe aber auch mehr als alle ge-
leistet. Die ganze Versandung rühmt ihn und erweist
ihm ehre. Der fuchs läfst den löwen zu bett bringen
und verordnet einfache mönchskost; der könig hinge-
gen verleiht ihm den stab (gestamen sceptri 560) und
unbeschränkte hofgewalt. Alle sollen auf sein wort
gehorchen, wie auf das des königs.
Der neue graf des königlichen hauses (domus co-
ines 565) überträgt seinerseits dem leoparden, sorge auf
speise und getränk zu haben, und den übrigen haus-
lialt zu ordnen, namentlich befiehlt er, dürres holz aus
dem walde zu holen, damit kein rauch gewänder und
teppiche verderbe, die hole zu kehren und mit wolrie-
clienden blumen zu bestreuen, auch Wachskerzen auf
die tische zu stellen, über tafel solle das einhorn mit
seinem gesang die gäste erheitern, der könig aber nach
eingenommner arznei sich an den duftenden kräutern
und der murmelnden quelle des gartens ergötzen, wäh-
rend haus und bette gelüftet werde.
Der leopard legt bitte ein für das hungernde und
dürstende liofgesinde, worauf gestattet wird, dafs es
sich mit wein erquicke. Vom leopard werden nun alle
thiere zusammen berufen und jeder in sein gescliaft
gewiesen : der bär soll holz, das kamel kleider, die Ot-
ter brunnenwasser, der biber das übrige wasser tragen,
der tiger für brot sorgen, der schwarze elefant für Zu-
bereitung der fische und vögel; der leopai^l selbst ist
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
300 E C B A S IS.
truclisefs, der liirsch schenk, der eher lliürhüter. die-
ser verlangt sich das eiclihorn beigegeben, das eine hohe
buche besteigen und nahende feinde erspähen soll, wie
er sie mit dem geruch wittern will. luchs und genise
haben wache beim könig, die meerkatze steht dem bett-
werk vor, der alle den leuchlern; der staclilichte igel
soll äpfel herbeischaffen und sänger sein, das eiclihorn
eichein und misse brechen. (Man erinnere sich der an-
derwärts unter die thiere ausgelheilten geschäfte, Reinh.
CCXV1II. CCXCI.)
Jetzt erhebt sich liefliger Wortwechsel zwischen
leopard und igel, dessen stolz sich durch das ihm er-
theilie amt beleidigt fühlt, obsclion klein sei er klug
und mächtig, er zählt ahnen und würden auf und schil-
dert seine burgfeste, welcher Conrads Schlösser nicht
das wasser reichen, diese bürg , wenn ihn der leopard
nicht weiter zu knechtischem dienst dränge, wolle er
seinen (des leopards) kindern durch förmliche urkunde
abtreten, denn unerträglich sei ihm in langer knecht-
schaft die ermel zu zerreifsen. Diese wrorte nimmt der
truclisefs liochfahrend auf und befiehlt den igel in die
küche abzugeben, wo er braten drehen und schüsselgespül
trinken soll: so werde übermütiges gesinde zurecht gebracht.
Der igel mufs sich seinem harten gescliicke fügen.
Nun gibt fuchs, welcher des leopards verfahren gut
geheifsen hat, weiter zu erkennen, der könig wünsche
in seine gegenwart einen auserwählten bruder, der
psalmen und geistliche lieder zu singen wisse; hierfür
scheine keiner geschickter als der parder. in dieser an-
sicht stimmt ihm unter Schmeicheleien und freundscliafts-
versicherungen der leopard völlig bei.
Nachdem sich der könig aus dem bette erhoben
hat, fordert er starken ausländischen wein; doch wird
ihm vom fwchs nur Irierischer bewilligt. Als der löwe