© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
VORREDE.
zugezogen werden, erst damit erlangt jenes bild, in welchem uns
sämtliche deutsche sprachen die vordere bühne einnehmen, seinen grund
für die in der tiefe aufgestellten ausländischen und eine rechte perspec
tive thut sich unsern blicken auf. von solchem stand aus habe ich
mich nicht enthalten können diesmal die geschichte unserer spräche
zu unternehmen, und ihr wenigstens eine reihe von wechselnden aus-
sichten zu eröfnen, im bessern fall haltpuncte zu gewinnen, an wel
chen fortgesetzte Untersuchungen haften und indem sie auswüchsiges
wieder abstreifen aller wahren fortschritte sich bemächtigen können.
Es scheint mir insgemein eine löbliche eigenschaft deutscher arbeiten,
dasz sie nicht alles abthun noch vorschnell zu Schlüsse bringen wollen,
sondern sich auch unterwegs gefallen, an unvorhergesehener stelle nie
derlassen und beete anlegen, die noch forlgrünen nachdem das haupt-
feld schon in rüstigere bände übergegangen ist; französische und selbst
englische bücher, welchen an sorgsamer ausgleichung des inhalts mit
der form allzuviel liegt, pflegen, wenn sie veralten, leicht entbehrlich
zu werden.
Ich arbeite zwar mit ungeschwächter innerer lust, aber ganz ein
sam , und vernehme weder beifall noch tadel sogar von denen die mir
am nächsten stehend mich am sichersten beurtheilen können, ist das
nicht ein drohendes Zeichen des Stillstands oder gar der abnahme ge
meinsam sonst froh gepflogener forschungen, für die fast kein ende
abzusehen schien? was ich zujüngst in der deutschen grammatik ge
leistet habe und der gröszten erweiterung allenthalben fähig wäre, ist
nur lässig und kalt aufgenommen und von keinem fort geführt worden;
darum versuche ich in vorliegendem werk schwierige hauptstücke die
ses fachs, wie sie mir bei wiederholtem nachsinnen sich gestalten,
neuerdings auf die bahn zu bringen, mein capitel XXXV lehrt augen
scheinlich, dasz man bei den Wörtern auch ohne die Sachen nicht
abkomme.
Rerlin 7. merz 1848.