© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77
ABLAUT
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Dies alles vorausgesandt kann ich nun näher auf den ablaut
eingehn.
Ablaut ist dynamische Verwendung des vocalgesetzes auf die Wur
zel der ältesten verba, um die unterschiede der gegenwart und Ver
gangenheit in sinnlicher fülle hervorzuheben, dadurch dasz er alle und
jede vocalverhältnisse in sich schlieszt, ruht er aul dem innersten grund
der spräche, an ihm hängen wollaut und zutrauliche gewalt unse
rer rede.
Fünf ablautende conjugalionen bilden sich, deren keine den vocal
des praesens im praet. bestehn läszt, und allein die dritte für den sg.
und pl. praet. gleichen ablaut verwendet, während die übrigen jedwe
dem numerus eignen geben, welchen vocal pl. ind. zeigt, derselbe
findet im ganzen conj. sg. wie pl. statt, der vocal des part. praet.
stimmt bald mit dem praes., bald mit dem pl., nicht aber dem sg.
praeteriti. einmal hat das part. praes. auch seinen ablaut für sich.
Es genügt die fünf conjugationen nach der goth. spräche auf
zustellen :
praes. 1 praet. sg. A praet. pl. U part. U
I A £ I (U)
U A 6 U
A Ö Ö A
EI AI I I
IU AU U U
Die erste conjugalion beruht auf dem Wechsel aller drei kurzen
vocale selbst, ohne Zuziehung langer und diphthongischer, voraus
setzt sie zwei consonanlen nach dem wurzelvocal, entweder doppelte 847
liquida oder liquida mit muta, einigemal auch spirans und muta: lin—
nan lann lunnum lunnans; finj)an fanj) funjuim funf)ans; hvairban hvarb
hvaurbum hvaurbans; trisgan trasg trusgum trusgans.
Im gegensatz hierzu sind der zweiten conjugation lauter kurzsil-
bige wurzeln eigen, deren vocal von einfacher consonanz geleitet wird,
sie wechselt kurzen vocal zwischen praesens und sg. praet., läszt aber
im pl. praet. langen eintreten. Man musz ihr, scheint es, zwei arten
einräumen, jenachdem das praesens I oder U zeigt; zwar dem sg. praet.
gebührt beidemal A, es ist aber unwahrscheinlich, dasz der pl. £ ent
falten könne, wenn das praes. U, wie wenn es I lautet; erst dadurch
werden die rechte beider kurzen vocale gewahrt, dasz im pl. praet. I
ein £, U ein Ö nach sich ziehe.
Die erste art hat kein bedenken: stilan stal stölum; qiman qam
qemum; bairan bar börum; qipan qaj) qejnim; lisan las lesum; ligan
lag lögum. nur der laut des part. praet. schwankt, vor liquidis be
kommt er U: stulans numans qumans baurans, hingegen gibans qiftans
lisans ligans; ausnahme ist brukans und wahrscheinlich auch stukans;
ahd. kiprochan, kistochan.
Die zweite art, als einen neuen fund, musz ich umständlicher be
handeln. auf sie leitete mich zuerst die entdeckte analogie zwischen
den subst. qinö : qöns = funa : fön. qinö femina, qens uxor schei-
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