Full text: Geschichte der deutschen Sprache. - Band 1 und 2

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L77 
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SCHWACHE NOMINA 
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gaume glaube, aus welchem gen. gleichwol noch kein nom. -en zu 
folgern ist, da nach alter gewohnheit der nom. sg. richtiger ohne -n 
bleibt, obschon ihn einige Schriftsteller auf -en bilden, so gut es 
goth. heiszt hana hanins, kann auch nhd. gesagt werden daume daumens. 
2) einige Wörter weichen ganz in die starke decl. aus: liahn hahns, 
mond monds statt des mhd. hane hanen, mäne mänen; einzelnen genügt 
es den nom. acc. sg. stark zu setzen, alles übrige geht schwach: menscli 
menschen, fürst fürsten, narr narren, wieder andere schwanken im 
gen.: schmerz Schmerzes und schmerzens, greif greifes und greifen; 
greis greises und greisen. Die Verwirrung steigt dadurch, dasz ein 
zelnen starken Wörtern, deren -e aus -u entsprang, schwache flexion 
ertheilt wurde: friede friedens, schatte Schattens •= goth. frifms frifnius, 
skadus skadaus; diesen darf noch weniger im nom. sg. -en gegeben 
werden, umgekehrt müsle rabe den nom. sg. raben — ahd. hraban 
gen. hrabanes behalten und statt des gen. raben vielmehr rabens. 
Noch mehr aus ihrer fuge gerathen sind die feminina, für welche nhd. 
der grundsatz durchgreift, dasz alle subst. den sg. stark, d. h. un 
veränderlich auf -e, den pl. schwach, d. h. auf -en bilden, wir flec- 
tieren den sg. zunge zunge zunge zunge statt des mhd. zunge zungen 
zungen zungen, den pl. noch wie mhd.; hingegen zwar den sg. gäbe 
gäbe gäbe gäbe wie mhd., aber den pl. gaben gaben gaben gaben, 
statt des mhd. gäbe gäben gäben gäbe, in den gen. pl. starker fern, 
erster deck war schon ahd. die schwache form kepönö cingedrungcn 
statt des goth. gibö und nicht anders lautet der mhd. gen. pl. -en 
für -e; zuletzt ergrif sie nhd. den ganzen pl. Zwischen subst. und 
adj. ist der einklang gestört, da subst. alle casus auf -e, schwache 
adj. aber den gen. und dat. sg. auf -en, nom. und acc. auf -e bilden, 
im letzten casus weicht also die nhd. von der mhd. declination, ahd. 
hiesz es dia plintün coecain, mhd. die blinden, nhd. die blinde. Die 
wenigen schwachen neutra sind nhd. fast ganz verschwunden wie unter-950 
einander abgeirrt: herz herzcns, ohr olirs, äuge auges; die adj. haben 
ihre form behauptet, menge helle schwere u. s. w. sind im sg. nach 
starker weise ganz unveränderlich. 
Auf ähnliche, doch verschiedne weise wurde mnl. die schwache 
flexion beeinträchtigt, nemlich alle subst. entziehen dem acc. sg. sein 
-n und machen ihn dem nom. gleich, man könnte sagen: masc. und 
fern, werden wie neutra behandelt, dagegen lassen alle adj. jedem 
obliquen casus des sg. sein -en, und entziehen es dem nom. acc. pl. 
Nnl. fallen im subst. starke und schwache deck zusammen, d. h. 
was nhd. blosz für das fern, durchgesetzt ist, dasz der sg. starke, der 
pl. schwache form annimmt, gilt hier für alle geschlechter. ebenso 
macht das adj. keinen unterschied zwischen starker und schwacher 
declination, weicht aber vom subst. ab, indem es für den gen. dat. 
acc. sg. masc. -en behauptet. 
Anziehender ist die belrachlung der ags. schwachen flexion, in 
welcher A vorherscht und nichts erscheint, was dem goth. und ahd. I 
des gen. dat. sg. masc. neulr. gleichkäme, der nom. sg. masc. hana, 
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