XL! II
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 72
Die langzeile der altfranzüsischen ep.en war doppelt,
entweder von zehn silben, mit dem einschnitt nach der
vierten, oder von zwölfen, mit dem einschnitt nach der
sechsten, der eigentliche reim hat sich ihr noch nicht
entwickelt, blofs ein streben nach ihm , die vocalische
assonanz. Aus dem zwölfsilbigen vers ist der neufran
zösische gereimte alexandriner hervorgegangen, der in
zwei gleiche Stücke zerfallt, wie der pentameter, was
beide gegen den zehnsilbigen vers und den liexameler
in nachtheil stellt, doch bei klingendem ausgang lafst er
in der zweiten hälfte eine siebente silbe iiberfliefsen,
wir haben gesell n, dafs auch der ahd. vers zur kiir-
zung der ersten hälfte geneigte, weniger deutlich bei
Otfried , als Ratpert. die nibelungische Strophe thut es
zum mindesten entschieden in ihrer vierten zeile. Auch
des slavischen Volkslieds sei noch gedacht, es hat zehn
silben oder fünf hebungen in jeder zeile, den einschnitt
nach der zweiten hebung, also mit beträchtlichem Über
gewicht der zweiten hälfte, ich gebe beispiele aus ser
bischen liedern:
schta se bjeli | u gori zelenoj,
il se snieg |, il su labudovi?
mjesetz kara | zvijezdu danitzu,
dje si bila |, dje si dan gubila?
gewöhnlich kein reim, doch kann er zutreten, und er
greift dann schlufs und casur, wie in der letzten an
geführten zeile, oder in folgenden:
sind; denn sonst hätten wir in zwei stumpfen kurzzeilen der klage
jedesmal den alten epischen vers. in den langzeilen der edda
fühlt sich noch der auch aus der alliteration hervorgehende Zu
sammenhang beider theile. weder die klage noch der Parzivnl
läfst sich in langzeilen darstellen, weil daun stumpfe mit acht und
klingende mit sechs hebungen neben einander liefen; wol aber
Otfried, der keine klingenden verse hat.