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yreises schont er zuletzt nicht mehr. alles was begon-
nen hat, musz auch aufhören, der stab den du oben fas-
sest, unten geht er zu ende. die natur gütig und grau-
sam zugleich, mit dem einen auge scheint sie froh auf
das neugeborne kind niederzuschauen, mit dem andern
unerbarmend auf die leiche des alten mannes. jede ab-
weichung von ihrem festen gange brächte ihr störung,
wider den tod ist kein kraut gewachsen. was ist nun
trauriger, eines jünglings tod oder des greises? jener ist
nach Ciceros schönem gleichnis wie wenn man unreife
äpfel vom baume abreiszt, dieser wie wenn sie reif vom
zweig selbst herunterfallen. des jünglings tod wie wenn
du wasser auf eine flamme gieszest und sie gewaltsam
auslöschest, des greises wie wenn ein feuer in sich ver-
ylimmt. dies verglimmen stimmt mit dem der abend-
röthe am himmel, die wir schon einigemal zum greisen-
alter hielten, nach ihr folgt düstere dämmerung und
dann bricht nacht ein. senectus crepusculum est, quod
longum esse non potest, sagte auch schon Fronto. so-
lange uns die sonne leuchtet, ist zeit des wirkens bis
unsre tage ausgelebt und wie einzelne tropfen vom dach
niedergefallen sind. wir treten auf die erde und schrei-
ten über den grund hin bis wir in den mütterlichen
schosz zurücksinken. unsre heidnischen voreltern leg-
ten einem sterbenden die worte in den mund: heute
abend werde ich beim Wodan zu gaste sein, und noch
heute hat das volk die derben aber treffenden redens-
arten: sein letztes brod ist ihm gebacken, sein letztes
kleid geschnitten. Göthe mit einem heiteren aber tief-
sinnigen, glück und leben zusammenstellenden euphe-
mismus sagt:
Jer mensch erfährt, er sei nun wer er mag,
ein letztes glück und einen letzten tag.